Protokoll 225. Verhandlungstag – 2. September 2015

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Der erste Zeuge des Prozesstages ist ein Taxifahrer, der die Annahmen des Beweisantrags nicht bestätigte und stattdessen von einer anderen Taxifahrt mit Zschäpe und auch Böhnhardt und Mundlos berichtet. Der zweite Zeuge ist ein früherer Freund von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, der bei der Aktion dabei war, als u.a. Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos einen mit antisemitischen Schmierereien an eine Autobahnbrücke hängten und eine Bombenattrappe dort platzierten.

Zeugen:

  • Patrick He. (Taxifahrt Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in Zwickau)
  • Kay St. (Erkenntnisse zu Aktionen in den 90er Jahren, u.a. zum Aufhängen den Puppentorsos)

Der erste Verhandlungstag nach der Sommerpause beginnt um 09:50 Uhr. Als erster Zeuge wird der Autoverkäufer Patrick He. von Götzl befragt, der als Taxifahrer Beate Zschäpe von der Frühlingsstraße in Zwickau abgeholt hatte. He. berichtet, er habe den Auftrag bekommen, in die Frühlingsstraße zu fahren und die Information erhalten, der Fahrgast warte unten. Nachdem er kurz gewartet habe, sei Frau Zschäpe gekommen. Auf seine Frage hin, wo es hingehen solle, sei als Antwort der Zwickauer Bahnhof angegeben worden. He. habe versucht, mit dem Fahrgast zu sprechen, was aber nicht erwidert worden sei. Als sie zum Bahnhof gekommen seien, sei ihm gesagt worden, dass sie kurz auf jemand warteten. «Dann kamen zwei Fahrgäste, der Herr Mundstuhl und der Herr Böhnhardt, die haben zwei Taschen ins Auto geladen, dann sind wir wieder in die Frühlingsstraße gefahren.» Als Götzl ihn nach Zeit und Datum fragt, gibt He. an, es sei vor der Mittagszeit gewesen und am 26.11.2011, aber genau könne er sich nicht mehr erinnern [Laut Befragung war die Taxifahrt im Juni 2011. Beate Zschäpe war am 26.11.11 schon im Gefängnis].
Das sei aber alles von der Taxizentrale festgehalten worden, wodurch er benachrichtigt worden sei, er solle sich bei der Polizei melden. Gefragt nach der Rückfahrt führt He. weiter aus, dass die zwei Fahrgäste, am Bahnhof angekommen, ihre Taschen selbst in den Kofferraum gepackt hätten und es im Fahrzeug keine Unterhaltung auf der Rückfahrt gegeben habe – weder unter den Fahrgästen, noch zwischen ihm als Taxifahrer und den Fahrgästen.

Götzl fragt nach dem damaligen Aussehen der Frau, die He. als Frau Zschäpe bezeichnet. He. antwortet, sie habe einen Kapuzenpulli angehabt. Man habe das Gesicht gesehen, aber nicht, ob sie eine Kette getragen hätte oder ähnliches. Ihre Haare habe sie nicht offen getragen. Er habe nichts Auffälliges bemerkt und glaubt, sie habe keine Brille getragen. Zur Abholung erneut vom Götzl befragt, führt He. aus, dass es geheißen habe, der Fahrgast komme runter und er solle nirgendwo klingeln. Im Auftrag habe gestanden «Kein Klingelschild vorhanden». Er habe ein paar Minuten gewartet und dann sei der Fahrgast gekommen. Er sei dazu von der Polizei in Zwickau befragt worden und er habe Lichtbilder gezeigt bekommen «von Frau Zschäpe, Herrn Mundstuhl und Herrn Böhnhardt». Darauf habe er alle drei Personen erkannt. Lichtbilder werden in Augenschein genommen und Herr He. gibt an, zwei Blätter mit insgesamt 16 Bildern zur Auswahl vor sich liegen gehabt zu haben. Darauf seien Frau Zschäpe, Herr Böhnhardt und «Herr Mundstuhl» gewesen. Auf die Frage von Götzl gibt He. an, die Lichtbilder schon mal gesehen zu haben und darauf die Personen erkannt zu haben.

