Protokoll 306. Verhandlungstag – 31. August 2016

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Am heutigen Verhandlungstag geht es zunächst um einige Verlesungen seitens des Senats. Dabei handelt es sich u.a. um Erkenntnisse bzgl. dem Angeklagten Wohlleben. Dann stellt ein Vertreter der Nebenklage einen Antrag zu dem von Carsten Schultze geschilderten Neonazi-Angriff an einer Endhaltestelle in Jena. Daran anschließend nimmt die Verteidigung von Beate Zschäpe Stellung zu Fragen, die Vertreter_innen der Nebenklage an ihre Mandantin gerichtet hatte.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Nach der Begrüßung sagt Götzl wie üblich: „Dann setzen wir im Verfahren fort, kommen zur Feststellung der Präsenz.“ Götzl stellt die Präsenz fest und sagt dann: „Für heute ist vorgesehen Verlesungen durchzuführen, die angekündigt sind.“ Zuerst verliest Richterin Odersky einen kurzen Durchsuchungsbefehl der schweizerischen Behörden gegen Hans-Ulrich Mü. vom 31.01.2012 [phon.] betreffend dessen Räumlichkeiten und Fahrzeug [Ermittlungen zur -Lieferkette]. Es folgt ein Hausdurchsuchungsbeschluss des BGH gegen Enrico Theile vom 26.04.2012, den Richter Lang verliest. Im Beschluss wird der seinerzeitige Ermittlungsstand zur Ceska-Lieferkette wiedergegeben.

Danach sagt Götzl: „Dann steht als nächstes an, die Verlesung des Schreibens TLfV, 15.11.2012, SAO 626, 10789.“ Götzl verliest das Schreiben selber. Es handelt sich um ein Anschreiben des TLfV, in dem die Übersendung nachträglich recherchierter Aktenstücke mit Bezug zum NSU mitgeteilt wird. U.a. handele es sich um Aktenstücke aus 1997, die sich auf Aktivitäten rund um den Todestag von Rudolf Heß bezogen; in einem Fall gehe es um eine Veranstaltung der „Artgemeinschaft“ im Juni 1997, zu der Zschäpe, André Kapke und weitere mit PKW angereist seien.

Götzl: „Dann kommt als nächstes zur Verlesung die Erkenntniszusammenstellung vom 26.07.1999, SAO 626, 10833 bis -36 bis einschließlich ‚im Thule-Netz angeschlossen haben'“ Richter Kuchenbauer verliest diese TLfV-Erkenntniszusammenstellung zu Ralf Wohlleben und Jörg Krautheim [gesamte Verlesung phon.]. In der Erkenntniszusammenstellung wird mitgeteilt, dass beide als Aktivisten der rechten Szene Thüringens angesehen würden. Die Erkenntnismitteilung berichtet, dass beide regelmäßig an den Mittwochstreffen der „Anti-Antifa Ostthüringen ()“ in Saalfeld-Rudolstadt, an Störaktionen, Aufmärschen, Kundgebungen teilnehmen würden. Wohlleben sei seit 1995 als Aktivist der „Anti-Antifa Ostthüringen (THS)“ bekannt und werde als einer der Hauptaktivisten der rechten Szene angesehen. Die Mitteilung berichtet bzgl. Wohlleben u.a. von der Teilnahme einem Treffen von politisch rechtsgerichteten Jugendlichen im Stadtpark Oberaue in Jena am 06.04.1997, am 22. Südafrikaseminar am 12/13.09.1998 in Coburg, an einer Störaktion gegen eine Veranstaltung mit Gregor Gysi am 22.05.1999. Bei der Gysi-Veranstaltung sei Wohlleben erst später eingetroffen. Außerdem sei Wohlleben in Zusammenhang mit den Heß-Märschen 1995 in Schneverdingen und 1998 als maßgeblicher Organisator in Gotha in Erscheinung getreten.

Wohlleben habe sich dann zunehmend in der NPD engagiert, in der er im Januar 1999 Mitglied geworden sei. Wohlleben habe an mehreren Veranstaltungen der NPD in Thüringen und Bundesgebiet teilgenommen, sei Kreisvorsitzender in Jena und Schulungsleiter im Landesverband Thüringen. Bei Aufmärschen sei er Trommler gewesen, habe unter Postfach über ein Inserat in „Nation & Europa“ Nummer 6 Musikinstrumente für den Aufbau eines Musikzuges der Sektion Jena gesucht. Im Februar 1998 seien offensichtlich die auf der Flucht befindlichen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe mit dem Wagen des Wohlleben unterwegs gewesen. Wohlleben könne heute noch [1999] den Kontakt zu den Untergetauchten unterhalten. Wohlleben sei u.a. Teilnehmer beim Europakongress der NPD/ 1996 gewesen. Götzl: „Ich muss kurz unterbrechen. Rein vorsichtsmäßig der Hinweis: Bei der StA München I findet ein Probealarm statt. Unser Bereich ist nicht betroffen. Als Hinweis, dass sich die Zuhörer keine Sorgen machen müssen.“

Kuchenbauer setzt mit der Verlesung fort. Die Erkenntniszusammenstellung berichtet u.a. von Wohllebens Teilnahme an einer NPD-Demo „Liebe predigen, Hass schüren“ am 17.10.1998 in Jena mit 30 Teilnehmern, die hauptsächlich zum THS gehörten, am außerordentlichen Listenparteitag der NPD Thüringen im Februar 1999, an einem Infostand gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 1999 in Jena, am außerordentlichen NPD-Landesparteitag 1999, wo er als Beisitzer in den Landesvorstand gewählt worden sei, an einer NPD-Landesvorstandssitzung „Wahlkampf“ in Nauendorf, bei der Wohlleben mit der Funktion „Politische Agitation“ betraut worden sei, an einer erweiterten Landesvorstandssitzung am 15.05.1999 in Gera, Schulungsleiter und Protokollführer, an einer Schulung des Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerks 1999 in Leipzig.

