Protokoll 202. Verhandlungstag – 29. April 2015

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Für den heutigen Prozesstag waren zwei Zeug_innen geladen. Urte O., die den in am 07.11.2006 als Kundin miterlebt hat, berichtete von ihren Erinnerungen an dieses Ereignis. Den Hauptteil des Prozesstages nahm allerdings die Befragung von Kay St., einem Jugendfreund von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, ein. Er war als Oi-Skin in den 90er Jahren ebenfalls in der rechten Szene aktiv und überraschte mit einer Aussage zu dem Vorfall der Puppen-Attrappe 1996. Entgegen seiner bisherigen Aussagen in diesem Zusammenhang gab er diesmal an, er sei an der Tat beteiligt gewesen und habe Böhnhardt und Mundlos ein Alibi geben sollen. Aufgrund unter anderem dieses Alibis war Böhnhardt bei dem entsprechenden Strafverfahren 1997 freigesprochen worden.

Zeug_innen:

  • Urte O. (Kundin in der Sparkasse Stralsund zum Banküberfall 07.11.2006)
  • Kay St. (früherer Oi-Skin und Jugendfreund von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt)

Die Verhandlung beginnt um 09:46 Uhr. Als erste Zeugin wird Urte O. zu dem Überfall auf die Sparkasse Stralsund am 07.11.2006 befragt. Der Vorsitzende Richter Götzl will wissen, woran sie sich erinnere. Sie habe das, so die Zeugin, total verdrängt bis die Ladung gekommen sei. Sie könne sich nicht mehr an viele Sachen erinnern. Sie habe an dem Tag nur noch schnell eine Bareinzahlung tätigen wollen, als mit einem Mal einer reingekommen sei. Sie hätten sich hinlegen sollen, es habe auch einen oder zwei Schüsse gegeben. Es sei in die Luft gefeuert worden, sie wisse nicht, ob das eine Schreckschusspistole gewesen sei oder eine echte. Götzl will wissen, ob sie die Personen gesehen habe. Auf dem Boden liegend habe sie, so die Zeugin, eine Person gesehen, die weiße Turnschuhe getragen habe. Sie wisse, erwidert die Zeugin auf Rückfrage, dass es sich um zwei Personen gehandelt habe, weil sie zwei unterschiedliche Stimmen gehört habe. Das habe sich nach Dialekt angehört, es seien eindeutig Deutsche gewesen.

Eine Waffe habe sie nicht gesehen, antwortet die Zeugin auf Götzls Frage, es sei gegen einen Widerstand geschossen worden, sie vermute in die Decke, aber das sei Spekulation. Götzl will wissen, wie es dann weiter gegangen sei. Sie meine, eine Angestellte habe in den Tresorraum gemusst. Auf die Frage nach den Folgen des Überfalls, gibt die Zeugin an, sie sei am nächsten Tag normal in den Dienst gegangen, man habe gar nicht erfassen können, wie gefährlich das gewesen sei. Danach habe sie dann nicht mehr darüber geredet. Das sei ein Schutzmechanismus für sie gewesen. Die Zeugin verneint die Frage, ob sie während des Überfalls einen speziellen Geruch wahrgenommen habe.

Götzl kommt auf die Vernehmung zu sprechen, die im Anschluss an den Überfall stattgefunden hatte. Er wiederholt die Frage nach anderen Personen. Die Zeugin gibt an, dort sei noch eine Frau mit ihrer Tochter gewesen. Die Angabe in der damaligen Vernehmung, sie habe etwas wie Zündblättchen gerochen, kann sie nicht bestätigen, daran erinnere sie sich nicht mehr. Auch die Beschreibung des anderen Täters, die sie damals mit roter Jacke, hellen Turnschuhen und einer schwarzen Skimütze abgegeben hatte, kann sie aufgrund fehlender Erinnerung nicht bestätigen. Zu folgenden vorgehaltenen Aussagen schweigt die Zeugin: Die Waffe sah aus wie ein Colt, wie man ihn zum Cowboykostüm beim Fasching trägt. Ich hatte einmal versucht aufzuschauen, da wurde ich gleich aufgefordert, wieder runterzugehen. Die folgenden Aussagen bestätigt die Zeugin: Von dem anderen im Kassenraum hörte ich immer nur dass er meckerte: da muss doch noch mehr Geld sein. Hatte den Eindruck, dass das Laien waren. Dass ich ihn von der Stimme in den Süden der DDR einordnen würde, damit meine ich dass er ähnlich dem sächsischen Dialekt sprach. Er könnte um die 30 Jahre alt gewesen sein, aber da kann man sich leicht täuschen. Um 10.00 Uhr wird die Zeugin entlassen.

Als nächtes kommt Kay St. in den Zeugenstand. Götzl fragt nach Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe und will wissen, ob er diese kenne, wie sie sich kennengelernt hätten und wie sich das Verhältnis zwischen ihnen entwickelt habe. Er kenne, so Kay St., Beate Zschäpe und Uwe Mundlos bestimmt seit Ende der 1980er, vielleicht auch Anfang der 1990er Jahre. Uwe Böhnhardt habe er Mitte der 90er Jahre kennen gelernt. Er müsse zugeben, dass er mit Beate Zschäpe und Uwe Mundlos freundschaftlich verbunden gewesen sei, anfangs hätten sie sich fast täglich getroffen. Das sei mit der Zeit eingeschlafen, sie hätten sich dann nur noch alle zwei Monate getroffen, wenn überhaupt. Götzl bittet den Zeugen, das zeitlich einzuordnen. Er denke, so der Zeuge, ab 1997 in dem Dreh. Zur Angeklagten Beate Zschäpe müsse er sagen, sie habe sich in seinen Augen von den beiden irgendwie getrennt und sei mehr bei ihrem Cousin zugegen gewesen. Zwischen Stefan Apel, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos habe es ziemliche Differenzen gegeben. Götzl bittet den Zeugen, das zu erläutern. Es habe damals eine Trennung gegeben zwischen Skinheads, zu denen auch er gehört habe und mehr oder weniger organisierten Rechtsradikalen. Und diese beiden Gruppierungen hätten sich nicht immer verstanden. Das sei auch im Verhältnis zwischen Mundlos und Apel so gewesen. Mundlos habe Apel als asozialen Skinhead bezeichnet.

