Protokoll 370. Verhandlungstag – 29. Juni 2017

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An diesem Prozesstag geht es um Stellungnahmen, die Ablehnung von Beweisanträgen, neue Beweisanträge und Stellungnahmen dazu. Da Richter Götzl mehrere Anträge der Verteidigung von Ralf Wohlleben ablehnt, reagiert diese mit einem Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat.

Sachverständiger:

  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrisches Gutachten über Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 9:45 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: „Wir setzen heute mit der Anhörung von Prof. Dr. Saß fort.“ Saß geht nach vorne. Götzl: „Sind noch Fragen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir hatten ja vorgestern per Telefax mitgeteilt, dass wir keine Fragen haben. Wir wollten Ihnen damit die Gelegenheit geben, den Sachverständigen abzulehnen, äh, abzuladen. Wir werden nachher eine Erklärung dazu abgeben.“ Götzl: „Sind ansonsten Fragen von irgendeiner Seite? Keine. Dann bleibt der Sachverständige unvereidigt und kann entlassen werden. Dann darf ich mich bedanken, nehmen Sie doch die Anweisung hier mit sich, dann bekommen Sie Ihre Entschädigung.“ Saß verlässt den Saal.

Götzl: „Sollen Erklärungen abgegeben werden?“ Heer gibt eine Erklärung zur Stellungnahme von Saß am 366. Verhandlungstag ab, soweit er sich zum darin zum Gutachten von Prof. Faustmann verhält:
Nachdem sich Prof. Dr. Saß fundierter und schwerwiegender Kritik an der Methodik seines forensisch-psychiatrischen Gutachtens ausgesetzt sah, erschöpfen sich seine Ausführungen in einer trotzig anmutenden, jedoch Substanz vermissenden Stellungnahme sowie in der Klarstellung einiger von Prof. Dr. Faustmann aufgeworfener inhaltlicher Unklarheiten. Entgegen ihrer Einleitung stellt diese Stellungnahme keine wirkliche Ergänzung seines Gutachtens dar.
Prof. Saß konstatiert oberflächlich, seine Einschätzungen würden „aufrechterhalten“, „aus den Ausführungen von Prof. Dr. Faustmann ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte“, er „vermag in
der angeführten Kritik kein Argument“ „zu entdecken“ und unterstellt Prof. Faustmann, er habe „das Gutachten nicht sorgfältig gehört bzw. gelesen“, ihm sei nicht daran gelegen gewesen, „den Text mit Bemühen um Verständnis“ aufzunehmen. Dass Prof. Saß die Auffassung eines anerkannten Fachkollegen in unsachlicher Weise als „abwegig“ qualifiziert, anstatt sich mit dieser angemessen zu befassen, verdeutlicht, dass er sich offensichtlich persönlich angegriffen fühlt. Eine solche Haltung sollte einem derart erfahrenen Sachverständigen fremd sein.

Prof. Saß entzieht sich de facto der von Prof. Faustmann ausführlich thematisierten Unzuständigkeit eines Psychiaters für die Begutachtung eines gesunden Probanden, indem er lediglich darauf hinweist – „es bleibt dabei“ –, dass für die gestellten gutachterlichen Fragen die Zuständigkeit des Fachgebiets der forensischen Psychiatrie gegeben sei. Obwohl gerade auch darin die methodische Kritik lag, meint Prof. Saß, „eine Grundsatzdiskussion“, die „überholt“ sei, erscheine „weder sachgerecht noch weiterführend“, und begründet dies allen Ernstes damit, sie würde „von den Gutachtensfragen ablenken“. Er scheut „ausufernde methodologische Spezialdebatten“, obschon eine solche Auseinandersetzung von ihm zu erwarten war. Damit konterkariert er den Zweck seiner erneuten Anhörung im Anschluss an die Ausführungen von Prof. Faustmann. Auch die aufgezogene Parallele zu einem Affekttäter oder „verschiedenster Formen schwerer Gewalt- und Sexualdelinquenz“, die die Zuständigkeit eines Psychiaters belegen soll, liegt neben der Sache. Ein „forensisches Wissen“ des Psychiaters, also die Aneignung von Kenntnissen aus dem Gerichtsalltag, ist nicht geeignet, das Erfordernis einer für die Beurteilung der konkreten Fragestellungen zu fordernden umfassenden akademischen Ausbildung zu substituieren. „Erkenntnisse aus den Nachbardisziplinen“ reichen hierfür nicht aus.

Der Hinweis von Prof. Saß, ein forensischer Psychiater habe keineswegs nur mit kranken Menschen zu tun, sondern auch mit gesunden Probanden, ist zirkelschlüssig, denn dabei handelt es sich um eine unzulässige Folgerung von einer geübten forensischen Praxis auf die Zuständigkeit. Vorliegend geht es eben nicht um die „Realität im Gerichtssaal“, sondern um die Begutachtung durch einen Vertreter des richtigen Fachgebietes. Entgegen der Annahme von Prof. Saß ist „Wissen über die gesamte Bandbreite des gesunden Verhaltens“ keine Exklusivität der forensischen Psychiatrie. Die Antwort, warum „psychologische Verfahren keinen überlegenen oder Absolutsheitsrang“ im Falle eines psychisch nicht abnormen Menschen haben, gibt Prof. Saß nicht. Insbesondere auch im Hinblick auf die von Prof. Faustmann kritisierte fehlende Operationalisierung bleibt Prof. Saß eine Substantiierung seiner gegenläufigen Meinung schuldig, indem er lediglich konstatiert, dieser bedürfe es nicht, Kodifizierungssysteme seien nicht zu fordern, in der Begutachtungspraxis würden sie „nicht eingesetzt“, sie stellten keineswegs „eine Voraussetzung“ für die Beschreibung und Bewertung der Psychomotorik dar und „Phänomene im psychischen, psychosozialen und sozialen Bereich“ könnten nicht objektiviert werden. Gleiches gilt für den Verweis, bei den von Prof. Faustmann problematisierten Begriffen wie „Externalisieren“ und „Bagatellisieren“ handele es sich nicht um „objektiv messbare Sachverhalte“. Vor allem erläutert Prof. Saß noch immer nicht nachvollziehbar, warum er den unter anderem von ihm entwickelten Kriterienkatalog nur partiell anwendet. Eine „Sammlung und Ordnung“ stellt nämlich lediglich eine Maßnahme in Vorbereitung der Gutachtenerstattung dar. Einen substantiellen Nachweis seiner zur Beantwortung der Gutachtensfragen in dieser Sache erforderlichen Sachkunde liefert Prof. Saß nicht. Dieser wird auch nicht dadurch geführt, dass er im Rahmen seiner ergänzenden Vernehmung durch den Vorsitzenden darauf hinwies, er habe innerhalb von 35 Jahren eine Vielzahl von Gutachten erstellt und sei wissenschaftlich publizierend tätig. Da das ergänzende Gutachten von Prof. Saß die Methodenkritik von Prof. Faustmann nicht zu entkräften geeignet ist, haben wir uns dazu entschlossen, keine weiteren Fragen an ihn zu stellen.
Götzl: „Sind weitere Erklärungen zum Sachverständigen? Keine. Wir machen eine kurze Pause von zehn Minuten und setzen fort um 10:10 Uhr.“

Um 10:11 Uhr geht es weiter. Götzl verfügt, dass den Anträgen von Heer, Stahl, Sturm vom 31.05. mit der Maßgabe entsprochen wird, dass ihnen nach dem soeben erfolgten Abschluss der Befragung von Saß bis zum Hauptverhandlungstag am 05.07. Gelegenheit gegeben wird, ihren Antrag auf Erholung eines weiteren SV-Gutachtens zu substantiieren und auf die Stellungnahme des GBA hierzu zu erwidern. Zur Begründung führt er aus:
Entsprechend der jeweiligen Verfahrenslage ist den Verfahrensbeteiligten eine sachgerecht bemessene Zeit zur Beratung und Vorbereitung eigener Mitwirkungshandlungen einzuräumen. Bei Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände im Zusammenhang mit der Anhörung des SV Prof. Dr. Saß und im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist die Gewährung einer Frist bis 05.07.17 zur Substantiierung des eigenen Antrags sowie zur Formulierung einer Erwiderung auf die Stellungnahme zu diesem Antrag ausreichend. Den Rechtsanwälten Heer, Stahl und Sturm ist seit Ende Oktober 2016 das vorbereitende Gutachten und seit 17.01.17 das mündliche Gutachten von Prof. Saß, auch in verschrifteter Form, bekannt. Seit Ende Dezember 2016 bzw. seit Ende April 2017 verfügen sie zusätzlich über die methodenkritischen Ausführungen von Prof. Dr. Faustmann zum Gutachten des SV Prof. Saß. Sie hatten somit bereits ausreichend Zeit, sich in die von diesen Gutachten behandelten Sachverhalte sowie in die angesprochenen Problemkreise einzuarbeiten und intern zu beraten. Seit dem Beschluss des Senats vom 24.05.17 ist den genannten Verteidigern zudem bekannt, dass der Senat ihrer Anregung nicht entsprochen hat, Prof. Faustmann von Amts wegen zu laden oder die Anhörung von Prof. Saß an einem Tag durchzuführen, an dem Prof. Faustmann terminlich nicht gebunden ist und von den Rechtsanwälten Heer, Stahl und Sturm geladen werden könnte. Die Rechtsanwälte hatten demnach bei diesem Kenntnisstand sechs Wochen Zeit, eine effektive Information des von ihnen herangezogenen Sachverständigen Prof. Faustmann zu planen und praktisch zu organisieren. Zu berücksichtigen ist, abgesehen vom Fragenkreis der Beauftragung von Prof. Faustmann mit einem Ergänzungsgutachten, dass es hier ausschließlich um die Substantiierung eines Antrags durch dessen Verfasser geht. Daneben soll noch eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA zu diesem eigenen Antrag gefertigt werden. Die Ergänzung eigener Anträge bzw. die genannte Erwiderung erfordern jedoch keine völlig neue Einarbeitung in fremden Vortrag, da an die eigenen Überlegungen, Ausführungen und Argumentationslinien im selbst formulierten Antrag vom 17.05.17 angeknüpft werden kann.

