„Keinerlei rechtsradikales Schmierentum, keine Bekennerbriefe.“ – Die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern am 06.12.2019

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Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin am 06.12.2019 (Foto: NSU-Watch)

Am 06.12.2019 findet die letzte Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses Mecklenburg-Vorpommern für 2019 in Schwerin statt. Zunächst ist die Journalistin Gisela Friedrichsen als Sachverständige geladen. Im Anschluss waren zwei verantwortliche Staatsanwält*innen für den Fall des Mordes an Mehmet Turgut geladen.

Nach den Ausführungen von Gisela Friedrichsen bedankt sich der CDU-Abgeordnete Manthei sich für deren „wohltuenden Unterscheidungen zwischen Tatsachen und Spekulationen“ und meint damit die Ausführungen Friedrichsen, dass sie nach den 438 Prozesstagen des NSU-Prozesses davon ausgehe, dass man aus heutiger Sicht der Polizei keine Vorhaltungen machen dürfe, warum sie nicht in Richtung rechts ermittelt hätte. Sie versteigt sich dabei, allen Erkenntnissen zu rechtem Terror widersprechend, zu der Behauptung, bei allen vergleichbaren Fällen habe es Bekennerschreiben gegeben. Institutionellen Rassismus gäbe es ihrer Meinung nach nicht, das sei „Meinungsmache“. Ein Prozess müsse zu einem Urteil kommen, „aber nicht die unterschiedlichen Wünsche der Hinterbliebenen zufriedenstellen.“ Weite Teile ihrer Aussage verbringt die Sachverständige damit, Mehmet Turgut, seine Angehörigen und große Teile der Nebenklage in Misskredit zu bringen. Ihrer Meinung nach sei die Nebenklage eine „riesige Geldbeschaffungsmaschinerie“ gewesen. Dem stimmt die CDU erneut zu und spricht davon, dass es die nicht die Aufgabe des Gerichts sei, gesamtgesellschaftliche Aufklärung zu betreiben. Auch die AfD bedankt sich bei der Sachverständigen, dass sie „mutig ihre Ansichten“ verteidige.

Als erste Zeugin des Tages ist Staatsanwältin (StA) Kerstin Grimm geladen. Zur Vorbereitung habe sie sich zwei Tage zum LKA begeben, es sei ein umfangreiches Verfahren gewesen, das sie nur acht bis neun Monate betreut habe. Sie habe als Dezernentin für Organisierte Kriminalität und „KapSachen“ (Kapitaldelikte, Mord und Totschlag) nur das Dezernat A bis L betreut, allerdings sei der Kollege Krüger krank gewesen, also habe sie auch den Mord von Mehmet Turgut vom 25.2. – 25.11.2004 bearbeitet. Die Zeugin erzählt dann in ihrem Eingangsstatement 90 Minuten lang chronologisch den Ablauf der Ermittlungen und benennt alle Zeug*innenbefragungen und deren Inhalt.

Sie habe am 25.2. die Mitteilung ca. zwischen 10:00-10:20 Uhr bekommen, dass ein Toter vorgefunden worden sei. Als erste Maßnahme habe man alle PKWs abgeprüft, darunter einen Transporter, der Fahrer habe ein „südliches Aussehen“ gehabt und habe in Richtung Imbiss geguckt. Es seien Anwohner*innen befragt worden und mit einem Hund die Gegend abgesucht worden. Der Inhaber des Imbisses, Haydar Ay., habe mitgeteilt, dass Herr Turgut erst seit zwei bis drei Wochen bei ihm gearbeitet habe, man kenne sich aus der Türkei, sie seien aber nicht verwandt. Ay. habe Mehmet Turgut gefunden.

