Kurz-Protokoll 306. Verhandlungstag – 31. August 2016

0

Am heutigen Verhandlungstag geht es zunächst um einige Verlesungen seitens des Senats. Dabei handelt es sich u.a. um Erkenntnisse bzgl. dem Angeklagten Wohlleben. Dann stellt ein Vertreter der Nebenklage einen Antrag zu dem von Carsten Schultze geschilderten Neonazi-Angriff an einer Endhaltestelle in Jena. Daran anschließend nimmt die Verteidigung von Beate Zschäpe Stellung zu Fragen, die Vertreter_innen der Nebenklage an ihre Mandantin gerichtet hatte.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Götzl: „Dann kommt als nächstes zur Verlesung die Erkenntniszusammenstellung vom 26.07.1999, SAO 626, 10833 bis -36 bis einschließlich ‚im Thule-Netz angeschlossen haben'“ Richter Kuchenbauer verliest diese TLfV-Erkenntniszusammenstellung zu Ralf Wohlleben und Jörg Krautheim [gesamte Verlesung phon.]. In der Erkenntniszusammenstellung wird mitgeteilt, dass beide als Aktivisten der rechten Szene Thüringens angesehen würden. Die Erkenntnismitteilung berichtet, dass beide regelmäßig an den Mittwochstreffen der „Anti-Antifa Ostthüringen (THS)“ in Saalfeld-Rudolstadt, an Störaktionen, Aufmärschen, Kundgebungen teilnehmen würden. Wohlleben sei seit 1995 als Aktivist der „Anti-Antifa Ostthüringen (THS)“ bekannt und werde als einer der Hauptaktivisten der rechten Szene angesehen. Die Mitteilung berichtet bzgl. Wohlleben u.a. von der Teilnahme einem Treffen von politisch rechtsgerichteten Jugendlichen im Stadtpark Oberaue in Jena am 06.04.1997, am 22. Südafrikaseminar am 12/13.09.1998 in Coburg, an einer Störaktion gegen eine Veranstaltung mit Gregor Gysi am 22.05.1999. Bei der Gysi-Veranstaltung sei Wohlleben erst später eingetroffen. Außerdem sei Wohlleben in Zusammenhang mit den Heß-Märschen 1995 in Schneverdingen und 1998 als maßgeblicher Organisator in Gotha in Erscheinung getreten.
Wohlleben habe sich dann zunehmend in der NPD engagiert, in der er im Januar 1999 Mitglied geworden sei. Wohlleben habe an mehreren Veranstaltungen der NPD in Thüringen und Bundesgebiet teilgenommen, sei Kreisvorsitzender in Jena und Schulungsleiter im Landesverband Thüringen. Bei Aufmärschen sei er Trommler gewesen, habe unter Postfach über ein Inserat in „Nation & Europa“ Nummer 6 Musikinstrumente für den Aufbau eines Musikzuges der Sektion Jena gesucht. Im Februar 1998 seien offensichtlich die auf der Flucht befindlichen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe mit dem Wagen des Wohlleben unterwegs gewesen. Wohlleben könne heute noch [1999] den Kontakt zu den Untergetauchten unterhalten. Wohlleben sei u.a. Teilnehmer beim Europakongress der NPD/JN 1996 gewesen.
Kuchenbauer setzt mit der Verlesung fort. Die Erkenntniszusammenstellung berichtet u.a. von Wohllebens Teilnahme an einer NPD-Demo „Liebe predigen, Hass schüren“ am 17.10.1998 in Jena mit 30 Teilnehmern, die hauptsächlich zum THS gehörten, am außerordentlichen Listenparteitag der NPD Thüringen im Februar 1999, an einem Infostand gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 1999 in Jena, am außerordentlichen NPD-Landesparteitag 1999, wo er als Beisitzer in den Landesvorstand gewählt worden sei, an einer NPD-Landesvorstandssitzung „Wahlkampf“ in Nauendorf, bei der Wohlleben mit der Funktion „Politische Agitation“ betraut worden sei, an einer erweiterten Landesvorstandssitzung am 15.05.1999 in Gera, Schulungsleiter und Protokollführer, an einer Schulung des Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerks 1999 in Leipzig.
Gegen Wohlleben sei, so die Erkenntnismitteilung weiter, schon mehrfach strafrechtlich ermittelt worden. Wohlleben sei festgenommen worden, als sich vor einem McDonald’s in Jena rechtsgerichtete Jugendliche versammelten und den Gaststättenbetrieb störten. Er sei 1998 in Gewahrsam genommen worden, als er und andere die Landesfeier zum Volkstrauertag in Jena gestört hätten. Am 01.05.1999 sei gegen Wohlleben ein Platzverweis für Stadt und Land Bremen ausgesprochen worden, nachdem das Verbot einer Demo rechtskräftig geworden sei. Wohlleben und weitere Mitglieder des THS hätten versucht die Anreise zur verbotenen Demo in Bremen durchzuführen. Wohlleben habe sich bei der Polizeikontrolle als Sprecher der Businsassen zu erkennen gegeben. Am selben Tag habe es einen spontaner Marsch in Gera gegeben. Wohlleben und weitere 56 Personen seien vorläufig festgenommen worden. Wohlleben und Krautheim seien Organisatoren des Marsches am 01.05.1999 in Gera gewesen. Krautheim habe das gedrehte Video an die Frontal-Redaktion für einen Sendebeitrag des Rainer Fromm geschickt.
Krautheim werde eine zentrale Rolle zugeschrieben, er sei Mitglied im NPD-Landesvorstand Thüringen und werde dem THS zugerechnet, habe eine Führungsposition in der Freien KS Gera und nutze auch deren Postfach. Krautheim sei seit einer Demo im März 1998 zum Pressesprecher des THS bestimmt worden. Er sei seit 1994 Mitglied in der HNG und Bezieher der HNG-Nachrichten, wo die Teilnahme von Krautheim an der HNG-Hauptversammlung 1998 mitgeteilt worden sei. Zudem habe Krautheim 1997 unter seiner Anschrift umfangreiches Propagandamaterial beim Neonazikreis um Michael Hammer (Baden-Württemberg) bestellt. Bei einer Hausdurchsuchung bei Krautheim 1994 sei in seinem Zimmer Propagandamaterial der NSDAP/AO beschlagnahmt worden. Krautheim habe eine Mitgliedschaft in dieser Organisation bestritten. Krautheim solle sich auch zur verbotenen Wiking-Jugend hingezogen gefühlt haben. Krautheim solle sich im Januar 1999 unter Pseudonym dem Thule-Netz angeschlossen haben.