Götzl befragt den Zeugen erneut nach der Hinfahrt zum Bahnhof. Frau Zschäpe habe mal das Telefon in der Hand gehabt, aber nicht telefoniert. Götzl hält He. aus einem Vermerkt vor, dass He. ausgesagt habe, Frau Zschäpe «habe während der Fahrt telefoniert, aus dem Telefonat sei zu schließen, dass sie jemand abholen wollte». He. erwidert, dass sie am Telefon gespielt habe, getippt. Er habe bei der Polizei nur gesagt, dass sie das Telefon in der Hand gehabt habe und dann gesagt habe, es gehe zum Bahnhof. Götzl hält aus einem Vermerk dem Zeugen vor: «Dem Taxifahrer gegenüber soll sie unfreundlich gewesen sein.» He. sagt: «Ich habe von der Kleidung her angenommen, dass es eine längere Nacht gewesen ist, da hab ich das nicht übel genommen.» Die Frau habe auf dem Beifahrersitz gesessen. An die im Vermerk von He. angegebene Brille kann sich der Zeuge heute nicht mehr erinnern. Götzl führt aus, dass im Vermerk keine Rede davon sei, dass eine Rückfahrt mit Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos, oder Mundstuhl, wie He. gesagt habe, erfolgt sei.

He. gibt auf Nachfrage an, sich sicher zu sein, dass die Rückfahrt mit den Personen erfolgte und dies so bei der Polizei angegeben zu haben: «Genau darauf wurden mir die Lichtbilder gezeigt.» Götzl fragt, ob er die genannten Personen schon zuvor zum Beispiel in den Medien gesehen habe. He. antwortet, als das alles «so aufgekocht» sei, hätten sie abends vor dem Fernseher gesessen und er habe zu seiner Lebensgefährtin gesagt: «Die sind bei mir im Taxi mitgefahren.» Am nächsten Tag hätte er dann schon zur Polizei kommen sollen. Götzl hält weiter vor, dass Herr He. zur Person Nummer sieben [zeigt wohl André Eminger]der Lichtbilder befragt worden sei, weil der Zeuge diese erkannt habe. Herr He. habe laut Vermerkt angegeben, diese Person auch mal gefahren zu haben, vom Bahnhof Zwickau zum Viadukt in Weißen. Herr He. erklärt, dass sei «an diesem Tag« gewesen und ein kleines Stück weiter hinter der Frühlingsstraße. Die Befragung bei der Polizei sei alles zu diesem Tag gewesen.

Götzl hält wieder vor, dass laut Vermerk, diese Fahrt von Böhnhardt etwa drei bis vier Wochen vor der Fahrt mit Frau Zschäpe gewesen sein soll und der Taxifahrer sich nicht an ein genaues Datum erinnern könne. He. erklärt dazu, dass er an diesem Tag mit Frau Zschäpe zum Bahnhof gefahren sei und sie dann zu dritt wieder zurück gefahren sei. Götzl wendet ein, dass von der dritten Person in diesem Vermerk nichts, es sei dort nur die Rede von zwei Personen. He. wiederholt: «Also wie gesagt, ich hatte das auch so ausgesagt.» Auf Nachfrage sagt He., er sei einmal bei der Polizei gewesen. Götzl verliest die Daten der Polizeivermerke, bei denen einmal der 22.12.2011 angegeben ist und dann für eine Lichtbilddokumentation der 21.12.2011. Aber He. wiederholt, er sei nur einmal dort gewesen. Den anderen Termin habe er nicht wahrnehmen können und da sei ein zweiter vereinbart worden, aber er sei nur einmal dort gewesen.

RA Grasel, Verteidiger von Beate Zschäpe, fragt den Zeugen zu den Lichtbildern bei der Polizei: «Hatten Sie zeitlich vorher schon mal Bilder in der Presse gesehen?» He. antwortet: «Kurz zuvor, kam das ja im Fernsehen». Als sie abends vor dem Fernseher gesessen seien, habe er gesagt: «Diese Personen habe ich gefahren». Grasel hält vor, dass der Zeuge davon gesprochen habe, dass er Frau Zschäpe zum Bahnhof Zwickau gefahren habe und später Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos zur Frühlingsstraße zurück. Beides bestätigt der Zeuge. Grasel fragt, wie viel Zeit vergangen sei? He. gibt an, die Fahrt dauere zum Bahnhof vielleicht eine Viertelstunde, sie hätten da zehn Minuten gewartet, somit insgesamt vielleicht eine dreiviertel Stunde bis eine Stunde. Der Zeuge He. wird entlassen und Götzl erklärt um 10:20 Uhr, dass der Zeuge St. noch nicht erschienen sei und auf 10:30 geladen worden sei.
RA Grasel sagt, er wolle darauf aufmerksam, dass mit der Fahrt nach Haste es nur schwer zeitlich in Einklang zu bringen sei, dass es sich um eine Fahrt von nur einer Stunde gehandelt haben soll, da Frau Zschäpe nach Aussagen von Kriminalhauptkommissarin an diesem Tag ja zu Herrn Gerlach gefahren sein soll. NK-Anwalt Reinicke sagt daraufhin, er rege deshalb an, die Liste aus der Taxizentrale mit dem Namen Di. beizuziehen und gegebenenfalls zu ermitteln, welche Person in der Taxizentrale für die Taxibestellung um 05:30 Uhr aussagen könne. Es folgt eine Pause bis 10:40 Uhr.