Man habe nach einem Motiv gesucht, in einer ersten Vernehmung sei angedeutet worden, Mehmet Turgut habe sich mit einer Frau getroffen. Diese Spur hatte im Verlauf der Ermittlungen allerdings keine Ergebnisse erbracht. Es habe keine Hinweise auf Rivalitäten zwischen Imbissen gegeben. Die Familie Ay. sei vernommen worden, das habe auch keine Ergebnisse gebracht, es habe keine Probleme beim Dönergeschäft oder finanzielle Probleme gegeben. Ein Zeuge habe angegeben, am 24.2. sei im Imbiss eine zweite Person anwesend gewesen, Mehmet Turgut sei sehr nervös gewesen und habe dem Zeugen falsches Wechselgeld herausgegeben, das sei noch nie passiert. Der Zeuge habe die Situation komisch gefunden. Er habe sich aus Angst das Kraftfahrzeug, das beim Imbiss geparkt gewesen sei, gemerkt. StA Grimm beschreibt zahlreiche weitere Zeug*innenvernehmungen, in denen es um ein neben dem Imbiss geparktes Auto gegangen sei. Sie stellt daran dar, das Zeug*innenaussagen nicht immer zuverlässig seien und sich sehr stark unterscheiden können. Das Auto habe in diesen Aussagen zu unterschiedlichen Zeitpunkten dort gestanden, habe laut Zeug*innen unterschiedliche Farben gehabt und es sei um unterschiedliche Modelle gegangen. Grimm geht aber davon aus, dass immer das gleiche Auto gemeint worden sei und beschreibt die daraus folgenden Schwierigkeiten für die Ermittlungen.

Ein Cousin des Ermordeten habe berichtet, er habe sich in einem Dönerimbiss in Schwerin aufgehalten, als er die Nachricht von dem Mord erhalten habe. Er habe einen Anruf von seinem Bruder bekommen, der habe ihm am Telefon erzählt, Mehmet sei von Rechtsradikalen geschlagen worden und im Krankenhaus. Der Cousin habe ausgesagt, sein Bruder habe das aber erfunden, um ihn zu schonen, weil er noch jung gewesen sei. Darum sei dieser Satz gefallen. Ein weiterer Ermittlungsansatz sei die Idee gewesen, dass vielleicht Herr Ay. das anvisierte Opfer gewesen sei. Es habe dann Ermittlungen in Richtung Haydar Ay. gegeben. Eine Zeugin habe ein Gespräch gehört und Haydar Ay. gefragt, was los gewesen sei und der habe geantwortet: „Schulden, Schulden“. Also sei ihre Idee gewesen, dass es um Schutzgeld gegangen sei: „Das ist ja dort immer mal üblich.“

Die Zeugin sagt, sie hätten nicht in Richtung rechtsradikaler Übergriff ermittelt. Sie habe „eine Vorbildung und enge Kontakte zum Staatsschutz“, es habe „keinerlei rechtsradikales Schmierentum, keine Bekennerbriefe“ gegeben, „was ja von diesen Gruppen grundsätzlich immer der Fall ist.“ Der Satz des Cousins sei der einzige Hinweis gewesen, deswegen hätten sie darüber gesprochen, aber alles andere sei nicht da gewesen. Dafür habe es viele andere Ermittlungsrichtungen gegeben, die viel deutlicher gewesen seien.

Grimm sagt, als sie am 12.03.2004 erfahren habe, dass der Mord an Mehmet Turgut Teil einer Serie sei, sei sie aus aus allen Wolken gefallen. Sie habe sie sofort mit Herrn Sch. (Zeuge am 29.11.2019) getroffen und das weitere Vorgehen abgestimmt. Dann sollte die „Soko Halbmond“ ihre Arbeit wieder aufnehmen, daher habe sie beim zuständigen Gericht eine TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) beim Umfeld von Mehmet Turgut beantragt. Das sei auch gestattet worden. Am 17.03.2004 seien die Ermittler Kl. und Vögeler aus Bayern nach Rostock gekommen. Sie hätten besprochen, dass es sinnvoll sei, wenn die Mordserie in die Hand einer einzigen Staatsanwaltschaft gelegt würde. Es sei an Bayern gedacht worden, es habe viele Indikationen für Organisierte Kriminalität gegeben, das ginge nicht dezentral. Das sei aber abgelehnt worden. Die Begründung sei gewesen, dass es keinen Sachzusammenhang gäbe, das könne man sehr wohl regional machen. Die Ablehnung der Übernahme durch die Staatsanwaltschaft Fürth habe sie sehr verwundert. Man sei von Serienmorden aus dem Milieu Rauschgift, PKK, Blutrache, religiöses Motiv ausgegangen, aufgrund der Ausführungen habe es keinen Hinweis auf einen politischen Hintergrund gegeben.