Götzl bittet den Zeugen, genauer zu beschreiben, was mit asozial gemeint gewesen sei. Er sage es mal so, entgegnet der Zeuge, sie als Skinheads seien weniger politisch interessiert gewesen, sie hätten Spaß haben wollen. Sie hätten geschult werden sollen und hätten das nicht gemacht, sie hätten viel getrunken. Er habe sich jetzt ziemlich viel mit dieser Zeit beschäftigt, es habe, so denke er, Mitte der 90er Jahre eine Radikalisierung in der rechten Szene gegeben. Es seien Themen aggresiver behandelt worden und es sei um Organisierung gegangen. Vorher seien sie eher Jugendliche gewesen, die einen Kleidungsstil gehabt und dieselbe Musik gehört hätten. Er erinnere sich noch, dass er zu einem Treffen des Thüringer Heimatschutzes habe mitkommen sollen, das habe er abgelehnt, er habe keine Lust gehabt. Auf die Frage, wer an ihn herangetreten sei, antwortet der Zeuge: Mundlos. Götzl will wissen, was es mit dem THS auf sich gehabt habe. Er habe durchaus gewusst, dass es den THS gegeben habe, aber er könne nichts zu dem Personenkreis sagen, antwortet der Zeuge. Er sei nie bei einem Treffen dabei gewesen. Auf die Frage, wie Mundlos begründet habe, dass er zu einem Treffen mitkommen solle, gibt der Zeuge an, Mundlos habe gesagt, er solle einfach mal mitkommen zur Information. Er gehe davon aus, so Kay St., dass Mundlos ihn vom Skinheaddasein habe abbringen wollen. Worum es beim THS gehe, habe Mundlos nicht gesagt, antwortet der Zeuge auf Nachfrage.

Götzl kommt noch einmal auf die vom Zeugen erwähnte Radikalisierung in den 90er Jahren zu sprechen und will wissen, was damit gemeint sei. Man habe, so der Zeuge, Aufmärsche organisieren wollen und Schulungen durchführen. Und was für Schulungen seien gemeint, hakt Götzl nach. Keine Ahnung, entgegnet Kay St., er denke, es sei um die Festigung des rechten Weltbilds gegangen. Götzl will wissen, was der Zeuge mit ‚rechtem Weltbild‘ und ‚festigen‘ meine. Man sei gegen links und Punks gewesen und man habe leider starke Vorurteile gegen Menschen mit Migrationshintergrund gehabt, so St. Götzl will wissen, wie die ausgesehen hätten. Man sei, so der Zeuge, davon ausgegangen, dass ein Großteil der Menschen, die hierher kämen, kriminell seien. Entsprechende Informationen oder Erfahrungen habe er keine gemacht, antwortet der Kay St. auf Rückfrage. Auf die Frage, wie er die Einstellungen von Mundlos damals wahrgenommen habe, entgegnet der Zeuge, Mundlos sei damals antisemitisch geworden und habe angefangen, Rudolf Heß zu verehren. Auf die Frage, wie sich das gezeigt habe, antwortet der Zeuge, Mundlos habe sich stark für Rudolf Heß interessiert, für die Todesumstände und die Gedenkaufmärsche. Zeitlich ordnet er diese Entwicklung Mitte der 90er Jahre ein.

Götzl fragt nach der Rolle von Uwe Böhnhardt. Er sei vielleicht 1994 aufgetaucht, als Freund von Uwe Mundlos. Anfangs habe er Kontakt zu ihm gehabt, antwortet der Zeuge auf Nachfrage, aber er habe ihn nicht leiden können. Er habe ihn als Mensch nicht in Ordnung gefunden. Er sei ziemlich aggressiv gegen Leute gewesen, die nicht seiner Meinung gewesen seien. Er habe einen Faible für Waffen und Messer gehabt. Er habe den Eindruck, Böhnhardt sei sadistisch veranlagt gewesen. Götzl bitten den Zeugen, den Verlauf seines Verhältnisses zu Böhnhardt zu schildern. Mundlos habe, so der Zeuge, sehr viel Energie darauf verwendet, dass er sich mit Böhnhardt verstehe. Sie seien dann neutral miteinander umgegangen. Auf die Frage, wie die politischen Ansichten Böhnhardts gewesen seien, antwortet der Zeuge, er würde sagen, rechts. Götzl will nun wissen, wie Mundlos und Böhnhardt Mitte der 90er Jahre gekleidet gewesen seien. Er habe, so der Zeuge, noch stark in Erinnerung, dass sie kurz vor dem Abtauchen in einer Art SA-Uniform herumgelaufen seien, also braune Kleidung. Nun will Götzl eine Beschreibung von Beate Zschäpe. Sie habe einfach dazugehört, so der Zeuge. Sie sei anfangs mit Mundlos liiert gewesen und dann mit Böhnhardt. Mit Mundlos vielleicht Anfang und mit Böhnhardt Mitte der 90er Jahre. Götzl will wissen, wie die Beziehung zwischen Beate Zschäpe und Uwe Mundlos gewesen sei. Mundlos habe, so der Zeuge, praktisch bei Zschäpe gewohnt, mehr könne er dazu nicht sagen.

