Protokoll 385. Verhandlungstag – 25. Oktober 2017

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Der heutige Verhandlungstag ist erneut geprägt von einem Ablehnungsgesuch der Verteidigung von André Eminger. Außerdem stellt NK-Vertreter RA Reinecke einen Beweisantrag zum Themenkomplex „Garage“.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Heute ist seit längerer Zeit Eminger-Verteidiger RA Hedrich wieder anwesend. Bei der Präsenzfeststellung fragt Richter Götzl nach RA Kaiser. RA Hedrich: „Der Kollege Kaiser ist erkrankt.“ Als Nebenklägerinnen sind heute Gamze und Elif Kubaşik anwesend.

Hedrich: „Herr Vorsitzender, der Angeklagte Eminger beabsichtigt, die Richter Dr. Lang und Prechsl wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ich bitte, mir Gelegenheit zu geben, das Befangenheitsgesuch zu formulieren und heute um 16 Uhr außerhalb der Hauptverhandlung anzubringen. Der Kollege Kaiser war bisher federführend bezüglich der bereits vorliegenden Ablehnungsgesuche. Ich selbst brauche daher etwas länger bei der Ausformulierung. Ich habe heute früh Herrn Eminger in der Vorführzelle besucht und bin mit ihm das beabsichtigte Gesuch durchgegangen und muss es jetzt formulieren.“ Götzl: „Soll zu dem Antrag auf Unterbrechung, ist es ja letztlich, Stellung genommen werden? Eine rein informatorische Frage: Was den gestern gestellten Antrag der Verteidigung Zschäpe angeht, soll dazu Stellung genommen werden?“ OStAin Greger: „Ich konnte es leider gestern nicht fertigstellen.“ Götzl: „Dann werden wir zunächst mal unterbrechen und setzen um 10 Uhr fort.“

Um 10:03 Uhr geht es weiter. Götzl: „Wären denn ansonsten für heute Anträge oder Erklärungen?“

NK-Vertreter RA Scharmer: „Jetzt aktuell zu diesem Zeitpunkt nicht, aber ich würde dringend anregen, die Begründung des Befangenheitsgesuches auch in der Hauptverhandlung entgegenzunehmen, damit dann beschleunigt Stellung genommen werden kann zu den Voraussetzungen des § 26 [phon.]. Damit der Senat, der für diese Frage zuständig wäre, darüber auch entscheiden kann.“ NK-Vertreter RA Reinecke: „Ich habe gestern auf den Beweisantrag verzichtet, in der Hoffnung, dass es mit den Plädoyers losgehen kann. Da es dazu nicht kommt, möchte ich doch den Beweisantrag stellen.“ RA Hedrich meldet sich. Götzl: „Herr Rechtsanwalt Hedrich, Sie werden dadurch natürlich keinen Rechtsverlust haben.“

Dann stellt RA Reinecke den Antrag, Klaus A. aus Jena als Zeugen zu vernehmen:
Der Zeuge wird bestätigen, dass am 10.08.1996 – nur ein bis zwei Tage, nachdem die Garage von ihm zu vermietende Garage in der Zeitung annonciert war – die Angeklagte Zschäpe bei ihm zusammen mit einer männlichen Person erschien, die sich als ihr Freund ausgab. Es kam dann unmittelbar zum Abschluss des Mietvertrages über die Garage. Die Beweiserhebung ist relevant, weil in einem weiteren Punkt die Einlassung der Angeklagten Zschäpe widerlegt wird. Diese hatte – zusammengefasst – sowohl in ihrer eigenen Einlassung wie gegenüber dem Zeugen Prof. Dr. Bauer die Anmietung so dargestellt, dass sie aus Eigeninitiative die Garage angemietet habe und sodann Böhnhardt und Mundlos mit der erfolgten Anmietung überrascht hat. In ihrer eigenen Einlassung liest sich das wie folgt: „In den folgenden Wochen versuchte ich, mich wieder der Gruppe um Uwe Böhnhardt anzuschließen und Uwe Böhnhardt für mich zurück zu gewinnen. Zu diesem Zweck mietete ich am 10. August 1996 die Garage Nr. 5, An der Kläranlage, in Jena an. In der Vergangenheit hatten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ich darüber gesprochen, dass man eine abgelegene Garage anmieten sollte, um dort beispielsweise Propagandamaterial zu deponieren. Das Anmieten der Garage war für mich ein voller Erfolg. Ich traf mich daraufhin wieder mit den beiden.“

