Kurz-Protokoll 384. Verhandlungstag – 24. Oktober 2017

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Zu Beginn dieses Verhandlungstag verkündet Götzl, dass alle bisherigen Ablehnungsgesuche zurückgewiesen wurden. Die Verteidigungen, u.a. von André Eminger, verzögern den Ablauf trotzdem, weil sie die Kopien der Beschlüsse unverzüglich erhalten wollen und später diese bis zum kommenden Prozesstag und nicht sofort auswerten wollen. Zwischenzeitlich wird der Durchsuchungsbericht bzgl. der Durchsuchung bei Maik Eminger verlesen und Fotos davon in Augenschein genommen.

Planmäßiger Beginn ist heute um 13 Uhr. Um 13:12 Uhr geht es tatsächlich los. Als Nebenklägerinnen sind heute Gamze und Elif Kubaşık anwesend. Nach der Feststellung der Präsenz sagt Götzl: „Dann wird mitgeteilt: Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten Eminger gegen Richterin Dr. Wagner [Richterin in einem Spruchkörper, der über ein anderes Ablehnungsgesuch zu entscheiden hatte] einerseits und Richterin Odersky, Richter Kuchenbauer und mich andererseits sind als unbegründet zurückgewiesen worden.“ Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Herr Vorsitzender, ich bitte die Verhandlung zu unterbrechen und mir die Ablichtung des, wie Sie sagten, gerade Ihnen überreichten Beschlusses, dass Sie und die übrigen abgelehnten Richter nicht befangen seien, auszuhändigen, um das weitere prozessuale Vorgehen mit meinem Mandanten zu besprechen nach Kenntnisnahme des Beschlusses, den ich erwähnt habe.“ Bundesanwalt Diemer sagt, es gebe nach seiner Auffassung keinen Anlass zur Unterbrechung: „Sie haben mitgeteilt, dass Beschlüsse eingegangen sind, und ich nehme an, Rechtsanwalt Kaiser möchte überlegen, ob er ein neues Befangenheitsgesuch stellt, das kann er immer noch, wenn er die Beschlüsse bekommt.“ Götzl: „Dann unterbrechen wir die Hauptverhandlung bis 13:30 Uhr.“
Um 13:37 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet, dass die Anträge von Kaiser und Heer auf sofortige Unterbrechung der Verhandlung, um Kenntnis vom Inhalt der Beschlüsse zu nehmen, abgelehnt werden. Kaiser und Heer werde ohne Rechtsverlust Gelegenheit gegeben, in einer späteren, noch zu verfügenden Pause Kenntnis zu nehmen und ggf. ein Ablehnungsgesuch zu stellen.

Dann sagt Götzl, dass beabsichtigt sei, Teile eines Ermittlungsvermerk zur Durchsuchung im Haus von Maik Eminger, des Bruders von André Eminger, in Mühlenfließ in Brandenburg und Beschriftungen aus der dazu gehörigen Lichtbildmappe zu verlesen, sowie Teile der Lichtbildmappe in Augenschein zu nehmen.
Richter Lang verliest die angekündigten Teile des Durchsuchungsberichts. Aufgrund von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen [phon.], wonach André Eminger am 23.11.2011 mit seinen beiden Kindern und ohne Susann Eminger zu seinem Bruder nach Mühlenfließ habe reisen wollen, sei am 24.11.2011 die Wohnung des Zwillingsbruders Maik Eminger aufgrund eines Beschlusses des Ermittlungsrichters am BGH vom 23.11.2011 durchsucht worden. Beim Durchsuchungsobjekt handele es sich um einen vollständig geschlossenen Vierseitenhof in Ortsrandlage. Neben dem eigentlichen Wohnhaus existierten zahlreiche weitere Gebäude, die untereinander verbunden seien. Alle Teile seien in baulich schlechtem Zustand, die Wirtschaftsgebäude würden überwiegend als Abstellfläche genutzt. Das Anwesen verfüge über zwei mit Holztoren gesicherte Eingänge. Das eigentliche Wohngebäude der mittlerweile sechsköpfigen Familie des Maik Eminger liege im nordwestlichen Teil des Grundstücks. Die Wohnung sei in unordentlichem und ungepflegten Gesamtzustand. Es gebe zwei Schlafzimmer, einen Wohn- und Essbereich inklusive Bibliothek, zudem sei das Wohnhaus teilunterkellert. Aufgrund des Grundrisses sei es für André Eminger möglich, sich nahezu in allen Wohnräumen aufzuhalten. Um 06:30 Uhr seien Spezialeinsatzkräfte der Bundespolizei in das Anwesen eingedrungen. André Eminger sei im Wohnzimmer auf dem Bettsofa angetroffen worden. Dort seien auch seine Reisetasche und Reiseutensilien der Kinder gefunden worden. Die Durchsuchung sei am 24.11. um 10:45 Uhr beendet worden.