Nach der Pause wird die Befragung des Zeugen Kay St. (202. und 219. Verhandlungstag) fortgesetzt. Auf die Frage Götzls hin sagt St., er habe nicht von sich aus zu seinen bisherigen Aussagen zu ergänzen. Götzl fragt nacheinander zur Aktion Puppentorso, ob St. damals Informationen gehabt habe zu einer Bombe in einer Holzkiste, in einem Stadion, nach unmittelbarem Wissen oder Informationen von Dritten zu Briefbombenattrappen, nach Informationen über einen Koffer, der am Friedhof in Jena abgestellt worden wäre und «etwas im Eingangsbereich des Theaters der Stadt Jena» . Der Zeuge verneint zu allem.

RA Klemke, Verteidigung Wohlleben, fragt den Zeugen: «Haben Sie Feststellungen dahin getroffen, dass ihre früheren Freunde Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe zu kaltblütigen Mördern geworden sind?» St. antwortet, er verstehe die Frage nicht ganz, man höre es aus der Presse. Er fragt Klemke, auf welchen Zeitraum dieser hinaus wolle. Klemke wiederholt die Frage, ob St. Feststellungen getroffen habe, generell. St. sagt, er kenne diese Menschen, aber er kenne keinen Menschen, der dazu fähig sei. Klemke hält vor, dass St. mal vom BKA befragt worden sei und fragt, was er gedacht habe, als er festgestellt habe, dass seine früheren Freunde Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu kaltblütigen Mördern geworden seien. Weiter fragt Klemke: «Hatten Sie da Anlass, Nachfrage zu halten, wie die dazu kommen?» St. gibt an, keine Feststellungen dazu gemacht zu haben.

Götzl weist auf «die Stelle» hin, worauf Klemke dem Zeugen einen Vorhalt zu einer Frage aus dessen Vernehmung beim BKA macht. Klemke fragt, ob das BKA St. erläutert habe, wie sie auf die Idee gekommen seien, für die Feststellung, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu kaltblütigen Mörder geworden wären. St. sagt, er mache keine Feststellungen und er wisse nichts von Morden, Banküberfällen, er sage nur, was er wisse. Und er könne keine Feststellungen machen. Klemke fragt weiter, ob sich St. an die Frage erinnern könne, dass sie vom BKA gestellt worden sei. St. verneint. Klemke hält St. vor, ausgesagt zu haben, dass dieser in eine mögliche Geldbeschaffung für die Untergetauchten involviert gewesen sei und fragt, ob er eine Eigeninitiative entwickelt habe oder jemand von außen auf ihn zugekommen sei. St. gibt an, sich nicht erinnern zu können.

Klemke fragt bezüglich St.s Aussage, mit Wohlleben sei die Frage der Geldbeschaffung thematisiert worden, wie oft dies geschehen sei? St. gibt an, er habe Wohlleben ein, zwei Mal nach dem Untertauchen gesehen und wenig Kontakt. Das sei 20 Jahre her und er könne sich nicht an konkrete Sachen erinnern. Auf erneute Nachfrage Klemkes, wie oft er mit Wohlleben über Geld für die drei gesprochen habe, sagt St.: «Maximal ein, zwei Mal, nicht viel.» Klemke hält weiter vor, St. habe im Zusammenhang mit dem Puppentorso ausgesagt, dass er auch von den beiden Uwes im Winzerclub gesucht und dort auch gefunden worden sei. St. bejaht. Klemke fragt zu Party außerhalb von Jena, auf der der Zeuge gewesen sei, ob sich der Zeuge noch an die Rückfahrt erinnern könne, ob es während der Rückfahrt Diskussionen über die Fahrtstrecke gegeben habe. St. sagt, er könne sich nicht wirklich erinnern und wisse das nicht mehr.