Götzl bittet den Zeugen, Beate Zschäpe in ihrem Verhalten, ihrer Einstellung und als Person zu beschreiben. Er habe sie als freundlichen Menschen gekannt, antwortet Kay St., sie sei offen und selbstbewusst gewesen. Götzl fragt nach dem Verhältnis zwischen den Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Anfangs sei das ganz normal gewesen, antwortet der Zeuge. Aber im letzten Gespräch, das er in der Erinnerung habe, habe Zschäpe von Schwierigkeiten mit den beiden berichtet. Böhnhardt und Mundlos hätten ihre Familie inklusive Herrn Apel als asozial beschimpft, was sie ziemllich belastet habe. Er habe ihr geraten, sie solle sich von den beiden fern halten, woraufhin sie gesagt habe, das mache sie doch, sie sei ja bei ihnen. Das sei, so antwortet der Zeuge, Ende 1997 gewesen. Auf die Frage, wer mit “bei ihnen” gemeint gewesen sei, nennt der Zeuge Stefan Apel und eine größere Gruppe von Menschen, unter ihnen sei auch ein Herr F. gewesen. Er selbst, so der Zeuge, sei zu dem Zeitpunkt bei der Bundeswehr und deswegen nicht so viel da gewesen.

Götzl will wissen, wann St. zum letzten Mal Kontakt mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehabt habe. Der Zeuge überlegt kurz und gibt an, Beate Zschäpe noch kurz vor dem Abtauchen Anfang August gesehen zu haben, Böhnhard und Mundlos eher Ende 1997 zum letzten Mal. Auf Rückfrage konkretisiert St. den Zeitraum des letzten Kontakts mit Zschäpe auf zwei Monate vor dem Abtauchen. Götzl will nun wissen, ob der Zeuge auch nach dem Abtauchen noch Kontakt mit den Dreien oder einem der Drei gehabt habe. Indirekt, antwortet der Zeuge, er sei nach Geld gefragt worden bzw. sei ihm von Böhnhardt ausgerichtet worden, wo denn sein Geld bleibe. Götzl fragt nach der Vorgeschichte, die der Zeuge nach kurzem Zögern erzählt. 1996 sei er von Mundlos und Böhnhardt, und er meine auch Beate Zschäpe sei dabei gewesen, gefragt worden, ob er mal was für sie tun würde. Er sei dann beruhigt gewesen, dass er nichts weiter habe machen sollen, als ihnen als Alibi-Zeuge zu dienen. Er habe zugesagt. Dann sei ihm gesagt worden, es handele sich um die Puppe an der Autobahn. Sie hätten gesagt, sie bräuchten jemanden, der bezeugen könne, dass sie das nicht gewesen seien, auch innerhalb der Szene. Er habe zugesagt, meine im Nachhinein aber, er hätte es nicht tun sollen. Zur Herstellung und Planung könne er nichts sagen, das Gespräch habe vielleicht zwei Monate vor dem Aufhängen der Puppe stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe sich sein Verhältnis zu den Dreien geändert.

Irgendwann seien sie dann auf ihn zugekommen und hätten gesagt, jetzt sei es soweit. Das Alibi sei irgendeine Feierlichkeit auf einem Dorf geworden. Sie seien losgefahren und hätten diese Puppe aufgehangen. Dieses Ereignis habe bei ihm bewirkt, dass er sich intensiver mit dem Gedankengut von rechts befasst habe. Es tue ihm wirklich leid, dass er auch vor Gericht gelogen habe. Aber zu diesem Zeitpunkt habe er sein Leben wieder in den Griff bekommen und Angst gehabt, alles wieder zu zerstören. Götzl fragt, wer beim Aufhängen der Puppe dabei gewesen sei. St. nennt Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, sich selbst und Wohlleben. Er habe dafür sorgen sollen, dass niemand erfahre, dass Böhnhardt und Mundlos die Puppe aufgehängt hätten. Götzl fragte nach dem genauen Ablauf. Das sei 1996 gewesen, beginnt der Zeuge. An dem expliziten Tag sei er von Mundlos und Böhnhardt richtig gesucht worden. Eigentlich habe er an dem Tag etwas anderes machen wollen, sei dann aber zu dem Treffpunkt im Winzerclub gegangen. Dort sei er von den beiden abgepasst und mitgenommen worden. Mit welchen Fahrzeug sie unterwegs gewesen seien, wisse er nicht mehr, die Puppe sei wahrscheinlich im Kofferraum gewesen, reagiert der Zeuge auf Götzls Zwischenfragen. Zunächst sei da eine Feierlichkeit gewesen, ein Geburtstag, da seien sie vielleicht bis um zehn oder elf gewesen, also bis es dunkel war. Die Puppe sei auf einer Brücke in Richtung Erfurt aufgehängt worden. Götzl bittet den St., den Ablauf genauer zu schildern. Es sei dunkel gewesen und habe alles sehr schnell gehen müssen, beginnt der Zeuge. Er habe ein paar Verkehrskegel in die Hand gedrückt bekommen und die schnell auf der anderen Seite aufstellen sollen. Und da habe er zum ersten Mal das Schild “Vorsicht Bombe” gesehen und sei aber nicht mehr aus der Sache herausgekommen. Er habe gewollt, aber es sei nicht gegangen.

Götzl will nun wissen, wer von den beteiligten Personen was gemacht habe. Neben ihm selbst habe auch Wohlleben Kegel aufgestellt. Beate Zschäpe habe praktisch nichts gemacht, zugeschaut und Böhnhardt und Mundlos hätten die Puppe gemeinsam aufgehängt. Danach seien sie schnell weg und nach Hause gefahren. Götzl kommt auf den Zeitraum vor der Abfahrt zurück und will wissen, wie der Zeuge genau gesucht wurde, ob er gewusst habe, worum es ging und ob im Auto darüber gesprochen worden sei, doch der Zeuge kann sich daran nicht mehr erinnern. Götzl will wissen, ob darüber gesprochen worden sei, was mit der Aktion habe bezweckt werden sollen. Er habe das so verstanden, dass Böhnhardt und Mundlos meinten, da müsse etwas medienwirksam gemacht werden. Wann er davon erfahren habe, will Götzl jetzt wissen. Das sei zu dem Zeitpunkt gewesen, als er abgeholt wurde. Da hätten Mundlos und Böhnhardt gesagt, die Linken würden viel mehr machen und sie müssten auch mal in die Medien kommen. Bei diesem Gespräch seien Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe dabei gewesen, Wohlleben nicht, antwortet der Zeuge. Götzl unterbricht die Sitzung für eine 20minütige Pause.