Eindeutig behauptet die Angeklagte hier, sie habe sich erst danach wieder mit Mundlos und Böhnhardt getroffen. Im Bericht des Zeugen Bauer heißt es: Nur um UB's Zuwendung zurückzugewinnen, habe sie, einem ihr bekannten Vorhaben UB's entsprechend, im August 1996 eine Garage angemietet. Dies sei zwar mit Blick auf das von ihr damit verfolgte Ziel der Zurückgewinnung von UB ein ‚voller Erfolg‘ gewesen …“ Legt man hingegen die Beweisbehauptung zugrunde, spricht nichts dafür, dass die Angeklagte im Sinne einer Abhängigkeit und zum Zwecke des Zurückgewinnens von Uwe Böhnhardt die Garage angemietet hat, sondern dass sie bereits vor der Anmietung der Garage mit Uwe Böhnhardt wieder zusammen war und die Anmietung auf einem gemeinsamen Plan beruhte; dies lässt dann auch Rückschlüsse darauf zu, dass auch die weitere Nutzung der Garage auf einem gemeinsamen Plan beruhte. Die Stellung des Beweisantrages erfolgt erst jetzt, weil der Unterzeichner erst auf Grund der in der letzten Zeit immer wieder ausfallenden Hauptverhandlungstermine ausreichend Zeit hatte, in Vorbereitung des Plädoyers verschiedene weitere Angaben der Angeklagten Zschäpe aus ihren Einlassungen anhand der Akte zu überprüfen.

OStAin Greger: „Ich kann dazu eine Stellungnahme abgeben. Der Beweisantrag war ja schriftlich angekündigt worden. Gestern hat ja der Antragsteller verzichtet auf die Stellung des Beweisantrages, heute hat er diesen Beweisantrag gestellt. Aus unserer Sicht bestehen Zweifel, ob dieser Antrag so ernst gemeint ist oder heute aus taktischen Gründen gestellt wurde, dann würde es sich nämlich nicht um einen ernsthaften Beweisantrag handeln. Hilfsweise gilt Folgendes: Der Antrag ist lange nach Ablauf der Frist zur Stellung von Beweisanträgen gestellt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein weit nach der Frist gestellter Beweisantrag ein signifikantes Indiz für eine Verschleppungsabsicht. Dass der Antragsteller vorträgt, erst nunmehr die Zeit gefunden zu haben, die Einlassung eingehend zu prüfen, rechtfertigt den Fristverstoß nicht, denn die Angaben Zschäpe liegen mittlerweile annähernd zwei Jahre zurück. Der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht kann aber dahinstehen. Vorrangig greift ein anderer Ablehnungsgrund: Die Tatsache, die bewiesen werden soll, ist für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung.“

Stelle man, so Greger, die zu erweisende Tatsache, dass Zschäpe am Tag der Anmietung der Garage von einer männlichen Person begleitet wurde, die sich als ihr Freund ausgab, in das bisherige Beweisergebnis ein, vermöge dies nicht, den Urteilsspruch in einer relevanten Weise zu beeinflussen. Nach der derzeitigen Beweislage habe die Angeklagte die Garage in eigenem Namen angemietet. Ob sie von einer weiteren Person begleitet wurde, dazu habe sich die Angeklagte nicht ausdrücklich verhalten. Nach ihrer Einlassung vom 09.12.2015 sei der Anmietung ein gemeinsames Gespräch mit Böhnhardt und Mundlos vorausgegangen, dass man eine abgelegene Garage anmieten solle, um dort bspw. Propagandamaterial zu deponieren. Demnach habe die Angeklagte die Garage bereits nach ihrer eigenen Einlassung nicht für eigene Zwecke, sondern für die Gruppe Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe anmieten wollen. Bei der Durchsuchung sei eine Vielzahl von Material von Böhnhardt und Mundlos sichergestellt worden, das Bezüge zu gemeinsamen Straftaten aufwies. Der zeitliche und personelle Zusammenhang der Anmietung der Garage zu rechtsextremistischen Straftaten der Gruppe sei ebenfalls bereits belegt.

