Nochmal nachlesen: Der „Nordkreuz-Prozess“ 2019 gegen Marko G. – alle fünf Verhandlungstage

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Vorkehrungen für den „Tag X“ – Der Prozess gegen Marko G. – 1. Verhandlungstag

NSU-Watch Protokoll vom 1. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 20.11.2019

Der Prozess findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Ganze zwei mal müssen alle Besucher*innen ihr Gepäck und ihre Kleidung durchsuchen lassen und sich mit Metalldetektoren durchleuchten lassen. Ausweise und Handys werden in beschrifteten Umschlägen einbehalten, bis der Saal wieder verlassen wird. Die Besucher*innen nehmen oben auf der Tribüne Platz, der Pressebereich ist direkt unten im Gerichtssaal. Der Angeklagte Marko G. wird von mehreren Justizbeamten in Handschellen und Fußfesseln vorgeführt, er hält sich keine Abdeckung vor das Gesicht, er lächelt Personen auf der Besucher*innentribüne zu. Er setzt sich zu seinen drei Anwälten.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft

Um 9:39 Uhr beginnt die Verhandlung. Eine Schöffin wird vereidigt und die Daten des Angeklagten Marko G. werden verlesen, er ist Polizeibeamter. Die Staatsanwaltschaft (StA) Schwerin ist mit einer Vertreterin und einem Vertreter anwesend. Zunächst verliest die Staatsanwältin die Anklageschrift. G. werde angeklagt, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz verstoßen zu haben. Er habe Waffen und Munition besessen, für die er nach Kriegswaffengesetz keine Erlaubnis gehabt habe, er habe Schusswaffen und Munition ohne Waffenerlaubnis besessen. Er habe keine Sicherungsvorkehrungen für die Schusswaffen getroffen. Diese hätten abhanden kommen oder Leute hätten darauf zugreifen können. G. sei außerdem mit explosionsgefährdenden Stoffen umgegangen.

Marko G. sei seit 1999 Polizist in Mecklenburg-Vorpommern, bis 2004 sei er beim SEK beim LKA Mecklenburg-Vorpommern als Präzisionsschütze und Schießtrainer tätig gewesen.

G. habe Munition und Waffen gelagert, besessen und gesammelt, um die Ziele der Gruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ zu verwirklichen. Robert P. sei der Administrator der bereits vorher bestehenden Chatgruppe „Nord“ gewesen, G. sei 2015 beigetreten. Es habe sich dabei um deutschlandweite Chatgruppen gehandelt, man habe sich für den „Tag X“ gegenseitige Hilfe versprochen. Ende Januar 2016 habe G. die Chatgruppe „Nordkreuz“ als Infokanal gegründet sowie „Nord.com“, um die Aktivitäten der Gruppenmitglieder zu koordinieren und zu organisieren. Es sei ihm gelungen, 40 Mitglieder zu werben, darunter auch die anderen Verfahren angeklagten Jan Hendrik H. und Haik J. Der Angeklagte G. habe einen Verhaltenskodex und Ziele an andere und neue Gruppenmitglieder geschickt, diese hätten zum Teil den Erhalt bestätigt und zugestimmt.

Inhaltlich sei in diesen Gruppen besprochen worden, dass die Bundesregierung die Regierungsmacht verlieren könnte, beispielsweise durch die aktuelle Flüchtlingspolitik. Um dabei nicht zum Opfer zu werden, habe die Gruppe für den „Tag X“ Vorkehrungen für sich und ihre Familien organisieren wollen. Sie hätten sich regelmäßig auch zu Schießübungen getroffen, letztere habe H. organisiert. Bei diesen Treffen habe H. einen „Mehmet Turgut“-Pokal als Preis ausgelobt. Diesen habe er nach Mehmet Turgut benannt, der 2004 in Rostock vom NSU ermordet worden war. Der Angeklagte G. habe H. in die Chatgruppe eingeladen und am 09.12.2017 habe H. wiederum G. zum Pokalschießen eingeladen, G. habe teilgenommen. Diese Treffen seien auch fürs Geldeinsammeln genutzt worden, davon habe der Angeklagte Essen, Leichensäcke sowie anderes Material erworben. G. sei zudem bestrebt gewesen, Häuser und Depots für den „Tag X“ zu suchen. Seine vornehmliche Aufgabe als Waffenexperte sei gewesen, Waffen und Munition zu beschaffen. Diese habe er u.a von dem eingesammelten Geld gekauft oder habe sie von der Bundeswehr und Polizeien in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und bundesweit besorgt. Sein Ziel habe G. in einem Collegeblock notiert: Für seine Gruppen wollte er mindestens 40.000 Schuss für den „Tag X“ besorgen. In dem Zusammenhang führe der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen H. und J. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.

Am 28.08.2017 habe es bei G. eine Haussuchung vom BKA gegeben. Es seien Wohnräume, Nebengelasse, sein Auto und eine blaue Abfalltonne durchsucht worden. Dabei seien 23.814 Schuss Munition, zahlreiche Waffen und Irritationskörper [Irritationskörper sind beispielsweise Blendgranaten] gefunden worden. Diese seien nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen, dritte sowie die im Haus wohnenden minderjährigen Kinder des Angeklagten sowie seine Lebensgefährtin hätten jederzeit Zugriff gehabt. Gefunden worden sei eine halbautomatische Vollschusswaffe der Marke Glock. Eine Waffe der Marke Luger habe geladen und griffbereit im Flur gelegen. Es seien außerdem eine Luftdruckwaffe, ein Hieb- und Stichwaffe (beidseitig geschliffen) und ein Seitengewehr im PKW in der Ablage der Fahrertür gefunden worden.

Die Staatsanwältin geht dazu über, die einzelnen Munitionsteile, die in Kisten und Päckchen gefunden wurden, aufzuzählen. Diese seien an unterschiedlichen Stellen im Haus gefunden worden, u.a. im Eingangsbereich, im Wohnzimmer oder im Arbeitszimmer. Es habe eine Munitionstasche im Wohnhaus gegeben, alles sei unverschlossen gewesen, im Eingangsbereich habe ein Rucksack mit Munition gelegen. Bei einigen Teilen der Munition sagt die Anwältin dazu, dass diese „legale Empfänger“ gehabt hätten, bevor sie bei Marko G. gefunden wurden. Dabei nennt sie u.a. das LKA Hessen, das LKA Schleswig-Holstein, das LKA Mecklenburg-Vorpommern, einen Schießstand in Güstrow, die Spezialeinheit Nordbayern, die LZPD Duisburg und die Bundeswehr. Es sei auch im Wohnhaus ein Karton mit unbenutzten Bundeswehr-Übungsgranaten und Kriegswaffenmunition gefunden worden. Dass diese Munition dem Kriegswaffengesetz unterliege, sei dem Angeklagten wegen seiner Profession bekannt gewesen. Er habe gewusst, dass er sie nicht legal habe kaufen und besitzen dürfen.

G. habe in anderen Verfahren beschuldigte Personen gebeten, Munition aus dem LKA widerrechtlich zu beschaffen. Am 24.03.2016 habe G. dem SEK-Beamten P. geschrieben, er brauche Munition. P. habe geantwortet, er brauche erstmal selbst, er kümmere sich. Später habe P. geschrieben, wenn es klappen sollte, wieviel er brauche? G. habe geantwortet: „Soviel wie möglich.“ P. habe auch an Schießübungen teilgenommen. Am 27.01.2016 habe G. einen anderen SEK-Beamten aufgefordert, Munition zu beschaffen. Der Arbeitsname des SEK-Beamten sei „Tini“ [phon.] gewesen. G. habe geschrieben, dieser solle ihm Dinge besorgen. „Tini“ habe geantwortet: „Merke ich mir: bunker dann doppelt.“ Später fügte er hinzu, er werde sehen, was er noch von Arbeit besorgen könne.

Die StA führt aus, der Angeklagte habe eine Mülltonne bereit gestellt. Schon 2012 sei in einem Chat geschrieben worden: „Hallo Marko haben dir ‚Munni‘ in deine Tonne getan,“ G. solle sich das ansehen und sich dann melden. Diese Tonne habe auch 2017 im Eingangsbereich des Hauses gestanden. Die StA gehe davon aus, dass diese als ‚Briefkasten‘ verwendet wurde, wenn G. die Munition nicht persönlich entgegennehmen konnte. Die Tonne sei bei der Durchsuchung voll gewesen.

Bei der Durchsuchung seien alle Waffen und die gesamte Munition einem Zeugen übergeben und von diesem gesichert worden. Noch vor Ort sei Marko G. die Waffenbesitzkarte entzogen worden, damit er keine legalen Waffen mehr beziehen könne. Über dieses Verbot habe sich der Angeklagte hinweggesetzt. Er habe sich wieder Waffen und Munition besorgt. Am 12.06.2019 habe es eine weitere Durchsuchung von seinem Wohnhaus sowie seinem Bungalow in Zierow gegeben. Dabei seien Waffen und über 31.000 Schuss Munition gefunden worden.

Im Bungalow habe G. zwei Munitionskisten die unter das Kriegswaffenrecht fallen, gelagert. Der Anbieter dieser Munition verkaufe nur an Bundeswehr und Polizei. Weitere Munition sei im Wohnhaus gefunden worden. Erneut zählt die Staatsanwältin auf, was bei der Durchsuchung gefunden wurde. Darunter: Kartuschen mit CS-Gas, Sprengkörper, Plastikflaschen mit verschiedenen Pulvern, Pyroknallpatronen, Leuchtspurgeschosse, Irritationskörper, Signalrauch, Signalrauch mit Lichtspurgeschoss, Signalfackeln. Neben der Munition und Sprengkörpern seien gefunden worden: eine Luftdruckwaffe, Teleskopschlagstöcke, eine Streitaxt, mehrere Messer, teilweise beidseitig geschliffen, ein silberner Aktenkoffer mit einer Waffe der Marke Uzi, einem Schalldämpfer und einem Tragegurt. Es seien außerdem eine Waffe der Marke Winchester und weitere Druckwaffen gefunden worden. Fundeorte seien u.a. die Scheune und Vorratskammer gewesen. Eine Schreckschusswaffe habe man in der Küche auf dem Küchenschrank gefunden. Die Maschinenpistole Uzi mit Schalldämpfer sei im Wohnhaus gefunden worden. U.a. die Waffe der Marke Winchester sei zur Sachfahndung ausgeschrieben gewesen, sie sei im Dezember 1993 bei einer brandenburgischen Panzergrenadiereinheit entwendet worden.