Klemke fragt: «Wussten Sie, bevor sie an der Autobahnbrücke anlangten, dass die Fahrt da hingehen sollte?» Auf die Bitte des Zeugen die Frage zu wiederholen, erklärt Klemke, St. habe geschildert, dass man das Auto abgestellt habe und einen Verkehrskegel in die Hand gedrückt habe und fragt nun erneut, ob er gewusst habe, wo die Fahrt hingehen sollte. St. antwortet, er habe den genauen Ort nicht gekannt. Klemke hält vor, St. habe bei seiner Vernehmung erwähnt und, dass dieser die Leute kommandiert hätte. Er fragt St. nach konkreten Beispielen dafür. St. antwortet, er habe Brandt ein, zwei Mal gesehen, er glaube, auch im Winzerclub: «Und das Auftreten dieses Menschen war mir nicht sympathisch». St. gibt an, den Eindruck gehabt zu haben, Brandt habe die Leute hin und her geschickt, er wisse aber nicht mehr, wen und kenne die Leute nicht, mit denen Brandt anwesend war. Klemke fragt, ob Brandt mit einer Eskorte erschienen sei und nachdem St. antwortet, er wisse das nicht mehr, weiter wie der Zeuge darauf kommt, Leute dem Brandt zuzuordnen? St. erwidert, das habe er nicht gesagt.
RAin Lunnebach von der Nebenklage sagt, dass St. nie gesagt habe, dass Brandt bestimmte Leute rumkommandiert habe, sondern ganz allgemein: «wie er die Leute rumkommandiert habe». Klemke bezieht sich im Folgenden auf die eben getätigte Aussage St.s und fragt konkreter: «Wie kommen Sie dazu zu sagen, dass einige Leute Brandts Leute gewesen seien?» St. antwortet, das sei seine Vermutung gewesen, dass man denke, Menschen gehörten vielleicht zusammen. Klemke paraphrasiert den Zeugen und fragt, ob dieser vermute, dass einige Leute, die Brandt hin und her geschickt habe, zu Brandt gehörten. St. bejaht.

Klemke hält dem Zeugen vor, er habe zur Aktion Puppentorso angegeben, dass man ihm gegenüber argumentiert habe «Die Linken machen so viel, wir müssen auch mal was machen, um in die Medien zu kommen.» Klemke will wissen, wer das konkret gesagt habe. St. sagt, er glaube, Mundlos habe das vor dem Vorfall gesagt, könne sich aber nicht mehr konkret erinnern, was dieser habe machen wollen um in die Medien zu kommen. Klemke fragt mehrfach nach, ob diese Aussagen St.s auf Vermutungen oder Erinnerungen beruhen, woraufhin St. angibt, er mache es an seinen Erinnerungen und nicht an konkreten Tatsachen fest.

Klemke fragt, ob St. noch wisse, wie lange er damals 2012 vom BKA vernommen worden sei. St. antwortet, zwei bis drei Stunden, er führe kein Tagebuch. Die Frage, ob er sich mit Mundlos über die Figur unterhalten habe, verneint er und ergänzt, dass er aber wisse, dass Mundlos Fan davon gewesen sei. Klemke fragt, woher er das wisse. St. gibt an, sie hätten Anfang der 1990er Jahre zusammen mal Trickfilme gesehen. Wie oft, wisse er nicht mehr und er denke, es sei zu Hause gewesen: «Doch, müsste bei ihm gewesen sein. Weil ich hatte kein Fernsehen. Der Zeitraum, ich denke, da waren wir so 16 oder 17.» Klemke hält dem Zeugen vor, er habe auf die Frage der Bundesanwaltschaft zum Untertauchen gesagt, mit Schwerverbrechen nicht gerechnet gehabt zu haben. St. bestätigt seine Aussage und fragt, wieso er damit hätte rechnen sollen. Er habe keinen Anlass gehabt, damit zu rechnen, dass die drei Untergetauchten schwere Straftaten begehen könnten.
Für die Seite der Nebenklage hält RA Narin dem Zeugen vor, er habe anlässlich seiner Vernehmung dort im Gericht gesagt, er sei bis 2004 als Verräter beschimpft worden und es habe Morddrohungen gegeben, 2001/2002 hätten Rechte gesagt, er solle aufpassen, dass er nicht in der Saale liegen würde. Narin fragt St., ob er sagen könne, wer das gesagt habe. St. verneint. Auf die Frage, in welchem Zusammenhang er bedroht worden sei, sagt St.: «So nebenbei.» Narin hält weiter vor, der Zeuge habe auch zu persönlichen Verhältnissen von Frau Zschäpe berichtet: Er wüsste, dass ihr Vater Rumäne sei. Narin fragt, ob St. mal mit Frau Zschäpe über ihre rumänische Herkunft gesprochen habe und ob das ein Thema in der Szene gewesen sei. St. gibt an, das sei eigentlich bekannt, aber kein Thema gewesen.