Es sei noch aufgefallen, dass drei von fünf Taten an einem Mittwoch begangen worden seien, sie hätten daher mit einem Islamwissenschaftler besprochen, ob der Mittwoch vielleicht ein „islamistischer Feiertag“, wie die Zeugin sich ausdrückt, sei. Das sei aber nicht der Fall. Sie seien davon ausgegangen, dass alle Fälle über das Thema Drogengeschäfte verbunden seien, die Opfer selber hätten keinerlei Bezug zueinander gehabt. Dann habe sie die Ermittlungen an den Kollegen Krüger abgegeben.

Die Fraktion der SPD fragt, wie sie den Fall aus heutiger Sicht bewerte. Grimm: „Unter den damaligen Umständen und den ganzen Hinweisen konnte man nicht anders ermitteln.“ Als im Nachhinein herausgestellt habe, dass es der NSU gewesen sei, sei sie „aus allen Wolken gefallen, aber hinterher ist man immer schlauer.“ Wenn man immer wüsste, wohin der Hase laufe, hätten sie keine 80 Stunden Wochen. Die Abgeordnete Wippermann (SPD) fragt, ob es noch andere Kontakte zum Staatsschutz oder zum Verfassungsschutz gegeben habe. Das verneint die Zeugin. An die Begebenheit, dass ein LfV-Mitarbeiter sich bei Herrn Sch. gemeldete habe, erinnert sich Grimm nicht konkret.

Karen Larisch (Die Linke) sagt, eine Woche nach dem Mord sei direkt ein rechter Hintergrund ausgeschlossen worden, obwohl Zeugen von Personen mit Bomberjacken gesprochen hätten und der Stadtteil ein rechter Stadtteil sei. Sie fragt, ob die Tatsache, dass alle getöteten Personen einen Migrationshintergrund gehabt hätten nicht ausreiche, um ein rassistisches Motiv anzunehmen. Grimm sagt, man habe keinerlei Hinweise gehabt, „wenn man bei jedem ausländischen Ermordeten davon ausgehen würde, würde die objektive Ermittlungsrichtung gefährdet.“

Die Linksfraktion fragt nach, warum ein rechtes Motiv ausgeschlossen werden konnte. Grimm sagt, ausgeschlossen werden könne gar nichts, man müsse über entsprechende Ermittlungshinweise Dinge konkretisieren: „Ich habe fünf Jahre lang Staatsschutz gemacht, ich weiß wovon ich rede.“ Es habe keine Bekennerschreiben, keine Hakenkreuze gegeben, auch keine rechten „Ritzungen“ am Körper von Mehmet Turgut. Die Vorsitzende von Allwörden interveniert ungeduldig und fragt die Zeugin, ob so ein Ausschluss eines Tatmotives abschließend sei, das verneint die Zeugin. Von Allwörden fragt, ob sie also immer nach Hinweisen suchen würden und denen nachgehen würden. Dies bestätigt Grimm. Sie verneint die anschließende Frage der SPD, ob sie den Eindruck gehabt habe, dass man von außen ins Ermittlungsverfahren eingegriffen habe.

Die Abgeordnete Larisch fragt nun nach den Auslandskopfüberwachungen [TKÜ im Ausland], die sich gegen einen großen Teil des Umfelds von Mehmet Turgut richteten, diese erschlössen sich ihr nicht. Sie fragt nach den Gründen, sie ergänzt, wenn es Verfahren gegen die Betroffenen gegeben habe, seien diese schon Jahre zuvor eingestellt worden. Grimm sagt, man habe verschiedene Hinweise gehabt: „Das alles reicht locker aus“. Man könne solche Verfahren auch immer wieder aufnehmen. Wieder mischt sich die Vorsitzende in die Befragung ein und sagt, diese Fragen hätten mit dem Ermittlungsauftrag des Untersuchungsausschusses nichts zu tun.

Wie in der letzten Sitzung [29.11.2019] fragt Larisch nach dem mit einer Pressemitteilung versandten Bildes des Ermordeten, das unter dem Namen „Döner.jpg“ abgespeichert war. Grimm antwortet, sie könne nicht sagen, warum die Polizei das so benannt habe. Es sei aber gängige Praxis, prägnante Dinge zu benennen, das habe mit Despiktierlichkeit nichts zu tun, das sei „Prozessökonomie, nichts anderes wird das hier gewesen sein.“ Die Kollegen seien menschlich und mitfühlend.