Sowohl vor als auch nach der Anmietung habe Zschäpe nach der Beweisaufnahme und auch wiederum nach ihrer eigenen Einlassung mit Böhnhardt und Mundlos rechtsextremistische Straftaten begangen, z. B. den und die . Der subjektive Zweck der Garagenanmietung, nämlich inkriminierendes Material vor den Ermittlungsbehörden zu verbergen, sei ebenfalls den Angaben der Angeklagten zu entnehmen, wobei der Plan auf Uwe Böhnhardt zurückgegangen sein solle. Die Beweisaufnahme habe zur Gruppenzugehörigkeit Zschäpes hinreichende Feststellungen erbracht. Nach den Angaben der Zeugen Turner, Apel, J. und Volker He. hätten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe 1996 und 1997 einen zunehmend exklusiven Dreierbund gebildet. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass auch nach der Beweisaufnahme, die Angeklagte am 20.06.1996 und 31.07.1996 im Rahmen der Ermittlungen zum Puppentorso mit einem falschen Alibi schützend für Uwe Böhnhardt eingetreten sei.

Am 09.11.1996 sei Zschäpe gemeinsam mit Böhnhardt, Mundlos und Gerlach festgenommen worden, im Fahrzeug seien damals Messer, Schreckschusswaffen und eine Gaspistole sichergestellt worden. Die Rückschlüsse, die sich der Antragsteller von der nunmehr beantragten Beweiserhebung verspreche, seien zum einen aufgrund anderer Beweismittel hinreichend verlässlich zu ziehen, zum anderen gar nicht aus der zu beweisenden Tatsache ableitbar. Dass die Anmietung auf einem gemeinsamen Plan von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe beruhte, lasse sich zwanglos aus der Einlassung Zschäpes ableiten. Die Anwesenheit einer anderen Person, z. B. Böhnhardt, ergebe keinen Mehrwert. Entsprechendes gelte für den Schluss des Antragstellers, dass die Nutzung der Garage auf einem gemeinsamen Plan beruhte. Dass Zschäpe bereits vor der Anmietung mit Uwe Böhnhardt wieder zusammen gewesen wäre, lasse sich aus der Begleitung bei der Anmietung nicht sicher herleiten und würde auch keine Rolle spielen für die Bewertung des Geschehens. Dass Zschäpe Böhnhardt mit der Anmietung auch einen Gefallen tun wollte, erweise sich als für die strafrechtliche Beurteilung ohne Relevanz. Es erlaube auch keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Motivation. [phon.] Die Interpretation des Antragstellers, Zschäpe habe nach ihren Angaben Böhnhardt mit der Anmietung „überraschen wollen“ sei der Einlassung Zschäpes so nicht zu entnehmen. Die unter Beweis gestellte Tatsache der Begleitung sei daher nicht geeignet, dieser Interpretation [phon.] die Grundlage zu entziehen. Greger: „Somit gilt: Ob Uwe Böhnhardt bei der Anmietung der Garage auch körperlich zugegen war, oder ob Zschäpe von Uwe Mundlos, der wiederum Uwe Böhnhardt sehr ähnlich sah, oder einer unbekannten Person begleitet wurde, und ob sich diese Person als Freund ausgab, darauf kommt es für die Beurteilung der Straf- und Schuldfrage nicht an.“

Götzl: „Sind weitere Stellungnahmen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Der Beweisantrag von Rechtsanwalt Reinecke ist jedenfalls jetzt verspätet. Es bestehen Indizien für eine Verschleppungsabsicht. Denn Rechtsanwalt Reinecke hatte gestern erklärt, den Beweisantrag, den er verschriftet zur Verfügung gestellt hatte, nicht zu stellen.“ Reinecke sei gestern dazu in der Lage gewesen, den Antrag zu stellen, habe lediglich deshalb davon abgesehen, damit es mit den Plädoyers losgehen kann, so Heer. Heute habe Reinecke seine Ankündigung revidiert; er verfolge damit lediglich taktische Erwägungen und kein ernstes Interesse. Heer: „Rechtsanwalt Reinecke hat aufgrund seines Verhaltens vereitelt, dass der Zeuge heute kurzfristig hätte geladen werden können.“

