„Man geht nicht über das Bundesgebiet und sammelt alle rechte Organisationen auf, um zu gucken, hat wer NSU-Bezug.“ – Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern vom 11. September 2023

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Die „NSU/NSDAP-CD/DVD“ ist eine Daten-CD mit 15.000 rechten Bilddateien aus dem Jahr 2003. Bis heute ist ungeklärt, wer sie hergestellt hat und wie das Kürzel, das der erst 2011 selbst enttarnte Nationalsozialistische Untergrund nutzte, zum Titelgeber wurde. Bekannt wurde die CD der breiteren Öffentlichkeit Anfang 2014. Die Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschusses am 11. September 2023 konnte zeigen, dass GBA und BKA nach eigenen Angaben durch einen Artikel in einer rechtslibertären Zeitschrift auf die CD aufmerksam wurden, obwohl sie seit 2005 beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag. Selbst durch eine oberflächliche Suche nach dem Kürzel NSU nach der Selbstenttarnung hätte man auf die CD stoßen müssen. Bislang brachte man den Neonazi Thomas Richter alias V-Mann Corelli mit der CD in Verbindung. Im Ausschuss wurde eine E-Mail öffentlich, die nahelegt, dass David Petereit, ehemaliger NPD-Abgeordneter, mehr mit der CD zu tun haben könnte, als bisher vermutet. Kurzbericht zur Sitzung: „Neues zur ‚NSU/NSDAP-CD‘: Kurzbericht zur Sitzung des 2. NSU/Rechter Terror Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern am 11. September 2023″

Die Vorsitzende Martina Tegtmeier (SPD) sagt zu Beginn der Sitzung, dass die beiden BKA-Beamt*innen nur mit abgekürzten Namen, P. und M., angesprochen werden dürfen. Zeugin KHKin J. P. erscheint mit einem Beistand, der sich selbst vorstellt. Er sagt, er sei im BKA im Leitungsstab für den Präsidenten und in der Geschäftsstelle, die alle Unterschungsausschüsse berarbeite, die das BKA beträfen. Die Zeugin P. hat die NSU/NSDAP-CD bearbeitet und war bei einer Vernehmung von Steve Mi. im Januar 2015 anwesend. Sie ist heute Hauptkommissarin beim BKA. Zu ihrer Vorbereitung sagt sie, es habe eine Besprechung zum Untersuchungsausschuss und zur Aussagegenehmigung gegeben. Inhaltlich habe sie sich ihre Vermerke nochmal durchgelesen, sich eingelesen und Einsicht in die damalige Ablage gehabt. Ihr Statement beginnt die Zeugin mit ihrem Werdegang. Sie sagt, sie sei im Oktober 2011 mit ihrer Ausbildung fertig geworden. Die Arbeit zum NSU sei direkt ihre erste Verwendung gewesen, sie habe Asservate ausgewertet. Am Anfang seien noch viele Kollegen aus den Ländern mit dabei gewesen. Die Arbeit habe ihr gefallen, daher sei sie in dem Verfahren geblieben. Sie sei nach Meckenheim gewechselt und habe dann die Koordination der Asservate übernommen. In dem Zusammenhang habe sie die CD ausgewertet. Ihre Anwesenheit bei der Vernehmung von Steve Mi. sei eher eine Ausnahme gewesen, in erster Linie sei sie mit Auswertung beschäftigt gewesen. Eine der vier CDs die dem BKA vorliegen, sei die von Steve Mi., diese sei dem BKA erst nach Anfrage an des LKA Mecklenburg-Vorpommern übersandt worden.

P. sagt zur NSU-CD, der GBA habe das BKA auf einen Zeitungsartikel bei dem Magazin „eigentümlich frei“ aufmerksam gemacht. Darin sei von einer NSU-CD die Rede gewesen, auf der viele Bilder aus dem Nationalsozialismus seien. Dann habe es eine Besprechung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg gegeben, dabei habe das Landesamt dem GBA und dem BKA mitgeteilt, dass das LfV in Besitz einer CD sei, die mit der CD im Artikel übereinstimme. Darauf seien zwei Dateien vorhanden, die das Kürzel NSU enthielten, allerdings nicht allein, sondern in Verbindung mit dem Zusatz NSDAP. P. sagt, der GBA habe das BKA gebeten, die CD/DVD dahingehend auszuwerten, ob sie „Bezüge zu unserem NSU“ – wie sich P. ausdrückt – habe. Sie geht auf die Dateien ein. Das Begleitschreiben sei mit „Nationalsozialistischer Untergrund der NSDAP“ unterschrieben. Es gebe außerdem das Einlegeblatt, das sei eine Druckvorlage für das Cover der CD. Auf der CD sei Propagandamaterial. Auf dieser ersten CD/DVD seien 15 Ordner gewesen, bezeichnet beispielsweise mit „Juden“, „Soldaten“, „Skinheads“, „alles mögliche aus dem Bereich Rechtsextremismus“, so P. Insgesamt seien es über 150.000 Bilddateien gewesen. Im Begleitschreiben habe gestanden, die „Bilder aus dem Weltnetz“ sollen für Propaganda genutzt werden. Wenn man beispielsweise ein Flugblatt mache, könne man etwas von der CD verwenden. Auf dem Cover finde sich auch der Schriftzug NSU/NSDAP, sowie ein Bild von Händen, die eine Rune bilden.

Das BKA habe dann angefangen, im ganzen Bundesgebiet abzufragen, ob die CD bekannt sei. Daraufhin habe sich Mecklenburg-Vorpommern gemeldet. Die CD sei ein Zufallsfund bei einer Durchsuchung gewesen. Diese CD sei dann ans BKA übermittelt worden. Damit habe die zweite CD vorgelegen. Zur dritten CD sagt P., dass es in dem ursprünglichen Zeitungsartikel den Hinweis gegeben habe, dass diese CD möglicherweise mit einer Quelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Zusammenhang stehe, auch im Zusammenhang mit dem LfV Hamburg habe es den Hinweis auf diese Quelle gegeben. Die dritte CD sei im Nachlass der treuhändischen Verwahrung von den Sachen dieser Quelle sichergestellt worden. Es sei ein Exemplar gewesen, das die Quelle 2005 dem BfV weitergegeben habe. Die vierte CD sei bei einer Durchsuchung 2014 bei einer Person in Sachsen gefunden worden, sie sei an BKA übergeben worden.

P. sagt, ihre Aufgabe sei gewesen, zu schauen, wie die CDs untereinander in Verbindung stehen und ob es Anhaltspunkte gebe, dass sie durch den NSU oder andere Beschuldigte erstellt worden seien. Sie hätten dazu einen Hashwert-Vergleich der Dateien erstellt und festgestellt, dass es auf den Festplatten der Beschuldigten zwar einige identische Bilder gegeben habe, aber nicht ganze Ordner. Von der Quelle des LfV Hamburg habe es den Hinweis gegeben, dass Fotos von einer Internetseite stammten, die von der Quelle des Bundesamtes betrieben wurde. Diese sei zwar nicht mehr im Internet, aber im Archiv noch zu finden. Dort hätten sie Dateien entnommen und bei einzelnen Bildern festgestellt, dass es die gleichen Bilder gewesen seien. Es habe dann noch einen zweiten Artikel bei „eigentümlich frei“ gegeben, dort habe es auch den Hinweis auf diese Internetseite gegeben.