Die Hauptverhandlung in diesem Verfahren befindet sich nach dem derzeitigen Stand in der Endphase. Den Verfahrensbeteiligten wurde inzident mit der Verfügung vom 07.03.17 und ausdrücklich mit dem diese Verfügung bestätigenden Beschluss vom 26.04.17 mitgeteilt, dass das gerichtlich vorgesehene Beweisprogramm, soweit zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung am 07.03.17 ersichtlich, erledigt sei. Das Hauptverhandlungsprogramm ist seither im Wesentlichen nur noch durch die Anträge der Verfahrensbeteiligten gesteuert. Es können deshalb auch nicht mehr alle angesetzten Hauptverhandlungstermine durchgeführt werden, sondern es müssen immer wieder einzelne Termine abgesetzt werden. Diese Situation ist bei der Bemessung von Äußerungsfristen zu berücksichtigen, da länger bemessene Fristen zu längeren Verzögerungen des Verfahrens führen. Im Hinblick auf die nunmehr über vierjährige Dauer der Hauptverhandlung kommt dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen in diesem Fall besondere Bedeutung zu und drängt dazu, Verzögerungen möglichst zu vermeiden und daher beantragte Äußerungsfristen nicht unnötig lange zu bemessen. Heer: „Wir bitten um eine Abschrift der Verfügung, es reicht aus am Ende des Tages.“

Götzl: „Sind für heute Anträge vorgesehen?“ Wohlleben-Verteidiger RASV Dr. Rüdiger Schumacher vom BKA

Danach verliest NK-Vertreterin RAin Dierbach den folgenden Beweisantrag:
1. durch Verlesung des anliegenden Ausdrucks des von der Zeugin Dr. Pilling geschriebenen Textes vom 24.03.2006 – sogenannte Pilling-Mail – zum Beweis des Inhalts des Textes, namentlich folgender Passage: „Seit 2000 gab es in Nürnberg, München, Hamburg und Rostock insg. 7 Tötungsdelikte gegen polizeilich nicht auffällige Türken mit einem geschäftlichen Bezug (nur ein Grieche war dabei), […]. […] In der Hürriyet wurde über die Taten berichtet (zuletzt 2005). Die Tatwaffe ist immer ein und dieselbe – aber keiner weiß etwas darüber. Wird über diese Dinge geredet? Sind die Ermordungen – am hellichten Tag, in der Regel im Geschäft der Opfer – besprochen worden? Gibt es Dinge, die VM dazu sagen könnten?! Ein Opfer arbeitete z.B. bei einem Kebab-Grill in Rostock, ein anderer in einem Döner-Imbiss in Nürnberg.“

2. durch Vernehmung der Zeugin Dr. Iris Pilling, zu laden über das LfV Hessen, Konrad-Adenauer-Ring 49, 65187 Wiesbaden, zum Beweis der folgenden Tatsachen: Die Zeugin wird bekunden, dass sie den vorstehend zitierten Text in Form einer Mail am 24.03.2006 an ihr gesamtes Dezernat im LfV Hessen übersandt habe. Empfänger sei auch die Außenstelle des LfV Hessen in Kassel gewesen, weil auch dort Mitarbeiter von ihr gesessen hätten. Die Zeugin wird bekunden, dass es sich bei dem oben genannten Inhalt der Mail um eine Arbeitsanweisung bzw. einen Auftrag an die
ihr unterstehenden V-Mann-Führer zur Informationseinholung gehandelt habe. Einer der damit angewiesenen V-Mann-Führer sei zum damaligen Zeitpunkt der Zeuge Temme gewesen.
3. durch Inaugenscheinnahme des anliegenden Ausdrucks des von der Zeugin Dr. Pilling geschriebenen Textes vom 24.03.2006 („Pilling-Mail“) zum Beweis der folgenden Tatsache: Die Urkunde weist neben dem maschinenschriftlichen Text der Zeugin Dr. Pilling mehrere Paraphen auf. Unter anderem findet sich neben dem Text eine Paraphe
[die von Temme]:
4. durch erneute Vernehmung des Zeugen Andreas Temme, dessen ladungsfähige Anschrift gerichtsbekannt ist, zum Beweis der nachfolgenden Tatsachen: Der Zeuge wird auf Vorhalt bestätigen, dass es sich bei der zuvor abgebildeten Paraphe um sein Namenskürzel handelt. Der Zeuge wird auf weiteren Vorhalt einräumen, dass er die sogenannte Pilling-Mail bereits vor dem Mord an Halit Yozgat am 06.04.2006 zur Kenntnis genommen habe. Der Zeuge wird auf den Vorhalt hin zudem einräumen, mit der Mordserie bereits vor dem Mord an Halit Yozgat dienstlich befasst gewesen zu sein.

Begründung: Die Beweiserhebung ist von Bedeutung. Sie betrifft ausschließlich Beweistatsachen, die eine uneidliche Falschaussage des Zeugen Temme belegen und die damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen stehen. Der Zeuge Temme bekundete in seiner Vernehmung in der hiesigen Hauptverhandlung am 30.06.2015 [214. Verhandlungstag] auf die Frage, ob die Morde der Ceska-Serie vor dem 06.04.2006 dienstlich bereits Thema gewesen sein, uneingeschränkt „Nein“. Ebenso hatte sich der Zeuge Temme bereits im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags geäußert. Dort hatte er auf die Frage nach einer dienstlichen Befassung mit der Mordserie geantwortet: „Nein. Die Mordserie war dienstlich bis zum 21. April, wo es durch mich dienstliches Thema wurde, kein dienstliches Thema beim Verfassungsschutz.“ Diese Bekundung war jeweils falsch, wie sich aus der beantragten Beweiserhebung ergeben wird. Tatsächlich war der Zeuge Temme spätestens ab dem 24.03.2006 dienstlich mit der Mordserie befasst.

Er hatte hierzu einen Auftrag bzw. eine Arbeitsanweisung der Zeugin Dr. Pilling, seiner Dienstvorgesetzten, erhalten. Diese hatte ihn in seiner Funktion als Quellenführer des LfV Hessen, Außenstelle Kassel, mit einer entsprechenden Informationseinholung bei den von ihm geführten oder vertretungshalber informatorisch befragten V-Leuten unmittelbar beauftragt. Die Zeugin Dr. Pilling bekundete in ihrer Vernehmung im PUA Bund, auf die Frage des Ausschussvorsitzenden Dr. Clemens Binninger: „Insofern, auf Ihre Frage hin: Das war dann tatsächlich eine dienstliche Befassung des Herrn Temme.“ Mit Blick auf die Mail und deren Inhalte bekundete die Zeugin in der genannten Vernehmung zudem: „Wenn, wie hier, ein Auftrag an die V-Mann-Führer geht, muss ich davon ausgehen, weil auch so die Weisungslagen waren, dass jeder V-Mann-Führer diese E-Mail dann vorgelegt bekommen hat zur Kenntnisnahme und dann eben auch so weit als möglich zur Nachbefragung bei Quellen.“ Die Zeugin beschrieb damit einen Ablauf, der sich konkret nunmehr auch anhand der Zeichnung der Mail durch den Zeugen Temme persönlich belegen lässt. Der Zeuge Temme hatte diese Arbeitsanweisung auch zur Kenntnis genommen. Er zeichnete den Arbeitsauftrag mit seiner Paraphe. Dies wird der Zeuge selbst auf entsprechenden Vorhalt hin bestätigen. Nicht einmal zwei Wochen nach der dienstlichen Anweisung der Zeugin Dr. Pilling, hinsichtlich der Mordserie dienstlich Informationen bei den V-Männern einzuholen, war der Zeuge Temme dann am 06.04.2006 zur Tatzeit am Tatort des Mordes an Halit Yozgat.

Diese Zusammenhänge werden weiter aufzuklären sein. Es ist offenkundig, dass sich an der von dem Zeugen Temme bislang behaupteten Version, er sei vor seiner Anwesenheit beim Mord an Halit Yozgat mit der Mordserie nicht dienstlich befasst gewesen, nicht festhalten lässt. Die Unterzeichner sehen sich im Übrigen erst jetzt in der Lage, den Beweisantrag wie vorgelegt zu stellen, weil das durch den Zeugen Temme paraphierte Dokument den Unterzeichnern erst in Folge der Offenlegung im Rahmen der ZDF-Sendung Frontal 21 vom 20.06.2017 zugänglich wurde. NK-Vertreter RA Narin: „Ich schließe mich an, möchte jedoch ergänzen, dass das Schriftstück dem Zeugen Temme ohne die Paraphe vorgehalten wurde, und er wahrheitswidrig angegeben hat, er kenne das Schriftstück nicht.“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Die Verteidigung Wohlleben schließt sich diesem Antrag an.“

NK-Vertreter RA Langer regt an, dass der Senat vor der am 05.07. angesetzten Vernehmung an die Angeklagte Zschäpe Fragen zur Aufteilung und Nutzung der Wohnung in der Heisenbergstraße richten möge: Welcher Wohnraum durch eine Trennwand abgetrennt worden sei, wer damals welchen Bereich genutzt habe, ob die Trennwand bei Beendigung des Mietverhältnisses entfernt worden sei. Die Fragen an die Angeklagten zu stellen, sei sinnvoll, um sachgerechte Fragen stellen zu können und Angaben der Angeklagten in ihrer Einlassung nachvollziehen zu können. Zschäpe habe angegeben, dass sie Fragen des Senats beantwortet, daher diese Art der Anregung, so Langer. Hintergrund sei die Aussage von RA Grasel, der erklärt habe, dass eines der Zimmer durch eine Trennwand unterteilt gewesen wäre und somit aus einer Drei- eine Vierzimmerwohnung entstanden sein solle. Es sei aber, so Langer, nicht klar, an welcher Stelle und wer damals welches Zimmer bzw. welchen Zimmerbereich genutzt haben soll. Sollte die Angeklagte darauf antworten, regt Langer an, Zuordnungen zur Grundrissskizze der Wohnung vorzunehmen bzw. den Verlauf der Trennwand dort einzeichnen zu lassen.