Die Vertreterin des Abgeordneten Ritter, Bernhardt, hakt nach, sie wolle gern nachvollziehen, warum in eine Richtung ermittelt worden sei und in die andere nicht, die ja die richtige gewesen wäre. Sie fragt erneut nach dem Ziel der Auslandskopfüberwachung. Die Staatsanwältin sagt, der Sinn und Zweck sei gewesen, einer international agierenden Rauschgift-Großbande, die man im Hintergrund der Mordserie vermutet habe, habhaft zu werden. Dazu habe es unter anderem aus Hamburg Hinweise gegeben. Die Vorsitzende interveniert erneut und sagt, die Überwachung habe keinen NSU-Bezug, daher sei sie nicht Untersuchungsgegenstand. Karen Larisch fragt nach den Ermittlungen, denen Haydar Ay. und seine Familie ausgesetzt waren. Dazu sagt Grimm, die Grundlage seien Anhaltspunkte und ihre Berufserfahrung gewesen. Larisch will wissen, wie belastbar Erkenntnisse sein müssten, um Persönlichkeitsrechte so einzuschränken. Grimm: „Wenn man Hinweise hat, dass die vorliegen und das Gericht bestätigt das, dann wird das stichhaltig.“

Als zweiter Zeuge des Tages ist der bereits erwähnte Kollege von Grimm, Oberstaatsanwalt Reinhard Krüger, geladen. Er sei natürlich informiert worden, als der Mordfall passiert sei. Er hat den Fall aufgrund einer Krankheit aber zunächst parallel mit Staatsanwältin Grimm bearbeitet und war dann der zuständige Oberstaatsanwaltschaft. Er habe in dieser Funktion Gespräche mit dem bayrischen Ermittler Vögeler geführt, ob der Mord an Mehmet Turgut dort mitbearbeitet werden könnte, der sei aber nicht übernommen worden. Auch das BKA habe den Fall nicht übernommen, es habe aber eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet. Dort sei ermittelt worden, ob eine Organisation für die Mordserie verantwortlich sei. Bei der Innenministerkonferenz sei dann beschlossen worden, dass die Tatortdienststellen Sonderkommissionen einrichten sollen, in Mecklenburg-Vorpommern sei das die Soko Kormoran gewesen. Die „BAO Bosporus“ habe eine Steuerungsgruppe eingerichtet und Tagungen ausgerichtet, es habe einen regelmäßigen Informationsaustausch gegeben, da habe er, Krüger, auch mal teilgenommen, da sei es um die Medienstrategie gegangen.

Zu den Ermittlungen sagt Krüger, es habe keine Erkenntnisse für ein Motiv für die Mordserie gegeben, es sei klar gewesen, die Ermordeten seien „alles türkischstämmige Mitbürger“ gewesen. Aus Nürnberg habe es Hinweise auf eine „internationale Rauschgiftbande“ gegeben, das sei die sogenannte „niederländische Spur“ gewesen: „Das hat sich am Ende als nicht tragfähig herausgestellt.“

Sie hätten im Umfeld ermittelt: „Die meisten Taten sind ja Beziehungstaten.“ Man sei an die Familie herangetreten, die sei in Ankara gewesen. Man habe zumindest einen Bruder befragt, dann habe es weitere Ermittlungen gegeben. Zu Mehmet Turgut sagt der Oberstaatsanwalt, dass dieser erst zwei Wochen zuvor angefangen habe, am Dönerstand zu arbeiten. Es habe zwei grundlegende Thesen gegeben, die „Organisationstheorie“ und die „Einzeltätertheorie“. Sie hätten über verschiedene Motive für die Mordserie nachgedacht, das meiste sei ausgeschieden. Sie hätten gedacht, vielleicht sei es ein „fremdenfeindlicher Hintergrund“, es habe darauf Hinweise gegeben, diese seien aber nicht tragfähig gewesen.

Als die Soko Kormoran eingerichtet wurde, sei ein Spurenplan mit allen Hinweise erarbeitet worden. Es habe dann einen Untersuchungsplan mit 107 abzuarbeitenden Spuren gegeben. Man habe auch überlegt, ob Haydar Ay. das eigentliche Ziel gewesen sei.