Reinecke: „Zur Frage der Ernsthaftigkeit: Es ist ja vieles von dem, was Frau Greger gesagt hat, zutreffend. Ich bin schon der Meinung, dass es eine Fülle von Indizien gibt, die für einen gemeinsamen Plan bei der Anmietung der Garage sprechen. Und meine Frage war: Wie weit korrespondiert das mit dem, was in der Einlassung steht; die Differenz zu der Einlassung der Angeklagten kann man nicht wegdiskutieren. [phon.] Von daher hat dieser Beweisantrag einen gewissen zusätzlichen Beweiswert gegenüber dem, was festgestellt wurde [phon.]. Weil es aber so ist, dass dieser Beweiswert nicht der entscheidende Punkt ist, habe ich es für richtig gehalten [phon.]. Für mich ist es ganz besonders wichtig, dass wir endlich zu den Plädoyers kommen. Ich habe abgewogen Beweisantrag/Plädoyers und mich dort gestern anders entschieden als heute. Und wenn wir jetzt wegen Befangenheitsanträgen verschieben müssen und der Zeuge nicht heute, sondern am 09.11. kommt, da kann man nicht von Verschleppung sprechen.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Herr Reinecke hat gestern gesagt, er will diesen Beweisantrag nicht stellen, damit plädiert werden kann. Das ist der Verzicht auf eine Prozesshandlung. [phon.] Von daher halte ich den Beweisantrag schon für unzulässig. Wie gesagt, ist hier wirksam verzichtet worden.“ NK-Vertreter RA Langer: „Damit wir über den Verzicht nicht so lange diskutieren müssen: Ich schließe mich dem Beweisantrag an.“ Klemke: „Man kann sich natürlich nur einer wirksamen Prozesshandlung anschließen. Danke.“ Götzl: „Dann werden wir noch einmal kurz unterbrechen. Wir setzen um Halb fort.“

Um 10:32 Uhr geht es weiter. Götzl: „Herr Rechtsanwalt Hedrich: Soll denn die Verschubung des Angeklagten Eminger zu einem späteren Zeitpunkt zurück erfolgen, damit Ihnen Herr Eminger zur Verfügung steht zum Gespräch?“ Hedrich vereinbart mit Götzl, dass Eminger noch eine Stunde am Gericht bleibt, bevor er in die JVA zurückgebracht wird. Götzl: „Dann wird im Hinblick auf die Ankündigung von Rechtsanwalt Hedrich, heute bis 16:30 Uhr Befangenheitsgesuche für den Angeklagten Eminger einzureichen, der Termin am 26.10.2017 abgesetzt, Fortsetzung am Donnerstag, 09.11.2017, um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 10:33 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Wie zu befürchten war, geht es weiter mit den Befangenheitsgesuchen der Verteidigung Eminger. Dieses Mal will die Verteidigung zwei der Richter ablehnen, die das letzte Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt haben. Das Gesuch wird heute Abend schriftlich eingereicht. Die Strafprozessordnung verbietet es, bei einem offenen Befangenheitsgesuch mit den Plädoyers weiterzumachen, daher wurde der Hauptverhandlungstermin morgen abgesetzt. […] In der Zwischenzeit stellte Nebenklägervertreter Eberhard Reinecke noch einen kurzen Beweisantrag zur Anmietung der Garage in Jena, in der die NSU-Mitglieder u.a. eine Bombenwerkstatt eingerichtet hatten. In ihrer Einlassung hatte Zschäpe behauptet, die habe sie ganz alleine angemietet, um die Beziehung zu Uwe Böhnhardt wiederzubeleben, die dieser kurz zuvor beendet hatte. Nach den Angaben des Zeugen, des Vermieters der Garage, hingegen wurde Zschäpe bereits beim ersten Besichtigungstermin von einem Mann begleitet, der angab, ihr Freund zu sein. Das Gericht hat über den Antrag noch nicht entschieden. Die Bundesanwaltschaft beantragte, ihn abzulehnen, und unterstellte dem Antragsteller u.a. „Verschleppungsabsicht“ – was angesichts eines Prozesses, der seit Monaten von der Verteidigung lahmgelegt wird, hanebüchen erscheint.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/10/26/25-10-2017/

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