Zur CD von Steve Mi. sagt P., die Hashwerte würden mit den anderen Exemplaren übereinstimmen, aber der Zeitstempel sei ein bisschen anders. Die Dateien seien zwischen 1996 und 2003 zusammengestellt worden. Es sei unklar, wann dieses Exemplar erstellt worden sei. Sie, P., sei bei einer Vernehmung von Mi. dabeigewesen. Es habe mehrere gegeben, bei der ersten habe er angegeben, dass er in Norwegen gearbeitet habe. Er sei Betonarbeiter oder habe einen anderen handwerklichen Beruf, so P. 2011 sei er nach Deutschland zurückgekehrt. Mi. habe angegeben, die gefundene CD könne er sich nur so erklären, dass er sie beim Umzug aus Versehen in einen Umzugskarton gesteckt habe. Er habe in Norwegen mit weiteren Deutschen gewohnt, diese seien ohne bahnbrechendes Ergebnis vernommen worden. Als Mi. ein zweites mal vernommen wurde, sei sie Protokollantin gewesen, so P. Mi. sei aber bei seiner Aussage geblieben, in der ersten Vernehmung habe er aber gesagt, der NSU sage ihm nichts. Er sei ein drittes Mal von der Staatsanwaltschaft vernommen worden, aber auch da habe es kein weiteres Ergebnis dazu gegeben, wie er in den Besitz der CD gekommen sei. P. sagt, sie habe vor ihrer heutigen Aussage nochmal nachgelesen: Zu Mi. habe es keine Staatsschutzvorerkenntnisse gegeben, die Durchsuchung habe sich auf Drogen bezogen.

Für sie als Auswerterin sei es so gewesen, dass sie die CD auswerten sollte. Sie habe grob geguckt, wo sie herkommen könne, aber wichtiger sei gewesen, wie sie die Dateien vergleichen könne. Sie habe keine Anhaltspunkte gefunden, dass das etwas mit „unserem NSU“ zu tun habe. Es sei insgesamt ein größerer Ermittlungskomplex gewesen, sie sei nicht bei allen Vernehmungen dabei gewesen, es sei eine Teamleistung gewesen.

Die Vorsitzende Martina Tegtmeier (SPD) fragt nach der Herkunft der CD. Die Zeugin nennt als eine Möglichkeit die Gruppierung NSDAP/AO. Diese sei 1972 gegründet worden und habe darauf abgezielt, dass die NSDAP wieder anerkannt werden sollte. Es gebe Hinweise, dass die CD aus dieser Richtung käme. Der Hinweis erste sei ein Zitat im Begleittext zur CD, dieses sei angeblich von Goebbels, das sei aber nicht korrekt, es stamme von dem Autor Charles Bukowski. Dieses Zitat sei in dieser Form in einer Artikelserie im „NS-Kampfruf“, dem Organ der NSDAP/AO, verwendet worden. Die Bezeichnung NSDAP auf der CD sei eine starke Parallele. Der Quellenführer der Quelle des BfV habe ausgesagt, die CD könne theoretisch aus dieser Richtung kommen. Bei der NSDAP sei Propaganda ein wichtiges Thema gewesen. „Unserem NSU, dem ging es nicht um Propaganda“. Der NSU schreibe im NSU-Brief, dass sie keiner Partei angehören. P.: „Den NSU-Brief setze ich hier als bekannt voraus.“ Ein Argument gegen eine Beteiligung des NSU an der CD sei, dass der NSU seit 2002 sein Logo verwende, das gebe es bei der CD nicht. Das sei ein identitätsstiftendes Logo, sie gehe davon aus, es wäre auch 2003 die für CD verwendet worden, so P.

Der Abgeordnete Bernd Lange (SPD) fragt nach dem beruflichen Werdegang der Zeugin. P. sagt, sie habe eine dreijährige Ausbildung gemacht; ein duales Studium. Sie habe am 1. Oktober 2011 beim BKA angefangen, im NSU-Verfahren sei sie erst Unterstützungskraft gewesen. Auf Nachfrage, ob sie eine Weiterbildung zur Kriminalistin gemacht habe, sagt sie, die Ausbildung sei allgemein gehalten, je nach Verwendung werde man spezialisiert. In dem NSU-Verfahren hätten sie Kollegen eingearbeitet, sie habe kein Spezialwissen zum Thema Rechtsextremismus gehabt. Der Abgeordnete Ralph Mucha (SPD) fragt, ob in ihrer Arbeit die möglichen Unterstützer des NSU eine Rolle gespielt hätten. P. sagt im Hinblick auf die Asservate hätten sie alles mit reingeschoben, sie hätten den kompletten Datenbestand mit der CD/DVD abgeglichen.

Auf die Frage, ob so eine CD szenetypisch sei, sagt P., sie komme nicht aus dem Bereich Rechtsextremismus, aber dem LfV Hamburg seien auch andere CDs bekannt, auf denen Vorlagen für Flyer, für Handzettel und Texte waren. Auf die Frage, ob alle ausgewerteten CDs gleich gewesen seien, antwortet P., drei seien gleich gewesen. Die CD, die in Sachsen gefunden wurde, habe einen Ordner mehr darauf gehabt: Den Ordner „ACAB“, das sei die Abkürzung für „All Cops are Bastards“. Darin seien Bilder von Polizeieinsätzen und Comics gewesen. Im Magazin „eigentümlich frei“ und von der Person, die die Seite mit Blogeinträgen betrieben habe und die CD mutmaßlich dem Magazin weitergegeben habe, sei auch das Rootverzeichnis veröffentlicht worden, da seien es auch 16 Ordner gewesen. Im Begleitschreiben stehe, man solle die CD immer weiter ergänzen. Gefragt nach der Befragung von Steve Mi. und ihrem Eindruck von ihm sagt P., sie habe an die Person keine Erinnerung. Zur Vernehmung selbst sagt sie, man habe Widersprüche herausarbeiten wollen, aber Mi. sei bei seiner Linie geblieben.

Die Abgeordnete Ann Christin von Allwörden fragt, wann die CD erstellt wurde. Die Zeugin sagt, das Exemplar der Quelle sei von 2005/2006 gewesen, aber die Daten an sich, der Teil sei 2003 inhaltlich abgeschlossen gewesen. Die Abgeordnete fragt, ob bei den Daten etwas Besonderes dabei gewesen sei. P. sagt, das sei „wirklich querbeet durch rechte Szene“ gewesen, Bilder von Tattoos, von rechten Skinheads, antisemitische Karikaturen, „alles zusammengewürfelt“. Damals sei das Internet noch nicht so stabil gewesen, dort habe man sich die Inhalte zusammengesucht.