Die „Spur in die rechte Ecke“ sei eine Aussage einer Vertrauensperson nach einem der Morde in Nürnberg gewesen. Ein „JVA-Insasse in Berlin“ habe sich gemeldet, er kenne den Täter, der habe sich seinerzeit geäußert, er hasse Türken, wenn er aus dem Knast rauskomme, wolle er wahllos Türken umbringen. Diese Spur habe sich als „nicht tragfähig“ erwiesen, man habe die benannte Person überprüft und diese habe nichts mit der Mordserie zu tun gehabt. Außerdem habe sich nach einer Aktenzeichen XY Sendung eine Lehrerin gemeldet. Diese habe angegeben, eines der Phantombilder sähe aus wie ein ehemaliger Schüler „aus der rechten Ecke“. Auch diese Person sei ohne Ergebnis überprüft worden. Der Spurenplan sei bis 2011 abgearbeitet worden, am Ende sei ein Sachbearbeiter übrig geblieben. 2011 – wenige Monate vor November – sei alles abgearbeitet gewesen.

Die Untersuchungsausschuss-Vorsitzende von Allwörden fragt, ob Krüger am Tattag selbst von dem Mord erfahren habe. Der Zeuge sagt, das wisse er nicht mehr, es liege nahe, er sei aber nicht an dem Tag vor Ort gewesen, da sei Frau Grimm gewesen. Er sei später aber mal mit der Polizei hingefahren, außerdem sei er in Kassel am Tatort gewesen. Die Vorsitzende fragt dann danach, wie oft Krüger an Sitzungen der Steuerungsgruppe teilgenommen habe und was das Thema gewesen sei. Der Zeuge sagt, er sei einmal dabei gewesen, dabei sei das Hauptthema die Medienstrategie gewesen. Es habe unterschiedliche Auffassungen gegeben, welche Hypothese medienmäßig aufgearbeitet werden solle. Beide Theorien hätten erst einmal nebeneinander gestanden, aber wenn man an die Presse gehe, müsse man sich genau überlegen, was nehme man da rein, das müsse muss abgestimmt werden. Das sei kontrovers gewesen.

Es habe Verbindungen von Mecklenburg-Vorpommern nach Hamburg gegeben, sagt Krüger auf Frage. Das habe man besprochen und es sei entschieden worden, wie weiter verfahren werden sollte. Er, Krüger, sei dann mit Felix Schwarz aus Hamburg zusammen nach Hause gefahren.

Von Allwörden fragt, ob die Entscheidungen richtig gewesen seien. Krüger: „Sie haben nicht dazu geführt, dass wir die Tat aufgeklärt haben“, aber er wüsste nicht, was man hätte anders machen können. Auf Frage, wie er den 04.11.2011 erlebt habe, sagt Krüger, das sei für ihn so nicht vorstellbar gewesen. „Ich war schlicht und ergreifend entsetzt“, dass mehr oder weniger wahllos ausländische Mitbürger ermordet worden seien, er habe überlegt, wie man das hätte machen können: “Ich weiß aber nicht wie.“

Der Abgeordnete Friedriszik (SPD) fragt, wie der Erkenntnisausstausch abgelaufen sei und Krüger sagt, die Polizeibeamten hätten untereinander telefoniert. Er fragt weiter, ob der Hinweis des Verfassungsschutzes das Verfahren gelenkt habe. Das verneint der Zeuge, es habe auch anderes gegeben. Lenkung oder Richtungsvorgabe habe es – wenn überhaupt – aus Nürnberg gegeben. Aber sie hätten sich auf Hinweise von vor Ort konzentriert. Man habe weiter in alle Richtungen ermittelt.

Auf Frage nach dem Verfassungsschutz sagt Krüger, es habe Informationsaustausch gegeben, aber die Informationen vom Verfassungsschutz seien eher sperrlich gewesen wegen des Quellenschutzes. Er habe über den Staatsschutz mit dem Verfassungsschutz kommuniziert, von dieser Stelle habe es keine Hinweise auf rechts gegeben, sagt Krüger. Die Abgeordnete Larisch fragt, ob das das üblich sei, dass der Verfassungsschutz Hinweise auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gebe. Krüger sagt, es sei um die Aufklärung eines Tötungsdelikts gegangen, der Hinweis sei vom VS gekommen, sonst habe er mit dieser Behörde nicht so viel zu tun.