Außerdem, so Narin weiter, habe St. berichtet, für beide Uwes sei die Familie Zschäpe «Assis» gewesen und sie hätten das kundgetan und sie spüren lassen. Er fragt, in welcher Form das geschehen sei. St. erklärt, verbal und sie hätten immer Spitzen losgelassen gegen ihre Familie und ihren Cousin. Auf Nachfrage ergänzt St., das sei allgemein gewesen «Assiglatze, Säufer und sowas». Narin fragt, wieso die Mutter und Oma von Zschäpe von Mundlos und Böhnhardt als «Assis» angesehen worden seien. St. antwortet, er wisse noch, dass die beschimpft worden seien und das Zschäpe sehr belastet habe, aber den konkreten Grund wisse er nicht mehr. Auf die Frage, ob Alkoholismus eine Rolle dabei spielte, bestätigt St. im Hinblick auf Stefan und sagt, das sei dann auf die Familie verallgemeinert worden.

Narin führt aus, St. sei im Zusammenhang mit Böhnhardt schon zu Waffen befragt worden und er habe von einem Messer und Schreckschusswaffen gesprochen. Er fragt den Zeugen, ob ihm auch eine Armbrust in Erinnerung sei. St.: «Ich würde das nicht bestätigen wollen.» Narin sagt: «Sie schilderten anlässlich Ihrer ersten Vernehmung, Herr Wohlleben habe nach Ihrer Vernehmung gesagt: `Denke daran, dass Du eine Falschaussage gemacht hast.'» St. sagt, Wohlleben habe gesagt: «Schönen Gruß von Böhnhardt, denk dran, dass du eine Falschaussage gemacht hast.»

St. erklärt, er habe sich bereiterklärt, für einen Anwalt für Zschäpe Geld zu spenden. Und wie das passiert sei, habe er gedacht: «Das finde ich nicht gut, aber ok, Geld spenden für einen Anwalt, aber mehr nicht.» Narin sagt, St. sei nach einer Uschi gefragt worden und habe gesagt, er könne sich nicht an eine Uschi erinnern. Narin fragt, ob St. sagen könne, in welchem Kontext. St. sagt, er habe eine Uschi gekannt, aber Narin solle nicht genauer nachfragen. Narin fragt, ob St. wisse, ob Uschi aus Baden-Württemberg gestammt habe und St. antwortet: «Irgendwo aus den alten Bundesländern, ja.»

RAin Basay sagt, Anklage sei damals nicht nur der Puppentorso gewesen, sondern auch ein anderer Punkt und fragt den Zeugen, ob er sich erinnere. Dieser verneint, Basay erklärt, Volksverhetzung, was St. kommentiert mit «Schön». Auf die Frage, ob der Zeuge das Lied «Ali Drecksau» kenne, schweigt St. lange. Vorhalt: Ali Drecksau, wir hassen dich, wir zertreten sein Gesicht, Türkenschwein, heut`noch stirbt er, so ein Pech. Die Frage, ob St. dieses Lied in Verbindung zu Herrn Böhnhardt bringt, verneint St.