Der Abgeordnete Michael Noetzel (Linksfraktion) fragt nach dem Cover der CD und ob sie zu dem Motiv etwas sagen könne. P. sagt, es habe ein Buch von Heinrich Hoffmann gegeben, in dem dieses Bild auch sei: „Das sollen die Hände von Adolf Hitler sein.“ Diese forme er während einer Rede zu eine Raute nach oben. Noetzel hakt nach, ob ihr das Motiv im Zusammenhang mit dem NSU aufgefallen sei. Das verneint die Zeugin. Gefragt nach dem Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ sagt sie, die Thematik kenne sie, aber sie sei nicht damit befasst gewesen. Auf Nachfrage sagt sie, auf das Buch von Hoffmann als Quelle für das Cover habe sie ein Kollege aufmerksam gemacht. Noetzel sagt, das Begleitschreiben sei in schwarzer Schrift auf rotem Hintergrund geschrieben, das sei eine Ähnlichkeit zum NSU-Brief. Er fragt, womit man das Begleitschreiben verglichen habe, wie man vorgegangen sei. P. sagt, man habe Textvergleiche eher inhaltlicher Art vorgenommen, auch um Hinweise auf die Identität des Urhebers zu finden. Neben dem NSU-Brief habe man Briefe von Beate Zschäpe und Schreibleistungen der Quelle herangezogen. Man habe aber keinen eindeutigen Beleg gefunden. Zschäpe und die Quelle seien eher ausgeschlossen worden. Noetzel fragt, ob man die bekannt gewordenen Besitzer in Beziehung zueinander gesetzt habe. P. sagt, man habe kein Kennverhältnis untereinander oder zum Trio feststellen können. Die Quelle des LfV Hamburg habe ausgesagt, dass sie Kontakt zur Quelle des BfV gehabt habe. Noetzel sagt, die Quelle des LfV Hamburg habe gesagt, er habe die CD im Februar 2014 beim Aufräumen seines Dachbodens gefunden. Noetzel fragt, ob diese Aussage des V-Mannes als glaubhaft eingestuft worden sei. P. sagt, die Quelle habe sich mit der Übergabe der CD eher Ärger eingehandelt. Sie fragt damit, was die Quelle für eine Motivation habe, hierzu falsche Angaben zu machen.

Die Abgeordnete Constanze Oehlrich (Bündnis 90/Die Grünen) fragt nach den verschiedenen Versionen der CDs und deren Erstelldatum. P. antwortet, die Dateien auf der CD seien von 2003. Man könne nicht sagen, wann die einzelnen Exemplare gebrannt worden seien, dafür gebe es nur Indizien, zum Beispiel, wann die Daten zusammengestellt worden seien. Inhaltlich habe sich das aber bis auf den Ordner „ACAB“ nicht verändert. Oehlrich fragt, welche Schlüsse man daraus gezogen habe. P. sagt, die Quelle des BfV habe eine CD erstellt und sie der Quelle des LfV Hamburg übergeben. Ein weiteres Exemplar habe die BfV-Quelle 2005 erstellt und an das Bundesamt übergeben. Aber eine richtige Chronologie könne man hier nicht erstellen. Oehlrich fragt, warum man Steve Mi. dreimal vernommen habe. Die Zeugin sagt, Mi. habe zwei Mitbewohner benannt, diese seien damals nur zeitweise in Deutschland gewesen, daher sei es schwierig gewesen, mit denen Vernehmungstermine zu finden. Nach deren Aussage habe man Mi. nochmal vernommen. Die Abgeordnete fragt, wie glaubwürdig die Aussage von Mi. gewesen sei, dass er keine rechten Kontakte habe. P. sagt, sie könne sich nicht erinnern, ob das als glaubhaft eingestuft worden sei. Oehrlich hakt nach, ob das überprüft worden sei. Die Zeugin antwortet, es hätten keine polizeilichen Erkenntnisse aus dem Bereich vorgelegen. Sie erinnere sich, dass sie sich gefragt habe, warum Oi-Musik auf dem Rechner gewesen sei. Mi. habe auch Aufkleber von Thor Steinar auf dem PC gehabt. Oehlrich fragt nach dem Mobiltelefon von Mi. P. sagt, die CD sie ein Zufallsfund gewesen. Die Kollegen, die bei der Durchsuchung eingesetzt waren, hätten gesehen, da steht NSU drauf. Aber die CD sei kein Gegenstand der eigentlichen Durchsuchung gewesen. Sie wisse nicht, was der Beschluss umfasst habe und ob da das Handy dabeigewesen sei.

René Domke (FDP) fragt, was es für einen Eindruck auf sie gemacht habe, dass nicht mehr CDs gefunden wurden. Die Zeugin antwortet, man könne nicht ausschließen, dass es mehr CDs gebe. Das liege aber an den Polizeidienststellen, das zu melden, es müsse entsprechend im Asservatenverzeichnis vermerkt sein, Auswerter müssten es merken. Es gebe keine zentrale Datei für alle Durchsuchungen. Nach 2011 seien die Behörden sensibilisiert gewesen, aber die CD hätte auch zwischen 2003 und 2011 gefunden werden können. Ihr letzter Stand sei vom 30. März 2016, dann sei sie in einen anderen Bereich gewechselt, aber „man hätte mir schon gesagt, wenn da nochmal was gekommen wäre“, sagt P. auf Nachfrage.

Die Vorsitzende fragt, ob die Mitbewohner von Steve Mi. auf rechte Kontakte überprüft worden seien. P. antwortet, das könne sie nicht sagen, aber sie seien sicher im System abgefragt worden. Das Problem sei gewesen, dass sie lange in Norwegen gelebt hatten. Es seien keine bekannten Rechtsextremisten gewesen.

Lange fragt, ob man überprüft habe, ob die Bezeichnung NSU/NSDAP nach 2011 eingefügt worden sei. P. sagt, sie sei da in einem sehr regen Austausch mit dem Techniker gewesen und der habe gesagt, man habe keinen Hinweis auf nachträgliche Manipulation gefunden. Lange fragt nach der Veröffentlichung in der „eigentümlich frei“. P. sagt, der Artikel sei 2013 erschienen, der Journalist Henning Lindhoff habe die CD wahrscheinlich von Christian Reißer alias Fatalist zugespielt bekommen. Der SPD-Abgeordnete Mucha fragt, ob zu den Verbindungen der CD-Besitzer untereinander auch Mobiltelefone ausgewertet worden seien. P.: „Nicht dass mir das erinnerlich ist.“

Auf Nachfrage erklärt die Zeugin den Unterschied zwischen der NSU-CD und der NSU-DVD, wie sie bei der Quelle des Landesamtes Hamburg vorgelegen habe. P. sagt, es habe drei CD-Roms gegeben und auf der DVD sei diese CD als Brennvorlage bzw. Ordner „NS-CD“ zu finden gewesen.

Noetzel hält aus einer E-Mail vor, die von der E-Mailadresse von David Petereit an Thomas Richter alias V-Mann Corelli geschickt wurde. Darin schreibt Petereit, er habe ein Anliegen, Richter habe „doch damals bunker.com gemacht, da waren doch massenweise Bilder, könntest du mir deine Bilder auf CD-ROM packen und mir zuschicken, ich würde diese gerne für eine Art Propaganda CD benutzen“. Auch Bücher, Programme und andere Sachen in HTML-Format seien dafür erwünscht. Noetzel fügt hinzu, Petereit habe 2002 den NSU-Brief bekommen, habe im Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“ den NSU gegrüßt. P. sagt, sie habe mit dem Ermittlungskonzept zum „Weissen Wolf“ nichts zu tun gehabt. Petereit sei zur CD vernommen worden, aber da sei sie nicht dabei gewesen. Noetzel sagt zu dieser Vernehmung, dass Petereit dort sage, dass die CD von der NSDAP/AO sein könnte und fragt, ob diese Ermittlungsthese somit auf Petereit zurückgehe. P. sagt, auch der Quellenführer des BfV habe das angesprochen, es würde sie „sehr wundern“, wenn dieser Ansatz von Petereit stamme. Es habe andere Hinweise wie das Zitat gegeben, Petereits Anmerkung sei also eher eine Bestätigung gewesen. Aber die NSDAP/AO habe man schon vorher auf dem Schirm gehabt.