Die Staatsanwältin liest erneut Paragraphen vor, nach denen das zu bestrafen wäre, es gehe um das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz sowie Sprengstoffgesetz. Hinzu kämen Diebstahl, Unterschlagung und Hehlerei. Sämtliche im Anklagesatz aufgezählten, bei den Durchsuchungen gefundenen Waffen und die Munition unterlägen der Einziehung.

Der Richter berichtet von Vorgesprächen u.a. zu einer möglichen Verständigung

Anschließend teilt der Vorsitzende Richter mit, es habe Erörterungen der Verfahrensbeteiligten im Vorfeld gegeben und verliest die Vermerke. Vermerk vom 07.11.2019: Es habe ein gemeinsames Vorgespräch zum Ablauf der Hauptverhandlung gegeben. Dabei habe das Gericht gesagt, ihm sei eine Konzentration auf die Vorwürfe wegen des Verstoßes gegen Waffengesetze und eine sachorientierte Hauptverhandlung wichtig. Die anderen Verfahrensbeteiligten hätten sich ebenso eine möglichst kurze Hauptverhandlung gewünscht, dem habe das Gericht zugestimmt. Die StA habe gesagt, bei einer vollständigen Einlassung des Angeklagten sei „argumentativer Raum für den Ausgang der Hauptverhandlung möglich“. Die Verteidigung habe ihr Ziel formuliert: zwei Jahre Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Daher sei eine Einlassung und Erklärung des Angeklagten denkbar. Sowohl StA und Gericht hätten die Chance auf zwei Jahre auf Bewährung zurückhaltend nach jetziger Aktenlage eingeschätzt. Der Richter habe angesprochen, dass eine erhebliche Beschleunigung der Hauptverhandlung möglich sei, wenn ein erheblich erweitertes Selbstleseverfahren genutzt würde, das sei besprochen worden. Allen sei an einer Verständigung gelegen. Außerdem sei besprochen worden, dass zu möglichen höheren Sicherheitsvorkehrungen eine Einschätzung des LKA eingeholt werden solle.

Es folgt der Vermerk zu einem Treffen am 14.11.2019, dieses habe im Anschluss an einen neu gefassten Haftbefehl stattgefunden. Alle Verfahrensbeteiligten seien zu der Auffassung gelangt, dass es vorstellbar sei, wenn der Angeklagte eine Erklärung und Einlassung abgäbe, dann könne dies zu zwei Jahren auf Bewährung führen. Der Richter habe gesagt, vor diesem Hintergrund werde die Hauptverhandlung gestaltet. Der Richter verliest einen Vermerk zum Treffen am 20.11.2019. Dabei habe die StA deutlich gemacht, dass nach erneuter Prüfung eine Verständigung nicht in Frage komme. Danach richtet sich der Vorsitzende Richter an Marko G. und sagt, es stehe ihm frei, sich zu äußern oder auch nicht, jetzt oder nach jeder Beweiserhebung.

Die erste Erklärung der Verteidigung

Ein Verteidiger G.s gibt daraufhin eine Erklärung ab. Sein Mandant bekenne sich zu den ihm objektiv vorgeworfenen Straftaten. Er werde sich zu den Motiven äußern. Ziel sei eine Versachlichung der Hauptverhandlung. Es gebe Behauptungen, die geeignet seien, der Hauptverhandlung eine Färbung zu geben, die dem Mandanten nicht gerecht werde, die Verteidigung wolle dem entgegentreten. Dann geht der Anwalt mit der Erklärung auf die Anklage ein. Bei der Behautpung, G. habe Waffen gesammelt, um Ziele ab 2015 umzusetzen werde verkannt, dass viel Munition und alle Waffen schon vorher in seinen Besitz gelangt seien. Beim Angeklagten seien die Grenzen zwischen legalem und ordentlichem Umgang verwischt. Es gehe aber an den Inhalten vorbei, wenn G. vorgeworfen werde, er hätte sich die Waffen in Vorbereitung auf äußere Gefahren besorgt. Die Verteidigung wolle zeigen, dass die Waffen nur Marko G. zur Verfügung gestanden hätten und niemand anderes Zugriff gehabt habe, er habe sie auch nicht weitergegeben.

Die Anklage spreche von regelmäßigen Treffen und Schießübungen, die von Marko G. organisiert worden seien, von einem menschenverachtenden Pokal, der von G. gewonnen worden sei. Dabei gebe es die Suggestion, G. sei Kopf einer paramilitärischen Gruppe gewesen, dies gehe aber fehl. Richtig sei lediglich eine Gruppe von 30 Personen, „überwiegend Väter und Mütter“. Diese hätten sich auf Unglücksfälle vorbereitet, sich dafür ausgestattet. Viele dieser Personen seien jagdberechtigt und Sportschützen. Richtig sei, dass es ein einzelnes Schießen bei H. gegeben habe, am Ende habe H. einen Pokal vorgestellt, Marko G. habe davon nichts gewusst. Später habe er sich schlau gemacht und Pokal vernichtet: „Auch Herrn G. ist eine solche Verunglimpfung eines NSU-Opfers zuwider.“

Die Verteidigung verstehe nicht, warum auf andere Verfahren in der Anklage Bezug genommen werde, hier würden Zusammenhänge suggeriert, die es nicht gebe. Eine Anfrage bei der StA habe gezeigt, es gebe keinen Verdacht auf Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat, daran habe sich bis heute nichts geändert. Der Anwalt äußert sich dann zu den gefundenen Namenslisten. Alle dem BKA vorgelegten Beweise seien einzeln einer Prüfung unterzogen worden, ob es in Zukunft Gefahr geben könnte. Von einer Gefährdung der Personen sei nach dem BKA derzeit nicht auszugehen. Der medial verbreitete Begriff „Todeslisten“ sei konkret und konsequent zurückzuweisen, sage das LKA. Nebenbei erwähnt der RA, dass auch die AfD auf diesen Listen zu finden sei. Es gebe bei keinen Tatverdacht auf eine staatsgefährdende Gewalttat. Marko G. habe sich mit Krisenszenarien und mit Waffen aus Gewohnheit befasst. In Untersuchungshaft habe er sich nun ein „ordentliches Leben als Familienvater vorgenommen“. Er empfinde Reue und Bedauern über sein Verhalten und werde die beruflichen und strafrechtlichten Konsequenzen tragen.

RA Kain, ein weiterer Verteidiger G.s, sagt, er finde das Verhalten der StA irritierend: G. sei seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft, die Verfahrensbeteiligten hätten vor zwei Wochen zusammengesessen und gesagt, man wolle sich einigen. Am Nachmittag vor Beginn der Hauptverhandlung habe die StA gesagt: „Nö, ist nicht.“ Dies sei eine überraschende Prozesssituation, das müsse mit dem Mandanten besprochen werden.

Der Vorsitzende Richter sagt, auch für das Gericht habe sich die Situation verändert. Die StA sagt dazu, es sei in der Tat so, an einer Absprache werde sie sich nicht beteiligen, weil dies eine strafmildernde Auswirkung haben könne. Das sei nochmal geprüft worden. Der Hintergrund sei ein nicht wieder gut zu machender Schaden, was das Vertauen in die Polizei angehe. Daher denke die StA nicht über Strafmilderung nach.

Der Richter wendet sich an die Öffentlichkeit, um diese zu „sensibilisieren“

Der Vorsitzende Richter sagt nun, es gebe ein großes öffentliches Interesse am Prozess, daher wolle er die Öffentlichkeit sensibilisieren, worauf es ankomme und worauf nicht. Es gehe darum, dass G. Waffen und Munition besessen habe, Gegenstand der Anklage sei nicht die Zugehörigkeit des Angeklagten zu einer Gruppe wie die der „Prepper“, Gegenstand ist auch nicht die politische Ausrichtung des Angeklagten. Das hiesige Gericht und die StA seien auch gar nicht zuständig für Existenz und Inhalt von etwaigen Todeslisten oder für die möglichen Straftatbestände „Vorbereitung staatsgefährdenden Gewalttat“ und „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“. Da wäre das OLG Hamburg zuständig. Relevant könnte die Motivation des Angeklagten sein. Es sei hier nur ein Angeklagter, die anderen Verfahren würden nicht gleich mit verhandelt. Der Richter legt nun eine Pause ein, auch damit die Verfahrensbeteiligten sich damit auseinandersetzen können, wie sie mit der neuen Situation umgehen wollen. Es folgt die Mittagspause.

Um 13:41 Uhr geht es weiter. Auch nach der Mittagspause grinst der Angeklagte nach oben zur Besucher*innentribüne und führt die Faust zum Herz.

Der Richter verliest einen Vermerk zum Treffen in der Mittagspause. Das Gericht habe den bisherigen Standpunkt bekräftigt. Die Verteidigung habe in den Raum gestellt, dass der Angeklagte sich auch ohne Verständigung einlassen könnte. Die Verteidigung sei weiterhin für eine kurze Hauptverhandlung. Der Richter habe bei dem Treffen betont, dass weder auf Verteidigung noch auf StA zeitlicher Druck ausgeübt werden solle. Es sei deutlich gemacht worden, dass die Einlassung weitere besondere Umstände, Reue sowie eine umfängliche Erklärung des Angeklagten zur persönlichen Wandlung beinhalten müsse. Außerdem sei besprochen worden, ob Verlesungen statt Zeugenvernehmungen in Betracht gezogen werden könnten. Im Gespräch sei angesprochen worden, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei, er stehe vor einem beruflichen Neuanfang, das Verfahren habe einen erheblichen Widerhall.