Larisch fragt nach der Medienstrategie 2006: Was sollte veröffentlicht werden, wie lauteten die Fahndungsaufrufe, welcher Name wurde verwendet und warum. Krüger antwortet, den Namen wisse er nicht, aber es habe ein bundesweites Fahndungsplakat gegeben, außerdem eine regionale Öffentlichkeitsfahndung. Sie seien auch präventiv auf türkische Unternehmer zugegangen. Es habe eine Homepage gegeben, auf der seien auch Informationen veröffentlicht worden, das habe zwei Gründe gehabt, man habe informieren wollen und mögliche Täter greifen manchmal auf solche Seiten zu. Die Abgeordnete sagt, in den Akten stehe, bei der Besprechung sei die Fußball-Weltmeisterschaft Thema gewesen, sie möchte wissen, warum. Der Zeuge bejaht, dass er sich daran erinnere, das sei aber nicht zentral gewesen, es habe auch damit zusammengehangen, dass die WM Einsatzkräfte gebunden habe. Dass es eine Rolle gespielt habe, dass es keine Verunsicherung der Gäste geben sollte, daran könne er sich nicht erinnern. Larisch fragt, woher der Begriff „Dönermorde“ gekommen sei. Krüger sagt, er denke, das käme von den Medien: „Von uns sicher nicht“, das sei auch nicht zutreffend gewesen. Die Abgeordnete fragt daraufhin nach dem Foto des Ermordeten mit der Bezeichnung „Döner.jpg“. Die Vorsitzende von Allwörden unterbricht und wiederholt die Aussage der zuvor befragten Zeugin Grimm. Oberstaatsanwalt Krüger sagt, es sei trotzdem nicht sonderlich geschmackvoll.

Die Vertreterin des Abgeordneten Ritter, Bernhardt, sagt, wenn man die Akten lese, hätten V-Leute bestimmt, wohin die Ermittlungen gingen und von rechts abgelenkt. Der Journalist Dirk Laabs habe vor dem Unterausschuss, der dem Untersuchungsausschuss voranging, gesagt, „die wurden verarscht“. Sie fragt, wie so etwas nicht wieder vorkommen könne. Krüger sagt, er glaube nicht, dass der Verfassungsschutz die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung gelenkt habe, er habe nur einen Ansatz bestärkt. Ob der Hinweis bewusst in eine falsche Richtung gegangen sei, wisse er nicht. Er glaube es nicht, die Ermittlungen seien ja eh schon in die Richtung gegangen. Er wisse nicht, ob daher etwas geändert werden sollte. Die Linksfraktion hakt nach und sagt, Laabs habe den Hamburger Ermittler Felix Schwarz so zitiert, „weil die ganze Zeit V-Leute kamen, wir sind massiv verarscht worden.“ Krüger sagt, die meisten Informationen seien von Vertrauenspersonen von der Polizei gekommen: „Ob man uns bewusst in die Irre führen wollte, das weiß ich nicht.“

Die SPD fragt, wie der Zeuge alles aus heutiger Sicht bewerten würde. Krüger sagt, er wisse nicht, ob das seine Aufgabe sei, die Sachen zu bewerten. Von Allwörden: „Nein müssen Sie nicht.“ Krüger: „Wir waren entsetzt.“

Larisch fragt nach einer Aussage des Zeugen, es sei außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass Nazis durch die Gegend laufen und morden. Krüger: „Ja hätte ich nicht gedacht, dass es so etwas gibt, in unserer Zeit in Deutschland, so serienmäßig.“ Larisch sagt, es habe ja zumindest den Ermittlungsansatz der „Einzeltätertheorie“ gegeben. Oberstaatsanwalt Krüger sagt, er habe sich so eine Organisation nicht vorstellen können, dass es Täter mit rechten Gedankengut gebe, das wisse er. Sie hätten das überlegt und geprüft.

Der Zeuge wird entlassen und damit endet die letzte öffentliche Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses für das Jahr 2019.