Oehlrich macht auf Widersprüche in der Aussage von Steve Mi. aufmerksam. Einerseits habe Mi. gesagt, der Umzug sei chaotisch gewesen, dabei könne es passiert sein, dass er die CD versehentlich eingepackt habe. Die Mitbewohner hätten aber angegeben, dass der Umzug ganz gesittet abgelaufen sei. P. sagt, man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass NSU keine neue Namensschöpfung gewesen sei, sondern bei der NSDAP/AO schonmal verwendet worden sei. Damit sei keine Verfahrensrelevanz mehr gegeben gewesen, „dann forschen wir nicht mehr in Norwegen wegen der CD nach“.

Domke fragt, ob Erkenntnisse zu Asservaten ausgetauscht worden seien. P. sagt, sie habe keine Erinnerung an weiteren Austausch mit LKÄ. Wenn der GBA gesagt habe, ein Asservat sei interessant für das BKA, dann sei es überbeschlagnahmt worden, „dann war es unser Asservat“. P. verneint, dass sie zur CD Austausch mit Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern gehabt habe. Auf Nachfrage sagt sie, sie habe keinen Einblick, ob Landespolizeien eigene Ermittlungen angestellt hätten. Der Abgeordnete fragt, ob Quellen zu CD gefragt worden seien. P. antwortet, die Anfrage sei auch an den Verfassungsschutz gegangen, aber sie wisse nicht, was die damit gemacht hätten.

Noetzel fragt, woher Fatalist die CD gehabt habe. P. antwortet, das sei nicht bekannt. Er sollte vernommen werden, sei aber damals in Kambodscha gewesen. Noetzel fragt nach Maik Arnold, bei dem die CD in Chemnitz gefunden wurde. P. sagt, das sei eine Durchsuchung im Rahmen eines Verbotsverfahrens gewesen. Im Gegensatz zu Mi. hätten hier Vorerkenntnisse im Bereich politisch motivierte Kriminalität rechts vorgelegen. Ob Arnold Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern habe, könne sie nicht sage, so P. auf Nachfrage. Noetzel sagt, laut der Auswertung von Corellis Festplatten habe er Kontakt zu Malte Redeker gehabt. P. sagt, sie könne sich an die Person nicht erinnern, wisse aber, dass er aus dem Bereich rechts stamme. Noetzel fragt, ob die Zeugin die SIM-Karte von André Kapke ausgewertet habe. Auch darin seien Kontakte zu Malte Redeker, Michael Grewe (NPD) und Stefan Köster (NPD) abgespeichert gewesen. P. sagt, sie könne sich nicht erinnern, sie habe viele elektronische Asservate ausgewertet. Zu den Namen könne sie nichts sagen.

Oehlrich fragt, ob die Mail von David Petereit an Thomas Richter aus dem Jahr 2000, die Spende und Grußbotschaft von 2002 und dann die NSU-CD 2003-2006 mal in einen Zusammenhang gebracht worden seien. Die Zeugin sagt, das sei ihr nicht bekannt.

Domke fragt weiter nach der Veröffentlichung in „eigentümlich frei“. Die Zeugin sagt, auch der Journalist Henning Lindhoff sollte vernommen werden, aber seine Anwältin habe sich eingeschaltet, dann sei das nicht passiert. Aber ein Blogeintrag von Fatalist habe sehr offensichtlich gemacht, dass Fatalist die CD weitergegeben habe. Domke fragt, auf wessen Festplatte Teile der Bilder gefunden worden seien. P. gibt an, das sei André Eminger gewesen [phon]. Die Zeugin bestätigt auf Nachfrage, dass die in der Frühlingsstraße gefunden Zeitungsartikel in die Auswertung einbezogen worden seien. Alles, was dort festgestellt wurde, habe eine Asservatennummer bekommen, ihr „Lieblingsasservat“ sei ein „silbernes Nupsi“ einer Zahnpasta-Tube gewesen. Es seien über 10.000 Asservate gewesen.

Noetzel fragt, ob sie Asservate von Petereit zur Auswertung hatte und sagt, es habe geheißen, eine Festplatte sei stark verschlüsselt und daher nicht auswertbar gewesen. P. gibt an, daran habe sie keine Erinnerung.

Als zweiter Zeuge wird EKHK K. W. vernommen, er erscheint mit dem gleichen Beistand wie seine Kollegin. Die Vorsitzende sagt, man habe ihn wegen der Durchsuchung bei Steve Mi., zur NSU/NSDAP-CD, zu einer Vernehmung von David Petereit und weiteren Themen geladen. Zu seiner Vorbereitung sagt der Zeuge, es habe ein organisatorisches Vorbereitungsgespräch gegeben, das sei üblich. Er habe inhaltlich 10 Jahre aktive Arbeit im Fall NSU gemacht, die letzten zwei Jahre sei er anderweitig tätig gewesen. Er habe weiter mit dem Thema zu tun gehabt, er habe unter anderen Fortbildungen gegeben. Darüber hinaus habe er sich Gedanken gemacht, was für Themen Mecklenburg-Vorpommern betreffen. W. sagt, zum Hintergrund wolle er sagen, sie seien als Polizei nicht getrennt nach Bundesland vorgegangen, sondern von den Taten, von den Tätern ausgegangen. Sie hätten nicht an Bundesländer gedacht, daher sei er in sich gegangen und habe Themen identifiziert, habe sich zurückerinnert. Er habe aber auch Dokumente durchgesehen, diese aber nicht auswendig gelernt. Er habe sich daher die notwendigen Datumsangaben aufgeschrieben.

In seinem Eingangsstatement sagt er, er wolle zunächst auf den Sprachgebrauch hinweisen. Sie würden die NSU/NSDAP-CD „NS-CD“ nennen. In journalistischen und politischen Kreisen sei von der „NSU-CD“ die Rede, da könne es zu einer Verwechslung mit dem Bekennervideo kommen. Sie hätten diese Daten erstmalig als Dateipfad auf einer DVD gesehen und dort sei sie als „NS-CD“ benannt gewesen. W. führt aus, am 13. März 2014 sei bekannt geworden, dass das LfV Hamburg eine solche DVD zur Verfügung gestellt hat, diese sei dem Landesamt zugespielt worden. Das sei eine DVD gewesen und die hätten sie sich angeschaut. Besonders auffällig sei die Zusammenstellung gewesen, im Gegensatz zu den drei weiteren CDs seien hier neben der „NS-CD“ weitere Dateipfade gewesen. Der Film „Dark Blue“, das Spiel „Panzergeneral“, eine Zusammenstellung „Textwerkstatt 88“ sowie fünf Videos von rechten Demos in unter anderem in Hoyerswerda. Die „NS-CD“ sei ein eigener Pfad gewesen, mit diesem hätten sie sich maßgeblich befasst. Innerhalb des Dateipfades hätten sich die Dateien „einlage.jpg“ und „index.html“ gefunden. Ersteres sei die Einlage für die CD, also das Cover-Bild, gewesen. Darauf seien Hände in Schwarzweiß, eine Wolfsangel, eine Schusswaffe und der Schriftzug NSU/NSDAP gewesen: „Das hat natürlich für Aufsehen gesorgt“, weil das Kürzel alarmiert. Bei „index.html“ handele es sich um ein Anschreiben. In dem stehe etwas wie ‚Einmal verbreitet nie mehr gestoppt‘ und dass die Bilder in der Szene verbreitet werden sollen, sie sollen der Propaganda dienen.