Die Einlassung des Angeklagten Marko G.

Der Richter wendet sich an Marko G. und fragt, ob dieser sich erklären wolle. RA Kain sagt, man habe etwas vorbereitet und liest die Einlassung von Marko G. vor. Sie ist in der ersten Person verfasst. Marko G. räumt darin ein, eine Maschinenpistole Uzi, eine Winchester und mehr besessen zu haben, ohne die Erlaubnis zu besitzen. Er habe gewusst, dass er das nicht gedurft habe. Er habe die Uzi bei der Waffenbörse „WBK“ in Kassel im November 2009 bei einem ihm Unbekannten gekauft. Vorher habe Marko G. den Verkäufer an einem Stand mit Dekowaffen kennengelernt, er, G., habe sich eine Uzi angeguckt. Da habe ihn der Verkäufer angesprochen, er habe noch eine echte Uzi im Auto. G. sei erst skeptisch gewesen, er sei aber mit auf den Parkplatz gegangen. Dort habe der Verkäufer im Kofferraum tatsächlich eine Uzi gehabt. Der Verkäufer habe gesagt, diese komme aus dem Balkan. „Leider siegte meine Faszination für Waffen und wahrscheinlich auch Abenteuerlust über meine Vernunft,“ so Marko G. Er habe beim Verkauf nicht darüber nachgedacht, er habe kein deutsches Beschusszeichen gesehen, weil es dunkel gewesen sei. Später habe er sich Gedanken gemacht und habe überlegt die Waffe zu legalisieren, entweder sie unschädlich zu machen oder sie beim BKA zu melden. Er sei immer zuverlässig gewesen, daher habe er sich eine Ausnahmeregelung erhofft. Er habe den Plan gehabt, das „irgendwann mal“ zu tun, er habe die Uzi in einem sicheren Schrank im Haus seiner Schwiegereltern verstaut. Bis diese gestorben seien, habe er sie fast vergessen. Dann habe er sie zu sich nach Hause geholt. Zu diesem Zeitpunkt [also nach der ersten Haussuchung 2017, die hier unerwähnt bleibt]sei seine berufliche Zukunft unsicher gewesen, aber er sei davon ausgegangen, dass er wegen Personalmangels zurück zum SEK könne, dann sei aber die zweite Haussuchung gekommen. Die Uzi und der Schalldämpfer seien gemeinsam nicht schussfähig, er hätte einen neuen Schalldämpfer besorgen müssen, wenn er mit beidem hätte schießen wollen, aber das wolle er ja gar nicht. Er habe außerdem ein Gewehr „im nostalgischen Westernstyle“ gekauft und dieses dann auf dem Dachboden vergessen.

Dann geht es um die blaue Tonne, die in der Anklageschrift Thema war. Es seien zwei Tonnen gewesen. In der dunkelblauen Tonne vor dem Haus seien nur Hülsen und keine Munition gewesen. Er und andere hätten am Schießstand festgestellt, dass dort die Messinghülsen nicht ordentlich recycelt würden, das hätten sie selber in die Hand nehmen wollen, darum sei es auch in der SMS mit der „Munni“ gegangen. „Munni“ sei ein Ausdruck für Hülsen nicht für Munition. Mit dem Recyclen hätten sie Geld verdient, damit seien sie Essen gegangen oder hätten eine Weihnachtsfeier gemacht. Der Gruppenführer Herr L. habe davon gewusst, er habe sich auch daran beteiligt.

Es gebe auch noch eine hellblaue Tonne, diese habe wirklich Munition enthalten. G. berichtet, er habe sie immer für schweres Gepäck oder Einkäufe genutzt, sie hätten an dem Tag wieder schießen wollen, er habe am Morgen vor der Durchsuchung schon etwas hineingetan, was dann gefunden wurde.

G. wisse, er hätte keine Doppelkernmunition besitzen dürfen, aber er sei davon ausgegangen, dass er wieder zum SEK zurückgehen würde, er habe fit bleiben wollen. Er habe Fachartikel gelesen, zu Herausgebern von Fachblättern Kontakt gehalten, er habe selber Artikel schreiben wollen. Da er bei seiner damaligen Position bei der Wasserschutzpolizei nicht an Munition gekommen sei, habe er sie sich ertauscht. Er sei in einem Dilemma gewesen, er sei natürlich exzellent ausgebildet gewesen, vor diesem Hintergrund habe er die Regeln nicht mehr beachtet: „Ich dachte doch, ich sei einer der Guten, die Regeln sind ja nur für die Bösen.“ Er habe recht gehabt, er sei einer der Guten gewesen: „Aber die Regeln gelten auch für die Guten, damit sie die Guten bleiben.“ Sein Selbstbild habe sich verschoben. Die Munition sollte bei Schießübungen verwendet werden, eine andere Verwendung habe es für ihn nicht gegeben.

Er habe ein großes technisches Interesse an Waffen, er habe sich sowohl beruflich als auch privat damit beschäftigt, er habe auch privat gern geschossen. So wie andere im Hobbyumfeld habe er auch andere Schützen beruflich und privat gekannt, so wie Motorradfahrer andere Motorradfahrer kennen. Die Munition und Waffen seien alle nur für ihn gewesen, das stimme nicht, dass er das für Gruppierungen besorgt habe. Er habe nur mit anderen Sammelbestellungen aufgegeben, weil es da „wie in anderen Lebensbereichen auch“ Rabatte gegeben habe.

Außerdem habe er ein großes Interesse am „Surviving“. Zu den Kontakten mit anderen Eliteeinheiten steht in der Einlassung des Angeklagten, es sei Eliteeinheiten eigen, dass sie grenzüberschreitende Kontakte miteinander hätten. Das werde vom Dienstherren gewünscht und auch befördert, weil man eng zusammenarbeite. So hätten sie im intensiven Austausch mit Kollegen aus der Schweiz, Österreich, Schweden und anderen skandinavischen Ländern gestanden.

Sie hätten Bedrohungsszenarien bei Treffen besprochen, wie Naturkatastrophen aber auch von Menschen gemachte wie Hackerangriffe. Sie hätten sich vor allem damit beschäftigt, was bei einem längeren Stromausfall wäre. Sie hätten auch dienstliche Berichte bekommen, beispielsweise von Waffenfunden bei Kriminellen: “Wir nahmen das ernst.“ Sie hätten sich über Vorbereitungen unterhalten. Der Löschkalk sei dabei für Feldlatrinen gedacht gewesen. Leichensäcke seien ebenso hilfreich aber nicht für Leichen, sondern als wasserdichte Hülle für Schlafsäcke, sie seien auch günstiger als wasserdichte Schlafsackhüllen gewesen, 2€ pro Stück. Ein Kollege habe dann einfach 30 Stück bestellt, bei solchen Überlegungen habe schwarzer Humor eine Rolle gespielt.

Auch der Begriff Safe House sei aufgekommen. Sie hätten auch etwas gefunden, eine verlassene Feriensiedlung am Fluss. Er hätte sich nicht mehr drum gekümmert: „Es ging ja nur um ein Gedankenspiel. Mit Abstand muss ich sagen, ich haben mich in die Szenarien so sehr reingesteigert“, dass er darüber eigentlich schmunzeln müsse, wenn es dann nicht so gekommen wäre, wie es gekommen ist.

Eines seien weder G. noch seine Mitstreiter gewesen: politisch. Er diene seit 1993 dem Staat, wenn er den Staat ablehnen würde, hätte er dies nicht getan. Er sei ein kritischer wertkonservativer Bürger, er stehe damit auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung, zu der er sich bekenne. Er und seine Kollegen würden lediglich einen schwarzen Humor pflegen, sonst sei der Alltag nicht zu bewältigen, aber: „Jegliche extremistische Tendenzen sind mir fremd.“ Zu Beginn der Gruppe „Nordkreuz“ habe jemand mit Nazigruß gegrüßt. G. als Administrator habe den Beitrag gelöscht, dem Teilnehmer gesagt, das gehe nicht und habe ihn aus der Gruppe rausgeworfen.

Zum Aufbau der Gruppe gibt G. an, jemand vom KSK sei zurückgekommen und habe gesagt, man wolle ein Netzwerk aufbauen, dieses solle geografisch gegliedert werden, jede Gruppe solle einen Administrator haben und es solle eine Administratoren-Gruppe geben. G. habe die Idee gut gefunden und sei beigetreten. Die Gruppe „Nord“ sei nicht zum Austausch gedacht gewesen, der Administrator habe Texte zu Bedrohungsszenarien eingestellt. So sei es nicht zu einem Austausch gekommen, das sei ihm, G., zu wenig gewesen, also habe er „Nordkreuz“ gegründet. Er habe das wichtig gefunden, dass sich die Leute gegenseitig kennen würden. Er wollte auch gemeinsame Workshops machen. „Nord.com“ sei nur zum Quatschen gewesen, genauso wie die Gruppe „Vier gewinnt“, diese sei auch nur zum Unterhalten gewesen, es haben keinen politischen Austausch gegeben. Er wisse nicht, was jeder Einzelne gedacht habe. „In jeder Gruppe wird es Menschen geben, die persönliche Probleme haben“, ohne das andere davon wüssten. „Ich habe auch Augen verschlossen, meine Begeisterung hat mich mitgerissen.“ Er habe es übertrieben. „Ich sehe, was ich falsch gemacht habe und bereue es.“ Dies gelte für die Auseinandersetzung mit Bedrohungsszenarien aber vor allem für die Auseinandersetzung mit Waffen. Dies habe seine Familie in eine schwere Situation gestürzt und das tue ihm leid. Für ihn als Polizisten bedeute Untersuchungshaft Isolationshaft, aber das trete dagegen in den Hintergrund. Er wisse was ihn strafrechtlich und beamtenrechtlich erwarte und werde sich dem stellen.