Gegen Wohlleben sei, so die Erkenntnismitteilung weiter, schon mehrfach strafrechtlich ermittelt worden. Wohlleben sei festgenommen worden, als sich vor einem McDonald's in Jena rechtsgerichtete Jugendliche versammelten und den Gaststättenbetrieb störten. Er sei 1998 in Gewahrsam genommen worden, als er und andere die Landesfeier zum Volkstrauertag in Jena gestört hätten. Am 01.05.1999 sei gegen Wohlleben ein Platzverweis für Stadt und Land Bremen ausgesprochen worden, nachdem das Verbot einer Demo rechtskräftig geworden sei. Wohlleben und weitere Mitglieder des THS hätten versucht die Anreise zur verbotenen Demo in Bremen durchzuführen. Wohlleben habe sich bei der Polizeikontrolle als Sprecher der Businsassen zu erkennen gegeben. Am selben Tag habe es einen spontaner Marsch in Gera gegeben. Wohlleben und weitere 56 Personen seien vorläufig festgenommen worden. Wohlleben und Krautheim seien Organisatoren des Marsches am 01.05.1999 in Gera gewesen. Krautheim habe das gedrehte Video an die Frontal-Redaktion für einen Sendebeitrag des Rainer Fromm geschickt.

Krautheim werde eine zentrale Rolle zugeschrieben, er sei Mitglied im NPD-Landesvorstand Thüringen und werde dem THS zugerechnet, habe eine Führungsposition in der Freien KS Gera und nutze auch deren Postfach. Krautheim sei seit einer Demo im März 1998 zum Pressesprecher des THS bestimmt worden. Er sei seit 1994 Mitglied in der HNG und Bezieher der HNG-Nachrichten, wo die Teilnahme von Krautheim an der HNG-Hauptversammlung 1998 mitgeteilt worden sei. Zudem habe Krautheim 1997 unter seiner Anschrift umfangreiches Propagandamaterial beim Neonazikreis um Michael Hammer (Baden-Württemberg) bestellt. Bei einer Hausdurchsuchung bei Krautheim 1994 sei in seinem Zimmer Propagandamaterial der NSDAP/AO beschlagnahmt worden. Krautheim habe eine Mitgliedschaft in dieser Organisation bestritten. Krautheim solle sich auch zur verbotenen Wiking-Jugend hingezogen gefühlt haben. Krautheim solle sich im Januar 1999 unter Pseudonym dem Thule-Netz angeschlossen haben. Nach der Verlesung sagt Wohlleben-Verteidiger RAin Schneiders: „Wir möchten uns eine Erklärung dazu vorbehalten.“

Dann verliest Götzl einen Ermittlungsvermerk zu einer Waffensicherstellung aus SAO 239, Blatt 43. Es geht um die Auffindesituation einer Maschinenpistole im : auf der rechten Sitzbank gegenüber der Zugangstür, das Magazin sei eingeführt gewesen, eine Patrone habe quer verklemmt zwischen Verschluss und Lauf gesteckt, der Lauf sei frei gewesen, die verklemmte Patrone sei durch Unterzeichner und einen weiteren Beamten entnommen worden. [phon.]

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Verlesung des Sachstandsberichts des TLKA vom 26.11.1996 angeordnet wird und zwar folgender Teile: Blatt 121: Kopfblock bis Sachstandsbericht, Blatt 121: „Am 10.09.1996 fand in Rudolstadt …“ bis „… Dolch sichergestellt“ und Blatt 122: nur Unterschrift. Götzl führt aus, dass die Verlesung verfügt worden sei, und dass dann die RAe Heer, Stahl und Lickleder sowie die Verteidigung Wohlleben der Verlesung des Schriftstücks widersprochen hätten. Götzl gibt den prozessualen Hergang zu diesem Widerspruch wieder. Dann sagt er, dass die Verlesung des Sachstandsberichts im „tenorierten Umfang“ nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO zulässig sei. Die Aufklärungspflicht erfordere nicht die Vernehmung des Polizeibeamten Be., der den Bericht im Jahr 1996 verfasst habe. Der als Widerspruch bezeichnete Einwand sei, weil ein Widerspruch gegen eine Verlesungsanordnung in der StPO nicht vorgesehen sei, auszulegen als Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO verbunden mit einem Antrag auf einen Gerichtsbeschluss. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestatte in Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Ersetzung der Vernehmung der Beweisperson durch die Verlesung einer in einer Urkunde enthaltenen Erklärung der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben. Ob der zulässige Rückgriff auf den Urkundenbeweis ausreichend ist, habe das Gericht nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Verlesung würden vorliegen, so Götzl.

Es handele sich bei dem zu verlesenden Vermerk um einen Vermerk über Ermittlungshandlungen, nämlich die Festnahme und Durchsuchung der Angeklagten Zschäpe. Beide Maßnahmen der Ermittlungsbehörden hätten im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck der Tataufklärung gedient. Aus dem Wortlaut des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ergebe sich weder, dass ein Sachstandsbericht, der hier verlesen werden solle, im Speziellen von einer Verlesung ausgenommen ist, noch – wie die Widerspruchsführer behaupteten – dass Ermittlungshandlungen im Sinne der Vorschrift ausschließlich „Routinemaßnahmen“ betreffen würden. Den „Gesetzesmaterialien“ sei eine dahingehende Einschränkung gleichfalls nicht zu entnehmen: Ziel der Einführung der Vorschrift war es „zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Hauptverhandlung“ beizutragen. Soweit es im unmittelbaren Anschluss daran heißt, die Strafverfolgungsbehörden erstellen im Rahmen der Ermittlungen Protokolle und Vermerke über „Routinevorgänge“, drückt dies zwar ein Motiv des Gesetzgebers aus, nicht aber eine inhaltliche Eingrenzung. Dies belegt insbesondere die sich kurz darauf anschließende Passage der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei den Schriftstücken deren Verlesung § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestattet (lediglich) „meist“ um routinemäßig erstellte Protokolle handelt. Diese Relativierung („meist“) zeigt, dass der Gesetzgeber auch außerhalb der Routine liegende Vorgänge vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht ausschließen wollte.