W. fährt fort, sie hätten sich damit befasst, ob es die CD noch gebe, ob sie verbreitet worden sei. Es sei schon vor der Zuschickung durch den GBA in rechten Foren über die CD geredet worden. Der Zeuge nennt den Namen Fatalist. W. sagt, sie hätten am 16. April 2014 ein Fernschreiben an alle Bundesländer mit der Frage geschickt, ob es noch in weiteren Verfahren Sicherstellungen von CDs gegeben habe. Daraufhin habe es die Rückmeldung aus Mecklenburg-Vorpommern gegeben, dass man am 15. April 2014 bei der Durchsuchung bei Steve Mi. wegen Rauschgiftermittlungen eine CD gefunden habe, die mit der Beschreibung übereinstimme. W. sagt, sie hätten dann die CD aus diesem Verfahren überbeschlagnahmt. Sie hätten nicht das ganze Verfahren übernommen, sondern nur den Datenträger. Es habe sich dann herausgestellt, dass die CD inhaltlich, was die Dateien anbelangt, mit der „NS-CD“ übereingestimmt habe. Und zwar nur dem dem Dateipfad „NS-CD“, der Spielfilm, das Spiel, die Textwerkstatt und die Bilder der Demonstrationen seien hier nicht vorhanden gewesen. W. sagt, dann habe es noch eine Sicherstellung einer weiteren CD gegeben, die im Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegen habe.

W. sagt, so habe man schon den Eindruck gewinnen können, dass es den Datenträger tatsächlich öfter gebe. Es habe eine weitere Rückmeldung aus Sachsen gegeben. Es habe sich um die Durchsuchung bei Maik Arnold im Zusammenhang mit den Nationalen Sozialisten Chemnitz gehandelt. Man habe dort im März 2014 durchsucht und habe eine CD gefunden. Das sei aber erst im Oktober festgestellt/gemeldet worden. Es würden bei Durchsuchungen allgemein immer mehr Datenträger festgestellt, das verlängere die Zeit der Sichtung, führt W. aus. Daher sei das erst im Oktober gemeldet worden. Bei diesem Exemplar sei auffällig gewesen, dass es hier einen neuen Pfad gegeben habe: „ACAB“. W. resümiert, das seien die ihnen bekannt gewordenen CDs/DVDs, die dem BKA physisch vorlagen. Die Person in Kambodscha müsse eine weitere haben und der Journalist aus Köln, Herr Lindhoff. Aber die seien beide nicht an Aufklärung interessiert gewesen.

Der Zeuge sagt, „inhatlich sind die drei Buchstaben aufsehenerregend, da muss man sich kümmern“. Dementsprechend seien Ermittlungen erfolgt. Das Ergebnis sei gewesen, dass es keine Verbindung zum Trio gebe. Wenn man die Zielrichtung der CD, die aus index.html hervorgehe, betrachte, da gehe es um Propaganda, darum, die Szene mitzunehmen. Darum, dass die veröffentlichten Bilder nicht mehr aufzuhalten sind. „Genau das Gegenteil war die Vorgehensweise des Trio“, dieses hätte im Brief zu verstehen gegeben: „Taten statt Worte“. Man wollte nicht mehr sprechen, nicht mehr Teil eines Vereins sein. Das Trio habe sich ganz eindeutig durch seine Morde von Propagandataten abgegrenzt, „insofern war dieser Zusammenhang nicht herstellbar“. Auffällig sei außerdem gewesen, dass bei index.html das NSU-Logo fehle. Index.html und einlage.jpg seien im Jahr 2003 entstanden, zu diesem Zeitpunkt habe es das NSU-Logo schon gegeben und es sei im NSU-Brief verwendet worden. Dieses Zeichen sei identitätsstiftend, es habe sich immer wieder fortgesetzt, es sei in allen Versionen des Bekennervideos und im Brief genutzt worden und es sei den Tätern wichtig gewesen, dass dieses Logo nach dem Ableben mit den Taten veröffentlicht werde. Die NSU-Bekenner-CD habe man bei Banküberfällen dabei gehabt „und man hatte mit Beate Zschäpe vereinbart, wenn wir nicht zurückkommen, dann versende die CDs, die schon vorbereitet sind“. Insofern sei ein Zusammenhang zur CD nicht herstellbar. Das Kürzel NSDAP deute für das BKA auf die NSDAP/AO hin. Die Organisation sei in Amerika ansässig, die führende Person sei Garry Lauck, der betreibe den „NS-Kampfruf“. Dort und in anderen Publikationen sei von „Nationalsozialistischer Untergrundorganisation“ die Rede. Der Zeuge sagt, NSU sei also keine Neuschöpfung. Aber bei der NSDAP/AO ginge es um Aktionen ohne Gewalt, um die erneute Legalisierung der NSDAP. „Aber das Trio wollte sich nicht einer Partei unterordnen und ausdrücklich keine Worte mehr wechseln.“

Bernd Lange fragt nach dem Werdegang des Zeugen. Dieser antwortet, er habe drei Jahre studiert und dass er fast von deren Beginn an bei BAO/EG Trio des BKA gewesen sei. „Zehn Jahre meiner Laufbahn habe ich mit dem NSU verbracht“. Lange fragt, wann die CD zusammengestellt wurde und wie sie zusammengesetzt sei. W. sagt, die CD sei mutmaßlich 2003 verbreitet worden. In der Datei index.html werde gesagt, man habe die Daten aus dem „Weltnetz“ zusammengesammelt, das sei auch entsprechend durch Ermittlungen nachvollzogen worden. Viele der Dateien seien offen zugänglich aus dem Netz, es müsse jemanden gegeben haben, der letztlich die Propaganda-CD zusammengefügt habe.

Nach seiner Aussage aus seinem Eingangsstatement gefragt, dass der NSU das Bekennervideo immer dabei hatte, sagt W., das wolle er präzisieren. Sie wüssten definitiv, dass sie das in Eisenach dabei hatten, daraus schließe er, dass es dem NSU ein Anliegen war. Zschäpe hatte die Anweisung, das Video zu verbreiten. Der Modus operandi habe sich nicht unterschieden. Man war bereit, in den Tod zu gehen, wollte aber dass der NSU bekannt wird, so der Zeuge. Der Zeuge verneint, bei einer Vernehmung von Steve Mi. dabei gewesen zu sein. Bei der zweiten Vernehmung von David Petereit sei er aber dabei gewesen, bestätigt der Zeuge. Gefragt nach seinem Eindruck, sagt W., Petereit habe schon bei der Belehrung zu verstehen gegeben, dass er sehr polizeierfahren sei und die Abläufe kenne. Er sei nicht nervös gewesen und habe seine Position geschickt vertreten. Petereit habe das eingeräumt, was er einräumen musste, „was einfach Fakt war“. Sonst habe er Erinnerungslücken aufgewiesen und Dinge im Vagen gelassen. Sein Eindruck sei gewesen, dass Petereit möglicherweise mehr Informationen gehabt habe, aber das könnten sie nicht belegen, so W. Auf die Nachfrage, was Petereit im Vagen gelassen habe, sagt der Zeuge, dabei sei es um die presserechtliche Verantwortung für den „Weissen Wolf“ gegangen. Dazu habe Petereit zunächst in einer Stellungnahme angegeben, dass er erst ab der 20. Ausgabe verantwortlich gewesen sei. In der Vernehmung habe er dann angegeben, er sei seit Ausgabe 15 verantwortlich gewesen. Das sei interessant, weil in Ausgabe 18 ‚vielen Dank an den NSU‘ drinstand. Petereit habe dann in der Vernehmung gesagt, dass er mit einer Mailadresse verantwortlich für den „Weissen Wolf“ gewesen sei. Das sei aber ein taktisches Vorgehen gewesen.

