Kurz-Protokoll 274. Verhandlungstag – 12. April 201

0

Der heutige Verhandlungstag beginnt mit einer Auseinandersetzung von Senat und Verteidigung von Ralf Wohlleben. Richter Götzl stellt zunächst erneut dar, warum Anträge der Verteidigung Wohlleben u.a. auf Abtrennung des Verfahrens gegen Wohlleben abgelehnt wurden. Daraufhin stellt die Verteidigung Wohllebens ein Ablehnungsgesuch gegen den Senat. Nachdem beschlossen wird, die Entscheidung darüber zu vertagen, werden Zeug_innen zum Überfall auf eine Postfiliale in Zwickau am 05.07.2001 gehört. Im Anschluss daran stellen Vertreter_innen der Nebenklage einen Beweisantrag, der den Themenkomplex und die Enthüllungen rund um den V-Mann Ralf Marschner aufgreift.

Zeug_innen:

  • Jens Me. (Kriminalbeamter, PD Chemnitz, Überfall auf eine Postfiliale in Zwickau am 05.07.2001)
  • Sigrid P. (Überfall auf eine Postfiliale in Zwickau am 05.07.2001)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl, dass es bei dem Beschluss vom 05.04.2016 – mit dem die Anträge der Verteidigung Wohlleben u.a. auf Abtrennung des Verfahrens gegen Wohlleben abgelehnt wurden – trotz der Gegenvorstellung der Verteidigung Wohlleben [273. Verhandlungstag] „sein Bewenden hat“.

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Wir benötigen zur internen Beratung eine halbe Stunde Unterbrechung.“ RA Klemke sagt nach der Pause: „Wir beantragen, die Hauptverhandlung bis 13 Uhr zu unterbrechen, da wir einen unverzüglich zu stellenden Antrag formulieren müssen.“
Um 14:02 Uhr geht es weiter. Die Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath, RA Klemke und RAin Schneiders verlesen dann nacheinander ein Ablehnungsgesuch gegen den Senat.
Dann verkündet Götzl die Verfügung, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vorläufig zurückgestellt wird und begründet dies mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen.

Es folgt der Zeuge Jens Me. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen zu einem Überfall Postfiliale Max-Planck-Straße, Zwickau, 05.07.2001:“ Me.: „Ich muss sagen dass ich mit den Ermittlungen vorwiegend im Chemnitzer Bereich vertraut [phon.] und beschäftigt war, diesen Fall habe ich nicht selber bearbeitet, aber in Zusammenarbeit mit den Zwickauer Kollegen. Wir hatten ja mittlerweile drei Überfälle ’99 bis 2000, die wir von Anfang an den selben beiden Tätern zugeschrieben haben. Und wir haben nachgedacht, ob der Überfall Edeka 1998 zur Serie gehören könnte, haben das aber nebenan gestellt. Nun kam Überfall 05.07.2001 Zwickau dazu und es fiel uns nicht schwer einen Zusammenhang zu unserer Serie in Chemnitz zu sehen. Der Tatort war aber woanders, im Bereich Zwickau. Aber modus operandi, Auftreten und Anzahl, Tatbekleidung, Schuhe, Maskierung sprach dafür, das es sich auch um die Täter handeln musste, die die Überfälle in Chemnitz begangen hatten. Ich forderte die Überwachungsfotos an und so wurde uns klar, dass es sich um die Täter handelte, die auch bei uns schon tätig waren. Sie handelten adäquat zum Überfall auf die Postfiliale Chemnitz 2000. [phon.] Die [phon.] war damals nicht so gesichert wie heute, das Glas war nur einem Meter hoch, insofern, denke ich, waren die Tatorte gut ausgewählt. Die Täter bestiegen den Tresen, überstiegen dieses Glas und wie ein Jahr zuvor in der Johannes-Dick-Straße in Chemnitz hat sich ein Täter vorne im Bereich des Schalters, hat er dort versucht das Geld zu bekommen, wogegen der zweite Täter wie in Chemnitz sich in den hinteren Bereich begeben hat und die Angestellte unter Waffengewalt zum Öffnen des Tresors genötigt hat.“

Es folgt die Einvernahme der Zeugin Sigrid P. zum Überfall am 05.07.2001 auf die Postfiliale Max-Planck-Straße in Zwickau. Götzl: „Mich würde interessieren, was sich zugetragen hat, was Sie noch in Erinnerung haben.“ P: „Es war niemand in der Post drin, da kamen die zwei Verkleideten rein, sind über die Verglasung gestiegen und haben Geld gefordert. Wir haben erst versucht, das abzuwehren: ‚Unsere Chefin ist nicht da‘, hatten aber den Auftrag das Geld rauszugeben. Meine Kollegin ist zum Tresor und ich musste mit dem einen, da hat eine Waffe oder irgendwas aus dem Ärmel geguckt, ich nehme an, dass es so ein Aufsatz war [phon.], zum Schalter, hatte ziemlich Angst und habe das ganze Geld rausgegeben. Er hat aber nur die Scheine genommen. Er ging dann nach hinten. Was sich da abgespielt hat, weiß ich nicht, meine Kollegin hat später aufgehört bei der Post. Ich habe dann auf den Knopf gedrückt, was Alarm auslöst. Ich dachte, hoffentlich geht das nicht laut los. War nicht so. Es kamen drei Männer, drei Kunden rein, da haben die beiden vorne mit Pfefferspray gesprüht. Ich weiß nicht, wie lang es dauerte, bis die Polizei kam. Es kam uns sehr lang vor, die waren aber weg und sind nicht gefunden worden. Mir wurde immer mitgeteilt, dass noch nichts rausgefunden wurde und dann: Das Verfahren ist eingestellt. Bis dass jetzt dieser Brief kam, wo das jetzt weitergeht.“