Die Befragung des Zeugen wird um 11:26 Uhr fortgesetzt. Götzl will wissen, wie es nach dem Aufhängen und Zurückfahren weitergegangen und wie es zu seiner Aussage gekommen sei. Irgendwann sei, so der Zeuge, ein Fingerabdruck von Böhnhardt gefunden worden. Zwischendurch habe er weniger Kontakt gehabt, aber dann sei er wieder abgepasst worden und es sei gesagt worden, sie müssten sich absprechen, was gesagt werde. Alle Beteiligten seien dabei gewesen, aber er wisse nicht mehr, was gesagt worden sei, einfach, dass alle das gleiche sagen, antwortet der Zeuge auf Rückfrage. Götzl will nun wissen, wie es vor Gericht gewesen sei. Er sei, so der Zeuge, voll Adrenalin gewesen, deswegen könne er das nicht mehr genau sagen und auch wegen dem Wissen, eine Grenze überschritten und eine Falschaussage gemacht zu haben. Das habe ihn sehr beschäftigt.

Götzl kommt auf den Ausgangspunkt zurück, auf Böhnhardts Nachfrage, wo das Geld bleibe. St. vermutet, dass die Drei davon ausgegangen seien, dass er sie weiter unterstütze, weil er sie schon einmal unterstützt habe. Auf die Frage, wer auf ihn zugekommen sei und nach dem Geld gefragt habe, antwortet der Zeuge: Wohlleben. Götzl bittet den Zeugen, den Verlauf zu schildern. Er habe sich, so Kay St., zu dem Zeitpunkt gerade aus der Szene herausgelöst und auch keinen Kontakt mehr zu Wohlleben gehabt. Er habe zu Böhnhardts Eltern gehen und Geld [unverständlich] sollen. Es sei ein Treffen ausgemacht worden. Zunächst habe er seine Unterstützung zugesagt, weil er dachte, es würde – nach Silvester – darum gehen, dass Böhnhardt Knaller oder Schwarzpulver gehortet habe. Als er erfahren habe, dass es um richtigen Sprengstoff gegangen sei und damit auch schon Drohungen gemacht worden seien, habe er sich entschlossen, seine Unterstützungszusage zurückzunehmen. Er habe ja die Radikalisierung mitbekommen, die Puppe, den Koffer mit dem Sprengstoff und habe sich gefragt, was als nächstes kommen solle. Götzl will wissen, was es mit dem Sprengstoffkoffer auf sich habe. Das habe er, so St., nur im Nachhinein aus den Medien erfahren. Götzl fragt nach, was der Zeuge mit ‚Radikalisierung‘ meine. Man fange an, so St., eine Puppe aufzuhängen, mache weiter mit diesen Attrappen mit echtem Sprengstoff. Das könne er nicht verstehen, das gehe nicht. Es sei außerdem nicht um Unterstützung gegangen, einen Rechtsanwalt zu bekommen, sondern um den Untergrund. Da habe er sich Gedanken gemacht. Es habe sich leider alles so bewahrheitet. Geldbeschaffung über Banküberfälle, da habe er gemerkt, für ihn sei Schluss, weil er vielleicht dadurch auch seinen Job verliere. Das sei ihm schwer gefallen, weil Zschäpe und Mundlos immer für ihn dagewesen seien, wenn es ihm schlecht gegangen sei.

Götzl kommt darauf zurück, dass St. zu den Eltern von Uwe Böhnhardt habe gehen sollen. Er habe sich, so der Zeuge, dazu entschlossen, nicht weiter zu unterstützen und auch innerhalb der Szene gesagt, dass er das nicht gut finde, was da passiere. Am Anfang sei er ein bisschen feige gewesen und habe gesagt, er habe das Geld in den Briefkasten getan, als ihm mit seiner Falschaussage gedroht wurde. Aber dann habe er sich entschlossen zu sagen, er unterstütze nicht weiter und dann sei Ruhe gewesen. Danach sei er auch nicht mehr bei den Eltern von Uwe Böhnhardt gewesen. Götzl will wissen, von wem die Nachfragen gekommen seien. Aus der Szene, antwortet St. Da sei geredet worden, wo die Drei seien und wie man das finde und er habe offen gesagt, er finde das nicht gut.

Götzl fragt noch einmal nach, in wessen Briefkasten er das Geld getan habe. In den von Familie Böhnhardt, antwortet der Zeuge. Und gibt auf die nächste Frage an, Wohlleben sei dann nicht mehr auf ihn zugekommen und habe wegen Geld gefragt. Götzl fragt jetzt nach dem Kontakt des Zeugen zu den Eltern von Uwe Böhnhardt. Der sei, so St., sehr kurz gewesen. Er wisse nicht mehr, wie der Kontakt zustande gekommen sei. Er erinnere sich, mal kurz mit ihnen im Wohnzimmer gesessen zu haben. Sie hätten gesagt, sie könnten 300 oder 600 Mark vorstrecken, bräuchten sie aber wieder, denn sonst könnten sie nicht in den Urlaub fahren. Götzl will wissen, wozu sie Geld haben vorstrecken sollen. Er vermute, so der Zeuge, für das Leben im Untergrund, aber darüber sei nicht gesprochen worden. Auf die Frage, von wem ihm gesagt worde sei, er solle zu Böhnhardts Eltern gehen, antwortet der Zeuge: Wohlleben. Das sei vielleicht ein oder zwei Monate nach dem Untertauchen gewesen und er sei eigentlich sofort innerhalb von zwei Tagen hingegangen.