G.s Anwalt gibt auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters an, G. habe diese Erklärung selbst geschrieben.

Die Nachfragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft

Nach einer Unterbrechung sagt der Richter, zum Sachverhalt und zur Einlassung hätten das Gericht und die StA Nachfragen, vielleicht auch nochmal in den kommenden Sitzungen. RA Kain sagt, man würde Fragen mitschreiben, mit G. besprechen und dann beantworten. Der Richter fragt, ob alles, was in der Anklageschrift an Waffenbesitz und Lagerung enthalten ist, von G. objektiv und subjektiv eingestanden würde. RA Kain antwortet, ja, so sei die Einlassung gemeint gewesen. Der Richter fragt, inwieweit G. nach der Einziehung der Waffen und Munition auf alles verzichte. Auch hier antwortet der RA gleich, das sei noch nicht geklärt, es gäbe dabei auch Gegenstände wie Laptops. Aber auf alle Waffen und Munition werde verzichtet. Der Richter fragt zum geplanten Verlauf der Hauptverhandlung, ob der Angeklagte und die Verteidigung mit dem grundsätzlichen Verzicht auf weitere Zeugen als die vorgesehenen einverstanden wären. Weitere Zeugen würden durch Verlesungen ersetzt. Auch dies wird bejaht.

Inhaltlich sagt der Richter, er hätte gerne eine längere Erklärung zu den zwei Durchsuchungen 2017 und 2019. Wieso seien auch 2019 Munition, Waffen und Sprengstoff gefunden worden, obwohl alle Erlaubnisse entzogen worden seien. Und ob es dem Angeklagten klar gewesen sei, dass er ab 2017 alle waffenrechtlichen Erlaubnisse bis auf weiteres verloren habe. Der Richter führt aus, aus Zeugenaussagen ergäben sich Anhaltspunkte dafür, das Geld auch für Munition gesammelt worden sei. Außerdem hätten sich aus dem Kassenbuch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch eine zweistellige Anzahl an Personen ein vierstelliger Betrag, nämlich 7500 Euro, eingezahlt worden sei. Dieser sei 30.000 Schuss Munition ausgegeben worden. Aus dem Collegeblock ergebe sich, dass es innerhalb der Chatgruppen der Plan gewesen sein könnte, insgesamt 40.000 Schuss zu besorgen. Für alle inhaltlichen Fragen verweist der RA auf die nächste Woche.

Nun stellt die StA Fragen. Zunächst sagt der Staatsanwalt: „Um das mal ganz klar zu sagen: ich hatte mehr erwartet.“ Er fange mal von hinten an, ein ernsthaftes Bereuen sähe anders aus. RA Kain interveniert: „Ist das eine Erklärung oder eine Frage?“ Es folgt ein Wortwechsel, dann stellt der Staatsanwalt Fragen. Die Uzi solle 2009/2010 gekauft worden sein und G. habe sie verstaut. Wie genau, wo und wie könne die in Vergessenheit geraten, das erschließe sich ihm nicht. Der Angeklagte behauptet, „Munni“ sollten Reste von Munition sein: Warum? Die StA habe da ein anderes Verständnis davon. Er hätte gern mehr gehört zur Frage des „Safe House“ und mehr zu den Örtlichkeiten der verlassenen Ferienhaussiedlung, wie man darauf kam, wie sie genutzt werden sollte und wie lange. Er wolle wissen, wie es sein könne, dass man sich in eine Krisenvorsorge so hineinsteigern könne, dass sich eine Eigendynamik entwickele, über die man heute schmunzeln müsse. Er wolle wissen, warum gerade G. Administrator geworden sei und welche Aufgaben es da gegeben habe. Er wolle wissen, warum G. sage, keine der Chatgruppen sei politisch ausgerichtet gewesen. Er wolle wissen, inwiefern die Gruppe „Nord“ nicht auf einen Austausch angelegt gewesen sei, warum seien nur Einträge eingestellt worde. Es klinge etwas an, aber das sei zu wenig.

RA Kain erwidert laut: „Ich habe mehr erwartet von der Anklageschrift.“ Und sagt, wenn die StA so weitermachen wolle, könne man das machen. Fragen danach, wie etwas in Vergessenheit geraten könne, das sei eine Polemik: „So können wir das weiter machen, von mir aus gerne.“ Der Vorsitzende Richter interveniert und sagt, das Gericht sei zu so einer Auseinandersetzung und Hauptverhandlung nicht bereit.

Die Staatsanwältin sagt, sie habe auch noch Fragen. Sie fragt, über welche Waffenberechtigung G. verfügt habe oder noch verfüge. Sie fragt zu G.s beruflichen Werdegang beim SEK. Sie hakt nach, aufgrund welcher Umstände G. davon ausgegangen sei, dass er weiter beim SEK tätig sein könnte. Wie habe G. die Ausnahmeregelung beim BKA für die Uzi erlangen wollen und ob er da schon Schritte eingeleitet habe. Sie wolle wissen, ob G. im Rahmen der Chatgruppe Schießübungen vorgenommen habe und ob er Angaben bzgl. der Munition machen könne, deren Herkunft Polizeibestände seien. Sie fragt nach der Chatgruppe „Vier gewinnt“, um was es sich dabei handele, wer die Mitglieder seien, was die Zwecke und Ziele der Chatgruppe gewesen seien.

Damit endet der Verhandlungstag.

 

Munitionskisten zwischen Kühlschrank und Wand – Der Prozess gegen Marko G. – 2. Verhandlungstag
Protokoll vom 2. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 28.11.2019

Wie schon am ersten Prozesstag wird der Angeklagte Marko G. von mehreren Justizbeamten in Handschellen und Fußfesseln vorgeführt. Wieder grüßt er Personen auf der Besucher*innentribüne mit einem Lächeln, führt die rechte Hand zum Herz und grüßt erneut mit einer Kusshand. Unter den Besucher*innen sind mehrere Personen, die den Angeklagten kennen. Im Laufe des Prozesses hält er mehrfach mit ihnen Augenkontakt und nickt ihnen lächelnd zu.

Fragen an den Angeklagten Marko G.

Um 10:20 beginnt die Verhandlung. Es wird weitergemacht mit Nachfragen des Vorsitzenden Richters und der Staatsanwaltschaft (StA) an den Angeklagten, mit denen der erste Verhandlungstag geendet hatte. Der Richter verliest zu Beginn die Einlassung des Angeklagten G. vom ersten Prozesstag, in der er deutlich machte, auf die sichergestellten Waffen und Munition verzichten zu wollen und dass er sich zu den ihm vorgeworfenen objektiven Straftaten bekenne. Die Verteidigung und die StA haben dem nichts hinzuzufügen. Nun beginnt die Verteidigung mit der Verlesung von Ergänzungen zu den am Ende des ersten Prozesstages gestellten Fragen. Die an dieser Stelle getätigten Aussagen unterscheiden sich an keinem Punkt von der Einlassung des Angeklagten am ersten Prozesstag [siehe hier: Protokoll des 1. Verhandlungstages]. Nach der Verlesung der Verteidigung wollen Richter und StA weitere Fragen stellen. Daraufhin erläutert die Verteidigung, dass sie eigentlich gar nicht auf weitere Fragen, vor allem nicht auf die der StA, eingehen wolle. Der Angeklagte möchte dies aber tun, weil er Richter und StA entgegen kommen wolle und nicht den Anschein erwecken wolle, dass er nicht helfen wolle. Der Vorsitzende Richter stellt zu Beginn unter anderem die Frage, wie die in den ausgewerteten Chats getätigte Aussage von „notwendigen 40.000 Schuss Munition für den Krisenfall“ zustande gekommen sei. G. sagt daraufhin, dass er nicht wisse, wie diese Zahl zustande komme.

Nun beginnt die StA mit ihren Fragen. Sie geht erneut auf die bei der zweiten Hausdurchsuchung sichergestellte Uzi ein und fragt, wie er die Waffe hätte vergessen können. Der Angeklagte meint, dies sei ein unlogische Frage, aber da er mithelfen wolle, beantworte er sie dennoch. Er hätte die Waffe aus reiner Sammelleidenschaft erworben und nicht um sie benutzen. G. geht an dieser Stelle erneut auf die Situation des Uzi-Kaufs ein. Er habe den Verkäufer an einem Stand mit Dekowaffen kennengelernt und dass dieser ihm dann eine echte Uzi angeboten habe, die er im Auto habe. Erneut wiederholt der Angeklagte hier sein Zitat aus der ersten Einlassung, in der er aussagte, dass seine Faszination für Waffen und wahrscheinlich auch seine Abenteuerlust über seine Vernunft gesiegt hätten.

