V-Mann-Porträt: Carsten Szczepanski

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Der frühere Top-Informant des Brandenburger Geheimdienstes weiß angeblich nichts mehr vom »Nationalsozialistischen Untergrund«. Dabei hatte der Gewalttäter sein Amt über die Beschaffung von Waffen und Pässen informiert.

von René Heilig, zuerst erschienen in der rechte rand, Heft 150

Wer ist Carsten Szczepanski? Absurde Frage! Den gibt es nicht. Welcher Name jetzt auch immer im Ausweis dieses Mannes steht, sicher ist: Der wegen versuchten Totschlags verurteilte Neonazi, der zumindest für den Verfassungsschutz »ertragreich« war, ist inzwischen 44 Jahre alt. Der Dienst hat ihn und seine Familie gut versteckt.

Rassenfanatiker

Also fragt man besser, wer war Szczepanski? Auch die wenigen Antworten, die man auf diese Frage sammeln kann, sind dünn. Mit Hass reagieren jene »Kameraden«, die er über die Klinge springen ließ. GeheimdienstlerInnen sagen offiziell nichts oder sind selbst, was »den Carsten« betrifft, ratlos. Er habe immer neue, oft unerwartete Facetten erkennen lassen. Für den heutigen sächsischen Verfassungsschutzpräsidenten ist klar, dass sein Schützling, mit dem er sich als V-Mann-Führer 37 Mal traf, »ein maßgeblicher gefährlicher Rechtsextremist war«. Über dessen »Nachrichtenehrlichkeit« hat der Dienst nie geklagt. Szczepanski »sprudelte von sich aus«. Ein Satz, der eigentlich nur darauf hinweist, wie clever und verschlagen er sich für jede Seite wichtig machte. So konnte er Rassenfanatismus frönen und zugleich seinen Marktwert als V-Mann regeln. Der war für die damalige Zeit beträchtlich.

Insgesamt rechnete der Dienst für seine Quelle »Piatto« zwischen 1994 und dem Auffliegen im Jahr 2000 rund 50.000 Mark Prämien ab. Hinzu kommen Zuwendungen, Bewirtungen und vor allem Fahrdienst-Wohltaten. Agenten wie Meyer-Plath kutschierten ihren Informanten wohin der wollte. Unterm Strich bleibt: Für Szczepanski war nur ein Mensch wichtig: Szczepanski.

Kontakt zum NSU?

Bei seiner Vernehmung zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) im Jahr 2012 baten ihn Kriminalisten des Bundeskriminalamtes (BKA), er möge doch kurz seinen »persönlichen Werdegang« bis zum »Ausstieg aus der rechten Szene« schildern. Sie protokollierten: »Ich wurde in Berlin geboren. In Westberlin. Da auch zur Schule gegangen und aufgewachsen. Berufsschule gemacht. Nach der Wende bin ich allein nach Königswusterhausen gezogen. Da habe ich gelebt und gearbeitet. Ich war selbständig im Musikkassettenhandel. Bis zu meiner Inhaftierung 1995 lebte ich dort.«

Der 1970 geborene Szczepanski war schon in der rechten Szene West-Berlins aktiv. Ab 1991 begann er sich für den »Ku-Klux-Klan« (KKK) zu begeistern, hatte Kontakt zum KKK-Boss Dennis Mahon aus Oklahoma in den USA. Das ist jener Mahon, der 2012 wegen eines rassistischen Bombenanschlags zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. »Grand Dragon« Szczepanski – so sein Titel als KKK-Mitglied in Kansas City – übersetzte Hetztexte, gab die Zeitschrift »Feuerkreuz« und andere heraus, bestellte ein Team vom Privatfernsehen zur Kreuzverbrennung ins brandenburgische Halbe, propagierte den bewaffneten Kampf, hortete Waffen, baute Bomben und bildete Kampfgruppen.

»Führer der Meute«

Am 8. Mai 1992 wollte Szczepanski mit einschlägig Bekannten los, um »Ausländer aufzuklatschen«. Dass der nigerianische Asylbewerber Steve Erenhi das in Wendisch-Rietz überlebte, ist Zufall. Anzünden wollte man »die Kohle«, dann entschloss man sich: »Ertränken das Schwein«. Im Februar 1995 verurteilte das Landgericht Frankfurt (Oder) den »Führer der Meute« wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Haft. Szczepanski habe seine Kumpane in einen »Tötungsrausch« getrieben. Man erkannte bei ihm eine »tiefverfestigte rechtsradikale, neofaschistische, gewaltverherrlichende und menschenverachtende Gesinnung«. In der Justizvollzugsanstalt Brandenburg hatte Szczepanski nicht viel auszustehen. Er druckte Nazi-Postillen und schmuggelte sie in die Freiheit, hielt Kontakt zu Kumpanen. Der Arm des Geheimdienstes, der Szczepanski seit Juli 1994 als »Piatto« führte, reichte weit. Seit Anfang April 1998 war der V-Mann Freigänger, durfte also von Montag bis Freitag zwischen 6 Uhr und 21 Uhr seiner Wege gehen und bekam 18 Tage Urlaub pro Vollstreckungsjahr. Per Diensthandy waren der Neonazi und sein Dienst verbunden. Arglistig täuschte man eine Richterin, die prompt über eine vorzeitige Haftentlassung positiv entschied. Durch die vom Verfassungsschutz unterstützten Kontakte in die sächsische Szene von »Blood & Honour« (B&H) konnte »Piatto« »als bundesweit einzige Informationsquelle« weiterführende Hinweise auf den Verbleib dreier flüchtiger Neonazis aus Thüringen« geben, rühmte sich der Brandenburger Verfassungsschutz nach dem Auffliegen des NSU im November 2011. Dass der sächsische B&H-Führer Jan ­Botho Werner für das untergetauchte NSU-Terror-Trio Waffen beschaffen sollte und dass die Chemnitzer B&H-Frau der nun in München angeklagten Beate Zschäpe ihren Pass überlassen wollte, hatte der Geheimdienst angeblich durch Szczepanski erfahren. Man ordnete es im Treffbericht unter »Verschiedenes« ein.

Amtlich untergetaucht

Was erzählte der inzwischen amtlich untergetauchte »Piatto« bei der Vernehmung 2012 durch das BKA über den NSU, dessen Mordserie inzwischen offenbar geworden war? Er wisse nur, was er »aus den Me­dien erfahren habe«. Zu den Personen könne er »wenig sagen. Ich habe davor von dem Trio nichts mitbekommen.«. Frage: »Inwiefern haben Sie Informationen erlangt, in denen eine Waffenbeschaffung durch Werner für das »Trio« Gegenstand war?« Antwort: »Garnich.« Der Mann spielt sogar jetzt noch mit der Justiz und verspürt dabei die Rückendeckung seiner einstigen Auftraggeber. Das kann vermutlich nur jemand, der viel weiß.