Er selbst habe kein Geld zur Verfügung gestellt, antwortet der Zeuge auf Götzls Frage, hätte es vielleicht getan, wenn es um einen Anwalt für Zschäpe gegangen wäre. Die Frage, ob er mit Wohlleben befreundet gewesen sei, verneint der Zeuge, ebenso wie die Frage nach weiterem Kontakt mit ihm oder den Eltern von Uwe Böhnhardt. Götzl will nun wissen, ob St. André Kapke gekannt habe. Jeder, der in Jena wohne, so der Zeuge, kenne ihn. Aber er habe ihn nicht leiden können. Kapke habe ihn seiner Erinnerung nach nie auf die Drei angesprochen und er, der Zeuge, habe auch nichts über deren Aufenthaltsort oder Taten gewusst, so der Zeuge auf Nachfrage. Er, St., habe sich spätestens 1998 dazu entschlossen, die Szene zu verlassen und das relativ konsequent durchgezogen. Götzl kommt noch einmal auf das Verfahren im Zusammenhang mit der Puppe zu sprechen und will wissen, ob er etwas über den Stand des Verfahrens, Beweismittel Fingerabdrücke usw. mitbekommen habe. Er wisse noch von Böhnhardts Ausführungen, erinnert sich der Zeuge, dass es unmöglich sei, dass ein Fingerabdruck gefunden worden sei und Böhnhardt davon ausgehe, dieser sei nachträglich angebracht worden. Begründet habe er das nicht.

Götzl will wissen, ob über Sprengstoff oder das Besorgen von Sprengstoff gesprochen worden sei. Er sei, so St., mal von Mundlos angesprochen worden, dass es möglich sei, Sprengstoff zu besorgen. Sie seien dann ein bisschen aneinander geraten. Er habe zu Mundlos gesagt, er solle sich überlegen, was er mache, sie seien doch nicht im Krieg. Auf seine Frage, wo er den Sprengstoff herkriegen wolle, habe Mundlos gesagt, aus den alten Bundesländern. Götzl fragt nach der genauen Gesprächssituation und der Zeuge antwortet, das sei nebenbei gewesen und er habe sinngemäß gesagt, ‚wir könnten doch Sprengstoff besorgen‘. Zeitlich müsse das 1997 gewesen sein, vielleicht auch 1996. Götzl will wissen, welche Kontakte Mundlos in der damaligen Zeit in den alten Bundesländern gehabt habe. Der Zeuge gibt an, er sei dabei gewesen auf Parties in Ludwigsburg, aber genaueres wisse er nicht, er habe aber recherchiert. Götzl will wissen, woran der Zeuge sich noch erinnert. Am Anfang sei auf alle Fälle Mundlos dabei gewesen, antwortet der Zeuge auf Götzls Nachfrage, er habe die Kontakte auch hergestellt. Und Zschäpe sei eigentlich immer dabei gewesen. Böhnhardt wisse er nicht genau. Er selbst, so St. auf Rückfrage, sei wahrscheinlich zwei oder drei Mal dabei gewesen. Götzl will wissen, was er recherchiert habe. Er habe, so der Zeuge, im Internet gelesen, das sei dokumentiert worden. Er wisse jetzt, dass er dort gewesen sei.

Götzl fragt nach Kontakten in andere Bundesländer und der Zeuge nennt Chemnitz. Dort sei er öfters mit Uwe Mundlos gewesen, um Kontakte zu halten. Aber ab 1997 oder Ende 1996 wisse er nichts mehr, sie hätten sich entfernt. Als Personen in Chemnitz sei ihm noch Herr Sch. in Erinnerung, antwortet der Zeuge auf Nachfrage. Stefan Apel sei auch mal mit dabei gewesen, auch Beate Zschäpe. Böhnhardt sei einmal dabei gewesen, das wisse er noch, aber er selbst sei da nicht dabei gewesen. Es sei damals um den Kontakt zu Starke gegangen. Dessen Namen habe er im Internet recherchiert. Es habe Spannung zwischen Starke und Böhnhardt gegeben. Es sei, so der Zeuge auf Rückfrage, wahrscheinlich um Zschäpe gegangen. Sie habe eine Beziehung zu Böhnhardt gehabt und es habe auch eine Beziehung zu Starke gegeben. Die Frage, ob er Gespräche zwischen Starke und Böhnhardt in Erinnerung habe, bei denen es um Zschäpe gegangen sei, verneint der Zeuge. Götzl will wissen, ob der Zeuge wisse, was Zschäpe in Chemnitz gemacht habe und mit wem sie dort Kontakt gehabt habe, was dieser ebenso verneint wie die Frage, ob Wohlleben mit in Chemnitz gewesen sei. Jetzt will Götzl wissen, ob der Zeuge Holger Gerlach kenne. Der Zeuge bestätigt das und konkretisiert auf Nachfrage, er habe mit ihm zusammen mal Bier getrunken oder Doppelkopf gespielt. André Eminger kenne er aus der damaligen Zeit nicht, auch Carsten Schultze nicht. Der sei in der Zeit in die Szene gekommen, als er selbst rausgegangen sei. Eine Stunde Mittagspause bis 13:10 Uhr.

Die Sitzung geht um 13:31 Uhr weiter mit der Befragung von St. Götzl will wissen, ob sich der Zeuge erinnern kann, im Zusammenhang mit dem Aufhängen der Puppe von der Polizei befragt worden zu sein. Der Zeuge weiß das nicht mehr. Er könne sich an eine Befragung vor Gericht erinnern, das sei 1997 gewesen. Götzl zieht das Protokoll bei, das sich auf eine Vernehmung des Zeugen am 15.07.1996 in der KPI Jena bezieht. Der Zeuge erinnert sich nicht an diese Vernehmung. Götzl bezieht sich weiter auf ein Urteil betreffend Böhnhardt, wegen Volksverhetzung 1997. Dazu könne er, so der Zeuge, keine Angaben machen. Götzl fragt nun, um ihm das Stichwort Holzkiste im Stadion in Jena etwas sage. Dies verneint der Zeuge ebenso wie die Fragen, ob das Gesprächsthema mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe gewesen sei, ob über Briefbombenattrappen gesprochen worden sei und ob im Eingangsbereich des Theaters Jena etwas abgelegt worden sei. Auch über einen am Nordfriedhof in Jena abgestellten Koffer wisse er nichts. Er sei, so der Zeuge, 1997 und 1998 bei der Bundeswehr und somit wenig da gewesen.