Götzl: „Weitere Anträge oder Erklärungen? Wir werden in der nächsten Pause Kopien fertigen.“ Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Ladung diverser Zeugen vom 357. Verhandlungstag abgelehnt sind, weil sie jeweils für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Götzl macht zunächst die bekannten allgemeinem Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit einer unter Beweis gestellten Indiz- oder Hilfstatsache aus tatsächlichen Gründen und fasst dann bei der Begründung der Ablehnung bzgl. Robert He. (A) unter 1. zunächst aus, was zusammengefasst unter Beweis gestellt sei, dann fährt er fort:
2. Die Szenezugehörigkeit des Zeugen und die bestehenden Kennverhältnisse bzw. Freundschaften sowie zugehörige Daten haben ersichtlich keine Bedeutung für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den in diesem Verfahren angeklagten Personen. Gleiches gilt auch für den Beleg des Umstands, dass auch der Zeuge an den Besuchen in Buchenwald und in Erfurt teilgenommen hat und dass auch er in Erfurt zusammen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein Transparent mit der Aufschrift „Unsere Großväter waren keine Verbrecher“ gehalten hat, wobei auch André Kapke mit anwesend war.

3. Es wird durch die als erwiesen unterstellten Beweistatsachen zusätzlich belegt, dass die „Drei“ nach der Einschätzung des Zeugen ein Grüppchen für sich waren, dass der Zeuge dem Angeklagten Wohlleben eine Beihilfehandlung zu Mordstraftaten nicht zutraue und dass der Zeuge aus dem von ihm wahrgenommenen Verhalten und Äußerungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht darauf schloss, dass die beiden schwerste Straftaten gegen das Leben von Menschen aus ausländerfeindlichen Motiven planten.
a. Gegenstand der strafprozessualen Beweiserhebung können neben einem äußeren Geschehen auch innerpersonale psychische Tatsachen wie Ansichten oder Gedanken sein. Die dem Beweis zugänglichen Tatsachen sind aber zu unterscheiden von Wertungen. Einer Beweiserhebung zugänglich ist zwar das Vorliegen einer Wertung bei einem Zeugen, nicht aber deren Richtigkeit.
b. Die Richtigkeit der hier unter Beweis gestellten Wertungen des Zeugen ist demnach der Beweiserhebung entzogen.

c. Die Tatsache, dass beim Zeugen die dargestellten Wertungen vorgelegen
haben, hat aber für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten keine Bedeutung: i. Es kommt nämlich insofern nicht darauf an, welche Wertung der Zeuge hinsichtlich der Beziehung der „Drei“ zueinander, welche er bezüglich des Angeklagten Wohlleben und/oder welche er bezüglich der verstorbenen Mundlos und Böhnhardt vornahm. Relevanz für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage kann nur der Nachweis gewinnen, dass bei einem Angeklagten für die Entscheidung bedeutsame Tatsachen gegeben waren oder dass diese eben nicht feststellbar sind. Es kommt also mit anderen Worten darauf an, was ein Angeklagter getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. ii. Bei der Prüfung dieser Fragen hat der Senat durch Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme festzustellen, ob ein Angeklagter ggf. tatbestandsmäßig gehandelt hat und ob er zum Zeitpunkt der Tathandlung – schlagwortartig ausgedrückt – um die Tatbestandsverwirklichung wusste und diese wollte. Dies ist durch das Gericht individuell für jeden Angeklagten zu bestimmen. Dabei ist aber ohne Bedeutung, welche subjektiven Wertungen andere Personen, also hier der Zeuge, vorgenommen haben. Das Vorhandensein einer Wertung beim Zeugen belegt nur, dass dieser aufgrund einer persönlichen Einschätzung zu einer bestimmten Überzeugung gelangt ist. Das Vorhandensein einer derartigen subjektiven und höchstpersönlichen Bewertung eines Sachverhalts durch den Zeugen ist aber weder für sich genommen noch als Indiz ein Umstand, aus dem der Senat einzeln oder zusammen mit anderen Umständen Schlüsse auf die Tatbestandsverwirklichung und/oder das Vorliegen des Vorsatzes bei einem Angeklagten ziehen kann.

Es geht dann weiter mit dem Zeugen Volker He. (B). Götzl fasst die unter Beweis gestellten Tatsachen zusammen, dann sagt er, dass auch hier die Kennverhältnisse etc. keine Bedeutung für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage hätten, und dass die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung in Erfurt sowie der Umstand, dass „die Motivation der Personen in der rechten Szene in Jena unterschiedlich“ war, keinen Sachzusammenhang mit dem Gegenstand der Urteilsfindung erkennen ließen. Weiter werde durch die als erwiesen unterstellten Beweistatsachen belegt, dass der Zeuge dem Angeklagten Wohlleben eine Beihilfehandlung zu Mordstraftaten nicht zutraut und dass er aus dem von ihm wahrgenommenen Verhalten und Äußerungen von Mundlos und Böhnhardt nicht darauf schloss, dass die beiden schwerste Straftaten gegen das Leben von Menschen planten. Unter Beweis gestellt seien demnach Wertungen des Zeugen. Götzl verweist hierzu auf die schon bei Robert He. gemachten Ausführungen zu Wertungen.

Beim Zeugen Le. (C) fasst Götzl die Beweistatsachen zusammen und stellt auch hier fest, dass Szenezugehörigkeit, Mitgliedschaften, Kennverhältnisse und zugehörige Daten ersichtlich keine Bedeutung hätten. Weiter führt er aus:
3. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Zeuge Le. die Angeklagte Zschäpe und die Verstorbenen Mundlos und Böhnhardt bei Veranstaltungen und Konzerten der rechten Szene getroffen hat. a. Die bloße Anwesenheit der genannten Personen ist ersichtlich für die Entscheidung ohne Bedeutung. b. Es kann aber aus dieser unter Beweis gestellten nicht näher konkretisierten Tatsache auch nicht erschlossen werden, welche Inhalte bei den Veranstaltungen und Konzerten der rechten Szene thematisiert wurden und wie sich die Angeklagte Zschäpe und die Verstorbenen Mundlos und Böhnhardt zu diesen Inhalten selbst positionierten. Diese unter Beweis gestellte Tatsache kann daher nicht Grundlage für weitere Schlüsse sein.
4. Entsprechend verhält es sich mit den politischen Zielen und Themen des Nationalen Widerstands Jena bzw. in Jena überhaupt. Aus den Tatsachen, welche Ziele wie vom Nationalen Widerstand Jena verfolgt wurden und welche Inhalte in Jena thematisiert wurden oder nicht, lassen sich keine Schlüsse für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage ziehen, weil ein konkreter Bezug zu den Angeklagten nicht hergestellt werden kann. Es kann aus diesen als zutreffend unterstellten Umständen nicht darauf geschlossen werden, ob sich die Angeklagten mit den unter Beweis gestellten Inhalten identifizierten, diese ablehnten oder ganz andere Überzeugungen hatten.

5. Weiter wird durch die als erwiesen unterstellten Beweistatsachen belegt, dass der Zeuge der Ansicht ist, dass Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein darf und gezieltes Töten von Ausländern nicht zu den politischen Zielen des Nationalen Widerstands und des Angeklagten Wohlleben gehörte. Zudem wird belegt, dass der Zeuge den Angeklagten Wohlleben als friedvolle und friedliebende Person wahrgenommen hat und der Zeuge sich nicht vorstellen kann, dass der Angeklagte Wohlleben für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Waffe besorgt hat, um Beihilfe zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven zu leisten. Die tatsächliche Bedeutungslosigkeit dieser Umstände für die Entscheidung ergibt sich aus den obigen Ausführungen unter A.3., auf die Bezug genommen wird.

6. Zusätzlich wird durch die als erwiesen unterstellten Beweistatsachen belegt, dass sich der Angeklagte Ralf Wohlleben entsprechend seiner – zusammengefasst – Gewalt ablehnenden Haltung gegenüber dem Zeugen geäußert sowie verhalten hat und dass eine Gehilfenschaft zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven nicht der vom Angeklagten Wohlleben dem Zeugen gegenüber geäußerten Meinung entsprach.
a. Für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage ist in diesem Zusammenhang für die Entscheidung ohne Bedeutung, wie sich ein Angeklagter nach außen durch sein Verhalten oder seine Äußerungen darstellte. Von Bedeutung ist vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die
angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Bei der Prüfung dieser Fragen hat der Senat durch Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme individuell für den Angeklagten festzustellen, ob er tatbestandsmäßig gehandelt hat und ob er zum Zeitpunkt der Tathandlung – schlagwortartig ausgedrückt – um die Tatbestandsverwirklichung wusste und diese auch wollte.

b. Der Senat legt die gegenständlichen Beweisanträge entsprechend der vorgetragenen Begründung dergestalt aus, dass dadurch der subjektive Tatbestand, also das Wissen und Wollen der vorgeworfenen Beihilfehandlung zum Mord in neun Fällen, widerlegt werden soll.
c. Das als erwiesen unterstellte Verhalten und die als erwiesen unterstellten Äußerungen des Angeklagten Wohlleben im oben genannten, also Gewalt ablehnenden Sinne gegenüber dem Zeugen belegen aber lediglich, dass sich der Angeklagte Wohlleben dem Zeugen gegenüber in dieser Form verhalten bzw. geäußert hat. Weder dieses nach außen gezeigte Verhalten noch diese nach außen gehenden Äußerungen belegen aber, dass, worauf die Beweisanträge abzielen, der Angeklagte Wohlleben eine – zusammengefasst – Gewalt ablehnende innere Haltung tatsächlich hatte. Die nach außen getätigte verbale und non-verbale Kommunikation kann nämlich, von einer tatsächlich bestehenden inneren Haltung inhaltlich abweichen. Dies wäre zum Beispiel bei einer Lüge oder einem Verstellen der Fall.

d. Aus den unter Beweis gestellten Äußerungen und/oder dem Verhalten des Angeklagten Wohlleben gegenüber dem Zeugen kann aber auch nicht auf eine Gewalt ablehnende tatsächliche innere Haltung des Angeklagten geschlossen werden. i. Wahrnehmungen von Zeugen kommt in diesem Zusammenhang dann Bedeutung zu, wenn diese Zeugenwahrnehmungen Schlüsse auf tatrelevante Handlungen oder tatrelevantes Wissen und Wollen des Angeklagten Wohlleben zulassen. Solche Schlüsse auf den subjektiven Tatbestand, den die Antragsteller erstreben, sind dann möglich, wenn die Würdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Wahrnehmungen eines Zeugen die tatsächlich vorhandene innere Haltung des Angeklagten, also sein „Wissen und Wollen“ wiederspiegeln. ii. Dies ist aber hier nicht der Fall. Der hier als Beweismittel angebotene Zeuge gehört nämlich nach dem Ergebnis der bisher durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu den Personen, die über die dem Angeklagten Wohlleben in der Anklageschrift vorgeworfene Tat informiert waren. Es bestand daher ausgehend von der vom Angeklagten eingeräumten Handlung hinsichtlich des angeklagten Sachverhalts schon aus Gründen der Geheimhaltung des eigenen Verhaltens keine erkennbare und nachvollziehbare Veranlassung für den Angeklagten Wohlleben, eventuelles „Wissen und Wollen“ des angeklagten Sachverhalts dem Zeugen zu offenbaren und damit das Risiko einer Aufklärung seiner eigenen Rolle potentiell zu vergrößern.