Ann Christin von Allwörden fragt, welche Kenntnisse zur rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern der Zeuge hatte, bevor er Petereit vernommen habe. W. antwortet, das sei nicht Gegenstand der Ermittlungen gewesen. Erst wenn Personen aus dem Zentrum in Ermittlungen eine Rolle spielen, dann werde geguckt, wie das komme. „Man geht nicht über das Bundesgebiet und sammelt alle rechte Organisationen auf, um zu gucken, hat wer NSU-Bezug.“ Das sei völlig unökonomisch. Die Abgeordnete hakt nach, ob Petereit ihm ein Begriff gewesen sei. W. bejaht, dass Petereit NPD-Landtagsabgeordneter war, dass er in Ermittlungen auftauche, „selbstverständlich nimmt man das wahr“. Von Allwörden fragt, ob es eine Rolle spiele, ein Bild von der Szene zu haben, um Petereit zu vernehmen. Der Zeuge entgegnet, im Grunde unterscheide sich so eine Person nicht von anderen. Man gucke, was ist eine Erkenntnis, es würden Datenbanken befragt. Ein relevanter Punkt sei das Magazin „Der Weisse Wolf“ gewesen.

Noetzel fragt, inwieweit er die Vernehmung von Petereit als glaubhaft bewerte. Der Zeuge sagt, manchmal schreibe man Extra-Vermerke zu Vernehmungen, er könne sich nicht erinnern, dass das gemacht worden sei. Seine Wahrnehmung sei gewesen, Petereit habe sich geschickt aus relevanten Themen rausgewunden, aber nicht gelogen, so W. Noetzel fragt, ob man Petereit die Mail an Thomas Richter vorgehalten habe. Das bejaht der Zeuge, aber Petereit habe sich auf Erinnerungslücken berufen, dann werde es schwierig. Da könne man Vorhalte machen, wenn er dabei bleibe, sei die Übung beendet. Noetzel fragt, ob man die weitere Beziehung zum Betreiber von bunker.com untersucht habe. W: „Ich denke, Sie wollen auf Thomas Richter hinaus“, den Betreiber von bunker.com und Adressat der Mail, er habe die Seite unter Kontrolle gehabt. Darauf habe es viele Bilder und Propaganda gegeben. W. sagt, der Hintergrund der Frage sei sicher, ob Petereit Autor der CD gewesen sei: Petereit habe das natürlich so dargestellt, dass eine Propaganda-CD keine Neuigkeit in der rechten Szene sei. Sie hätten das bei der Vernehmung in den Raum gestellt, aber er habe sich darauf nicht eingelassen. Noetzel fragt, ob man die These auch anderweitig verfolgt habe. W. sagt, man hätte gern gewusst, wer die CD gemacht habe. Aber man habe festgestellt, der NSU sei es nicht gewesen. Da brauche es eine Abgrenzung zu den eigentlichen Ermittlungen. Noetzel hakt nach, wenn sich Petereit geschickt verhalten habe, warum habe er dann geäußert, dass die CD von der NSDAP/AO kommen könnte: „Warum sollt er das sagen?“ W. sagt, das sei ja nicht vom Himmel gefallen, das sei in der vierten oder fünften Vernehmung gewesen und es liege auf der Hand, wenn man nicht die historische NSDAP meine, müsse es sich um die NSDAP/AO handeln. Daher sei man nicht besonders überrascht gewesen.

Constanze Oehlrich hakt nach, sie wolle genauer verstehen, was das heiße: Man vernehme einen Zeugen, hält ihm eine Mail vor, die von ihm selbst stammen müsse, und der sagte, er könne sich nicht erinnern. „Wie bewertet man das?“ W. antwortet, das bedeute, es bleibe letztlich offen. Die Mutmaßung habe auf der Hand gelegen, die Mail sei im Raum gewesen. Man könne aber nicht ausschließen, dass sie jemand anderes benutzt habe. Wenn eine Person sage, er erinnere sich nicht, ob man ihm glaube oder nicht, wenn man nichts rausfinde, müsse das offenbleiben. Man habe dazu keine anderen Erkenntnisse gehabt. Die Abgeordnete fragt, inwieweit der Kontakt zwischen Richter und Petereit untersucht worden sei. W. sagt, man habe festgestellt, dass die beiden sich ab 2000 mindestens über Mailkontakt gekannt hätten. Petereit habe eingeräumt, dass er ihn von Veranstaltungen kenne. Letztlich sei es so gewesen, dass Thomas Richter Webspace für „Der Weisse Wolf“ zur Verfügung gestellt habe. Dort seien aber keine vollwertigen Ausgaben hochgeladen worden, sondern Übersichten zu „Der Weisse Wolf“ und die Ankündigung, wenn eine neue Ausgabe erschienen sei. Oehlrich fragt nach rechten Propaganda-CDs allgemein. Der Zeuge sagt, das sei gängige Praxis gewesen, die jetzt vom Internet überholt worden sei. Früher habe man Datenträger kopiert und verteilt. Für ihre Ermittlungen habe dieser eine Datenträger kein große Rolle gespielt. „Wir waren nicht nicht rechte Szene Deutschland – wir klären alles.“ Oehlrich fragt, inwiefern die zeitlichen Umstände eine Rolle gespielt hätten. W. sagt, diese zeigten, dass die CD eher nichts mit dem NSU zu tun habe, weil sonst das Logo hätte verwendet werden müssen.

Domke sagt, diese Propaganda sollte weiträumig verteilt werden und fragt, warum man nur von fünf Exemplaren wisse. W. antwortet, er könne nicht zweifelsfrei sagen, woran das liege. Es gebe Denkmodelle. Die CD sei 2013/14 festgestellt worden, die Erstellung habe zehn Jahre zuvor stattgefunden, die Verteilung sechs bis sieben Jahre zuvor, als der NSU lokalen Ermittlungsbehörden nicht bekannt war und entsprechende Funde gar nicht unter dem Kürzel asserviert wurden. Wenn man mehr CDs hätte auftreiben wollen, hätte man das Ermittlungsverfahren mit der Frage, ob sie noch da sei, wieder aufrollen müssen. Was aber ein guter Hinweis sei: Die Nachrichtendienste würden kritisch gesehen, aber genau dafür seien sie da, im relevanten Zeitraum hätten die Behörden ihre Aufgaben gemacht und damit habe die CD zur Verfügung gestanden. Domke spricht in einer Frage vom Kerntrio, darauf entgegnet W., er fremdele mit dem Begriff. Es gebe nach einem rechtskräftigen Urteil drei Personen, die den NSU darstellten. Der Begriff „Kerntrio“ setze ja voraus, dass es mehr Personen gebe und das habe ein Oberlandesgericht nicht festgestellt. Das solle man berücksichtigen und keine Wortwahl wählen, die das Gegenteil beinhalte. Domke: „Danke für den Hinweis“, das sei nun die Aufgabe des Untersuchungsausschusses das herauszufinden: „Überlassen Sie die Wortwahl mir.“ Domke fragt weiter, wie die Zusammenarbeit mit den Landesbehörden gewesen sei. W. führt aus, man handele in föderalen Strukturen, sie als BKA hätten den Auftrag gehabt, die Ermittlungen zu führen und zwar ausschließlich. Aber bei der außergewöhnlichen Größenordnung des NSU hätten auch woanders Dienststellen es als nötig gesehen, aktiv zu werden. Das sei ein Problem, denn diese könnten keine Ermittlungsaufträge erteilen, dafür seien sie nicht befugt. Auch aus Mecklenburg-Vorpommern habe es immer wieder Fragestellungen gegeben, die aber nicht Ermittlungsgegenstand werden konnten, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Eine große Sensibilität sei notwendig gewesen. Man habe die Informationen kaum zusammenhalten können. Datensätze und Aktenbestände seien im Internet gelandet, das machte Ermittlungen sehr schwer. Man habe viele Feuer löschen müssen, „weil Leute Dinge wussten, die sie nicht wissen sollten“. Der GBA sei sensibel, er habe das restriktiv gehandhabt. Die Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern hätten sich darüber austauschen können, was für sie relevant gewesen sei und hätten Daten beantragen und mitnehmen können. Am 19.Juni 2013 seien die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern dagewesen und hätten Fragen stellen können. Dabei seien auch die Differenzen und Grenzen der Kommunikation geklärt worden. Er habe nichts nachhaltig schlechtes feststellen können, so W., föderale Strukturen würden für Herausforderungen sorgen, aber das kriege man hin. In großen herausfordernden Verfahren müssten sich Spielregeln finden.