Götzl fragt, was St. über das Leben von Zschäpe wisse. Zschäpe sei bei ihrer Mutter aufgewachsen, der Vater sei wohl Rumäne gewesen. Er sei 1988 nach Winzerla gekommen und ab dem Zeitpunkt habe er Kontakt zu Zschäpe gehabt. Sie sei zu dem Zeitpunkt in der Schule gewesen. Geschwister von ihr kenne er nicht, deswegen meine er, sie habe keine. Zschäpes Mutter sei, so meine er, arbeitslos gewesen. Sie sei in die Goethe-Schule gegangen, er selbst gegenüber in die Friedrich-Schiller-Schule. Sie sei, so glaube er, bis 1991 in die Schule gegangen. Über das Verhältnis von Zschäpe zu ihrer Mutter könne er nichts sagen, er kenne aus der Familie die Mutter, den Cousin und die Großmutter. Der Cousin sei Stefan Apel. Die Großmutter habe eine große Rolle gespielt, er meine, sie sei für Zschäpe die Größte gewesen, sie hätten ein sehr enges Verhältnis zueinander gehabt. Tante und Onkel seien auch öfters zu Besuch gewesen, Erwin und Karin Apel. Wie es nach der Schule bei Beate Zschäpe weiterging, könne er nicht genau sagen, so der Zeuge. Man habe sich getroffen. Sie habe eine Lehre gemacht, er wisse nicht als was. Sie sei zu dem Zeitpunkt politisch rechtsgerichtet eingestellt gewesen. Ihm sei nicht bekannt, dass sie sich an Diskussionen beteiligt habe oder ob sie auf Demonstrationen gegangen sei. Sie sei normal gekleidet gewesen, nicht szenetypsich. Auch Wohlleben sei normal gekleidet gewesen.

Vorhalt Vernehmung beim BKA am 26.06.2012: Ich habe mich gewundert, dass ich noch lebe. St. erläutert, das beziehe sich darauf, dass er seine Unterstützung verweigert habe. Das seien ja schwerwiegende Verbrechen, um die es jetzt gehe, er habe da wohl ein bisschen überreagiert. Vorhalt: Als die drei untergetaucht sind, war ich noch bei der Bundeswehr, ich habe auch angeboten, die drei zu unterstützen. St. sagt dazu, er sei, wie gesagt, von von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Vorhalt: Eigentlich ging es nur um Geld, wer das gesammelt hat, kann ich heute nicht mehr sagen, es könnte aber der Ralf Wohlleben gewesen sein. Der Zeuge gibt an, er wisse nicht, wer direkt gesammelt habe. Er sei von Wohlleben angsprochen worden. Er habe keine Anhaltspunkte, dass Geld gesammelt worden sei, ergänzt St. auf Rückfrage. Vorhalt: Um nicht spenden zu müssen, gab ich vor, kein Geld zu haben. Ich habe vermutet, dass man die zwei binnen zwei drei Wochen festnehmen würde. Dann hatte ich keine Ausrede mehr. Es bleibt eigentlich nur Ralf Wohlleben übrig. Der Zeuge bestätigt die Aussagen und auch, dass sein Gesprächspartner Ralf Wohlleben gewesen sei. Vorhalt: Ich bin dann zu Frau Böhnhardt gegangen. Sie sagte sinngemäß, dann gebe ich das meinem Sohn und du gibst es mir wieder. Es handelte sich um ca. 300 DM. St. bestätigt.

Er habe, beantwortet St. Götzls Frage, kein Geld von Frau Böhnhardt bekommen. Das sei so zu verstehen, dass er der Mutter das Geld hätte geben sollen und sie es dann wahrscheinlich an die drei hätte weitergeben wollen. Er wisse aber auch nicht, in welche Richtung das Geld hätte gehen sollen. Vorhalt: Heute ist mir das sehr unangenehm. Theoretisch hätte ich Geld gehabt, da ich vor der Entlassung aus der Bundeswehr stand und das Entlassungsgeld bekommen hätte. Das habe er, so der Zeuge, vorhin ausgeführt. Vorhalt: Ich habe Frau Böhnhardt das Geld aber nie zurückgezahlt. Das sei, vermutet der Zeuge, vielleicht ein Tippfehler von der Polizei, er wisse es nicht. Götzl will jetzt Klarheit darüber, ob Geld geflossen sei. Er habe, so Kay St., Geld an Frau Böhnhardt bezahlen sollen, aber er habe es nicht getan. Er bestätigt die Aussage: Wie Frau Böhnhardt das Geld an Ihren Sohn gegeben hat oder ob sie es überhaupt gegeben hat, weiß ich nicht.

Götzl fragt nun, ob der Zeuge kenne. Jetzt auf alle Fälle, entgegnet der Zeuge, er habe ihn einmal gesehen. Vorhalt: In der Anfangszeit hat Uwe Mundlos sich schon als rechts gesehen. Seine Ansichten haben sich mit der Zeit radikalisiert, er wurde politisch aktiver. Das könnte mit Tino Brandt zusammengehangen haben. Das habe er gesagt, so der Zeuge, weil er wisse, dass Mundlos ab und zu Richtung Saalfeld und Rudolstadt zu Treffen des THS gefahren sei, wo er auch mal mitgesollt habe. Tino Brandt sei zwischen ihnen kein Gesprächsthema gewesen. Vorhalt: Zwischen 95, 96 entwickelte er die krasse Ansicht, dass Skinheads asozial seien und nur saufen würden. Seine politische Aktivität zeigte sich darin, dass er versuchte, uns für den Nationalen Widerstand zu schulen. Götzl will wissen, was ist mit “nationaler Widerstand” gemeint sei. Dazu kann der Zeuge nichts sagen.