Der Angeklagte Wohlleben räumte in der Hauptverhandlung zudem mehrere Situationen ein, in denen er ihm bekannte Umstände auch innerhalb der sogenannten rechten Szene nicht ansprach oder in denen die von ihm nach außen kommunizierten Umstände nicht der Wahrheit entsprachen: So führte der Angeklagte aus, er wisse nicht, ob ihm neben der Tat mit dem auch die anderen sogenannten „Vortaten“ mit bekannt gewesen seien. Jedenfalls habe man in der Szene weder über den Torso noch über die Bombenattrappen geredet, weil sie sich vor V-Leuten gefürchtet hätten. Der Angeklagte führte auch aus, er habe sich mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach deren Untertauchen getroffen. Von den Treffen habe er weder vorher jemanden informiert, noch habe er es nachher „rumerzählt“. Es könne lediglich sein, dass er darüber mit dem Angeklagten Schultze gesprochen habe. Weiter gab der Angeklagte an, Uwe Böhnhardt habe ihn einmal beauftragt, eine Waffe – nicht die tatgegenständliche Ceska – zu beschaffen. Er habe Böhnhardt geantwortet, er werde schauen, was sich machen ließe. In Wirklichkeit habe er allerdings nichts gemacht, weil er keine Waffe besorgen habe wollen. Später sei er von „einem der Uwes“ angesprochen worden, er solle sich um die Beschaffung der Waffe kümmern. Er habe darauf geantwortet, er hätte „etwas an der Hand“, was aber nicht zutreffend gewesen sei. iii. In der Zusammenschau zieht der Senat aus der dargestellten allgemeinen Überlegung zur Geheimhaltung und aus dem geschilderten Verhalten zur Kommunikation den Schluss, dass sich der Angeklagte Wohlleben auch im Fall einer inneren Billigung von Gewalt gegenüber dem hier benannten Zeugen gleichwohl im Sinne der Ablehnung von Gewalt verhalten bzw. geäußert hat. Aus seinen Äußerungen und seinem Verhalten gegenüber dem Zeugen können daher keine Schlüsse auf eine beim Angeklagten Wohlleben vorliegende Gewalt ablehnende Haltung gezogen werden.

Es geht dann um den Zeugen Oe. (D). Auch hier seien die unter Beweis gestellten Kontakte etc. ersichtlich ohne Bedeutung, zur Einschätzung des Zeugen Oe., dass Wohlleben keine Beihilfehandlung zu Mordstraftaten aus ausländerfeindlichen Motiven geleistet habe, verweist auf Götzl dann auf die Ausführungen unter A.3. Zusätzlich werde, so Götzl, durch die als erwiesen unterstellten Beweistatsachen belegt, dass Wohlleben in Gesprächen mit dem Zeugen immer zu
erkennen gegeben hat, das er gegen Gewalt sei. Für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, wie sich ein Angeklagter nach außen durch seine Äußerungen darstellte. Von Bedeutung sei vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Äußerungen Wohllebens im oben genannten Sinne dem Zeugen Oe. gegenüber belegten jedoch weder eine derartige Handlung noch ein Wissen und Wollen und ließen auch keine Schlüsse hierauf zu. Hier nimmt Götzl Bezug auf die Ausführungen unter C.6.

Im Folgenden geht es um die Anträge auf Vernehmung der polizeilichen Vernehmungsbeamten des verstorbenen Zeugen (E). Götzl fasst die Beweistatsachen zusammen, stellt unter 2. fest, dass die Tatsachen, dass die Beamten den Zeugen Schwerdt vernommen haben etc. ersichtlich
keine Bedeutung hätten und fährt dann fort:
3. Im Rahmen dieser Prüfung wird ebenso als erwiesen unterstellt, dass die benannten polizeilichen Zeugen angeben, Frank Schwerdt habe in der Vernehmung ausgesagt, wiederum habe berichtet, die aufgefundene Bombenattrappe, die zum Untertauchen der Drei geführt habe, habe dazu gedient, die Polizei zu verärgern und sei eine Reaktion auf das rigorose Verhalten der Polizei mit dem Unterbindungsgewahrsam gewesen. Eine Bedeutung dieser Umstände für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bezüglich der Angeklagten ist nicht erkennbar. a. Durch die unter Beweis gestellten Umstände wird zunächst schon nicht belegt, ob Tino Brandt diese Mitteilung tatsächlich gemacht hat oder, ob Frank Schwerdt dies, aus welchen Gründen auch immer, fälschlich in seiner Vernehmung angegeben hat. Bei dieser Sachlage lassen sich aus diesen unter Beweis gestellten Umständen keine Schlüsse ziehen. b. Ein Bezug zu den angeklagten Personen lässt sich selbst dann nicht herstellen, wenn man den Umstand der diesbezüglichen Mitteilung durch Tino Brandt als erwiesen unterstellt. Es ist schon nicht ersichtlich und kann auch nicht beurteilt werden, ob Tino Brandt über den „Zweck“ der Bombenattrappe von zutreffend informierten Personen richtig unterrichtet worden ist oder ob es sich bei dieser Mitteilung lediglich um eine unzutreffende Spekulation von Tino Brandt gehandelt hat. Zudem ist auch nicht ersichtlich, aus welcher Motivation heraus Tino Brandt dem Frank Schwerdt diese Mitteilung machte, also ob er Frank Schwerdt über seine Kenntnislage zutreffend informieren wollte oder ob er, aus welchen Gründen auch immer, Frank Schwerdt falsch informierte. Bei dieser Sachlage lassen sich aus diesen unter Beweis gestellten Umständen auch unter den hier angenommenen Voraussetzungen keine Schlüsse ziehen.

4. Entsprechend verhält es sich mit dem unter Beweis gestellten Umstand, dass der Zeuge Schwerdt aussagte, Gewalt sei in der rechten Szene in Jena kein Thema gewesen. Aus diesem Umstand lassen sich keine Schlüsse für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage im Hinblick auf die angeklagten Personen ziehen. Ein konkreter Bezug zu den Angeklagten und deren Auffassungen kann aus dieser Pauschaltatsache nämlich nicht hergestellt werden.
5. Auch der weiter unter Beweis gestellte Umstand, dass Frank Schwerdt in seiner Vernehmung bekundet hat, der Angeklagte Wohlleben und André Kapke hätten sich im Jahr 2006 gegen gewalttätige Personen ausgesprochen und sich von diesen Personen ausdrücklich distanziert, ist für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. a. Durch die unter Beweis gestellten Umstände wird zunächst schon nicht belegt, ob sich der Angeklagte Wohlleben und André Kapke tatsächlich in der unter Beweis gestellten Weise verhalten haben oder ob Frank Schwerdt dies, aus welchen Gründen auch immer, fälschlich in seiner Vernehmung angegeben hat. Bei dieser Sachlage lassen sich aus diesen unter Beweis gestellten Umständen auch unter den hier angenommenen Voraussetzungen keine Schlüsse ziehen. b. Unterstellt man zusätzlich als erwiesen, dass Frank Schwerdt in seiner
Vernehmung eine eigene Wahrnehmung – also Aussprechen des Angeklagten Wohlleben gegen die gewalttätigen Personen und dessen Distanzierung – zutreffend schilderte, kommt diesem Umstand gleichwohl keine tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung zu. Für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie sich ein Angeklagter nach außen durch seine Äußerungen oder sein Verhalten darstellte. Von Bedeutung ist vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Äußerungen und/oder ein Verhalten des Angeklagten Wohlleben im oben genannten Sinne dem Zeugen gegenüber belegen jedoch weder eine derartige Handlung noch ein Wissen und Wollen. Sie lassen auch keine Schlüsse hierauf zu. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen unter C.6. Das Verhalten von André Kapke ist in diesem Zusammenhang offensichtlich tatsächlich ohne Bedeutung.

6. Die unter Beweis gestellten Umstände, nämlich dass Frank Schwerdt in der Vernehmung angab, man sei zwar nicht für die EU, aber für ein – zusammengefasst – freundschaftliches Nebeneinander der Völker gewesen und dass er weiter ausführte, dies sei auch die Haltung des Angeklagten Wohlleben in Gesprächen mit ihm gewesen, kommt für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage im Hinblick auf die angeklagten Personen ebenfalls keine tatsächliche Bedeutung zu. a. Der Einstellung, die „man“ in dem unter Beweis gestellten Zusammenhang hatte, kommt keine tatsächliche Bedeutung zu, weil ein konkreter Bezug zu den Angeklagten nicht hergestellt werden kann. Es kann aus diesen als zutreffend unterstellten Umständen nämlich nicht darauf geschlossen werden, ob sich die Angeklagten mit den unter Beweis gestellten Inhalten identifizierten, diese ablehnten oder ganz andere Überzeugungen hatten. b. Auch dem Umstand, dass „dies“ die Haltung des Angeklagten Wohlleben in Gesprächen mit dem Zeugen über den hier thematisierten Fragenkreis war, kommt keine tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung zu. Für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie sich ein Angeklagte nach außen durch seine Äußerungen darstellte. Von Bedeutung ist vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Äußerungen des Angeklagten Wohlleben im oben genannten Sinne dem Zeugen gegenüber belegen weder eine derartige Handlung noch ein Wissen und Wollen. Sie lassen auch keine Schlüsse hierauf zu. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen unter C.6.