Der Sachverständige Saß spricht die negativen Äußerungen über die Familie von Zschäpe an und fragt, wie oft das vorgekommen sei. St. antwortet, es sei schon öfters passiert. Auf die Frage, bei welchen Gelegenheiten, gibt er an, es sei aus der Situation heraus gewesen. Die Frage, dies näher zu erläutern, verneint der Zeuge. Saß fragt, ob die Gelegenheiten solche waren, bei denen man angetrunken gewesen sei. St. antwortet, dass zum Schluss, wenn er Mundlos und Böhnhardt gesehen habe, diese nichts getrunken hätten. Auf die Frage, wie Zschäpe reagiert habe, sagt er, sie sei traurig gewesen. Saß fragt, ob von ihr auch verbale Äußerungen gekommen seien und St. antwortet, das wisse er nicht mehr.
RA Klemke beantragt, den Zeugen zu vereidigen und sagt, er wolle Ausführungen nicht in Anwesenheit des Zeugen machen. Götzl bittet den Zeugen, kurz draußen Platz zu nehmen. Klemke führt aus, er halte die Vereidigung für geboten, um eine wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen. Der Zeuge solle durch eine Vereidigung angehalten werden, seine Erinnerung kritisch zu überprüfen, denn er habe in der Hauptverhandlung zu bestimmten Themen, insbesondere «die Ansprache angeblich des Herrn Wohllebens», andere Angaben gemacht als beim Bundeskriminalamt oder hier in der Hauptverhandlung bei verschiedenen Zeitpunkten und in einigen Punkten habe er offenkundig die Unwahrheit gesagt. Gerade weil der Zeuge im öffentlichen Dienst sei, bestehe die Erwartung, dass er bei Androhung der Vereidigung sein Gewissen, seine Erinnerung noch mal prüfe.
Götzl fragt nach Stellungnahmen. BAW Diemer sagt, sie sehen das nicht so, dass eine Vereidigung erforderlich sei. Gerade weil der Zeuge im öffentlichen Dienst sei, müsse man davon ausgehen, dass er sich schon bemühe, richtig auszusagen. Der Eindruck sei auch nicht der, dass er Falschaussagen mache, jedenfalls nicht bewusst. RA Scharmer von der Nebenklage sagt, die Vereidigung sei nicht erforderlich. Dies sei aber nicht aus dem Grund, weil der Zeuge im öffentlichen Dienst sei. Es sei Fakt, dass keine Ansatzpunkte dafür vorlägen, dass die Aussage hier unglaubhafte Angaben beinhaltet habe. Der Zeuge habe deutlich gemacht, wo er Erinnerungslücken habe und wo nicht. Er habe Aussagen gemacht, die teilweise für ihn selbst belastend waren. Scharmer sagt, er sehe keinen Ansatz dafür, dass auch nur Ansatzweise an der Glaubhaftigkeit zu zweifeln sei.
Klemke sagt, der Zeuge habe im Bezug, ob und wie oft und von wem er wegen Geld angesprochen worden sei, hier unterschiedliche Angaben gemacht. Und bezüglich der Motivation, warum er die Puppentorsogeschichte beim BKA nicht angegeben habe, habe er offensichtlich gelogen. Er habe damals gesagt, er mache eine Lebensbeichte und hier habe er gesagt, er habe das lediglich vergessen. Götzl unterbricht die Verhandlung bis 11:30 Uhr. Die Verhandlung wird in Anwesenheit des Zeugen fortgeführt. Götzl gibt als Verfügung des Vorsitzenden an, dass der Zeuge unvereidigt bleibe. Klemke beanstandet die Verfügung und beantragt, dass der Senat entscheiden möge. Die Begründung würde er gerne ergänzend vortragen, wenn der Zeuge gebeten würde, den Saal zu verlassen. Götzl sagt, sie werden die Mittagspause einlegen. Götzl bittet St., draußen Platz zu nehmen und sagt, sie setzten dann nachher um 12:45 Uhr fort.
Nachdem der Zeuge den Saal verlässt, sagt Klemke, er könne die Verfügung des Vorsitzenden nicht nachvollziehen. Seines Erachtens gebiete das Aussageverhalten des Zeugen eine Vereidigung: Dass er auf Frage, welche Motivation vorgelegen habe, warum er beim BKA Puppentorso und Geldbeschaffung nicht erwähnt habe, obwohl er angegeben habe, eine Lebensbeichte abzugeben. Er habe ein taktisches Verhalten und habe ja schon mal am Amtsgericht Jena eine Falschaussage gemacht. Er habe dann beim BKA bewusst die Unwahrheit gesagt indem er den Puppentorso habe wegfallen lasen und dann habe er hier erneut zur Motivation die Unwahrheit gesagt.