Im vorliegenden Fall, so Götzl weiter, könne die Frage jedoch dahinstehen. Die im zu verlesenden Teil des Vermerks vom 26.11.1996 berichteten Ermittlungshandlungen seien als Routinemaßnahmen zu qualifizieren. Festnahmen und Durchsuchungen von Beschuldigten, hier von Zschäpe, seien im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsarbeit Routinemaßnahmen, da sie häufig und zahlreich durchzuführen seien. Dies beurteilten die Widerspruchsführer ebenso. Dem Umstand, dass der Bericht von einem „Polizeikommissar zur Anstellung“ verfasst wurde, der nach dem Vortrag der Widerspruchsführer „über keine ausreichende dienstliche Erfahrung verfügte“, komme in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Gesetzeswortlaut und auch Gesetzesbegründung stellten gerade nicht auf die individuell vorhandene Erfahrung des Vermerkverfassers ab: Andernfalls wäre die Vorschrift in der Praxis auch nur umständlich anwendbar, wenn jeder Polizeibeamte zunächst einmal einen Erfahrungsnachweis erbringen müsste und dann in jedem Fall noch einmal extra zu klären wäre, ob die vorhandene Erfahrung für die Ermittlungsmaßnahme, über die per Vermerk berichtet werden soll, auch ausreichend ist.

Eine Beschränkung der Verlesung auf Ermittlungsmaßnahmen, die der Verfasser des Vermerks selbst durchgeführt hat, sei dem Wortlaut von § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht zu entnehmen, so Götzl weiter. Bei Durchsuchungsberichten, deren Verlesung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO unstrittig zulässig sei, berichte der Vermerkverfasser über den Gesamtvorgang einer Durchsuchungsmaßnahme, die in der Regel aber von mehreren Beamten durchgeführt werde, so
dass auch die tatsächlichen Umstände von verschiedenen Beamten wahrgenommen werden. Diese Umstände würden dann von dem Beamten, der diese Wahrnehmungen nicht in eigener Person gemacht haben müsse, in dem zusammenfassenden Durchsuchungsbericht schriftlich niedergelegt. Das gleiche Prozedere erfolge auch z.B. bei Observationsberichten, deren Verlesung nach § 256 Abs. 1 Nr.5 StPO ebenfalls zulässig sei. Eine vergleichbare Sachlage sei auch hier beim „Sachstandsbericht“ gegeben.

Der Verfasser des Vermerks fasse in dem von ihm verfassten Schriftstück die Ermittlungsmaßnahmen mehrerer Beamter zu einem einheitlichen Gesamtvorgang zusammen. Die Aufklärungspflicht zwinge nicht dazu, den Verfasser des Sachstandsberichts als Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Der Bericht sei ohne erkennbare Ungenauigkeiten und Unklarheiten verfasst. Es sei nicht zu erwarten, dass die Vernehmung des Beamten in der Hauptverhandlung zusätzliche Erkenntnisse erbringen würde. Be. habe den Vermerk vor fast 20 Jahren verfasst. Vor diesem Hintergrund könne nicht angenommen werden, dass er sich in einer Zeugenvernehmung noch an Details erinnern würde, die er nicht in seinem Vermerk niedergelegt habe. Anhaltspunkte dafür, dass relevante Umstände nicht in den Sachstandbericht aufgenommen wurden, seien nicht ersichtlich. Götzl: „Noch der Hinweis kurz in Zusammenhang mit dem Probealarm: Der ist mittlerweile beendet.“

Es folgt dann die Verlesung des Sachstandsberichts vom 26.11.1996 durch Richterin Odersky. In dem Bericht der „Soko Rex“ des TLKA wird mitgeteilt, dass es am 10.09.1995 zu einer „Zettelwurfaktion“ der rechten Szene in Rudolstadt am Denkmal für die Opfer des Faschismus gekommen sei. Es habe Festnahmen gegeben, u.a. auch von Beate Zschäpe. Bei der Durchsuchung sei u.a. ein zweischneidiger Dolch festgestellt worden. [phon.]

Götzl: „Zum Prozedere heute: Wir haben weitere Verlesungen vorgesehen. Sind denn für heute Anträge geplant von irgendeiner Seite?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir könnten auf die Stellungnahme diverser Nebenklägervertreter zu Beanstandungen reagieren.“ NK-Vertreter RA Langer sagt, er habe noch einen kurzen Beweisantrag. Götzl: „Dann ziehen wir den vor.“

Langer verliest seinen Antrag: In der Strafsache gegen Beate Zschäpe u. a. wird zum Beweis der Tatsache, dass am 29.07.1998 in der Lokalpresse Jena über eine Schlägerei vom 12.07.1998 an der Straßenbahnhaltestelle Winzerla zwischen zwei jungen Männern einerseits und sieben bis acht jungen Männern andererseits berichtet wurde, beantragt: die anliegende Kopie aus der „Ostthüringer Zeitung“ (OTZ) vom 29. Juli 1998, Lokalseite Jena und Umgebung, in Augenschein zu nehmen und den dort befindlichen Artikel mit der Überschrift „Noch immer keine Spur von den
Schlägertypen“ zu verlesen. Ferner wird angeregt, den Sachverhalt im Hinblick auf die im Artikel genannten Tatsachen dahingehend aufzuklären, welche Ermittlungen die zuständige Polizei in Jena-Lobeda nach dem Vorfall vom 12.07.1998 angestellt hat, ggf. deren Akten beizuziehen und die bei dem Vorfall verletzten Personen zu ermitteln und als Zeugen zu vernehmen.


Begründung: Der Angeklagte Carsten Schultze hat u. a. am 6. Hauptverhandlungstag vom 05.06.2013 und in einer Vernehmung vom 02.07.2013 durch das Bundeskriminalamt einen Vorfall an der Straßenbahnhaltestelle in Jena-Winzerla geschildert, der 1998 oder 1999 stattgefunden haben soll und er hat dabei ausgeführt, dass er weitere Angaben zu Verletzungen von Personen anschließend aus der Presse (OTZ) habe entnehmen können. 1. Die beantragte Inaugenscheinnahme und Verlesung ist geeignet zu überprüfen, inwieweit diese Aussage zutrifft und ggf. Angaben zum Sachverhalt zu ergänzen und eine zeitlich genauere Einordnung vorzunehmen. Das Original der hier eingereichten Kopie wurde vom Antragsteller am 29./30.08.2016 eingesehen. Diese Einsicht erfolgte bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Der Artikel befindet sich im Band „Ostthüringer Zeitung 8/1998 21. – 31. Juli“ unter der Signatur 2 Z 346. 2. Die angeregten Ermittlungen (Beweisermittlungsantrag) sind geeignet, den Sachverhalt weitergehend aufzuklären. Durch die zeitliche Einordnung, wonach der Vorfall am 12.07.1998, gegen 2.45 Uhr, stattgefunden haben soll und die Konkretisierung der damals ermittelnden Polizeidienststelle (Lobeda) sowie deren damaliger Telefonnummer (39 46 71) wird nun ermöglicht zu überprüfen, ob ein solcher Vorfall polizeilich aktenkundig geworden ist. Sollte dem so sein, könnten diese Akten beigezogen werden. Aus ihnen müsste sich die Identität der Verletzten ergeben, die als Zeugen detaillierte Angaben zum Vorfall machen können.
Götzl legt eine Pause ein.