Götzl geht dann zum Antrag auf Vernehmung des Zeugen We. (F) über. Es folgt die Zusammenfassung der unter Beweis gestellten Tatsachen. Dann setzt Götzl fort:
2. Die politische Aktivität des Zeugen in Jena die bestehenden Kennverhältnisse bzw. Freundschaften, deren Intensität sowie zugehörige Daten haben ersichtlich keine Bedeutung für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den in diesem Verfahren angeklagten Personen.
3. Aus der unter Beweis gestellten Szene-Diskussion zur V-Mann-Verantwortlichkeit, sowie aus der von ihr beabsichtigten Realpolitik und aus den Spekulationen nach Aufhebung des Haftbefehls lassen sich keine Schlüsse für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage ziehen, weil ein konkreter Bezug zu den Angeklagten nicht hergestellt werden kann. Es kann aus diesen als zutreffend unterstellten Umständen, nicht darauf geschlossen werden, ob sich die Angeklagten mit den unter Beweis gestellten Inhalten identifizierten, diese ablehnten oder ganz andere Überzeugungen hatten.
4. Dem als erwiesen unterstellten Umstand, dass die Drei „immer miteinander rumhingen“ fehlt es an einer konkret inhaltlich bestimmbaren Aussage, so dass daraus Schlüsse, die für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage Bedeutung haben würden, nicht gezogen werden können.

5. Den Wertungen des Zeugen zur Uniformierung und den Bombenattrappen, zum Umstand, dass der Angeklagte Wohlleben die Ansicht des Zeugen zu den Bombenattrappen teilte, zum Kenntnisstand des Angeklagten Wohlleben und der „Kontaktpersonen“ sowie zur Beteiligung des Angeklagten Wohlleben an der ihm vorgeworfenen Tat kommt ebenfalls keine tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung zu. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen oben unter A.3.
6. Durch die als erwiesen unterstellten Tatsachen wird belegt, dass der Angeklagte Wohlleben in Gesprächen und im Verhalten gegenüber dem Zeugen offen zeigte, dass er die Bombenattrappen als kontraproduktiv empfunden habe, dass Gewalt für die Durchsetzung politischer Ziele nicht in Betracht komme, dass er sich dem Zeugen gegenüber entsprechend einer fehlenden Kenntnis vom Sprengstoff in der Garage (=g2) und vom Aufenthalt der drei Geflohenen Anfang des Jahres 2000 geäußert habe. Das Verhalten und/oder die Äußerungen des Angeklagten Wohlleben im oben genannten Sinne dem Zeugen gegenüber belegen weder das Vorhandensein noch das Fehlen der aufgeführten Elemente. Für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie sich ein Angeklagter nach außen durch seine Äußerungen oder sein Verhalten darstellte. Von Bedeutung ist vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Äußerungen oder ein Verhalten des Angeklagten Wohlleben im oben genannten Sinne dem Zeugen gegenüber belegen jedoch weder eine derartige Handlung noch ein Wissen und Wollen. Sie lassen auch keine Schlüsse hierauf zu. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen unter C.6.

Schließlich geht es um den Zeugen Platzdasch (G). Diese Anträge hätten, so Götzl, abgelehnt werden können, weil die unter Beweis gestellten Umstände für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Die unter G.a. unter Beweis gestellten Umstände [dass Wohlleben aufgrund seines Erscheinungsbildes, seiner Äußerungen und Verhaltensweise nicht dem Klischee der rechten Szene entsprochen habe]seien so, wie sie formuliert sind, als Beweisermittlungsanträge zu behandeln. Der Senat lege die Anträge jedoch wohlwollend nach ihrem Sinn und Zweck so aus, dass sie die von den Antragstellern gewollte Qualität als Beweisanträge erhalten. Die dort unter Beweis gestellten Tatsachen seien für die Entscheidung jedoch tatsächlich ohne Bedeutung; gleiches gelte für die im weiteren unter Beweis gestellten Tatsachen. Götzl fasst kurz die unter Beweis gestellten Tatsachen zusammen und fährt dann fort:

2. Zu den unter Beweis gestellten Umständen, dass der Angeklagte Wohlleben aufgrund seines Erscheinungsbildes, seiner Äußerungen und Verhaltensweise nicht dem Klischee der rechten Szene entsprochen hat:
a. Ein Beweisantrag muss bestimmte Beweistatsachen bezeichnen. Wird ein Zeuge als Beweismittel benannt, müssen die benannten Beweistatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich sein. Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden. Gegenstand
des Zeugenbeweises können nur solche Umstände oder Geschehnisse sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises. Die Schlüsse aus den Wahrnehmungen des Zeugen hat das Gericht zu ziehen. Dort, wo es möglich ist, wird der Richter die gewollte Beweisbehauptung durch Auslegung zu ermitteln haben. Bei einfachen Sachverhalten, etwa wenn ein Zeuge Wahrnehmungen über ein unmittelbar tatbestandserhebliches Geschehen machen soll, kann es genügen, wenn als Beweisthema das Geschehen selbst genannt wird, obwohl Gegenstand des Zeugenbeweises nur sein kann, was der Zeuge wahrgenommen hat. Geht es indes um Sachverhalte, die eine Folgerung voraussetzen, die nicht auf der Hand liegt, so kann nicht das Ergebnis der Folgerung Gegenstand der Beweisbehauptung sein, sondern nur die der Folgerung zugrunde liegende Wahrnehmung. Deshalb ist für einen Beweisantrag die Angabe dessen unverzichtbar, was der Zeuge im Kern bekunden soll.

b. Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt hier folgendes: i. Die Antragsteller haben – zumindest nach der Formulierung ihrer hier in Rede stehenden Anträge – uneingeschränkt die Tatsache unter
Beweis gestellt, dass der Angeklagte Wohlleben aufgrund seines Erscheinungsbildes, seiner Äußerungen und Verhaltensweise nicht dem Klischee der rechten Szene entsprochen hat. Ausgehend von dieser Formulierung soll der benannte Zeuge Platzdasch also generell und umfassend bestätigen, dass der Angeklagte Wohlleben, so ist die Formulierung zu verstehen, in jeder denkbaren Situation aufgrund seines Erscheinungsbildes und aufgrund aller seiner Äußerungen und Verhaltensweisen nicht dem genannten Klischee entsprochen hat. ii. Die unter Beweis gestellten Wahrnehmungen des Zeugen Platzdasch sind nach der Formulierung der Anträge nicht auf seinen eigenen Wahrnehmungsbereich beschränkt, sondern erstrecken sich ausnahmslos auf jedes Erscheinungsbild, das der Angeklagte Wohlleben generell bot und auf alle seine Äußerungen und Verhaltensweisen gegenüber allen seinen Kontaktpersonen. Bei der formulierten Beweistatsache handelt es sich aber um das von den Antragstellern verfolgte Beweisziel und nicht um eine dem Zeugenbeweis zugängliche Beweistatsache. Die Anträge wären demnach als Beweisermittlungsanträge zu behandeln.

iii. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der gestellten Anträge legt der Senat diese zugunsten der Antragsteller dergestalt aus, dass die Tatsache unter Beweis gestellt wurde, dass der Angeklagte Wohlleben aufgrund seines Erscheinungsbildes dem Zeugen Platzdasch gegenüber und seinen Äußerungen und den Verhaltensweisen dem Zeugen gegenüber nicht dem Klischee der rechten Szene entsprochen hat. c. Die nach erfolgter Auslegung der Anträge unter Beweis gestellten Tatsachen sind jedoch für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. Dem Umstand, dass der Angeklagte Wohlleben aufgrund verschiedener Gegebenheiten gegenüber dem Zeugen Platzdasch nicht dem Klischee der rechten Szene entsprochen hat, kommt für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage keine Bedeutung zu. Dass und aus welchen Gründen der Angeklagte gegenüber dem Zeugen nicht dem „Klischee der rechten Szene“ entsprochen hat, stellt weder allein für sich noch als bloßes Indiz gewertet eine Grundlage für Schlussfolgerungen dar. Die Motive für ein derartiges nicht klischeehaftes Erscheinungsbild können gegenüber dem als Journalisten tätigen Zeugen einem breiten, denkbaren Spektrum entspringen. Anhaltspunkte, aufgrund welcher Beweggründe sich der Angeklagte gegenüber dem Zeugen in der unter Beweis gestellten Weise darstellte, sind nicht vorhanden. Schlüsse lassen sich daher aus den als erwiesen unterstellten Umständen in diesem Zusammenhang nicht ziehen.

3. Zu den unter Beweis gestellten Umständen, dass der Zeuge um die Jahrtausendwende Gespräche mit Ralf Wohlleben über dessen politische Ansichten, Weltanschauung und Haltung zur Gewalt geführt hat, dass sich Ralf Wohlleben bei diesen Gesprächen zum Thema Ausländer und zu seiner Haltung gegenüber Ausländern geäußert hat und dass sich Ralf Wohlleben bei diesen Gesprächen klar gegen Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ausgesprochen hat: a. Die bloßen Umstände, dass der Zeuge mit dem Angeklagten Wohlleben um die Jahrtausendwende Gespräche über dessen politische Ansichten geführt hat und dass sich der Angeklagte dabei zu Ausländern und seiner inneren Haltung zu Ausländern geäußert hat, haben keine Bedeutung für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den in diesem Verfahren angeklagten Personen. Es werden hier keinerlei inhaltliche Äußerungen des Angeklagten Wohlleben unter Beweis gestellt. Aus dem Umstand der bloßen Äußerung zu bestimmten Themen können aber Schlüsse, die im vorliegenden Verfahren Relevanz gewinnen könnten, nicht gezogen werden. b. Durch die als erwiesen unterstellte Beweistatsache wird belegt, dass sich der Angeklagte Wohlleben gegenüber dem Zeugen „klar gegen Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ausgesprochen hat“. Auch diesem Umstand kommt keine tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung zu. Für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie sich ein Angeklagte nach außen durch seine Äußerungen darstellte. Von Bedeutung ist vielmehr, was ein Angeklagter im Hinblick auf die angeklagte Tat getan und in eigener Person gewusst sowie gewollt hat. Äußerungen des Angeklagten Wohlleben im oben genannten Sinne dem Zeugen gegenüber belegen weder eine derartige Handlung noch ein Wissen und Wollen. Sie lassen auch keine Schlüsse hierauf zu. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen unter C.6.

