Protokoll 408. Verhandlungstag – 31. Januar 2018

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An diesem Prozesstag verliest RAin Schneiders für die Verteidigung Wohlleben eine Gegendarstellung zu einer Ablehnung ihres Antrags, Zeugen zu laden und Akten beizuziehen. Die Bundesanwaltschaft entgegnet darauf, dass der Antrag zurecht abgelehnt wurde. Richter Götzl kündigt an, die Gegendarstellung beraten zu wollen und beendet den Verhandlungstag.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Richter Götzl: „Frau Rechtsanwältin Schneiders, Sie hatten eine Gegenvorstellung angekündigt?“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders verliest die Gegenvorstellung gegen den gestrigen Beschluss, mit dem der Antrag der Verteidigung Wohlleben auf Ladung der Zeugen Puskaric, Rosemann und Hubeny und der Antrag auf Beiziehung von Akten abgelehnt wurde:
1. Die Verteidigung erlaubt sich den Hinweis darauf, dass der Senat den Beweisantrag hinsichtlich der unter Beweis gestellten Tatsachen fehlerhaft ausgelegt hat. Wir hatten unter Beweis gestellt, dass die Tatwaffe mit der Waffennummer 034678 besorgte und diese an lieferte, welcher die Waffe wiederum an Mundlos und Böhnhardt weitergab. Unsere Klarstellung in unserer Stellungnahme vom 24.01.2018, die Benennung der Waffennummer der Tatwaffe sei nur zur Verdeutlichung angeführt worden, dass es sich hierbei um die Tatwaffe gehandelt habe, bedeutet nicht, dass wir hinsichtlich dieser Beweistatsache irgendwelche Abstriche gemacht haben.

2. Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Beiziehung der Akte GAW/0325078/17 überspannt der Senat die Anforderung an die Darlegungspflicht der Antragsteller, welche Informationen sich in den beizuziehenden Akten befänden, die erkennbare und sinnvolle Möglichkeiten zur Sachaufklärung in hiesigem Verfahren bieten. Der Antrag auf Beiziehung der Akten nimmt Bezug auf den gestellten Beweisantrag und lässt sich nicht isoliert betrachten. Der Beweisantrag bezieht sich auf den Kern der gegen Herrn Wohlleben erhobenen Anklage.
In der Begründung des Beweisantrages sowie in unserer Stellungnahme vom 24.01.2018 haben wir dargelegt, weshalb sich aus den beizuziehenden Akten solche Informationen ergeben. Insbesondere trugen wir die räumliche, zeitliche, personelle und sachliche Verbindung der benannten Zeugen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor, sowie dass beide benannten Zeugen in illegale Waffengeschäfte verwickelt waren.
Die von uns zitierten Zeugen , Da. und Frntic wurden, wie bereits dargelegt, nicht präventivpolizeilich zu aktuellen Waffengeschäften des Jug Puskaric befragt, sondern zu Waffengeschäften und Vorgängen mit Bezug zum sogenannten NSU.
Die vom Senat in Anspruch genommene Rechtsprechung des BGH verlangt vom Antragsteller Unmögliches. Dieser soll, ohne die Akten gesehen zu haben, konkret angeben, welche Informationen sich in welchen Aktenteilen befinden. Derlei Anträge können nur Hellseher stellen oder Verfahrensbeteiligte, die illegal von sogenannten Whistleblowern mit Informationen versorgt werden. Der BGH beschränkt im Ergebnis das Recht, die Beiziehung von verfahrensfremden Akten und die Gewährung von Akteneinsicht in diese zu beantragen, derart, dass dieses faktisch gegenstandslos ist.

Bundesanwalt Diemer sagt, der GBA könne in 60 Minuten eine Stellungnahme abgeben. Götzl: „Sonstige Stellungnahmen weiterer Verfahrensbeteiligter?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Dann wird das sofort kopiert und wir werden bis 11 Uhr unterbrechen.“

Um 11:03 Uhr geht es weiter. Götzl: „Frau Rechtsanwältin Schneiders, nochmal nachgefragt, am Ende des ersten Absatzes die Formulierung: ‚Tatwaffe gehandelt habe, bedeutet nicht, dass wir hinsichtlich dieser Beweistatsache irgendwelche Abstriche gemachte haben‘. Bezieht sich ‚diese Beweistatsache‘ auf den im Satz genannten Begriff ‚Tatwaffe‘?“ RAin Schneiders bejaht das. OStA Weingarten: „Vielen Dank für die Klarstellung! Wäre da wieder die Waffennummer gemeint gewesen, wäre unsere Reaktion auf eine Wiederholung des von Oberstaatsanwältin Greger in ihrer Stellungnahme bereits Gesagten [phon.] reduziert gewesen.“