Um 11:04 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sollen denn sogleich zum Beweisantrag von Rechtsanwalt Langer Ausführungen gemacht werden?“ Bundesanwalt Diemer: „Wir behalten uns eine Stellungnahme vor.“ Die NK-Vertreter RA Narin und RA Kolloge schließen sich dem Beweisantrag an. Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Wir schließen uns ebenfalls an.“ Götzl: „Dann würden wir zu Ihnen, Herr Rechtsanwalt Heer kommen. Haben Sie das schriftlich? Ja?“ Heer bestätigt das.

Dann verliest Heer eine Erwiderung von Stahl, Sturm, Heer auf die Stellungnahmen der NK-Vertreter_innen und des GBA zu den Beanstandungen von Fragen der NK-Vertreter_innen durch Stahl, Sturm, Heer. Zur Stellungnahme des GBA, der u.a. argumentiert hatte, dass es angesichts der Verfahrensweise bei der Beantwortung von Fragen durch Zschäpe erlaubt sein müsse, Fragen bis in den Grenzbereich dessen zu stellen, was eine Aufklärung als möglich erscheinen lasse, sagt Heer, diese Rechtsauffassung finde nicht nur keinen Niederschlag in den entsprechenden Vorschriften der StPO. Die Rechtsauffassung des GBA konstruiere auch, so Heer, einen tatsächlich nicht bestehenden gesetzessystematischen Kontext zwischen dem die Vernehmung des Angeklagten regelnden § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO und dem Beanstandungsrecht im Sinne des des § 241 Abs. 2 StPO. Dies sei schon deshalb nicht begründbar, weil § 241 Abs. 2 StPO auch auf die Befragung von Zeugen Anwendung finde. Heer macht weiter Ausführungen zu § 243 Abs. 5 Satz 2 und zu entsprechenden Entscheidungen des BGH.

Dann sagt er, dass unter Berücksichtigung dessen schon der Verweis des GBA zur Begründung seiner Rechtsauffassung, das Gesetz gehe grundsätzlich davon aus, dass der Angeklagte sogleich persönlich auf ihm gestellte Fragen antworte, nicht zutreffend sei. Auch bei dem Zschäpe zugestandenen Prozedere sei es möglich, zunächst unzulässige Fragen umzuformulieren. Der Verweis auf das Beschleunigungsgebot sei ebenso wenig geeignet, die zu § 241 Abs. 2 entwickelten Grundsätze außer Kraft zu setzen wie Gründe der Prozessökonomie. Falls einzelne, zunächst nicht zulässige Fragen, aufgrund von Antworten auf andere Fragen zulässig werden sollten, sei die Frage zu diesem Zeitpunkt zu stellen. Heer macht noch zwei weitere Anmerkungen zum Thema, u.a. zum Thema „Grenzbereich“ und sagt dann: „Insgesamt gilt, dass nachdem der Vorsitzende im Rahmen seiner Ermessensausübung der Mandantin die Beantwortung von Fragen nach einer Überlegungszeit und einer entsprechenden Beratung, die durch ihre beiden weiteren Verteidiger erfolgt, zugestanden hatte, ihr daraus kein Nachteil infolge einer Herabsetzung des Zulässigkeitsmaßstabes entstehen darf.“

Dann geht Heer zur Stellungnahme von RA Langer über und sagt, dessen Erläuterung, der Hintergrund der Frage bestehe in den Bezügen zum Tatort Rostock mit einem etwaigen Aufenthalt Zschäpes sowie von Mundlos und Böhnhardt in Rostock vor dem Tattag 25.02.2004, seien aufgrund des erheblichen Abstandes zu genannten Zeitpunkten nicht geeignet, einen Sachbezug herzustellen. Die Beanstandungen der Fragen von RA Behnke erhält Heer nicht aufrecht. Zu den Fragen von RA Scharmer macht Heer zunächst eine einleitende Ausführung. Entgegen Scharmers Auffassung sei dessen Befragung nicht abgeschlossen. Einem Angeklagten sei bis zum Beginn der Urteilsverkündung das Recht einzuräumen, sich zur Sache zu erklären. Also seien die Beanstandungen zulässig. Es liege auch kein Teilschweigen Zschäpes vor. Zur Erläuterung der Fragen zu und Sebastian Seemann sagt Heer, diese begründe keinen nachvollziehbaren Bezug zum Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung.

Die neu gefasste Frage zu einer Äußerung von Zschäpe-Verteidiger RA Grasel in der „taz“ sei ungeeignet. Es handele sich um öffentliche Äußerungen Grasels zu Frage der Beweiswürdigung. Sollte Zschäpe diese autorisiert haben, handele es sich um ihre Bewertung einer einzelnen Thematik der Beweisaufnahme, die zur Wahrheitsfindung nichts beitragen könne. Eine Autorisierung bedeute auch lediglich, dass sie ihrem grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Verteidiger die Befugnis eingeräumt habe, sich diesbezüglich gegenüber der Presse zu äußern. Weil sie sich auf die erste Frage beziehen würden, seien auch die zwei weiteren Fragen unzulässig, so Heer. Dann geht Heer zur gemeinsamen Stellungnahme der NK-Vertreter_innen Von der Behrens, Başay, Stolle, Hoffmann und Luczak über. Soweit diese ausführten, dass es sich teilweise um Aufbaufragen handele, sei anzumerken, dass auch solche Fragen dem Zulässigkeitsmaßstab des § 241 Abs. 2 StPO unterliegen würden. Sofern sich ein Sachzusammenhang aus Aufbaufragen nicht erschließe, seien diese zurückzuweisen. Der Umstand, dass sich Zschäpe für die Beantwortung von Fragen eine Überlegenszeit auserbeten hat, führe zu keiner Herabsetzung dieses Maßstabes. Beanstandung der Frage von RAin V. d. Behrens zu den Internetcafés hält Heer nicht aufrecht, weil die umformulierte Frage zulässig sei.