Götzl kommt auf den Begriff Dreiecksbeziehung zu sprechen und fragt, ob der in der Vernehmung verwendet wurde. Der Zeuge weiß zunächst nicht, was Götzl meint. Götzl fragt weiter, ob der Zeuge Thomas Grund kenne. Könne es sein, entgegnet der Zeuge, dass das der Straßensozialarbeiter im Winzererclub gewesen sei, Kaktus, dann kenne er ihn. Vorhalt: Thomas Grund hat mich auch mal nach dieser Dreiecksbezeihung gefragt. Ich glaube es gab keinen Beziehung. Die sind miteinander ausgekommen, warum auch immer. Ich weiß natürlich, dass Beate zuerst mit Uwe Mundlos und dann Uwe Böhnhardt zusammen war. Die Beziehung mit Uwe Böhnhardt war aber irgendwann zu Ende. [Ich habe] mit Beate 1997 gesprochen und hatte den Eindruck, dass sie selbst da raus wollte. Das habe sie ihm gegenüber gesagt, bestätigt der Zeuge, weil Böhnardt und Mundlos über ihre Familie hergezogen seien.

Vorhalt: Von meinem Eindruck her wollte sie raus. Grund waren die krassen Ansichten von Uwe Mundlos, der hat über Familie, Oma und Stefan Apel gehetzt. Der Zeuge bestätigt die Ausagen. Uwe Mundlos und Stefan Apel waren spinnenfeind. Das ging fast in Richtung körperliche Auseinandersetzung. Das hat Beate Zschäpe sehr belastet, in dieser Zeit war sie auch öfter bei Stefan Apel zuhause. Mit Stefan Apel war ich mir einig, dass wir die drei nicht unterstützen werden. Götzl fragt, ob sich die letzte Aussage auf die Situation nach dem Untertauchen beziehe, was der Zeuge bestätigt. Er bestätigt auch die Aussagen: Haben Sie damals etwas von den Bombenattrappen mitbekommen? – Zu der Zeit war ich bei der Bundeswehr und nur selten in Jena, daher hab ich nur am Rande mitbekommen. Wenn, ergänzt der Zeuge, habe er es nur durch Funk und Fernsehen mitbekommen.

St. bestätigt auch die Aussage zu Tino Brandt: Ich habe ihn Mitte 1997 einmal im Winzerclub erlebt, dort hat er sich wie ein kleiner Diktator aufgeführt. Vorhalt: Welche Rolle spielten Ralf Wohlleben und Holger Gerlach? – Ich kann mich nicht erinnern, dass Ralf Wohlleben und Holger Gerlach eine Rolle gespielt haben. Der Zeuge fügt an, zu dem Zeitpunkt, als er kurze Haare gehabt habe, hätten Ralf Wohllen und Holger Gerlach überhaupt keine Rolle gespielt. St. verneint, beim BKA die Geschichte mit der Puppe angesprochen zu haben. Es sei in der Vernehmung nicht angesprochen worden und er habe es nicht erwähnt, weil er froh gewesen sei, als die Vernehmung vorbei war. Götzl will nun wissen, ob von Seiten von Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe Waffen Thema gewesen seien. Er wisse, gibt der Zeuge an, dass Böhnhardt Messer und Schreckschusspistolen gehabt habe, über Mundlos wisse er dazu nichts. Er sei, antwortet der Zeuge, sowohl bei Böhnhardt als auch bei Mundlos in der Wohnung gewesen, bei Mundlos habe er vielleicht mal ein Messer gesehen und bei Böhnhardt Messer und vielleicht mal eine Schreckschusspistole. Bei Zschäpe habe er keine Waffen gesehen.

Vorhalt: Wie waren die politischen Ansichten von Beate Zschäpe? – Sie war eher ruhig, hatte keine Leute aufgeheizt, rechts war sie aber schon. Das Aufstacheln war die Sache von Mundlos, er war der Wortführer. Vielleicht wurde er auch von Böhnhardt ergänzt. Götzl will wissen, was das bedeute. Der Zeuge gibt an, in seinen Augen passe dieses Duo Mundlos und Böhnhardt nicht, das seien völlig unterschiedliche Charaktere. Mundlos sei ein freundlicher Typ gewesen, der auch seine Witzchen gemacht habe, wenn auch öfters unter der Gürtellinie. Aber Böhnhardt halte er eigentlich für einen Sadisten. Der sei sehr aggressiv gewesen, wenn es nicht nach seinem Kopf gegangen sei. Ihm sei das nie passiert, aber gehört habe man das, dass er schnell am Ausrasten gewesen sei oder ein Messer gezogen habe, das sei bekannt gewesen. Götzl hält dem Zeugen die Aussage vor: Ich bin der Meinung, dass die beiden sich nie hätten begegnen dürfen. Dann hätte es diese Sache mit dem Sprengstoff etc. nicht gegeben. Ich denke, sie haben sich gegenseitig hochgepeitscht. Der Zeuge bestätigt.

Götzl will nun wissen, ob er beschreiben könne, wie die beiden miteinander umgegangen seien. Was der eine gemacht habe, so St., habe der andere auch gemacht, z. B. in Bezug auf die Kleidung. Vorhalt: Im Nachhinein könnte man denken, dass das ein Wettkampf zwischen den Beiden war. Götzl will wissen, was der Zeuge damit gemeint habe. St. sagt, es könne sein, dass die probiert haben, sich gegenseitig hochzupuschen. Vorhalt: Aus Chemnitz ist mir der noch bekannt. Außerdem ist mir noch oder ein Person namens Dackel bekannt. Dackel sage ihm nichts, widerspricht der Zeuge. Vorhalt: Auf jeden Fall war es einer von Blood and Honour. Wenn, so St., sei das Starke gewesen. ‚Dackel‘ sage ihm nichts. Der Zeuge verneint die Frage, ob ihm in den Räumlichkeiten der Wohnung Auffälligkeiten in Erinnerungen seien. Vorhalt: Ansonsten weiß ich noch, dass an der Wand in der Wohnung lauter Dekowaffen hingen. St. sagt, das sei nicht wirklich eine Auffälligkeit, Plastewaffen.