Dann verliest Götzl einen Ermittlungsvermerk zu einer Waffensicherstellung aus SAO 239, Blatt 43. Es geht um die Auffindesituation einer Maschinenpistole im Wohnmobil: auf der rechten Sitzbank gegenüber der Zugangstür, das Magazin sei eingeführt gewesen, eine Patrone habe quer verklemmt zwischen Verschluss und Lauf gesteckt, der Lauf sei frei gewesen, die verklemmte Patrone sei durch Unterzeichner und einen weiteren Beamten entnommen worden.

Es folgt dann die Verlesung des Sachstandsberichts vom 26.11.1996 durch Richterin Odersky. In dem Bericht der „Soko Rex“ des TLKA wird mitgeteilt, dass es am 10.09.1995 zu einer „Zettelwurfaktion“ der rechten Szene in Rudolstadt am Denkmal für die Opfer des Faschismus gekommen sei. Es habe Festnahmen gegeben, u.a. auch von Beate Zschäpe. Bei der Durchsuchung sei u.a. ein zweischneidiger Dolch festgestellt worden. [phon.]

NKRA Langer verliest einen Beweisantrag: In der Strafsache gegen Beate Zschäpe u. a. wird zum Beweis der Tatsache, dass am 29.07.1998 in der Lokalpresse Jena über eine Schlägerei vom 12.07.1998 an der Straßenbahnhaltestelle Winzerla zwischen zwei jungen Männern einerseits und sieben bis acht jungen Männern andererseits berichtet wurde, beantragt: die anliegende Kopie aus der „Ostthüringer Zeitung“ (OTZ) vom 29. Juli 1998, Lokalseite Jena und Umgebung, in Augenschein zu nehmen und den dort befindlichen Artikel mit der Überschrift „Noch immer keine Spur von den Schlägertypen“ zu verlesen. Ferner wird angeregt, den Sachverhalt im Hinblick auf die im Artikel genannten Tatsachen dahingehend aufzuklären, welche Ermittlungen die zuständige Polizei in Jena-Lobeda nach dem Vorfall vom 12.07.1998 angestellt hat, ggf. deren Akten beizuziehen und die bei dem Vorfall verletzten Personen zu ermitteln und als Zeugen zu vernehmen.

Dann verliest Heer eine Erwiderung von Stahl, Sturm, Heer auf die Stellungnahmen der NK-Vertreter_innen und des GBA zu den Beanstandungen von Fragen der NK-Vertreter_innen durch Stahl, Sturm, Heer. Im Anschluss daran hält er einige Beanstandungen von Fragen von Nebenklageanwält_innen an Beate Zschäpe aufrecht, andere nicht.

Dann folgt die Verlesung eines Vermerks des BKA zu einer Asservatenauswertung bzgl. des Objekts Frühlingsstraße 26, Zwickau vom 13.02.2012 [phon.]. Bei dem Asservat handele es sich um ein Magazin der Pistole Bruni, Modell 315 Auto, Kal. 6,35 Browning, geladen mit 5 Patronen, 6,35 Browning [phon.]. Es sei gefunden worden im Brandschutt der Frühlingsstraße in Zwickau. Die DNA-Untersuchung habe keine verwertbaren Spuren ergeben, auch die daktyloskopische Untersuchung habe keine verwertbaren Spuren ergeben. Es folgt das Fazit: „Verfahrensrelevant.“ Dann wird eine Abbildung des Pistolenmagazins in Augenschein genommen. Götzl legt dann die Mittagspause ein bis 13:07 Uhr.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die die Anträge vom 290. und 293. Verhandlungstag, den Erstauswerter des BfV mit dem Arbeitsnamen „Sebastian Egerton“, der das Heft „Weisser Wolf“ Nr. 18 aus dem Jahr 2002 ausgewertet hat, über das BfV zu laden und zu hören, abgelehnt sind. Der Verhandlungstag endet um 13:34 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage, hier.

Hier geht es zur vollständigen Version des Protokolls.