Dann geht Heer zu den Fragen von RAin Başay über. Die Beanstandung der Frage zur „Hetendorfer Tagungswoche“ nimmt Heer zurück. Die Beanstandung der Frage, ob Zschäpe dort Personen kennengelernt habe, mit denen sie auch nach dem Untertauchen Kontakt gehabt habe, erhält er aber aufrecht, da „ein etwaiges bloßes Kennenlernen von ebenfalls auf dieser Veranstaltung befindlichen Personen und ein späterer Kontakt keinen Zusammenhang mit den unserer Mandantin angelasteten Taten oder ihren möglichen Rechtsfolgen“ aufweise. Die Fragen zu Konzerten in Heilsberg mit Bands aus Dortmund seien „gerade aufgrund der Erläuterung“ als nicht zur Sache gehörend zurückzuweisen: „Die aufgezeigten etwaigen Kontakte nach Dortmund weisen keinerlei Bezug zu dem Prozessgegenstand auf, zumal sich das angeklagte Tötungsdelikt im Jahr 2006 ereignete. Die Einordnung als Aufbaufrage ändert daran nichts, da bloße Kontakte nach Nordrhein-Westfalen ebenfalls keinen Bezug zu den prozessualen Taten aufweisen.“ Die „partielle Beanstandung“ der Fragen zu dem Aufhängen einer Puppe in Jena am 15.11.1995 und dem Ablegen einer Bombenattrappe 1994 in einem Hochhaus in Jena-Lobeda erhält Heer nach der Erläuterung nicht aufrecht. Auch die Beanstandung der folgenden Frage erhält Heer nach Umformulierung nicht aufrecht: „Welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten, wer für die Bombenattrappen, auf die Sie in Ihrer Einlassung Bezug nehmen, verantwortlich gewesen ist?“

Die Frage nach einer Veranstaltung mit Ignatz Bubis sei auch nach Erläuterung als nicht zur Sache gehörend zurückzuweisen. Sofern auf den „in der vertretenen Antisemitismus“ abgestellt werde, könnten direkte Fragen hierzu gestellt werden, so Heer. Weitere geplante Aktionen der KSJ in Bezug auf Bubis hätten keinen Bezug zum Prozessgegenstand. Die Frage nach Kontakten zu Angehörigen der rechten Szene aus den westlichen Bundesländern bleibe ungeeignet und nicht zur Sache gehörend, weil sie zu allgemein gehalten sei und solche Kontakte zudem vorausgesetzt würden. Die Fragen zur finanziellen Unterstützung durch Altnazis seien auch nach Erläuterung ungeeignet, da eine Unterstützung vorausgesetzt werde, und nicht zur Sache gehörend, weil eine Namhaftmachung solcher Unterstützer für die Schuld- und Straffrage keine Relevanz aufweise. Die Frage zu Kontakten zu Personen aus der rechten Szene Zwickaus bleibe nicht zur Sache gehörend, da solche bloßen Kontakte und eine Bestätigung eines Kennverhältnisses zu keinen Bezug zum Prozessgegenstand aufweisen würden. Die Beanstandung der Frage „Wer ist die Frau, die wohl mit Ihnen zusammen die Fahne auf einer Demonstration am 24. Januar 1998 in Dresden hält?“ erhält Heer aufrecht.

Zu den Fragen von RA Stolle: Die Erläuterung der Frage zum Lied „5. Februar“ von „Eichenlaub“ sei ersichtlich nicht geeignet, deren Zulässigkeit zu begründen, so Heer. Der benannte Hintergrund der Frage zu den Aussagen von Jan Werner und im „Landser“-Verfahren stehe „in keinem erkennbaren Kontext zu ihr selbst, so dass es bei der Einordnung als nicht zur Sache gehörend verbleiben muss“. Die Beanstandung der Frage zu einer Person auf einem Observationsfoto des sächsischen LfV vom 6.5.2000 nimmt Heer zurück. Bzgl. der Frage von RA Hoffmann zu Marcel Ch. sagt Heer, diese sei nicht geeignet, einen Bezug zum Verfahrensgegenstand zu begründen. Unterstellt die Angaben des Zeugen Jürgen Do. würden zutreffen, belegten diese keinen Kontakt zwischen Zschäpe und Ch., der i.Ü. für die Schuld- und Straffrage irrelevant wäre.

Heer geht zu den Fragen von RAin Luczak über. Die Beanstandung der Fragen zu einem KS-Treffen in Görlitz 1998/99 nimmt Heer zurück. Auch die Beanstandung der Frage nach einem Besuch am 07.05.2000 in Berlin nimmt Heer zurück. Hingegen blieben die Beanstandung der Frage zu einem Besuch aus Dänemark oder Schweden anlässlich eines Fehmarn-Urlaubs als nicht zur Sache gehörend und die Qualifizierung der daran anschließenden Frage als ungeeignet und nicht zur Sache gehörend aufrechterhalten. Der Hintergrund des Hinweises auf die Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen Zschäpes erschließe sich nicht, da diese Thematik nicht Gegenstand ihrer Erklärungen zur Sache gewesen sei. Die zweitgenannte Frage sei zudem suggestiv. Der nächste Punkt sind die Fragen von RA Narin. Die Frage nach Kontakten zu Rockern etc. begründe keinen Sachbezug, die Beanstandung bleibe daher aufrechterhalten. Gleiches gelte für sämtliche Fragen betreffend Thorsten Po. sowie Jens Gü. Nach Klarstellung der ursprünglichen Frage: „Wen vermutete Uwe Mundlos als V-Mann („Schwachstelle“) in der Szene in Jena bzw. in Thüringen, über den er in den Briefe an Starke, Schau und Ri. schreibt? “ bestehe zwar keine Ungeeignetheit mehr, ein hinreichender Bezug zum Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung werde jedoch nicht aufgezeigt.