Die StA fragt daraufhin, wie der Begriff „Munni“ nicht Munition bedeuten könne, sondern für Munitionshülsen stehen solle, so wie G. es am ersten Verhandlungstag verlauten ließ. [Anm: Schon 2012 sei in einem Chat geschrieben worden: „Hallo Marko haben dir ‚Munni‘ in deine Tonne getan,“ G. solle sich das ansehen und sich dann melden. Diese Tonne habe auch 2017 im Eingangsbereich des Hauses gestanden. Die StA gehe davon aus, dass diese als ‚Briefkasten‘ verwendet wurde, wenn G. die Munition nicht persönlich entgegennehmen konnte. Die Tonne sei bei der Durchsuchung voll gewesen]. G. antwortet, dass innerhalb von Schießgruppen „Munni“ nun einmal der Begriff für Hülsen sei. Weiter fragt die StA nach dem „Safe House“. G. antwortet, die besagte verlassene Feriensiedlung an einem Fluss bei einem Motorradausflug entdeckt zu haben und diese habe alles geboten, was in einem Krisenfall nötig wäre. Hier geht G. dann auf Umstände wie fließendes Wasser etc. ein. Auf die Frage, wie es überhaupt dazu gekommen sei, sich mit einem „Safe House“ zu beschäftigen, sagt G., dass er sich zu häufig mit Krisenmeldungen und Katastrophen beschäftigt habe. Hier geht G. auf ein nicht näher beschriebenes Beispiel aus Tirol ein, was ihn darin bestärkt habe, sich mit Krisenfällen und wie man diese bewältigen könne, zu beschäftigen.

Als nächstes geht die StA auf die Rolle von G. als Administrator der „Nordkreuz“-Chatgruppe ein und fragt, ob er seine Rolle näher erläutern könne. Daraufhin greift die Verteidigung ein und verliest die Wikipedia-Definition des Begriffs „Administrator“. G. ergänzt, dass die Chatgruppe „Nordkreuz“ keine politische Ausrichtung gehabt hätte und es ihm fern gewesen wäre, etwas durch eine politische Brille zu betrachten. Weiter fragt die StA, welche Waffenbesitzkarten der Angeklagte geführt habe. G. antwortet, die gelbe, grüne und rote WBK. Nun fragt die StA nach der Chat-Gruppe „Vier gewinnt“. G. gibt an, die Gruppe sei eine Gruppe zum Unterhalten gewesen, zwischen ihm und den drei Reservisten J., S. und S. Die StA fragt, warum er nach der ersten Durchsuchung 2017 davon ausgegangen sei, noch einmal zum SEK zurückkehren zu können. G. antwortet, dass er an Schießübungen mit Kollegen teilgenommen hätte und daher das Gefühl gehabt und geglaubt habe, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum SEK zurückkehren zu können. Weiter wird gefragt, ob er im Rahmen der Chatgruppe Schießübungen organisiert habe. G. antwortet hierauf, dass er nur eine einzige Schießübung organisiert habe, an der zwischen 15 und 16 Personen teilgenommen haben sollen. Generell ginge es aber mehr um Workshops mit dem Thema Survival Training und ähnlichem.

Nun macht der Vorsitzende Richter weiter mit Fragen. Unter anderem spricht dieser die in einem Koffer sichergestellte Uzi und Schalldämpfer an. Er erläutert mit Verweis auf einen Sachverständigenbericht, dass in dem Koffer neben der Uzi und einem Schalldämpfer auch eine Mutter gefunden worden sei, mit der Uzi und Schalldämpfer schießfähig hätten miteinander verbunden werden können. Er fragt den Angeklagten, was er dazu sagt. G. sagt, er könne sich an keine Mutter erinnern. Als nächstes fragt der Vorsitzende Richter den Angeklagten zu einem Soldaten mit dem er bei einer Schießübung Munition getauscht haben soll und ob er sich an einen Namen erinnern könne. G. antwortet, dass ein Munitionstausch im Frühjahr 2017 bei einer Schießübung südlich von Wittenberg(e) [phon.] stattgefunden hätte, er sich aber an keinen Namen erinnern könne und nur vermute, dass es sich um einen Soldaten gehandelt habe, weil dieser so gewirkt und sich so verhalten hätte. Danach fragt der Richter, wie oft der Angeklagte sich normalerweise auf einen Schießplatz begeben hätte. G. antwortet „zwei Mal pro Woche“.

Danach fragt der Richter nach dem 28.08.2017, dem Tag der ersten Hausdurchsuchung und ob er sich auch an diesem zu einem Schießplatz begeben wollte. G. bejaht und sagt, dass er an diesem Tag auf den Schießplatz in Güstrow fahren wollte. Nun erläutert G. in einer längeren Ausführung den Tag der Hausdurchsuchung. Er sagt aus, er sei schon früh Morgens um 04:15 Uhr aufgestanden, da es in der Nacht sehr heiß gewesen sei. Er hätte kurz danach damit begonnen seine Fahrt zum Schießplatz in Güstrow vorzubereiten und habe angefangen, Waffen und Munition ins Auto zu verfrachten. Im Haus selbst sei es zum dem Zeitpunkt dunkel gewesen, da die Straßenbeleuchtung genug Licht geworfen hätte. Als er sich gerade umgezogen habe, habe er durchs Fenster Schatten wahrgenommen und dann ein Kratzen bzw. Schaben an der Haustür. Er sei an keiner Stelle davon ausgegangen, dass die Polizei ihm einen Besuch abstatten würde und habe daher als geschulter Polizist an Einbrecher gedacht. Daraufhin habe er seine Glock durchgeladen, entsichert und sei durch den Flur zur Haustür gegangen. An dieser Stelle formt der Angeklagte G. seine Hände zu einer Pistole und versucht darzustellen, wie er mit der Waffe in der Hand an der Haustür gestanden habe, um diese langsam zu öffnen. Dann beschreibt G. weiter, dass er nur mit Glück bemerkt habe, dass es sich vor seiner Haustür um Polizisten handele und er direkt die Hand von der Waffe genommen habe. G. sagt, hätte er es nur eine Sekunde später bemerkt, würde er heute nicht hier sitzen. Er sei völlig geschockt gewesen und könne sich an Todesschreie seiner Familie erinnern, die zu diesem Zeitpunkt im oberen Stockwerk des Hauses zugegen gewesen sei.

Nach dieser längeren Ausführung des Angeklagten geht der Richter auf eine bei der ersten Durchsuchung sichergestellte Liste ein, auf der Personen nach den Kategorien Name, Bewaffnung, Anzahl von Waffen und deren Kaliber aufgelistet gewesen seien. G. beginnt auszuführen, dass es in diesem Zeitraum (2017) Deutschland- und Europaweit einen „regelrechten Munitionsmangel“ gegeben hätte, von dem Laien natürlich nichts mitbekommen hätten. Aber dies sei in den sich auskennenden Kreisen eine große Sache gewesen. Hier geht er auf ein Beispiel eines Bekannten ein, welcher mit 9mm Munition gehandelt habe und diese sei „innerhalb kürzester Zeit ausverkauft“ gewesen. Weil er und seine Leute trotzdem hätten schießen wollen, hätte es diese Auflistung gegeben, um deutlich zu haben, wer was habe und wer was noch bräuchte. Sie hätten möglichst viel gekauft, weil sich dadurch deutliche Rabatte ergeben hätten. G. führt hier aus, auf welche Menge von Munition es welche Rabatte gebe. Die StA fragt an dieser Stelle, wieviel Schuss denn eine Person pro normaler Schießeinheit abfeuern würde. G. sagt, dass zwischen 500 und 1200 Schuss normal seien und bei 9mm Schützen 500-700. Bei Präzisionsschützen seien es 5-25 Schuss, „alles andere wäre Geballer“. Daraufhin fragt die StA, ob es üblich sei, Munition für „Schießfreunde“ mitzunehmen und zu tauschen [Anm: Geht hier wahrscheinlich auf den besagten Munitionstausch auf dem Schießplatz südlich von Wittenberg(e) ein]. An dieser Stelle schreitet die Verteidigung des Angeklagten ein und meint, dass es damit nun ausarten würde. Damit sind die Nachfragen zur Einlassung des Angeklagten beendet.

Zeugenanhörungen

Nun geht der Vorsitzende Richter zur bevorstehenden Zeugenbefragung über. Dafür gibt der Richter eine zweiseitige Liste mit den potenziellen Zeugen an die beiden Schöffen, die StA und die Verteidigung. Allein auf der ersten Seite der Liste sind bis zu 30 Namen zu erkennen. Am heutigen Verhandlungstag sollen allerdings nur vier Zeugen gehört werden. Die StA gibt an, die heutige Zeugenvernehmung abwarten zu wollen, um zu entscheiden, ob noch weitere Zeugen gehört werden sollen. Damit geht es in die erste Pause.

Patrick U., BKA, leitete die erste Hausdurchsuchung bei Marko G. am 28.08.2017

Nach der Pause geht es weiter mit der Zeugenvernehmung. Der erste geladene Zeuge ist Patrick U., 31 Jahre alt und Polizist beim BKA. Der Richter weist ihn darauf hin, dass er die Wahrheit sagen müsse, da er sich sonst strafbar machen würde und er alles was Vermutungen seien oder von anderen Personen stamme, kenntlich machen müsse. Der Richter fordert den Zeugen dazu auf, den Tag der Durchsuchung vom 28.08.2017 zu schildern. U. gibt an, an diesem Tag Durchsuchungsleiter bei der Durchsuchung damals als Zeugen geführten Marko G. im Rahmen der „Tag X“-Ermittlungen gewesen zu sein. Ziel sei es gewesen, Listen, Aufzeichnungen und möglicherweise auch Waffen zu finden. Am Morgen der Hausdurchsuchung hätten sie Marko G., seine Frau, sowie zwei seiner Töchter angetroffen. Eine Tochter soll sich nach Angaben von G. zu diesem Zeitpunkt in Neuseeland aufgehalten haben. Objekt der Durchsuchung waren das Haus von Marko G. sowie eine Gartenzelle, deren Durchsuchung durch den BKA-Beamten H. geleitet worden sei. Der Richter fragt, welche Art von Kräften an dem Einsatz teilgenommen hätten. U. antwortet: BKA, Bundespolizei, IT-Forensiker, sowie ein Beamter J., der Waffensachverständiger des LKA gewesen sei.