Dann verlesen zunächst RA Scharmer, danach RA Stolle den folgenden Antrag:
In der Strafsache gegen Zschäpe u.a., 6 St 3/12, wird mit den nachfolgenden Beweisanträgen dargelegt werden, dass der V-Mann Primus des BfV, Ralf Marschner aus Zwickau, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und die Angeklagte Zschäpe und viele ihrer Unterstützer, wie den Angeklagten André Eminger, kannte, von ihrem Abtauchen in Sachsen wusste und Kenntnis vom Aufenthaltsort der Drei in Zwickau hatte. Weiter wird nachgewiesen werden, dass diese Informationen u.a. durch Ralf Marschner dem BfV, dem TLKA und dem LKA Sachsen bekannt waren.
Es wird beantragt, 1.) den Zeugen Ralf Marschner, zu laden über das BfV, in der Hauptverhandlung zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, a) dass er Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bereits vor dem 26. Januar 1998 persönlich kannte, b) dass ihm bekannt war, dass und warum Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Chemnitz nach dem 26. Januar 1998 untergetaucht waren und beim Untertauchen von Mitgliedern von B&H Chemnitz unterstützt wurden, c) dass ihm bekannt war, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im Jahr 2000 nach Zwickau umgezogen sind und ihm auch die Wohnung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in der Polenzstraße 2 bekannt war, d) dass er André Eminger und Maik Eminger persönlich kannte, dass er von der militant neonazistischen Einstellung der beiden Brüder wusste, dass er zudem Kenntnis darüber hatte, dass André Eminger zusammen mit Maik Eminger die „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ gegründet und dass beide das Fanzine „Aryan Law and Order“ herausgebracht und für dieses geschrieben haben und dass André und Maik Eminger Kontakt zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hatten, e) dass er Uwe Mundlos in seiner Zwickauer Baufirma in den Jahren 2000 und 2001 unter den Aliaspersonalien Max-Florian Burkhardt beschäftigt hat. Der Zeuge Marschner ist weiter im Wege der Beweisermittlung zu fragen, f) ob er oder Jens Gü. Fahrzeuge angemietet haben, die sie Zschäpe oder Mundlos und/oder Böhnhardt zur Verfügung gestellt haben und wenn ja, zu welchem Zweck dies geschehen ist, g) ob er Zschäpe in einem seiner Läden beschäftigt hat und h) wer das Pink Panther-Lied auf seinem PC gespeichert hat bzw. wer ihn auf das Lied aufmerksam gemacht hat und ob ihm das Bekennervideo des NSU vor November 2011 bekannt war.
Es wird weiter beantragt,
(1.) KHK St., LKA Sachsen, ehem. Dezernat 512, zu laden und zu hören sowie das Schreiben des KHK St. vom Dezernat 512 des LKA Sachsen vom 11. Dezember 2001, gerichtet an das LKA Thüringen, z. Hd. Herrn Wießner, beizuziehen und zu verlesen, zum Beweis der Tatsachen,
(a) dass es dem LKA Sachsen und dem LKA Thüringen spätestens im Dezember 2001 bekannt war, dass die Unterstützer des NSU aus der B&H-Szene kommen, dass sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Zwickau aufhalten und dass zu den möglichen Unterstützern des NSU im Untergrund neben Jan Werner, Hendrik Lasch, Thomas Starke auch Ralf Marschner gehörte,
(b) dass diese Erkenntnisse auch an das LfV Sachsen weitergegeben worden sind.
Weiter wird beantragt,
(2.) den Zeugen Ralf Marschner und Richard Kaldrack, zu laden über das BfV, zum Beweis der Tatsache zu hören, dass Ralf Marschner die Beweistatsachen 1a) bis d) seinem V-Mann-Führer im BfV, Richard Kaldrack, während seiner Tätigkeit als V-Mann berichtet hat.
Schließlich wird beantragt,
3.) den Lagefilm aus der Zeit vom 4. bis zum 11. November 2011 des Führungs- und Lagezentrums in der Polizeidirektion Zwickau zum Beweis der Tatsache beizuziehen und zu verlesen, dass Ralf Marschner dort am 11. November 2011 als Spurenkomplex Nr. 85 verzeichnet ist.
Der Beweisantrag ist von diversen NK-Vertreter_innen unterschrieben, weitere schließen sich an. Der Verhandlungstag endet um 17:05 Uhr.

Hier geht es zum Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/04/12/12-04-2016/

Pressemitteilung von NK-Vertreter_innen zu Ralf Marschner:
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/04/07/07-04-2016-presserklaerung/

Zur vollständigen Version des Protokolls geht es hier.