Die Fragen danach, ob Personen aus der rechten Szene in Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen Kontakt bestanden habe, von Nachrichtendiensten oder dem Staatsschutz angesprochen worden seien, und ob Zschäpe und/oder Mundlos und/oder Böhnhardt bei Personen aus Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen sie Kontakt gehabt hätten, vermuteten, dass diese Informationen an einen Nachrichtendienst oder den Staatsschutz weitergeben, seien nicht erläutert worden. Die Frage, ob Zschäpes Verteidiger von einem Nachrichtendienst kontaktiert worden seien, bleibe ungeeignet. Die Frage nach einer Autobiografie bleibe ungeeignet und nicht zur Sache gehörend.

Dann geht es um die Fragen von RAin Busmann. Die Beanstandung der Frage „Was war der Grund, den Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für Fahrten nach Hamburg angegeben haben?“ als ungeeignet beruhe darauf, so Heer, dass die Angabe eines Grundes von Fahrten vorausgesetzt wird. Die Beanstandung der Frage „Wurden Sie von Personen aus Norddeutschland in Fehmarn besucht?“ nimmt Heer nach nach Erläuterung zurück. Die Frage zu Kontakten aus Hamburg bei Heß-Gedenkmärschen bleibe nicht zur Sache gehörend, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen sei, dass Erläuterungen nur den Hintergrund verdeutlichen könnten, aber die Frage dadurch nicht umgestaltet werde. Der Verweis in den Erläuterungen zu den Fragen bzgl. Gefangenenhilfsorganisationen bzw. Rechtsschulungen auf die Erläuterung der vorangegangen Frage sei nicht geeignet, ihren Sachbezug zu begründen. Die Fragen, ob Zschäpe Personen wie Christian Worch kenne etc., hätten auch nach der erfolgten Richtigstellung und nach Erläuterung keinen Sachbezug, wobei „nochmals anzumerken“ sei, dass Kennverhältnisse für den Gegenstand dieses Prozesses „in aller Regel nicht relevant“ seien. Der von der Fragestellerin gezogene Schluss von einer Bestätigung solcher Kennverhältnisse durch Zschäpe auf eine zwingende Ladung und Vernehmung solcher Personen als Zeugen bestehe ersichtlich nicht. Gleiches gelte für die in der Form gestellte Frage, ob Zschäpe Kenntnis davon habe, ob Mundlos und Böhnhardt diese Personen kennengelernt hätten oder diese Namen gekannt hätten.

Götzl: „Soll Stellung genommen werden?“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Zu zwei Punkten möchte ich gleich was sagen. Der erste Punkt ist die Erwiderung auf die Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft. Wenn ich es richtig verstehe, bezieht sich die Verteidigung Zschäpe in Teilen darauf, dass der Senat ein Prozedere, was Frau Zschäpe und ihr neuer Verteidiger selbst gewählt haben, zugestanden hätte, und dass daraus jetzt die Konsequenz folgen würde, dass die Fragen beanstandet werden könnten. Ich habe davon nichts mitbekommen. Der Senat hat ein solches Prozedere nie zugestanden.“ Es habe dazu weder Beschluss noch Verfügung gegeben, so Scharmer, und das sei auch nicht nötig, denn das könne Zschäpe selber wählen. Selbstverständlich könnten Zschäpe und/oder ihre Verteidigung bis zur Urteilsverkündung Erklärungen abgeben: „Da ist nichts zuzugestehen. Das müssen wir hinnehmen, genau wie der Senat. Und deswegen kann auch nicht aus ‚Zugeständnissen‘ irgendwas geschlussfolgert werden. Wir müssen damit leben. Und daraus ergeben sich eben Konsequenzen. Der zweite Punkt ist die Sache, dass ich gesagt habe, die Beanstandung ist eigentlich verspätet.“ Da verwechsele die Verteidigung Zschäpe das Beanstandungsrecht mit dem Äußerungsrecht, so Scharmer. Zschäpe könne sich natürlich bis zuletzt äußern. Scharmer: „Aber es kann doch nicht sein, dass bis zu dem Zeitpunkt Beanstandungen vorgebracht werden können. Stellen Sie sich mal vor, wir fangen jetzt an Fragen an den Angeklagten Carsten Schultze aus 2013 zu beanstanden. Es ist angekündigt eine Stellungnahme von Rechtsanwalt Grasel dazu. Die Möglichkeit der Beanstandung von Fragen bestand, teilweise wurde davon Gebraucht gemacht. Danach sind sieben Verhandlungstage und drei Wochen verstrichen. Das ist zu spät.“

Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: „Herr Kollege Scharmer, Sie werfen zwei völlig verschiedene Konstellationen in einen Topf, in dem Sie vergleichen Fragen an Carsten Schultze, welche dieser bereits beantwortet hat, und Fragen an unsere Mandantin, die bisher hier gestellt worden sind. Selbstverständlich ist es ihr möglich, sich zu Fragen zu äußern aber auch darüber hinausgehend, ggf. auch völlig losgelöst von Fragen. Und selbstverständlich kann sie, bis sie sich äußert, Fragen beanstanden. Ob vorher oder in der Erklärung ist unerheblich. Insoweit lässt sich der Zeitpunkt, dass es jetzt verspätet sei, überhaupt nicht übertragen. Die Mandantin kann Fragen beantworten, entgegennehmen, beanstanden. Das ist hier bis zur Urteilsverkündung möglich.“

Götzl: „Dann setzen wir fort hinsichtlich der Verlesungen.“ Richter Lang verliest ein Behördengutachten des BKA vom 24.11.2011 [phon.] zur kriminaltechnischen Untersuchung einer Waffe Heckler & Koch P2000, Kaliber 9mm mit 14 Patronen 9mm Luger, die am 04.11.2011 in Eisenach-Stregda im Wohnmobil gefunden worden sei [gesamte Verlesung phon.]. Das Gutachten benennt das Vorgehen der Untersuchung und beschreibt die Waffe, die durch indirekte Brandeinwirkung verschmutzt und nicht funktionsfähig sei. Das Gutachten benennt die Beschriftung der Waffe. Zu sehen seien u. a. das Wappen von Baden-Württemberg, der Bundesadler, ein Beschusszeichen des Beschussamtes Ulm mit Jahrescode 2003, Waffen- und Versionsnummer. Zum Untersuchungsergebnis verliest Richter Lang, dass das aus einem Polymerkunststoff hergestellte Griffstück mit einer angeschmolzenen Kunststoffmasse verbunden gewesen sei, Abzug und Magazinhalter seien blockiert gewesen. Um die Waffe zu beschießen, seien die größeren Kunststoffanhaftungen abgebrochen worden. Es sei so weit freigestellt worden, dass es wieder funktionsfähig gewesen sei. Das Magazingehäuse habe entnommen werden können. Alle aus Metall hergestellten Waffenteile seien nur äußerlich verschmutzt gewesen. Die Selbstladepistole HK 2000 sei dann wieder einwandfrei funktionsfähig gewesen. Die mit eingesandten Patronen seien augenscheinlich in einem gut erhaltenen Zustand, noch voll funktionsfähig.