Lange fragt nach Unterstützern in Mecklenburg-Vorpommern. Der Zeuge sagt, man müsse einen konkreten Ansatz und genügend Kapazitäten haben, um nach Personen zu fahnden. Lange fragt dann nach den Turner Diaries. Der Zeuge sagt, man habe sie ausgewertet, da sei es um Fragestellung gegangen, ob es eine Blaupause gewesen sein könnte. Natürlich sei das ein bekanntes Szeneprodukt, es sei aber wegen geringer Detailtiefe nicht als Blaupause oder Anleitung für den Untergrund geeignet. Aber es zeige auch, jemand ist mit der Szene verbunden, hat die Ideologie angenommen. Auf Frage bestätigt der Zeuge, es habe vom BKA Ermittlungs- und Arbeitsaufträge an das LKA Mecklenburg-Vorpommern gegeben.

Es folgt eine Diskussion, als es um Thomas Richter als Quelle des BfV und seine namentliche Nennung geht. Der Zeuge verweist auf seine Aussagegenehmigung. Die Vorsitzende sagt, es sei aber allgemein bekannt, dass Thomas Richter V-Mann Corelli gewesen sei. W. entgegnet, das sei ihm bewusst, aber das entbinde ihn nicht von seiner Aussagegenehmigung. Zu Angaben zu Quellen müsse der Verfassungsschutz seine Zustimmung erteilen, die liege nicht vor. Das wirke hölzern, sei aber nicht so geheimnisvoll, wie es erscheine.

Von Allwörden fragt erneut nach Kenntnissen des Zeugen zur rechten Szene in Mecklenburg-Vorpommern. W. sagt, er gehe vom NSU aus, es könne sein, dass man mal was aus Mecklenburg-Vorpommern gehört habe, „aber für uns standen Taten und Beschuldigte im Mittelpunkt und dann weiten wir aus, wenn es Erkenntnisse gibt“.

Noetzel sagt, er wolle den Zeugen nicht vorführen aber zeigen, wie absurd die Aussagegenehmigung sei. Der Abgeordnete sagt, W. habe an einer Vernehmung des V-Mannführers von Corelli teilgenommen. Noetzel fragt, ob der Zeuge mit Vertrauenspersonen, ob polizeilich oder vom Verfassungsschutz, zu tun gehabt habe. W. antwortet, das gehöre natürlich zu den möglichen Instrumenten. Noetzel fragt, ob es ihm schonmal untergekommen sei, dass Vertrauensperson und VP-Führer trotz Abschaltung weiterhin Kontakt hatten. W. sagt, als polizeiliches Erlebnis nicht, aber wenn es um Nachrichtendienste gehe, müsse man dort nachfragen. Aber jemand der sich der Geheimhaltung verpflichte, bekomme vielleicht eine Nachbetreuung. Noetzel fragt nach den Vernehmungen von Thomas Richter. W. antwortet, es habe zwei gegeben, eine habe sich auf die Nennung auf der „Garagenliste“ von Uwe Mundlos bezogen und die andere auf die NSU-CD, glaube er, er sei sich aber nicht sicher, so der Zeuge. Noetzel sagt, Thomas Richter sei am 7. April 2014 verstorben, die Anfragen zur CD seien später gewesen. W. sagt, sie hätten auf Erkenntnisse zurückgegriffen, sie hätten nach seinem Tod Daten von Thomas Richter ausgewertet und geprüft, ob die Inhalte vom Datenträger von ihm stammen können. Es habe Treffer gegeben. Er habe mutmaßlich die DVD zusammengestellt, die man aus Hamburg bekommen habe, das bedeute aber nicht, dass er der Ersteller der CD sei. Aber er spiele eine Rolle. Auf Nachfrage nach den Verbindungen von Thomas Richter nach Mecklenburg-Vorpommern sagt der Zeuge, Petereit habe den Webspace genutzt, um eine Sonderausgabe des „Weissen Wolf“ zu posten. Man kannte sich, aber das habe nach Angabe von Thomas Richter mit der Wahl von Petereit in denn Landtag geendet.

Oehlrich fragt nach der der Vernehmung von Steve Mi. und den Widersprüchen zum Umzug und was sie davon gehalten hätten. W. sagt, was man davon gehalten habe, sehe man daran, dass man dreimal versucht habe, Mi. zu vernehmen. Das habe immer der gleiche Ergebnis gehabt, „letztlich fehlt der finale Anpacker“. W. sagt, seine Sichtweise sei, das Mi. über die Brücken, die man ihm gebaut habe, nicht gegangen sei, weil er wusste, es sei problematisch. Wenn er sich dazu bekannt hätte, dann hätte es ganz anderen Ärger geben. Aber es sei schon auffällig gewesen, Mi. habe den Datenträger gehabt und beide Mitbewohner hätten angegeben, dass der Umzug nicht hektisch gewesen sei. Das Kürzel „M“ habe sowohl auf dem Rohling als auch auf der Packung gestanden. Aber man habe es nicht belegen können. „In der Tat, da bleiben Fragen.“ Oehlrich sagt, Mi. habe rechte Musik auf dem Rechner gehabt und rechte Aufkleber darauf. Sie hinterfragt, wieso den Mitbewohnern nicht aufgefallen sei, dass er rechts sei. W. antwortet, das laufe einem immer wieder über den Weg. Von „uns aus“ sei jemand rechts, aber die Person empfände sich selbst nicht so. Das sei nicht seine Aufgabe, das zu bewerten, solange es nicht strafbar sei. Aber es sei bemerkenswert, es gäbe Leute, die halten sich in der Szene auf, gehen auf die Feiern, seien aber nicht der Meinung, dass sie dazugehören. Die Mitbewohner seien „kernige Typen“ gewesen, „die haben insgesamt andere Denkmuster“, seien „etwas robuster, vom gesamten Auftreten“. Die hätten vielleicht eine andere Wahrnehmung, aber die Diskrepanz sei groß. Oehlrich sagt, der Sonderermittler Jerzy Montag habe die NSU-CD dem V-Mann Corelli zugerechnet. Sie fragt, welches Echo der Bericht im BKA hervorgerufen habe. W.: „Keins. Ehrlich gesagt, es kann sein, dass ich den Bericht gelesen habe, aber wir können nicht unsere Meinung kundtun, wir schaffen Fakten. Aber Zuordnungen, basierend auf Mutmaßungen, passt nicht zu unserem Berufsfeld.“