Auch eine Gesamtschau aller hier und in anderen Anträgen in diesem Zusammenhang unter Beweis gestellten und als erwiesen unterstellten Umständen unter Berücksichtigung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme führe, so Götzl unter H., lediglich zu der erneuten Bewertung, dass diese Umstände in ihrer Gesamtheit für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung sind:
1. Bei den unter Beweis gestellten Umständen handelt es sich ausnahmslos um solche, denen eine inhaltliche Aussagekraft nicht zukommt. Die Umstände belegen weder tatbestandsmäßige Handlungen des Angeklagten Wohlleben noch dessen Wissen und Wollen um die angeklagte Tat. Die unter Beweis gestellten Umstände lassen auch keine Schlüsse hierauf zu. Insoweit wird erneut Bezug genommen auf die Ausführungen unter C.6.
2. Eine Bedeutung aller in diesem Zusammenhang unter Beweis gestellten Umstände für die Angeklagten Zschäpe, Eminger, Gerlach und Schultze ist nicht erkennbar.
Schneiders: „Ich beantrage eine Abschrift und eine einstündige Unterbrechung zur Beratung über weitere prozessuale Maßnahmen.“ Götzl: „Dann wird unterbrochen bis 12:30 Uhr.“

Um 12:35 Uhr wird fortgesetzt. Götzl: „Sollen denn Stellungnahmen zu den gestellten Anträgen erfolgen?“ OStAin Greger nimmt zunächst Stellung zum Antrag von RAin Dierbach. Dieser sei abzulehnen, weil die Beweistatsachen sämtlich für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Nach der bislang durchgeführten Beweisaufnahme gebe es keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass der Zeuge Temme an der Ermordung von Halit Yozgat beteiligt gewesen sein könnte. Eine derartige Beteiligung behaupteten auch die Antragsteller nicht. Der Zeuge sei mehrmals vernommen worden und habe nachhaltig in Abrede gestellt, Wahrnehmungen in Zusammenhang mit der Ermordung im Internetcafé gemacht zu haben. Die beantragte Beweiserhebung solle nun erhellen, ob Temme vor der Tat mit der sogenannten Ceska-Serie dienstlich befasst war, ob er dazu Angaben machen kann und ob er ggf. eine falsche Aussage getätigt hat. Für die Frage aber, ob und wie die fünf Angeklagten zu bestrafen sind, spiele eine Aussage von Temme zu der dienstlichen Befassung und eine mögliche Falschaussage des Zeugen hierzu keine Rolle. Sie wäre, so Greger, in einem gesonderten Verfahren aufzuklären. Eine Beteiligung am Fall Kassel sei nicht ersichtlich und wird auch von den Antragstellern nicht behauptet.

Dann nimmt Greger auch zum Antrag der Verteidigung Wohlleben Stellung. Dieser sei ebenfalls abzulehnen, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien ebenfalls ohne Bedeutung für die Entscheidung. Nach bisheriger Beweisaufnahme gebe es keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Temme an der Tat in Kassel beteiligt gewesen wäre, insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass Temme selbst das Opfer erschossen haben könnte. Dies werde auch von den Antragstellern nicht behauptet. Die Tat in Kassel, so Greger weiter, sei Teil der sogenannten Ceska-Serie gewesen, die Tatwaffe sei bei mehreren Erschießungen eingesetzt worden, zu denen sich der NSU in seiner Videobotschaft bekannt hat, Tatwaffe und Skizze seien in der festgestellt worden. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass Temme und die Uwes sich kannten. Nach der Rekonstruktion der Computernutzungszeiten komme der Zeuge Temme als Schütze nicht in Betracht. Greger verweist auf die Zeitberechnungen und die Aussagen der weiteren vier erwachsenen Anwesenden im Internetcafé. Der Zeuge Temme, so Greger weiter, habe sich in einer Flirtline eingeloggt, ihm sei bewusst gewesen, dass seine Identität ermittelt werden könnte; die Identität sei auch ermittelt worden. Temme habe 50 Cent auf dem Tresen hinterlassen. Die Vorstellung, dass der Zeuge seinen Internetvorgang ordnungsgemäß abschließt, aufsteht, den Inhaber erschießt mit einer Tatwaffe, die vorher von Mundlos und Böhnhardt achtmal eingesetzt worden war und dann in der Frühlingsstraße aufgefunden wurde, sei nicht nachvollziehbar und werde auch von den Antragstellern nicht behauptet. Selbst wenn der SV die unter Beweis gestellten Tatsachen bestätige, ließe sich daraus für die Angeklagten hier im Verfahren nichts herleiten, so Greger. Auch eine verbindliche Aussage des Sachverständigen, wo, wann und mit welcher Schusswaffe die Schmauchspuren verursacht wurden, sei nicht möglich.

Götzl: „Ansonsten Stellungnahmen?“ Narin: „Im Hinblick auf den Beweisantrag der Kollegin Dierbach würde ich ergänzen wollen, dass tatsächlich ein gesondertes Verfahren gegen Temme bereits anhängig ist.“ Es sei, so Narin, ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage eingeleitet worden. Narin nennt das Aktenzeichen bei der StA Kassel, übergeben an die StA Berlin, Aktenzeichen nicht bekannt. Narin: „Ich rege an, die Akten der Staatsanwaltschaft Berlin hier zur Entscheidungsfindung beizuziehen.“ Götzl: „Zu den von Rechtsanwalt Langer gestellten Fragen. Sollen die Fragen beantwortet werden, Frau Zschäpe?“ Grasel: „Es bleibt bei der bislang kommunizierten Vorgehensweise, dass Fragen der Nebenklagevertreter nicht von Frau Zschäpe beantwortet werden.“ Götzl: „Gut, ich würde die Fragen dann aber stellen wollen. Sollen sie beantwortet werden?“ Grasel: „Wenn der Senat sie für erheblich hält, wir werden das in Ruhe besprechen.“ Götzl sagt leicht ungehalten: „Das steht Ihnen ja frei, dann warten wir das einfach ab.“

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Ladung eines psychiatrischen SV bzgl. Mundlos und Böhnhardt [365. Verhandlungstag] abgelehnt werden, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Zu den Gründen führt er aus:
A. Die Verteidigung des Angeklagten Wohlleben stellte zunächst unter dem 24.05.17 den Antrag einen psychiatrischen Sachverständigen zu vernehmen. Dieser würde Umstände bekunden, die im Antrag näher ausgeführt wurden. Unter dem 30.05.17 wurde der Antrag in der Begründung ergänzt. Auf die Stellungnahme des GBA trugen die Antragsteller erneut vor und präzisierten ihren Antrag und beantragten nunmehr einen psychiatrischen Sachverständigen zu den im Tenor aufgeführten Tatsachen zu vernehmen. Die Rechtsanwälte Heer, Stahl und Sturm, Verteidiger der Angeklagten Zschäpe, schlossen sich dem ursprünglichen Antrag teilweise an. Nach der Neuformulierung der Beweistatsachen schlossen sie sich dem Antrag in der Ziffer 2 und 3 an.

B. I. Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie keinen zwingenden, sondern einen nur möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Der Senat hat die unter Beweis gestellten Tatsachen so, als seien sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis eingestellt und prognostisch geprüft, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der Beweisbehauptung potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert eines anderen Beweismittels in einer für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde.

II. Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind einzeln, in ihrer Gesamtheit und unter Einbeziehung des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme in diesem Zusammenhang für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten tatsächlich ohne Bedeutung.
1. Die Tatsachen, die unter Beweis gestellt sind und die im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellt werden, belegen das Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung bei den Verstorbenen Mundlos und Böhnhardt. Sie belegen weiter, dass sie die Taten der sogenannten Ceska-Serie aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung begingen. Im Hinblick auf Dritte belegen sie, dass sich Mundlos und Böhnhardt diesen gegenüber betrügerisch-manipulativ verhielten, was bei Dritten zur Vermittlung eines Eindrucks von Normalität und Harmlosigkeit führte. Weiter wird belegt, dass Dritte aufgrund dieser Täuschung nicht erkennen konnten, dass Mundlos und Böhnhardt dazu fähig waren, schwerste Straftaten zu begehen.

2. Diese Umstände sind sowohl für eine von den Beweisbehauptungen potentiell berührten Haupttatsache als auch zum Beweiswert anderer Beweismittel ohne Bedeutung:
a. Die Antragsteller führen in ihrem Ursprungsantrag vom 24.05.17, in ihrer Ergänzung vom 30.05.17 und in ihrer Präzisierung mit Neuformulierung der Anträge vom 21.06.17 zusammengefasst aus: i. Die Akten enthielten keine für einen psychiatrischen Laien erkennbaren Hinweise auf eine dissoziale Persönlichkeitsstörung bei Mundlos und Böhnhardt. ii. In seiner Gutachtenserstattung bezüglich der Angeklagten Zschäpe habe der SV Prof. Dr. Bauer jedoch ausgeführt, die Morde der sogenannten Ceska-Serie seien von Mundlos und Böhnhardt empathielos, mit Eiseskälte und gefühlloser Konsequenz begangen worden. Die Opfer seien den Tätern völlig fremd gewesen und lediglich als Objekte, als Mittel zum Zweck benutzt worden. Uwe Böhnhardt sei bei einem Gefängnisaufenthalt misshandelt und eventuell auch sexuell genötigt worden. Dies stelle geradezu einen typischen Auslöser für eine psychopathische Persönlichkeitsstörung dar. Er halte Mundlos und Böhnhardt ohne jede Frage für schwer psychopathische Täter.

iii. Ergänzend wurde von den Antragstellern ausgeführt die Ausführung der Taten der sogenannten Ceska-Serie und auch die Tat zulasten der Beamten Kiesewetter und A. seien von Mundlos und Böhnhardt immer offener, also mit immer größerem Entdeckungsrisiko begangen worden. Sie hätten Fotos von den Opfern quasi als Trophäen angefertigt und die Opfer im sogenannten Bekennervideo entmenschlicht. All diese Umstände würden die Annahme des Mordmerkmals der Mordlust nahelegen. Diese habe ihre Wurzel in der dissozialen Persönlichkeitsstörung von Mundlos und Böhnhardt. iv. Zu berücksichtigen sei ferner, dass Uwe Böhnhardt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Kindheit und Jugend durch den Unfalltod seines Bruders und den sexuellen Missbrauch in der Haft zwei traumatisierende Erlebnisse gehabt habe. Uwe Mundlos habe den Umstand, dass sich seine Mutter einzig um den behinderten Bruder gekümmert habe, als Zurückweisung und Kränkung empfunden. Diese Umstände hätten die Entwicklung von Mundlos und Böhnhardt zu Psychopathen ausgelöst oder zumindest gefördert.