Bei dem vorliegenden Gegenstand handele es sich um eine Schusswaffe im Sinne des Waffengesetzes, um eine halbautomatische Schusswaffe. Zum Führen sei ein Waffenschein oder ein Jagdschein erforderlich. Bei der Munition handele es sich um Patronenmunition im Sinne des Waffengesetzes. Der Vergleich mit der Munitionssammlung habe keine Erkenntnisse ergeben, dass die Waffe für Straftaten verwandt wurde. Das Gutachten ist vom bereits im Prozess gehörten SV Nennstiel [zuletzt 114. Verhandlungstag]unterschrieben. Es folgt die Inaugenscheinnahme der Beschriftungen und Kennzeichnungen und von an das Gutachten angehängten Lichtbildern. Götzl: „Bei Abbildung 1 heißt es hier: ‚Pistole Heckler & Koch P2000, 9mm, Einlieferungszustand linke Seite‘ und unter Abbildung 2 findet sich der Text: ‚im Einlieferungszustand rechte Seite‘.“ [phon]

Dann folgt die Verlesung eines Vermerks des BKA zu einer Asservatenauswertung bzgl. des Objekts 26, Zwickau vom 13.02.2012 [phon.]. Bei dem Asservat handele es sich um ein Magazin der Pistole Bruni, Modell 315 Auto, Kal. 6,35 Browning, geladen mit 5 Patronen, 6,35 Browning [phon.]. Es sei gefunden worden im Brandschutt der Frühlingsstraße in Zwickau. Die DNA-Untersuchung habe keine verwertbaren Spuren ergeben, auch die daktyloskopische Untersuchung habe keine verwertbaren Spuren ergeben. Es folgt das Fazit: „Verfahrensrelevant.“ Dann wird eine Abbildung des Pistolenmagazins in Augenschein genommen. Götzl legt dann die Mittagspause ein bis 13:07 Uhr.

Danach sagt Götzl: „Dann setzen wir fort. Es ist dann noch vorgesehen, die Mitteilung KHM Le.s zu EDV-Asservaten zu verlesen, habe ich bereits mitgeteilt, SAO 267, 139 bis 144.“ Richter Kuchenbauer verliest die Mitteilung der PD Südwestsachsen an das BKA Meckenheim betreffend Asservate aus dem Brand Frühlingsstraße, Zwickau. Die Mitteilung listet die in der Frühlingsstraße 26 gefundenen EDV-Asservate und ihren jeweiligen Fundort in der Wohnung bzw. im Brandschutt auf. Unterschrieben ist die Mitteilung vom bereits im Prozess gehörten Brandermittler Le. [zuletzt 241. Verhandlungstag]. Es folgt die Inaugenscheinnahme einer an die Mitteilung angehängten Skizze, eines Grundrisses des Hauses bzw. der Wohnung mit dem Bereich des Brandschutts vor dem Haus.

Götzl: „Ist noch beabsichtigt, zu den Beanstandungen der Verteidigung Zschäpe Stellung zu nehmen?“ NK-Vertreter RA Elberling: „Ich kann nur mitteilen, Herr Hoffmann und Frau Von der Behrens sind morgen da und werden das ggf. machen.“ Langer. „Ich brauche keine Stellungnahme.“
RAin Başay: „Ich würde das morgen mitteilen.“ RA Ilius: „Ich auch nach Rücksprache mit den anderen morgen.“ Götzl: „Ganz allgemein bitte ich bis morgen dann Stellung zu nehmen. Sind noch Anträge?“ OStA Weingarten: „Wir würden nur kurz Stellung nehmen zum Beweisantrag von Rechtsanwalt Langer mit den Worten, dass wir dem in Gänze nicht entgegentreten.“ Götzl: „Sonst noch Stellungnahmen dazu?“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Es handelt sich schon formell nicht um einen Beweisantrag. Ein Beweisantrag, der gerichtet ist auf die Verlesung einer Urkunde hat den Wortlaut im Antrag selbst mitzuteilen. Es ist also allenfalls ein Beweisermittlungsantrag. Weiteres behalten wir uns vor.“

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die die Anträge vom 290. und 293. Verhandlungstag, den Erstauswerter des BfV mit dem Arbeitsnamen „Sebastian Egerton“, der das Heft „Weisser Wolf“ Nr. 18 aus dem Jahr 2002 ausgewertet hat, über das BfV zu laden und zu hören, abgelehnt sind. Er nennt die Beweistatsachen und sagt dann, dass die Anträge „für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung“ seien (A). Dann sagt er, dass den Anträgen vom 290. Verhandlungstag, dem Zeugen im Rahmen der Beweisermittlung bestimmte Fragen zu stellen (B), die er wiedergibt, nicht nachgekommen wird. Zu Teil A macht Götzl die bekannten allgemeinen Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit einer unter Beweis gestellten Indiz- oder Hilfstatsache aus tatsächlichen Gründen, zur prognostischen Prüfung etc. Dann führt er aus:

Die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, sind für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. 1. Die von den Antragstellern unter Beweis gestellten Tatsachen würden, als erwiesen unterstellt, zusammengefasst belegen, dass der Zeuge die Deckblattmeldung aus Mecklenburg-Vorpommern und die Grüße an den NSU in Heft 18 des „Weissen Wolfes“ im Herbst 2002 dahingehend auswertete, dass eine sich NSU nennende rechte Vereinigung über erhebliche Geldmittel verfügt und diese der Szene zur Verfügung stellt. Weiter würde belegt werden, dass die nachrichtendienstlichen Beschaffungsabteilungen beauftragt worden sind, abzuklären, welche Erkenntnisse es zur Spende und zum Absender gibt, wer hinter dieser Vereinigung steht und aus welchen Quellen die Personen über die erheblichen Geldmittel verfügen.