Götzl hält eine Aussage vor, die im Zusammenhang mit Uwe Mundlos und politischen Diskussion stand: Irgendwann so Ende 1996 haben die auch nichts mehr zu mir gesagt, nur noch ‚Hallo, wie geht's‘. Die beiden Uwes haben sich abgeschottet. Götzl verweist auf den Widerspruch, die beiden Uwes hätten sich Ende 1996 abgeschottet und dann sei aber die Sache mit der Puppe aufgetaucht. Die hätten, wiederholt St., eigentlich nur ein Alibi innerhalb der Szene für die Sache mit der Puppe haben wollen, was dann leider auch geklappt habe. Sie hätten sich gekannt, seien aber nicht mehr so viel zusammen gewesen wie früher. Götzl will wissen, ob dem Zeugen etwas sage. Das habe er nach dem Auffliegen der Drei gehört, so der Zeuge, gesehen habe er es nicht. Vorhalt: Ich erinnere mich noch an einen Begebenheit, wo die drei mir sagten, sie hätten Pogromly gespielt. Der Zeuge bestätigt, das Spiel zu kennen, aber er habe es nie gesehen. Vorhalt: Auf meine Frage, was das sei, antworteten sie: Monopoly. Ich denke nicht, dass ich das Spiel gesehen und gekauft habe. Der Zeuge bestätigt die Aussage, aber an die Vernehmung habe er keine Erinnerung mehr. Götzl fragt noch, ob der Zeuge Paulchen Panther kenne. St. bejaht das, Mundlos sei ein absoluter Fan von Paulchen Panther gewesen. Er wisse nicht, ob das bei Böhnardt und Zschäpe auch der Fall gewesen sei.

BAW Weingarten setzt die Befragung fort und will wissen, wie der Zeuge erfahren habe, dass es bei der finanziellen Unterstützung nicht um Anwaltskosten, sondern um Untergrund gegangen sei. Die drei seien schon länger weg gewesen, erläutert St., und hätten ja von irgendwas leben müssen. Er sei nicht von den Gewaltverbrechen ausgegangen, sie hätten wahrscheinlich ins Ausland gewollt, denn er hätte nicht gedacht, dass man in Deutschland nicht binnen drei oder vier Wochen gefunden werde. Deswegen sei er davon ausgegangen, die Drei seien schon weg. In Bezug auf das Ausland sei ihm nichts zugetragen worden, erwidert der Zeuge auf Weingartens Rückfrage. Weingarten verweist auf die Aussagen des Zeugen, er habe nicht mit Schwerverbrechen gerechnet, Unterstützung des Untergrunds sei für ihn nicht in Frage gekommen und im Nachhinein habe sich alles bestätigt, was er befürchtet habe. St. bestätigt das und konkretisiert, in einer Szene, die kein Geld hat, kann Sammeln alleine nicht ausreichen und er habe befürchtet, dass das Geld über Überfälle und Helereien geholt werde, irgendwas Illegales.

Der Zeuge bestätigt die Fragen von Weingarten, er sei Skin, Oi-Skin, gewesen. Das in Jena  kenne er, dort habe er szenetypsiche Kleidung gekauft, Musik nie, antwortet St. auf Weingartens Rückfragen. Bückware, also unter der Ladentheke, habe es seines Wissens nichts gegeben. Die beiden Verkäufer habe er durch den Laden gekannt, vielleicht auch mal irgendwo getroffen. Auch nach mehreren Nachfragen bleibt der Zeuge dabei, die beiden Verkäufer nicht näher gekannt zu haben. Weingarten will noch wissen, ob Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe Kontakte zum Madleys hatten. Wenn man szenetypische Kleidung gekauft habe, entgegnet der Zeuge, dann dort. Mehr wisse er nicht.

Götzl informiert, dass die Verteidigung von Zschäpe und Wohlleben signalisiert habe, eine Besprechungspause zu brauchen. Deswegen sei es sinnvoll, wenn der Zeuge noch einmal komme. Er verabschiedet St. für den heutigen Prozesstag und setzt eine kurze Pause an. Um 15 Uhr geht es weiter in der Sitzung. Götzl informiert, der für heute noch vorgesehe Zeuge T. sei abgeladen worden. Götzl verkündet den Beschluss, dass verschiedene Schriftstücke u.a. zur durchsuchten Garage und zum durchsuchten Keller von Zschäpe zum Selbstleseverfahren angeordnet werden. Götzl schließt die Sitzung um 15:09 Uhr.

Auf dem Blog der Nebenklage-Vertreter_innen heißt es:

„Das erste Mal seit langer Zeit kam es heute vor dem Oberlandesgericht München zu einer wirklich überraschenden Zeugenaussage. (…) Mitte 1996 war eine Puppe mit Davidstern auf der Brust an einer Autobahnbrücke aufgehängt und daneben eine Bombenattrappe platziert worden. Uwe Böhnhardt wurde letztlich freigesprochen, weil mehrere „Kameraden“, darunter der heutige Zeuge, ihm ein Alibi gegeben hatten. Heute bestätigte der Zeuge, was ohnehin naheliegend war, nämlich dass dieses Alibi falsch war. (…) Seine Aussage ist natürlich ein Schlag für die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben, deren Verteidigungsstrategien u.a. darauf basieren, dass Zschäpe und Wohlleben an konkreten Taten nie beteiligt gewesen seien.

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/04/29/29-04-2015/

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