b. Der im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellte Umstand, dass Mundlos und Böhnhardt an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung im Sinne einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung litten, ist tatsächlich ohne Bedeutung. Dieser Umstand allein hat keine Auswirkungen auf eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage bei den Angeklagten. i. Aus einer psychiatrischen Diagnose allein kann nicht auf eine im Sinne von § 20 oder § 21 StGB relevante Aufhebung oder Minderung der Hemmungs- oder Einsichtsfähigkeit geschlossen werden; die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sagt zudem nichts darüber aus, ob sie im Sinne von § 20 oder § 21 StGB „schwer“ ist. ii. Da sich die unter Beweis gestellte Diagnose allein nicht auf die Schuldfähigkeit von Mundlos und Böhnhardt auswirkt, ergeben sich aus dieser auch keine Konsequenzen für die angeklagten Personen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den angeklagten Tatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung und im Hinblick auf die Möglichkeit der Teilnahme an Straftaten, die von Mundlos und Böhnhardt begangen wurden. In diesem Zusammenhang sei nur ergänzend auf die Regelung des § 27 StGB hingewiesen, der für eine Teilnahme lediglich eine vorsätzlich, rechtswidrig begangene Haupttat voraussetzt. Ähnlich normiert § 29 StGB, dass jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft wird. iii. Eine Auswirkung dieses Umstands auf die anderen Angeklagten ist nicht erkennbar.

c. Der Im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellte Umstand, dass Mundlos und Böhnhardt die Taten der Ceska-Mordserie aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung begingen, ist tatsächlich ohne Bedeutung. Dieser Umstand hat keine Auswirkungen auf eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage bei den Angeklagten, weil der Tatbegehung „aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung“ kein Aussagegehalt hinsichtlich des Motivs einer Tat zukommt.
i. Bei dem von den Antragstellern unter Beweis gestellten Umstand handelt es sich um eine Beweistatsache im Sinne des Beweisantragsrechts und nicht lediglich um die Formulierung
eines Beweisziels. (1) Ein Beweisantrag im Sinne von § 244 Absatz 3 und 4 StPO erfordert inhaltlich die Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Dies setzt voraus, dass der tatsächliche Vorgang oder der Zustand bezeichnet wird, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann. Nicht genügend ist allein die Benennung des Beweisziels, also der Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus von ihm gerade nicht näher umschriebenen tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen ziehen soll. Ob der Antragsteller eine Beweisbehauptung in der gebotenen Konkretisierung aufstellt, ist ggf. durch Auslegung des Antrags nach dessen Sinn und Zweck zu ermitteln. Bei dieser Auslegung hat das Gericht die Beweisbehauptung unter Würdigung aller in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände, des sonstigen Vorbringens des Antragstellers sowie ggf. des Akteninhalts zu beurteilen. Dabei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dies gilt insbesondere beim Antrag auf Sachverständigenbeweis, denn dort ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrunde liegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen. (2) Nach diesen Grundsätzen stellt die Beweisbehauptung der Antragsteller eine Tatsache im Sinne des Beweisantragsrechts dar: Der Antrag, isoliert betrachtet, erweckt zwar den Anschein, die Antragsteller umschrieben lediglich ein Beweisziel. Aus der umfangreichen Begründung ergibt sich jedoch mit ausreichender Deutlichkeit, was sie durch das Sachverständigengutachten belegen wollen. Der SV wird, so die Beweisbehauptung, aufgrund der vorhandenen Anknüpfungstatsachen nach wissenschaftlichen Erfahrungssätzen den sachverständigen Schluss ziehen, dass Mundlos und Böhnhardt die ihnen vorgeworfenen Taten aufgrund einer dissozialen Persönlichkeitsstörung begingen.

ii. Die Antragsteller tragen vor, die Prüfung, dass Mundlos und Böhnhardt aufgrund ihrer dissozialen Persönlichkeitsstörung das Mordmerkmal der Mordlust erfüllten, sei unumgänglich. Erst dann könne nämlich im Falle der Verurteilung geprüft werden, ob beim Angeklagten Wohlleben die Regelung des § 28 Absatz 1 StGB anzuwenden sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte Wohlleben aus Mordlust gehandelt haben könnte, seien nicht vorhanden.
iii. Das jeweilige Motiv der nach dem Anklagevorwurf von Mundlos und Böhnhardt begangenen Taten ist für die Entscheidung unter anderem bei der Subsumtion des Tatbestands oder auch im
Rahmen der Beurteilung von Teilnehmern an der Tat von Bedeutung. Die als erwiesen unterstellte Beweistatsache sagt jedoch im Hinblick auf das Tatmotiv bei Mundlos und Böhnhardt nichts aus.

(1) Unter einer Persönlichkeitsstörung versteht man nach DSM-5 zusammengefasst ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster ist unflexibel und tiefgreifend und führt zu
Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Es ist stabil und lang andauernd und sein Beginn ist mindestens bis in
die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen. Wie sich aus dieser Definition in Zusammenschau mit den Diagnosekriterien für die antisoziale Persönlichkeitsstörung ergibt – Entsprechendes gilt nach ICD-10 F60 und F60.2 für die dissoziale Persönlichkeitsstörung – , führt die antisoziale bzw. dissoziale Persönlichkeitsstörung nicht dazu, dass Personen, die an einer derartigen Störung leiden, Straftaten aus ganz bestimmten Motiven begehen. (2) Es ist vielmehr so, dass Personen, die an dieser Persönlichkeitsstörung leiden, Straftaten – ebenso wie Täter ohne derartige Störung – beispielsweise aus eifersüchtigen Motiven, aus finanziellen Motiven oder aus ideologischen Motiven begehen können. Eine antisoziale bzw. dissoziale Persönlichkeitsstörung mag sich zwar in bestimmten Fällen als begünstigender Faktor bei der Tatbegehung im Sinne einer verringerten Tathemmung auswirken. Ein Tatmotiv stellt diese Persönlichkeitsstörung jedoch nicht
dar.

d. Die im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellten Umstände, dass sich Mundlos und Böhnhardt als Psychopathen gegenüber Dritten betrügerisch-manipulativ verhielten, sich dies darin ausdrückte, dass sie durch ihr Verhalten Dritten gegenüber einen Eindruck von Normalität und Harmlosigkeit vermittelten und dass Dritte aufgrund dieser Täuschung nicht erkennen konnten, dass Böhnhardt und Mundlos dazu fähig waren, schwerste Straftaten zu begehen, ist tatsächlich für die Entscheidung ohne Bedeutung. Diese Umstände haben keine Auswirkungen auf eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage bei den Angeklagten, weil dem Verhalten von Mundlos und Böhnhardt gegenüber Dritten, dem Eindruck, den sie Dritten vermittelten und der bei Dritten fehlende Erkennbarkeit der Fähigkeit von Mundlos und Böhnhardt, schwerste Straftaten zu begehen, keine Aussagekraft im Hinblick auf die Angeklagten zukommt.

i. Die Antragsteller verfolgen hier gemäß ihrer Antragsbegründung das Ziel, das Zutreffen der in diesem Zusammenhang unter Beweis gestellten Tatsachen hinsichtlich dritter Personen zu belegen. Mit „Dritten“ sind nach den Ausführungen der Antragsteller Personen gemeint, die nicht in diesem Verfahren angeklagt sind. So erwidern die Antragsteller auf die Stellungnahme des GBA, es sei richtig, dass die Schlussfolgerung, Herr Wohlleben habe die Gefahr nicht erkennen können, dass Mundlos und Böhnhardt zur Begehung schwerster Straftaten fähig gewesen seien, als Beweiswürdigung dem Senat obliege. Zu dieser Beweistatsache hätten sie den SV indes auch gar nicht benannt. Sie hätten unter Beweis gestellt, dass diese Gefahr für Dritte nicht erkennbar gewesen sei.
ii. Die als erwiesen unterstellten Umstände belegen in diesem Zusammenhang, dass sich Mundlos und Böhnhardt Dritten gegenüber wie dargestellt verhielten, dass sie Dritten den beschriebene Eindruck vermittelten und dass Dritte die Fähigkeit von
Mundlos und Böhnhardt zur Begehung schwerster Straftaten nicht erkennen konnten.

(1) Ein unmittelbarer Aussagegehalt dieser Umstände im Hinblick auf die Angeklagten ist nicht erkennbar. Der Nachweis bestimmter Umstände bei Dritten besagt nichts darüber, ob diese Umstände bei den Angeklagten ebenfalls Vorlagen oder nicht.
(2) Die unter Beweis gestellten Umstände haben auch keinen mittelbaren Aussagegehalt im Hinblick auf die Angeklagten in dem Sinne, dass durch das Sachverständigengutachten das Zutreffen der Beweisbehauptungen bei Dritten im oben genannten Sinne belegt wird und dieses Gutachten dann als Grundlage für gerichtliche Schlüsse im Hinblick auf die Angeklagten dient. a. Die erwiesenen Umstände im Zusammenhang mit dritten Personen sagen nichts darüber aus, ob sich Mundlos und Böhnhardt gegenüber den angeklagten Personen ebenso verhalten haben und denselben Eindruck vermittelten. Es können daher aus den erwiesenen Umständen im Hinblick auf dritte Personen keine Schlüsse im Hinblick auf die angeklagten Personen gezogen werden. b. Derartige Schlüsse verbieten sich auch schon deshalb, weil es bei der Prüfung des hier in erster Linie thematisierten Vorsatznachweises bei den Angeklagten darauf ankommt, was der einzelne Angeklagte konkret wusste und was er wollte. Diese Frage kann aber nicht abstrakt anhand der als erwiesen unterstellten, auf Dritte bezogenen Beweistatsachen beurteilt werden. Es kommt vielmehr darauf an, wie und welches Verhalten von Mundlos und Böhnhardt der jeweilige Angeklagte mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen hat, welche Eindrücke er von diesen bekommen hat und ob nun der jeweilige Angeklagte die Fähigkeit zur Begehung schwerster Straftaten erkennen konnte. Dabei ist der individuellen Erkenntnis- und Erfahrungshorizont eines jeden Angeklagten zu bewerten und gegebenenfalls auch dessen „Sonderwissen“ in die Beurteilung miteinzubeziehen. Bei Sonderwissen handelt es sich um spezielle Kenntnisse, die dem individuellen Angeklagten im Hinblick auf die Taten bekannt geworden sind. Losgelöst vom konkreten Verfahren wäre dabei z. B. in Betracht zu ziehen, dass die Beurteilung wesentlich beeinflusst wird, sofern ein Angeklagter von den unmittelbaren Tätern vor der Tat in die bestehenden Pläne eingeweiht wurde. An diesem theoretischen Beispiel wird aber plakativ deutlich, dass den hier unter Beweis gestellten Umständen keinerlei Aussagegehalt im Hinblick auf die im konkreten Verfahren angeklagten Personen zukommen kann.