Nun bittet der Richter den Zeugen U. aufzuzählen, was genau sichergestellt worden sei.
U. antwortet, es seien mehrere elektronische Speichergeräte sichergestellt worden. Darunter USB-Sticks, mehrere Handys und mind. ein Laptop. Des Weiteren ein Taschenbuchkalender, ein Kassenbuch und weitere Aufzeichnungen. Darüber hinaus zwei Irritationskörper [Irritationskörper sind bspw. Blendgranaten], ein Langwaffenmagazin mit zehn Schuss, ein beidseitig geschliffener Dolch, diverse Schusswaffen, welche durch die Waffenbesitzkarten bekannt seien, und die G. damit legal besessen habe, in der Speisekammer und dem Fahrzeugsafe, sowie eine Schusswaffe im Flurbereich. Der LKA-Sachverständige habe die Waffen überprüft und festgestellt, dass eine Waffe, die Marko G. legal bessessen hatte, verkauft worden sei, sowie eine weitere nicht aufgefunden werden konnte. Weiter führt U. aus, dass sehr viel Munition gefunden worden sei. Einige Munitionskisten in einem Tresor in der Speisekammer, weitere waren in verschiedenen Zimmern im Haus verteilt. U. gibt an, dass es ihm nicht nach einer sachgerechten Lagerung ausgesehen habe.

An diesem Punkt sei der Beamte Matthias H. hinzugezogen worden, ein Beamter des Landrates Parchim, welcher dort für Waffenrecht und die Ausstellung von Waffenbesitzkarten zuständig sei. Mit ihm sei beschlossen worden, Marko G. die Munition und Waffen zu entziehen. An diesem Punkt der Verhandlung empört sich die Verteidigung des Angeklagten über die Aufzeichnungen des Zeugen U. und fordert, dass er sie zuklappen solle. Dem kommt der Zeuge nach und sagt, dass er bisher seine Aufzeichnungen fast gar nicht genutzt habe und er sie vor allem angefertigt habe, um seine Aussagen zu strukturieren. U. macht danach ohne seine Aufzeichnungen weiter und gibt an, dass die Durchsuchung um 16:00 Uhr geendet habe und G. die gesamte Durchsuchung über kooperativ und auskunftsfreudig gewesen sei und er bspw. bereitwillig die Pins für die elektronischen Geräte übergeben hätte. Nun fragt der Richter, was für einen Eindruck das Untersuchungsobjekt auf U. gemacht habe. U. antwortet, dass das Wohnobjekt von G. einen sehr unordentlichen Eindruck gemacht hätte und das es ihm so vorgekommen sei, als wisse G. selbst nicht mehr wo etwas liege. Zum Schluss seiner Ausführung gibt der BKA-Beamte U. an, dass ihm aufgefallen sei, dass zwischen G. und dem hinzugezogenen Beamten des Landrates, H., ein Kennverhältnis vorliege, was beide auf Nachfrage auch bestätigt hätten.

Nach den Ausführungen des Zeugen U. beginnt der Richter mit weiteren Fragen. Zu Beginn fragt er, was G. nach dem Eintreffen der Polizei gesagt habe und wie die Lagerung der aufgefundenen Munition gewesen sei. Nach Aussage von U. gab G. auf Nachfrage an, geweckt worden zu sein [Anm: Widerspruch zur vorher selbst getätigten Aussage, dass er seit 04:15 wach gewesen sei]. Zur Lagerung der Munition sagt U., dass er es nicht mehr genau wisse, schätzungsweise seien aber 50% der Munition gesichert gelagert gewesen, sowie 50% ungesichert. Weiter fragt der Richter danach, wo die Munition und die Waffen nach der Durchsuchung gelandet seien und was der hinzugezogene Beamte H. des Landrates Parchim mitgenommen habe. U. gibt an, dass H. die gesamte Munition mitgenommen habe, bis auf die sichergestellten Irritationskörper und die zehn Schuss Langwaffenmunition, diese seien durch das BKA gesichert worden. Der Richter fragt weiter, was mit den Waffen geschehen sei. U. antwortet, dass alle Waffen vom Beamten H. mitgenommen worden seien und keine beim Angeklagten zurückgeblieben seien. Nun möchte der Richter wissen, wie sich der Angeklagte gegenüber der Mitnahme der Waffen verhalten habe. U. antwortet, dass G. geknickt schien über die Mitnahme der Waffen und fügt hinzu, dass G. sich über den Einsatz der Spezialkräfte beschwert hätte. Auf Nachfrage gibt U. an, dass mind. 50 Lichtbilder von der Situation vor Ort gefertigt worden seien, sowie Skizzen und ein detaillierter Bericht der Durchsuchung.

Nun beginnt die StA mit ihren Fragen. Zu Beginn fragt die StA wo und auf welche Weise verpackt die Munition aufgefunden wurde. U. gibt an, dass die Munition in unverschlossenen Boxen, sowie in Kartons im Schuppen gefunden worden seien. Das mit zehn Schuss gefüllte Langwaffenmagazin wäre in einer taktischen Weste im Arbeitszimmer gefunden worden, sowie Teile eines Glock-Magazins in einem Rucksack im Flur. U. erläutert, dass es vor allem um Gegenstände über Anschlagspläne der Beschuldigten im Rahmen der „Tag X“- Ermittlungen ginge und über Informationen über die Beschaffung von Waffen. Die StA fragt weiter, ob Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetz gefunden worden sei. U. gibt an, dass er es nicht genau wisse, da er im Nachgang nicht mehr beteiligt gewesen sei. Allerdings hätte ein Verdacht bei dem mit zehn Schuss gefüllten Langwaffenmagazin bestanden. U. antwortet auf Nachfrage der StA weiter, dass neben Waffen und Munition noch Benzinkanister, große Essensvorräte, sowie Schnapsflaschen gefunden worden seien, allerdings keine Leichensäcke oder Löschkalk oder etwas, dass als solches hätte interpretiert werden können.

Nun möchte die StA wissen, warum der Sachverständige J. des LKA zugegen war. U. antwortet, dass dieser in Bereitschaft versetzt gewesen worden sei, für den Fall das Waffen gefunden würden. Auf Nachfrage gibt U. an, dass dieser während der Stürmung des Durchsuchungsobjektes nicht zugegen gewesen sei. Die StA fragt, ob G. nach Eintreffen der Polizei gesagt habe, dass er vorhabe, an diesem Tag Schießen zu gehen, was U. bejaht. Nun fordert die StA, dass der Zeuge U. eine Skizze anfertigen soll, auf der er kennzeichnen soll, wo genau die blaue Tonne gefunden worden sei, in der eine große Menge Munition gefunden worden sei. Der Zeuge tritt nach vorne an das Pult des Richters und beginnt zu zeichnen. Die StA und ein Teil der Verteidigung gehen ebenso an das Pult des Richters und begutachten die Zeichnung. Währenddessen beginnt der Angeklagte G. an seinem Platz selbst eine Zeichnung anzufertigen und tritt dann auch an das Pult des Richters, bekommt allerdings keine Sicht auf die Zeichnung des Zeugen. Was an diesem Punkt von Richtern, StA, Verteidigung und Zeuge besprochen wird, ist nicht wahrzunehmen. Zurück an seinem Platz erinnert sich U., dass der beidseitig geschliffene Dolch an der Fahrerseite im Auto in der Einfahrt gefunden worden sei.

Die StA hat keine weiteren Fragen und die Verteidigung beginnt, Fragen zu stellen. Die Verteidigung fragt, was denn gemäß dem Durchsuchungszweck gefunden worden sei. U. antwortet, dass verschiedene Datenträger, sowie Notizen sichergestellt worden seien. Die Verteidigung fragt weiter, was an Sport- bzw. Sammlerwaffen gefunden worden sei, woraufhin der Zeuge keine Angaben macht. Nun beginnt noch einmal die StA den Zeugen zu befragen. Hier geht die StA auf das Kennverhältnis zwischen dem Angeklagten G. und dem hinzugezogenen Beamten H. ein. U. gibt nur an, das ihm das aufgefallen sei, er aber keine weiteren Angaben machen könne. Zum Schluss fragt die StA, welche Objekte genau Ziel der Durchsuchung waren. U. antwortet, dies seien das Wohnhaus, die Gartenparzelle, das Auto, ein Motorrad sowie ein offener Anhänger gewesen. Damit endet die Befragung des ersten Zeugen Patrick U.

Matthias H., Beamter des Landrates Ludwigslust-Parchim, u.a. zuständig für die Erteilung von Waffenbesitzkarten

Zu Beginn belehrt der Richter den Zeugen H., die Wahrheit zu sagen und fragt dann, ob er den Tag der Hausdurchsuchung am 28.08.2017 schildern könne. H. schildert, dass er angerufen und gebeten worden sei, zu kommen und dass er es nicht hätte glauben können, als er den Namen der Person hörte, bei dem die Durchsuchung durchgeführt würde. Der Richter fragt weiter, was seine Aufgabe am Ort der Durchsuchung gewesen sei. H. gibt an, dass er als Zeuge gerufen worden sei und um die Waffen zu begutachten, da er für die Erteilung von Waffenerlaubnissen im entsprechenden Verwaltungsbereich zuständig sei. Er habe nur dagestanden und sei dann gefragt worden, ob die Anzahl der Waffen normal sei. Der Richter fragt, was er denn geantwortet habe und ob es ihm normal erschienen sei. H. antwortet, dass ihm die Anzahl der Waffen normal erschienen sei, auch im Vergleich zu anderen Sportschützen. Vor Ort habe er nichts Illegales an Waffen oder Munition feststellen können. Gemeinsam mit dem BKA habe er dann beschlossen, die Waffen und die Munition mitzunehmen und zu begutachten. Der Richter fragt, ob er richtig verstehe und er vor Ort nichts Illegales an Waffen und Munition habe feststellen können und trotzdem alles mitgenommen habe. H. antwortet, dass die heutige Munition zu speziell sei, um dies vor Ort zu entscheiden. Der Richter fragt weiter nach der Lagerung der Munition und ob diese sachgerecht gewesen sei. H. gibt an, dass die Munition seiner Ansicht nach wohl sachgerecht gelagert worden sei und das er die Tonne mit der Munition nicht gesehen habe. H. wiederholt an dieser Stelle, dass er lediglich als Zeuge bei der Durchsuchung zugegen gewesen sei.