Weingarten nimmt dann Stellung. Die Ablehnung des Antrags sei richtig. Zum Antrag auf Ladung der Zeugen sagt Weingarten, der Senat habe den Beschluss nicht falsch ausgelegt. Es könne der Umstand, dass Puskaric die Tatwaffe mit der Nummer 034678 beschafft und an Rosemann geliefert habe [phon.], nicht als Beweistatsache im Sinne der StPO unter Beweis gestellt werden. Es könnten nur solche Tatsachen unter Beweis gestellt werden, die dem Zeugenbeweis überhaupt zugänglich sind, sinnliche Umstände der äußeren Welt oder innerpsychische Tatsachen [phon.]. Schlussfolgerungen seien nicht Gegenstand des Zeugenbeweises, sondern seien durch Verfahrensbeteiligte und insbesondere erkennende Richter und Richterinnen anhand der Tatsachen zu treffen. Erforderlich sei die Mitteilung einer Beweistatsache. Die Nennung eines Beweisziels reiche nicht aus, gerade nicht die nur fakultativ mögliche Benennung eines Beweisziels. [phon.] Zwar seien auch schlagwortartige Verkürzungen erlaubt. Es müsse aber stets klar sein, dass konkrete Wahrnehmungstatsachen und nicht komplexe Wertungen unter Beweis gestellt sind. Da nach der Antragstellung vom 24.01.2018 die Waffennummer gerade nicht mehr in das Wissen der Zeugen gestellt werde, könnten weder Puskaric noch Sven Rosemann Angaben zur Tatwaffeneigenschaft der von ihnen übergebenen machen.

Denn weder sei die Waffennummer als deren Erinnerung unter Beweis gestellt, noch seien andere sinnliche Wahrnehmungen unter Beweis gestellt, die die Tatwaffeneigenschaft der übergebenen Pistole zu belegen geeignet wären. Dies wäre auch schwerlich möglich, so Weingarten, nachdem die Zeugen bei der Übergabe einer Pistole ja schlechterdings keine Wahrnehmungen zu der zu diesem Zeitpunkt noch in der Zukunft liegende Tatwaffeneigenschaft gemacht haben könnten. [phon.] Die Übergabe sei ja vor Begehung der Taten erfolgt und die spätere Verwendung als Tatwaffe sei einer sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich gewesen [phon.]. Es handele sich demnach gerade nicht um eine unter Beweis gestellte Tatsache, sondern um eine Mitteilung der erstrebten Schlussfolgerung, die das Gericht ziehen solle. Die Zeugen könnten nicht bekunden, dass sie zukünftige Tatwaffen übergeben haben, sondern nur ihr Wissen über sinnliche Wahrnehmungen bekunden, aufgrund derer das Gericht Schlussfolgerungen anstellen könne, ob es sich um die spätere Tatwaffe gehandelt hat oder nicht. Solche sinnlichen Wahrnehmungen seien jedoch nicht unter Beweis gestellt. Zum Antrag auf Beiziehung der Akten sagt Weingarten, dass die vom Senat in Bezug genommene jahrzehntelange Rechtsprechung des BGH den Antragstellern nicht behage, ändere nichts daran, dass sie existiere und den Senat binde [phon.].

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Ich wage den Hinweis darauf, das der Senat an Rechtsauffassungen des BGHs gerade nicht gebunden ist. Gebunden ist er nur an Rechtsauffassungen in Revisionsentscheidungen. [phon.] Darüber hinaus gibt es keine Bindung, das sollte auch Oberstaatsanwalt Weingarten wissen.“ Götzl: „Sind sonst für heute Anträge oder Erklärungen? Keine. Wir werden den Antrag beraten. Wir unterbrechen und setzen morgen um 11 Uhr fort.“ Der Verhandlungstag endet um 11:11 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Auch der heutige Verhandlungstag war wieder sehr kurz: Die Verlesung der kurzen und wenig überzeugenden Gegenvorstellung der Verteidigung Wohlleben gegen den Beschluss von gestern dauerte keine fünf Minuten, die Bundesanwaltschaft brauchte für Erarbeitung und Verlesung ihrer Erwiderung eine gute Stunde.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2018/01/31/31-01-2018/

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