3. Auch eine Gesamtbetrachtung aller hier und in anderen Beweisanträgen in diesem Zusammenhang unter Beweis und als erwiesen unterstellten Umständen sowie des bisherigen Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme führt zu keinem anderen Ergebnis. Jede der angeklagten Personen ist individuell zu würdigen. Erkenntnisse im Hinblick auf dritte Personen sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Schneiders: „Beantrage eine Abschrift und Unterbrechung für eine Stunde.“ Heer: „Frau Sturm und ich schließen uns beiden Anträgen [vermutlich: Kopieren und Unterbrechen] an.“ Götzl: „Gut, unterbrechen wir bis 14 Uhr.“

Um 14:04 Uhr geht es weiter. Schneiders: „Die Verteidigung Wohlleben beantragt eine zweieinhalbstündige Unterbrechung für die Abfassung eines Ablehnungsgesuchs.“ Heer: „Frau Sturm und ich schließen uns dem Unterbrechungsantrag an, um Frau Zschäpe zu ermöglichen, von einem ihrer Verteidiger ein Ablehnungsgesuch vorbereiten zu lassen.“ Götzl: „Dann wird unterbrochen und wir setzen fort um 16:30 Uhr.“

Um 16:35 Uhr kommt die Durchsage, dass die Hauptverhandlung fortgesetzt um 17:05 Uhr wird. Um 17:06 Uhr geht es weiter. Schneiders verliest den Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Sie gibt zunächst den prozessualen Sachverhalt aus Sicht der Verteidigung Wohlleben wieder. Bei der rechtlichen Würdigung sagt sie nach kurzen formalen Feststellungen dann, dass die abgelehnten Richter den Beweisantrag mit willkürlichen Erwägungen abgelehnt hätten. Sie gibt zunächst die Antragsbegründung unter II.2.d bzw. II.2.d.i wieder. Dann sagt sie:
Die abgelehnten Richter missverstehen den Beweisantrag absichtlich. So behaupten sie, die Antragsteller hätten die Angeklagten des hiesigen Verfahrens ausdrücklich von den „Dritten“ ausgenommen. Dies ist offensichtlich falsch und durch die abgelehnten Richter bewusst wahrheitswidrig dargestellt. Die Antragsteller haben den Personenkreis der Dritten nicht eingeschränkt und die Angeklagten damit gerade nicht ausgenommen. Sie haben lediglich ausgeführt, dass der Schluss, dass Dritte die Gefährlichkeit von Böhnhardt und Mundlos nicht erkennen konnten, in Bezug auf seine Anwendbarkeit auch auf Herrn Wohlleben der Würdigung des Senates obliegt.

Schneiders zitiert kurz aus der Erwiderung der Verteidigung Wohlleben auf den GBA vom 369. Verhandlungstag [„Der GBA verkennt weiter … Den Schluss, ob dies auch für Herrn Wohlleben zutrifft, wird der Senat nach der Anhörung des SV selbst ziehen müssen.“], dann setzt sie fort:
Dies erhellt, dass die abgelehnten Richter absichtlich Beweistatsache und Beweisziel gleichsetzen, um den Beweisantrag ablehnen zu können. Damit verweigern sie Herrn Wohlleben die sich aufdrängende Beweiserhebung, um die Hauptverhandlung um jeden Preis kurzfristig abschließen zu können und Herrn die Möglichkeit seiner Entlastung rechtswidrig abzuschneiden. Wenn es um die Erhebung potenziell belastender Beweise geht, befassen sich die abgelehnten Richter auf Antrag der Nebenklage selbst mit Wohnungstrennwänden.

Die abgelehnten Richter behaupten auf Seite 4 des Beschlusses weiter, der Tatbegehung aufgrund der unter Beweis gestellten Persönlichkeitsstörung komme kein Aussagegehalt hinsichtlich des Motivs einer Tat zu. Die Antragsteller hatten hinreichend dargelegt, dass Antrieb für die Mordserie die Mordlust von Mundlos und Böhnhardt gewesen ist. Dieser Tatantrieb ist hingegen von der Persönlichkeitsstörung im Sinne einer Psychopathie nicht zu trennen, denn die Persönlichkeitsstörung kommt in diesem Tatantrieb zum Ausdruck. Die abgelehnten Richter ignorieren insoweit absichtlich Konkretisierung der Anknüpfungstatsachen, die die Antragsteller mit Schriftsatz vom 21.06.17 ausführlich dargelegt haben und versagen Herrn Wohlleben damit bewusst rechtliches Gehör. Dabei wird von den abgelehnten Richtern ausgeblendet, dass die beiden letzten Tatopfer keine Ausländer, sondern deutsche Polizeibeamte waren. Gerade deshalb liegt das Mordmerkmal der Mordlust näher als das Motiv des Ausländerhasses als sonstiger niedriger Beweggrund.

Schneiders zitiert Punkt B.II.2.c.iii (2) des Beschlusses und fährt fort:
Die abgelehnten Richter verschließen absichtlich die Augen davor, dass Mundlos und Böhnhardt eine Serie von Mordtaten begangen haben und der diesen Taten zugrunde liegende Tatantrieb der Mordlust untrennbar mit der krankhaften Störung im Sinne einer dissozialen Persönlichkeitsstörung von Mundlos und Böhnhardt verbunden ist. Auf Seite 6 des Beschlusses führen die abgelehnten Richter aus, dass dem betrügerisch-manipulativen Verhalten von Mundlos und Böhnhardt keine Aussagekraft im Hinblick auf die Angeklagten zukommen. Hierbei verkennen die abgelehnten Richter bewusst, dass Herr Wohlleben auch Opfer eines solchen manipulativen Verhaltens geworden ist. Herr Wohlleben hat sich dahingehend eingelassen, dass Böhnhardt auf Nachfrage angab, sich im Falle einer drohende Festnahme umbringen zu wollen. Die abgelehnten Richter ignorieren damit die Aussage unseres Mandanten ebenso wie weitere Beweismittel, die die Suizidabsicht Böhnhardts bestätigt haben. Auch hier wird Herrn Wohlleben der Entlastungsbeweis abgeschnitten.

Schneiders zitiert Punkt B.II.2.d.ii. (2) b. Dann setzt sie fort:
Die abgelehnten Richter unterstellen Herrn Wohlleben ein angebliches Sonderwissen, führen hierfür jedoch nur ein theoretisches Beispiel an, ohne konkrete Beweise in Bezug auf Herrn Wohlleben darzulegen. Seine Einlassung, dass er über kein Wissen über die Taten verfügte, wurde nicht widerlegt. Auch die Angeklagten Schultze und Gerlach haben ausgesagt, dass sie nichts von den Taten von Mundlos und Böhnhardt wussten. Da die abgelehnten Richter das angebliche Sonderwissen Wohllebens mit keiner Silbe darlegen, muss Herr Wohlleben davon ausgehen, dass hiermit die Kenntnis von dem Wunsch nach einer Waffe gemeint ist. Die abgelehnten Richter ersetze jedoch dieses angebliche Sonderwissen bzgl. der inneren Fähigkeit von Böhnhardt und Mundlos, schwerste Straftaten zu begehen. Damit geben die abgelehnten Richter in willkürlicher Art und Weise dem kolportierten Sonderwissen eine ganz andere Bedeutung.
Schneiders trägt vor, wann nach § 24 Absatz 2 StPO Die Ablehnung eines Richters gerechtfertigt ist, und schließt damit ab, dass nach alledem die abgelehnten Richter dem Angeklagten Wohlleben und seiner Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenüber stünden.

Götzl: „Dann wird rechtliches Gehör gewährt.“ Bundesanwalt Diemer: „Wir nehmen gegenüber dem zuständigen Spruchkörper Stellung nach Vorliegen der dienstlichen Erklärung.“ Götzl: „Sind für heute noch Erklärungen oder Anträge? Dann wird unterbrochen. Wir setzen fort am Mittwoch um 9:30 Uhr, der Termin am Dienstag, 4.7., wird abgesetzt.“ Der Verhandlungstag endet um 17:20 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage“: „Die ‚Alt-VerteidigerInnen‘ der Angeklagten Zschäpe erklärten heute, sie hätten keine Fragen an den Sachverständigen Prof. Saß. Damit konnte nach insgesamt 6 Monaten, in denen er immer wieder Fragen zu seinem Gutachten beantwortete, seine Befragung endlich abgeschlossen werden. Die VerteidigerInnen kündigten an, ihren Antrag auf ein weiteres Sachverständigengutachten noch zu substantiieren, dafür wird ihnen nun bis nächste Woche Zeit gegeben. Die Verteidigung Wohlleben dagegen versuchte sich mal wieder mit verschwörungstheoretischen Anträgen: an Handschuhen, die beim Verfassungsschützer Andreas Temme gefunden wurden, seien Schmauchspuren gefunden worden, die der Mordmunition entsprächen. Dass alle anderen Beweismittel es ausschließen, dass Temme der Schütze war, ließ die Verteidigung unerwähnt. Auch dieser Antrag wird also abgelehnt werden. Leider ebenfalls abgelehnt werden wird ein Antrag der Nebenklage Yozgat, mit dem dem zwielichtigen Verfassungsschützer nachgewiesen werden soll, dass er im Gericht gelogen hat – zu eindeutig hat das Gericht gezeigt, dass es Temme alles glauben will und sich der Überprüfung seiner Aussage entziehen will […].“
https://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/06/29/29-06-2017/

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