Götzl: „Dann schauen wir uns die Lichtbildmappe an und werden in dem Zusammenhang dann auch die Verlesungen dazu durchführen.“
Die Lichtbilder werden in Augenschein genommen. Richter Lang verliest dazu die Beschriftungen. Es wird eine Luftaufnahme des Objekts, gezeigt, dann eine Skizze des Objekts. Darin sind auch die Abstellplätze eines Fahrzeugs Renault mit einem ERZ-Kennzeichen und eines Fahrzeugs Ford mit Zwickauer Kennzeichen vermerkt. Es folgt eine Skizze der Raumaufteilung des Wohnhauses. Dann folgt ein Foto vom Schlafplatz in der Bibliothek, dann ein Foto einer Tüte mit Geld vor dem Schlafplatz, diese habe sich ehemals auf dem Boden unter der Bettcouch befunden. Dann folgt eine Aufnahme des Geldes in der Kunststofftüte, danach das Geld in Stückelung. Die Abbildungen 8, 9 und 10 zeigen das Fahrzeug Ford von verschiedenen Seiten.
Götzl: „Dann Blatt 37.“ Lang verliest aus dem Asservatenverzeichnis, dass in einer Kunststofftüte, transparent mit Schiebeverschluss 3835 €, gestückelt in 267 5€-Scheine, zehn 200€-Scheine, und einen 500€-Schein unter dem Bettsofa gefunden worden seien. Außerdem wird ein Handy Sony Ericsson Xperia mit Ladekabel [phon.] genannt.
Götzl: „Stellungnahmen?“ Kaiser: „Ich widerspreche gegen die Verwertung der verlesenen Schriftstücke und gegen die Verwertung der Inaugenscheinnahme aus den Gründen der Beanstandung.“ Götzl: „Nur zur Klarstellung: Ich hatte vorhin keinen Widerspruch hinsichtlich des Augenscheins vernommen. Sie nehmen aber Bezug auf das vorher Ausgeführte.“ Kaiser: „Auch bei der Inaugenscheinnahme wird der Verwertung widersprochen, weil sie auch in engem Zusammenhang mit der Verlesung steht und deswegen auch nicht verwertbar ist aus meiner Sicht.“

RAin Sturm verliest einen Antrag. Der Senat habe Zschäpe, so Sturm, am 383. Verhandlungstag den rechtlichen Hinweis erteilt, dass neben den in der rechtlichen Würdigung der Anklageschrift genannten Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung jeweils rechtlich zusammentreffend mit den dort genannten Delikten ein weiterer dazu in Tatmehrheit stehender Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht komme.
Der GBA habe, so Sturm, in der Anklageschrift zur Begründung der Mittäterschaft ausgeführt; sie zitiert: „Die Angeschuldigte Zschäpe leistete zu den einzelnen Taten dem Umfang ihrer Beteiligung nach wesentliche Tatbeiträge mit dem Willen zur Tatherrschaft. Zwar war sie bei keiner der Anschlags- und Raubtaten an der unmittelbaren Tatausführung selbst beteiligt. Dies ist jedoch für die Annahme von Mittäterschaft auch nicht erforderlich. Indem die Angeschuldigte die gemeinsame Wohnung als Aktionszentrale abtarnte, Böhnhardt und Mundlos mit legendierte und die Abwesenheit von Mundlos und Böhnhardt im unmittelbaren Wohnumfeld während der Ausspähungen und der jeweiligen Tatausführung verschleierte, leistete sie der gemeinsamen Tatplanung gemäß einen integralen Bestandteil zum Gesamtkonzept der Anschläge. (…) Demzufolge können die in Vollziehung des strategischen Tatkonzepts des ‚NSU‚ von den drei Mitgliedern geleisteten Beiträge auch hinsichtlich jedes einzelnen Anschlags nur als Teil einer gemeinschaftlich gewollten und gemeinschaftlich begangenen Tat aufgefasst werden.“
Sturm: „In Anbetracht der Tatsache, dass der Generalbundesanwalt mithin sämtliche Handlungen, derer er Frau Zschäpe verdächtigt, zur Begründung des Vorwurfs mittäterschaftlichen Handelns heranzieht, wird beantragt, vor erneutem Schluss der Beweisaufnahme mitzuteilen und klarzustellen, verbunden mit welchen konkreten Tathandlungen Frau Zschäpe der nunmehr tatmehrheitlich verstandene Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemacht werden soll, ohne dass diese in der Anklageschrift Erwähnung gefunden haben.“ Der vom Senat erwähnte Beschluss des BGH ermögliche gerade nicht, wegen ein und derselben Handlung eine tatmehrheitliche Verurteilung zu begründen, so Sturm.Der Verhandlungstag endet um 15:52 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

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