Der Richter fragt nach, ob er sich also vor Ort selbst vom Zeugen zum Beamten gemacht habe. H. bejaht dies und gibt weiter an, dass die Beamten des BKA ihm geholfen hätten, die Waffen und die Munition zu verladen und das er allesm was G. legal besessen habe, mitgenommen habe. Der Richter fragt nun, ob er die Waffen quantifizieren könne. H. sagt, dass er das nicht könne, aber in den Akten alles verzeichnet sei. Der Richter fordert den Zeugen auf, dass er einen Blick in die Akten werfen soll. Nach einem Blick in die Akten gibt H. an, dass er insgesamt 25 Waffen und Waffenteile mitgenommen habe. Der Richter fragt weiter, was H. dem Angeklagten G. am Tag der Durchsuchung gesagt habe. H. gibt an, dass er G. gesagt habe, dass er leider alles mitnehmen müsse und dass eine Prüfung vollzogen werden würde. Der Richter fragt nach der rechtlichen Einschätzung von H. und ob es trotz Entzug der Waffenbesitzkarte erlaubt sei, Waffen oder Munition zu erwerben. H. antwortet, dass dies ohne Besitz einer Waffenbesitzkarte nicht erlaubt sei. Der Richter fragt, was mit der bereits erworbenen Munition des Angeklagten geschehen sei. H. sagt, dass alles sichergestellt und mitgenommen wurde. Die Frage des Richters, ob H. glaube, dass am Tag der Durchsuchung noch irgendwo mehr Munition gewesen sein könnte, verneint H. Der Richter fragt H., was die Polizei nach der Durchsuchung mitgenommen hätte, woraufhin H. sagt, dass die Polizei alles „ohne Erlaubnis“ mitgenommen habe. Auf die Frage des Richters, wann denn nun der Wiederrufungsbescheid für die Waffenbesitzkarte und Munitionsbesitzkarte an den Angeklagten G. zugestellt worden sei, antwortet H., dass diese dem Angeklagten am 17.09.2019 zugesandt worden sei. Der Zeuge H. gibt auf Nachfrage an, dass er diese an die Wohnadresse des Angeklagten gesandt habe, da er nichts von der Inhaftierung von G. gewusst habe. An dieser Stelle empört sich die Verteidigung lautstark und einer der Anwälte sagt, dass das doch nicht wahr sein könne.

Nach dieser kurzen Intervention fragt der Richter weiter, wo denn die Waffen zum jetzigen Zeitpunkt seien. H. gibt an, dass keine der Waffen mehr beim Landrat seien, sondern alle beim LKA. Der Richter fragt nun, was genau ein EU-Feuerwaffenpass sei. H. antwortet, dass dies sozusagen ein Reisepass für Feuerwaffen sei, jedoch nicht zum Erwerb von Munition oder Waffen legitimiere. Der Richter kommt auf den Tag der Durchsuchung zurück und fragt warum der Zeuge nicht es hätte glauben können, als er den Namen der Person gehört habe, zu dessen Hausdurchsuchung er gerufen worden sei. H. gibt an, dass er G. als Polizeibeamten gekannt habe und er ihn auch öfters Fragen bzgl. Waffentechnik u.ä. hätte stellen können. Auch hätte er nicht glauben können, dass die Durchsuchung im Rahmen von Ermittlungen gegen sogenannte „Prepper“ stattgefunden hätte. Der Richter fragt erneut nach, ob H. es nicht geglaubt habe, weil es um die Person G. ginge oder weil es allgemein um einen Polizeibeamten ginge. H. gibt an, dass es dabei nicht speziell um die Person G. gegangen sei, sondern dass er es allgemein nicht hätte glauben können, weil es sich um einen Polizeibeamten gehandelt habe. Weiter fragt der Richter, welche Art von Kontakt H. mit dem Angeklagten G. gehabt habe. H. antwortet, der Kontakt sei „locker“ gewesen. Wenn G. Waffen erworben habe, sei er zu ihm gekommen und auch andersherum sei er selbst an G. herangetreten, wenn er zum Beispiel waffentechnische Fragen gehabt hätte.

Der Richter geht zu Fragen bzgl. der Widerrufung der Waffenbesitzkarte des Angeklagten über und fragt, warum er den Widerrufungsbescheid erst so spät, zwei Jahre nach der Entziehung der Waffenbesitzkarte, an den Angeklagten übersandt habe. H. gibt an, dies viel früher gemacht habe machen wollen, allerdings hätten Informationen gefehlt. Hier nuschelt der Zeuge stark und ist kaum zu verstehen. Es ist zu verstehen, dass Informationen zur Lagerung der Munition gefehlt hätten. Der Richter fragt, wann er denn den Bescheid ursprünglich hätte anordnen wollen. H. sagt, dass er dies hätte viel früher machen wollen, woraufhin der Richter sagt, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte von Marko G. scheinbar keine Priorität gehabt habe. H. sagt daraufhin, dass die Sache von Herr G. nun einmal nicht die Einzige gewesen sei, um die er sich hätte kümmern müssen.

Nun fragt der Richter, ob dem Zeugen bekannt sei, wie viele Personen es in seinem Verwaltungsbereich mit „roter Waffenbesitzkarte“ gebe. H. gibt an, dass dies im Verwaltungsbereich Ludwigslust-Parchim zwölf Personen seien. Der Richter fragt, zu welchem Zeitpunkt der Widerrufungsbescheid für die Waffenbesitzkarte von Marko G. fertig gewesen sei. H. antwortet, dass der Bescheid schon 2018 zum Abschicken bereit gewesen sei, aber eben Dinge dazwischen gekommen seien. Der Richter fragt daraufhin, ob der Zeuge nach der Durchsuchung 2017 nicht gedacht habe: „jetzt müssen wir sofort die Widerrufung einleiten“. H. verneint dies.

Jetzt geht die StA dazu über, dem Zeugen Fragen zu stellen. Als erstes fragt die StA in welchem Verhältnis er zum Angeklagten G. stehe und wie sich ansprechen würden. H. anwortet, dass er den Angeklagten G. mit Marko ansprechen würde. Die StA stellt zur gefundenen Munition und fragt, ob Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes bei der Durchsuchung gefunden worden sei. H. sagt, dass ihm am Tag der Durchsuchung selbst nichts diesbezüglich aufgefallen sei und er später Fachmänner hinzugezogen habe. Die StA fragt H., wie er normalerweise vorgehen würde, wenn er so etwas wie am Tag der Durchsuchung sehen würden. H. gibt daraufhin an, dass er in so einem Fall erst einmal nicht davon ausgehe, dass es sich um Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes handele. Die StA fragt, seit wann H. Waffenrechtler beim Landratsamt sei. H. antwortet, seit 1991. Nun fragt die StA, wann es sich für ihn bestätigt habe, dass es sich um Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes handele und wie er in einem solchen Fall üblicherweise vorgehen würde. H. sagt aus, dass er es nicht wisse und nachschauen müsse. Nachdem der Zeuge in seinen Akten nachgeschaut hat, sagt er aus, dass er im Dezember 2017 Munition zu Überprüfung ans LKA gegangen sei. Allerdings wisse er nicht, ob oder wann er Informationen über Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetz bekommen habe.
Die StA fragt nun, ob er bei der Durchsuchung gesehen habe, wie viele Waffenschränke es im Haus des Angeklagten gegeben habe und wie diese ausgesehen haben. H. sagt, er wisse, dass es zwei Schränke gegeben habe, aber nur einen gesehen habe und nicht einschätzen könne, ob diese für ihren Zweck ausreichend gewesen seien.

Die StA sagt, dass H. Waffen bzw. einen Teil der Waffen an einen Waffenhändler weitergegeben habe. Sie möchte vom Zeugen wissen, ob er noch wisse, welcher Waffenhändler Waffen von G. bekommen habe. H. gibt an, dass es ein Waffenhändler aus Güstrow gewesen sei, ihm allerdings kein Name einfallen würde. Die StA sagt, dass sie ihm da helfen könne und fragt, ob es Robert T. oder Frank T. gewesen sein könnten. Der Zeuge H. antwortet, es sei Frank T. gewesen. Die StA gibt weiter an, dass zu einem bestimmten die Zeitpunkt die Waffen von Frank T. an H. wieder zurückgegeben worden seien und fragt, mit welcher Begründung dies geschehen sei. H. antwortet daraufhin, dass T. meinte, dass er eine größere Waffenlieferung bekommen habe und daher kein Platz mehr für die Waffen von G. sei. Nun fragt die StA, ob der Zeuge sich generell zur sachgemäßen Lagerung von Waffen und Munition äußern könne. H. führt daraufhin aus, welche Art der Lagerung sachgemäß sei.