Ein solcher Zeuge müsse durch die Vereidigung gezwungen werden. Klemke habe den Eindruck, dass alle Belastungszeugen heiliggesprochen würden, der Eindruck dränge sich auf. Und ob die Falschaussagen auf seiner Persönlichkeitsstruktur beruhten oder auf einem taktischen Verhalten, das wisse Klemke nicht. Wenn von der Nebenklage behauptet werde, dass er sich selbst belastet habe, dann müsse Klemke sagen, nicht in strafrechtlicher Hinsicht. Sämtliche Vorwürfe wegen Puppentorso seien ja seit Jahren verjährt. Er wolle das nicht wiederholen um das Auditorium nicht zu langweilen. Aber gerade die Androhung einer Vereidigung und die Möglichkeit, auch wegen eines fahrlässigen Eides zur Verantwortung gezogen zu werden, würden dem Zeugen Veranlassung geben, nur nach Gewissen und Erinnerung zu bekunden.

BAW Diemer erklärt, es bleibe bei ihrer Stellungnahme. RAin v. d. Behrens von der Nebenklage sagt, der Zeuge habe nicht drei Mal die Falschaussage gemacht. Er sei, unverständlicherweise, nie beim BKA danach gefragt worden. Und hier habe er nicht gesagt: «Ich hab es vergessen zu erwähnen», sondern «Ich war froh, dass sie es nicht gefragt haben». Er habe auch hier gesagt, dass er Sorge hätte, sich zu belasten und er habe gesagt, worin seine Furcht bestehe: seinen Job zu verlieren und in der Presse mit der – verjährten – Straftat in Verbindung gebracht zu werden. Deswegen sei klar, warum er beim BKA, als die konkrete Frage nicht kam, das nicht gesagt habe. Dass er dann den Mut hier aufgebracht habe und sehr detaillierte Angaben gemacht habe, sei ihm hoch anzurechnen, weil er der einzige Zeuge bisher sei, der hier detaillierte Angaben gemacht hat.
Das habe ihn Jahre lang extrem belastet und natürlich erinnere man diese Umstände besser als andere. V. d. Behrens weiter: «Und zu Wohlleben: Er hat klar gemacht, dass er beim Puppentorso dabei war, dass er sich bei der Ansprache wegen Geld aber nicht mehr hundertprozentig sicher ist. Insofern ist überhaupt kein Raum von einer Falschaussage.» Klemke sagt, dass er nicht wisse, wie v. d. Behrens auf diese Idee komme. Aber alles spreche erheblich dagegen, dass es so gewesen sei, wie ihnen St. es glauben machen wolle: dass er es vergessen habe. Wenn er sich ständig mit dem Vorfall beschäftigt habe, weil er Angst hatte, seinen Job zu verlieren, wenn er angegeben habe damals beim BKA: «Ich mache jetzt eine Lebensbeichte», dann verfange sich die Begründung, er habe es vergessen und sei es nicht gefragt worden, viel weniger. Die ganzen Angaben, die v. d. Behrens gebracht habe, seien eine Lüge. St. müsse vereidigt werden, sonst sei das ein Freibrief für alle Belastungszeugen. Götzl sagt in Anwesenheit des Zeugen, dieser bleibe unvereidigt. Von der Nebenklage behalten sich RAin Basay und RA Daimagüler eine Erklärung vor. Der Prozesstag endet um 13:00 Uhr.
Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Dieser Zeuge [St.] hatte angegeben, in dem 1997 in Jena durchgeführten Strafverfahren u.a. gegen Uwe Böhnhardt für diesen eine Falschaussage gemacht zu haben. Unter anderem diese Falschaussage hatte damals für einen Freispruch Böhnhardts gesorgt. Darüber hinaus hatte der Zeuge nun angegeben, dass auch Zschäpe und Wohlleben an dieser Tat beteiligt waren. Folgerichtig versuchte die Verteidigung Wohlleben heute, den Zeugen als Lügner darzustellen und beantragte im Anschluss an die Vernehmung die Vereidigung „zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage“. Bei der Begründung des Antrages verstieg sich Verteidiger Klemke zwar in zahlreiche Superlative, konnte aber nicht darlegen, warum die teilweise von einander abweichenden Angaben des Zeugen in den zahlreichen Vernehmungen auf eine bewusste Falschaussage hinweisen sollen. […] Erstaunlich war in diesem Zusammenhang, dass die Verteidigung Zschäpe diesem Zeugen, der ihre Mandantin als Mittäterin einer der frühen Taten der Gruppe belastete, kein besonderes Interesse entgegenbrachte.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/09/02/02-09-2015/

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