2. Für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den angeklagten Personen ist es allerdings irrelevant, ob der Zeuge, ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz, im Herbst 2002 die in den Anträgen bezeichneten Schlussfolgerungen zog.
a. Eine Auswirkung der aufgeführten subjektiven Überzeugungen des Zeugen, die dieser aufgrund der nachrichtendienstlichen Auswertung der Informationen des V-Mannes und der Grüße an den NSU aus Heft 18 gewann, auf die Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage ist nicht erkennbar.
b. Die Antragsteller tragen dazu auch nicht vor. Zwar wird von ihnen ausführlich dargestellt, dass es angeblich zu widersprüchlichen Angaben des Zeugen Egerton gegenüber dem Sachverständigen Jerzy Montag und unglaubhaften Angaben gegenüber dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages gekommen sei. Zudem halten es die Antragsteller für nicht glaubhaft, wenn behauptet werde, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe die „Grüße“ nicht weiter ausgewertet und auch nicht mit der Spendenmeldung „zusammengebracht“. Letztlich, so die Antragsteller, sei der Sachverständige Montag vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht umfassend informiert worden. Weder den widersprüchlichen Angaben noch der von den Antragstellern festgestellten unglaubhaften Behauptung und der lückenhaften Informationserteilung muss in diesem Zusammenhang jedoch nachgegangen werden. Diese Umstände wirken sich weder unmittelbar noch mittelbar auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten aus.

3. Entsprechendes gilt für den als erwiesen unterstellten Umstand, dass die Auswertungsabteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz die nachrichtendienstlichen Beschaffungsabteilungen des Bundesamtes und des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern beauftragt habe, abzuklären, welche Erkenntnisse es zur Spende und zum Absender gebe, wer hinter dieser Vereinigung stehe und aus welchen Quellen die Personen über die erheblichen Geldmittel verfügten.
a. Die Antragsteller tragen dazu nicht vor, unter welchen Aspekten die als erwiesen unterstellten Umstände für die Schuld- und/oder Rechtsfolgefrage von Bedeutung sein können.
b. Es ist auch unter Berücksichtigung der inzwischen erreichten Prozesslage und des Akteninhalts nicht ersichtlich, wie sich die Tatsache, dass die Beschaffungsabteilungen verschiedener Nachrichtendienste bestimmte Abklärungsaufträge erhalten haben, unmittelbar oder mittelbar auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten auswirken sollte.

Zu Teil B führt Götzl aus, das es sich bei den Anträgen auf Befragung des Zeugen nicht um Beweisanträge handele, da keine bestimmten Beweistatsachen bezeichnet würden. Es handele sich vielmehr um Beweisermittlungsanträge, die durch Befragung des Zeugen zu den aufgeführten Themen erfüllt werden sollten. Götzl macht die üblichen Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen. Die Aufklärungspflicht dränge demnach nicht dazu, den Zeugen „Egerton“ zu den genannten Themenbereichen im Wege der Beweisermittlung zur vernehmen. Es lägen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge Kenntnisse hat, die für eine mögliche Straf- und/oder Rechtsfolgenfrage von Bedeutung sind und zu einem Aufklärungserfolg führen können. Götzl führt aus:

1. Die Antragsteller tragen dazu vor, die Aufklärungspflicht des Gerichts gebiete es der Beweisermittlung nachzugehen, dass sich daraus ergeben würde, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz über die Geldspende durch eine Vereinigung namens NSU informiert war. Weiter würde sich ergeben, dass das Amt im Zuge von Anschlussmaßnahmen unter anderem durch [V-Mann „Corelli“ des BfV] weitere Informationen erhalten hat, durch die bekannt geworden sei, dass zu dieser sich „NSU“ nennenden Vereinigung die drei in Zwickau untergetauchten Personen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehört hätten.
2. Damit formulieren die Antragsteller jedoch lediglich ihr Beweisziel. Dass es zu weiteren nachrichtendienstlichen Maßnahmen gekommen sei, ist lediglich eine Spekulation der Antragsteller, die nicht tatsachengestützt angestellt wurde. Hierauf aufbauend mutmaßen die Antragsteller dann weiter, dass nachrichtendienstliche Maßnahmen Erkenntnisse erbracht hätten bzw. dass derartige Erkenntnisse über den V-Mann des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern und/oder über Thomas Richter gewonnen werden konnten.

3. Im Übrigen ist nicht erkennbar, welchen Erkenntnisgewinn eine Beweisermittlung in die beantragte Richtung erbringen sollte. Anhaltspunkte, dass die Nachrichtendienste in diesem Kontext Erkenntnisse gewonnen haben, die unmittelbar oder mittelbar Bedeutung für eine mögliche Straf- und/oder Rechtsfolgenfrage haben könnten sind nicht vorhanden und werden auch von den Antragstellern nicht umschrieben. Selbst dem von den Antragstellern formulierten Beweisziel käme eine derartige Bedeutung nicht zu. Die Aufklärungspflicht in diesem Verfahren erfordert es jedenfalls nicht, nachrichtendienstliche Maßnahmen und Erkenntnisse ohne erkennbaren Zusammenhang mit den angeklagten Taten aufzuklären. Götzl: „Dann wird für heute unterbrochen, Fortsetzung morgen um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 13:34 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Am ersten Verhandlungstag nach der Sommerpause verlas das Gericht diverse Dokumente zu verschiedenen Aspekten des Falles. Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Langer stellte einen Beweisantrag zu einem Angriff Jenaer Neonazis in 1998/1999, über den der Angeklagte Schultze berichtet hatte […]. Langer brachte einen Bericht aus einer Lokalzeitung mit, der diese Tat betreffen könnte. […] Schließlich lehnte das Gericht einen weiteren Beweisantrag der Nebenklage zur Kenntnis des Verfassungsschutzes von der Existenz einer Gruppe namens ‚NSU‚ bereits im Jahr 2002 (Veröffentlichung der Danksagung im „Weißen Wolf“ […]) ab – setzt also seinen Kurs der verweigerten Aufklärung fort.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/08/31/31-08-2016/

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