Domke fragt, ob man manchmal „hinter der Lage“ gewesen sei, wenn Journalisten schon Sachen geschrieben hätten. Der Zeuge antwortet, jede Veröffentlichung von Daten, die nicht in die Öffentlichkeit gehörten, setze das ganze System unter Druck. Veröffentlichungen seien hochproblematisch, für eine saubere Abarbeitung sei das eine Riesenherausforderung. Die Ermittlungen seien öffentlich geführt worden, das sei schwierig und so nicht vorgesehen. Man habe daher nochmal verstärkt auf die Spielregeln hingewiesen und sich bemüht, die Verteilung auf das absolut notwendige zu reduzieren. Das sei aber bei einem großen Prozess schwierig. Domke fragt, ob die Zusammenarbeit mit allen Landespolizeien gleich erfolgreich gewesen sei. W. antwortet, er könne mit Sicherheit sagen, dass die Zusammenarbeit am Anfang unterschiedlich gut geklappt habe. Es sei in Mecklenburg-Vorpommern wie beschrieben so gewesen, dann sei es immer drauf angekommen, wie stark Behörden ausgestattet seien. Dann sei die Frage gewesen, wie tief eine Person im Thema sei, im Staatsschutz mit Sachen betraut war. Aber das vermag er nicht zu bewerten, so W. Meistens habe der Austausch in Schriftform stattgefunden und sei eigentlich kollegial und vernünftig gewesen.

Noetzel sagt, der Zeuge habe an der Vernehmung des V-Mannes des LfV Hamburg mit dem Tarnnamen „Frank Maier“ im Juli 2014 teilgenommen und fragt nach seinem Eindruck. W. sagt durch Tarnpersonalie und Quelleneingenschaft habe sich die Aussage auf wenige Situationen begrenzt. Der V-Mann habe ausgesagt, dass er im Februar 2014 seinen Dachboden aufgeräumt habe. Sie hätten hinterfragt, ob er wirklich aufgeräumt habe oder ob er wegen der Internetveröffentlichung nochmal geguckt habe, aber das habe er verneint: Er habe CDs ausgemistet und dann habe er sie entdeckt. Die CD sei ihm von Thomas Richter geschickt worden. Auf Frage sagt der Zeuge, sie hätten in Hamburg Einblick in die Deckblattmeldung des Landesamtes nehmen dürfen, darin habe sich keine andere Sichtweise gefunden. Auf weitere Nachfrage sagt der Zeuge, die CD, die in Mecklenburg-Vorpommern gefunden wurde, sei laut Zeitstempel die älteste der CDs.

Oehlrich fragt, wie das BKA mit den wenig ergiebigen Ergebnissen zur Herkunft der CD umgegangen sei. W. sagt, das gehöre zum Geschäft, „Ermittlungen führen nicht immer zum Ergebnis“. Das könne man nicht erzwingen, „auch wenn bestimmte Ebenen das erzwingen wollen“. Dass man aber habe herausarbeiten können, das zwischen CD und dem NSU kein Zusammenhang bestehe, „das ist doch ein guter Erfolg“. Das habe für sie im Zentrum gestanden und diese Aufgabe sei erfüllt worden. Oehlrich sagt, der Zeuge habe angegeben, dass man keine weiteren Unterstützer in Mecklenburg-Vorpommern ermittelt konnte. Sie fragt, auf welcher Grundlage er diese Aussage treffe, welche Durchsuchungen beispielsweise durchgeführt worden seien. W. sagt, er wisse nicht, wie viele Durchsuchungen es gegeben haben, aber es seien schon erheblich viele gewesen. Bei jeder einzelnen Tat habe man die dazugehörigen Asservate, die Kennverhältnisse und die Bewegungsbilder der Hauptpersonen geprüft. Immer mit der Maßgabe, was hat etwas mit den Taten, was mit dem NSU zu tun. Unter dieser Maßgabe sei nach Unterstützern gesucht worden. Was das anbelange, gebe es diese Unterstützerbezüge nicht. Insbesondere für die Tötungsdelikte habe man ein sehr gutes Bild, wie der NSU vorgegangen sei. Dieser Vorgehensweise wären Unterstützer bzw. Mitwisser sogar abträglich gewesen. „Vielleicht gebe ich auch nochmal mit“: Der NSU habe viel investiert, um im Verborgenen zu leben. Er habe keine Kontakte gepflegt, die nicht unbedingt nötig gewesen seien, er habe Kontakte abgebrochen, er sei diese Risiken nicht eingegangen. Der NSU habe gewusst, dass es V-Leute und unzuverlässige Personen gebe. Neben den ganzen Personenabklärungen habe das BKA die Vorgehensweise bei den Taten sehr gut belegen können. Böhnhardt und Mundlos hätten diese eigenständig geplant und durchgeführt. Sie als BKA hätten bis Ende des Prozesses viel investiert, sie hätten Presseberichte geprüft, hätten aber nichts gefunden. Es würden heute immer noch Hinweise überprüft. „Jedes mal wenn Vollmond ist, da gibt es wieder Hinweise“, aber konkretes habe sich nicht ergeben. Oehlrich sagt, in Mecklenburg-Vorpommern interessiere man sich für die konkreten Tatorte und wie man darauf gekommen sei. Der Zeuge sagt, für die Sparkasse in Stralsund habe man ein Asservat gefunden. Genau diese Bank sei auf der Liste aus der Frühlingsstraße mit Kennzeichnung drauf. Auch wenn Leute in der Öffentlichkeit sagen, da müsse es Leute gegeben haben. W. sagt, er könnte lange von München und wie die Planung dort gewesen sei, erzählen. Der Modus Operandi sei konstant geblieben. Es habe eine elektronische Liste gegeben und Ausspähungen für die Tötungsdelikte. Die 10.000er-Liste sei nach Städten gefiltert worden und dann sei ein Reiseplaner generiert worden. Die Daten habe man von einer Telefon-CD, darauf seien beispielsweise muslimische Einrichtungen und Politikerinnen. Diese habe man herausgefiltert und danach die Gesamtliste erstellt. Die habe man abgeklappert, das könne man sehen, dass die da gewesen seien. Bei der Bank sei es dünn, man wisse nicht, was zwei Sternchen bedeuten. Wenn man aber von Norden aus nach München fahre und dann westlich den Ring fahre, lande man folgerichtig bei dem Tatort, an dem Theodoros Boulgarides ermordet wurde. Man komme logisch den Weg entlang. Die Vorbereitung habe anhand der Liste am Computer stattgefunden, „alles allein von Zuhause“. Dann habe man ein Fahrzeug angemietet. Es sei absurd, wenn man dann noch jemanden angerufen hätte. W. sagt, er sei sehr dankbar, dass man sich da in München zugänglicher gezeigt hätte. Oehlrich fragt, wie das im Fall von Mehmet Turgut gewesen sei. Der Zeuge antwortet, je weiter die Taten in der Vergangenheit lägen, desto weniger Informationen habe man. Sie wüssten, dass Böhnhardt kurz vorher einen Führerschein auf den Namen Holger Gerlach bekommen habe. Dann habe man die Gelegenheit ergriffen, habe ein Wohnmobil angemietet und habe sich nach Rostock begeben, dort habe man am dritten Tag die Tat verübt. Für diese Reise gebe es keinen Planer, diese gebe es erst ab 2005. Aber der Modus Operandi habe sich nicht geändert. Die Nutzung von Telefonbuchdaten sei für die Jahre 2002 und 2003 belegt. Ab 2005/2006 habe man sehr genaue Abläufe und herausgefilterte Reiseplanungen. Wenn man die Systematik kenne, dann verstehe man es.