Nun geht die Verteidigung dazu über, Fragen an den Zeugen H. zu stellen. Als erstes fragt die Verteidigung den Zeugen H., welche Art von waffenrechtlicher Ausbildung er habe. H. gibt an, keine Ausbildung zu haben, sondern lediglich Schulungen beim LKA wahrnehmen würde. Nun beginnt einer der Verteidiger des Angeklagten aus einem Gesetzestext Bedingungen zu verlesen, aufgrund derer die Waffenbesitzkarte einer Person vorläufig entzogen werden könne und gibt bspw. die Bedingung der „missbräuchlichen Verwendung“ an. Nach der Zitation der Gesetzestexte sagt derselbe Verteidiger, dass H. die Waffen doch nur mitgenommen habe, weil ihm jemand gesagt habe, es gehe um Ermittlungen bezüglich der „Prepper“-Szene. H. sagt daraufhin, dass dieser Umstand nur ein geringer Teil seiner Beweggründe gewesen sei. Eher hätte ihn die „auffällige Lagerung der Waffen“ dazu bewegt. H. gibt an, dass zum Beispiel eine Schreckschusswaffe in einem Kinderzimmer gefunden worden sei und ein Luftgewehr ungesichert im Schuppen. Die Verteidigung fragt nun den Zeugen, ob dieser in irgendeiner Weise bedrängt worden sei, den Widerrufungsbescheid für die Waffenbesitzkarte von Herrn G. auszustellen. H. verneint dies.
Die Verteidigung fragt weiter, was genau die „rote Waffenbesitzkarte“ sei und welche Form der „roten Waffenbesitzkarte“ der Angeklagte G. besessen hätte. H. gibt an, dass die „rote Waffenbesitzkarte“ an Waffensammler und Waffensachverständige ausgegeben werde und das G. die „rote Waffenbesitzkarte“ eines Waffensachverständigen besessen habe. Als letztes stellt die Verteidigung mehrere Fragen zum aufgefundenen beidseitig geschliffenen Dolch und fragt, ob dieser möglicherweise ein etwa 70 Jahre altes Bajonett sein könne. H. sagt aus, dass er dazu keine Angaben machen könne und kein Waffensachvertändiger sei. Damit endet die Befragung des zweiten Zeugen H.

Stefan K., LKA, Objektleiter bei der zweiten Durchsuchung bei Marko G. am 12.06.2019

Wieder belehrt das Gericht den Zeugen K. und fragt als erstes, ob er die Durchsuchung beim Angeklagten am 12.06.2019 schildern könne. Der beginnt mit seiner Aussage und gibt an, dass er für den Tag der Durchsuchung ursprünglich als Durchsuchungskraft hätte eingesetzt werden sollen. Am Durchsuchungsobjekt angekommen sei ihm vom GSG9 der festgenommene G. übergeben worden und er hätte ihn belehrt. Daraufhin hätte ihm der Einsatzleiter des LKA, der Beamte D., die Objektleitung übergeben. Danach sei D. mit dem Beschuldigten G. zur Befragung nach Schwerin gefahren. Für die Durchsuchung des Objektes habe er, K., im Laufe des Tages mehrfach Verstärkung angefordert. Vor Ort habe er die einzelnen Zimmer des Durchsuchungsobjektes nummeriert und für die einzelnen Räume Verantwortliche bestimmt, die eigenverantwortlich die Durchsuchung und Sicherstellung durchgeführt hätten. Sie hätten Waffen, Munition und Polizeiausrüstung gefunden. Der Richter fragt den Zeugen, ob er das Aufgefundene auflisten und quantifizieren könne. K. gibt an, folgendes gefunden zu haben: zwei Waffenschränke gefüllt mit Munition, die vor Ort geschätzt grob 10.000 Schuss umfasst habe und erst später genau ausgezählt worden sei. Und weiter eine Uzi, eine Winchester, sowie eine Schreckschusspistole in der Küche auf einem Schrank.

Der Richter fragt erneut, welche Waffen genau gefunden wurden. K. antwortet daraufhin, dass noch ein alter, rostiger Karabiner gefunden worden sei. Der Richter fragt weiter, ob die Waffen in Waffenschränken gefunden worden seien. K. gibt dazu an, dass die Winchester nicht in einem Schrank gefunden worden sei und die Uzi in einer Kiste gelegen hätte. Der Richter fragt, ob auch andere Dinge Gegenstand der Durchsuchung gewesen seien. K. antwortet, dass Anlass der Durchsuchung der mutmaßliche Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gewesen sei, daher das Auffinden von Waffen oder Munition das Ziel gewesen seien. Der Richter fragt daraufhin, ob denn bei der Durchsuchung diesbezüglich etwas festgestellt worden sei und ob sich die Durchsuchung auch auf andere Gegenstände bezogen habe. K. gibt daraufhin an, dass natürlich auch Datenträger u.ä. sichergestellt worden seien, um festzustellen, wie bspw. die Munition beschafft worden sei. Weiter gibt K. an, er wisse nicht, ob Munition im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetz festgestellt worden sei, da er im Nachgang nicht mehr an Ermittlungen beteiligt gewesen sei.

Nun befragt die StA den Zeugen mit mehreren Fragen zu der sichergestellten Uzi. Der Zeuge kann erst nicht genau sagen, ob diese in einer Kiste oder einem Koffer gefunden worden sei. Generell sagt er mehrfach aus, dass er keine Angaben machen könne, da er nicht mehr der Ermittlungsgruppe angehöre und am Tag selbst auch nicht alles eingesehen habe, da verschiedene Beamte für die einzelnen Räume zuständig gewesen seien. Damit wird die Befragung des dritten Zeugen beendet.

Andre S., LKA, Durchsuchung des Bungalow des Angeklagten vom 12.06.2019

Wie gewohnt wird der Zeuge zu Beginn durch den Richter belehrt. Danach fragt der Richter den Zeugen S., ob dieser die Durchsuchung des Bungalow des Angeklagten vom 12.06.2019 schildern könne. Der Zeuge gibt an, die Durchsuchung des Bungalows geleitet zu haben und gemeinsam mit drei weiteren Beamten sowie einem Spürhund durchgeführt zu haben. Den Schlüssel für den Bungalow habe er von dem LKA-Beamten K. erhalten, welcher die Durchsuchung des Wohnhauses geleitet habe. In dem Bungalow hätten sie zwei Munitionskisten in einer Lücke zwischen Kühlschrank und Wand gefunden. Weitere Waffen, Munition oder ähnliches hätten sie nicht sicherstellen können. Der Richter fordert den Zeugen auf, näher zu beschreiben. S. führt aus, dass die Munition in militär-grünen Metallkisten aufgefunden worden sei. Teilweise wäre die Munition sachgerecht verpackt gewesen und teilweise schien sie lose in die Kisten geschüttet worden zu sein. Ein Kollege hätte festgestellt, dass es sich um Nato-Munition handele. An einem Punkt sei die Mutter des Beschuldigten zum Durchsuchungsobjekt gekommen, da sie bemerkt hätte, das Personen an und in dem Bungalow ihres Sohnes seien. Ab dem Moment habe die Mutter der Durchsuchung beigewohnt. Auf Nachfrage gibt der Zeuge S. an, nicht mehr zu wissen, ob er und seine Kollegen uniformiert oder in zivil die Durchsuchung durchgeführt hätten. Er könne sich lediglich daran erinnern, dass der Spürhund als Polizeihund gekennzeichnet gewesen sei.

Der Richter fragt, woran der Kollege erkannt habe, dass es sich um Nato-Munition handeln könne. S. antwortet, dass ihm der Kollege gesagt habe, dass er dies an der Größe und einer farblichen Markierung festmachen könne. Der Richter fragt weiter, was mit der Munition danach geschehen sei. Der Zeuge gibt an, diese in einen Wagen verladen und zum LKA gebracht zu haben.
Auf Nachfrage gibt S. an, dass neben der Munition keine weiteren Dinge sichergestellt worden seien. Zum Schluss fragt der Richter, wie viel Schuss Munition sichergestellt worden seien. S. antwortet, dass es ungefähr 1.500 Schuss gewesen seien. StA und Verteidigung haben keine Fragen an den Zeugen und somit endet auch diese Befragung.

Der Richter gibt bekannt, dass der nächste Verhandlungstag am 12.12.2019 stattfinden wird. Am dritten Verhandlungstag soll der Werdegang des Angeklagten G., sowie die Sichtung von Bildern auf der Tagesordnung stehen. Falls die StA oder die Verteidigung noch weitere Zeugen hören möchten, hätten sie die kommenden zwei Wochen Zeit diese zu laden.

„2000 Mann treten uns bei, alle verteidigungsfähig.“ – Der Prozess gegen Marko G. – 3. Verhandlungstag

NSU-Watch Protokoll vom 3. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 12.12.2019

Der Angeklagte Marko G. grüßt erneut Menschen auf der Tribüne für Besucher*innen des Prozesses, 09:30 Uhr beginnt der Prozesstag. Es sollen vier Zeugen gehört werden, die Staatsanwaltschaft (StA) erklärt, sie wolle keine zusätzlichen Zeugen laden. Der Richter sagt, dass die StA habe am Nachmittag zuvor noch mitgeteilt, dass sie zusätzlich den Zeuge Le. vom LKA hören wolle, der sei geladen worden. Der Staatsanwalt sagt, man habe intensiv diskutiert, wie sie mit der Verfahrenseinschränkung umgehen wollen. Am letzten Verhandlungstag hatte das Gericht angedeutet, man könne die Vorwürfe wegen der unsachgemäßen Lagerung der Waffe der Marke Glock fallenlassen. G. hatte zuvor angegeben, er hätte kurz vor der Durchsuchung Geräusche gehört, und sei mit der durchgeladenen Glock zur Haustür gegangen. Als er die Polizei bemerkt habe, habe er die Waffe fallen gelassen. Die Waffe wurde bei der Durchsuchung im Flur des Hauses gefunden. Die StA sagt nun, man werde der Verfahrensbeschränkung nicht zustimmen: „Wir sind der Wahrheit verpflichtet.“ Das Gericht solle dies nicht fallen lassen sondern den Angeklagten ggf. freisprechen.

Zeugenanhörungen

Oliver Le., Polizeibeamter beim LKA, wafffenrechtliche Einschätzung und Gutachten für das LKA Hamburg

Der Staatsanwalt sagt, der Zeuge Le. solle seinen Aufgabenbereich darstellen. Le. sagt, er habe die primären Verkaufs- und Veräußerungswege der Munition ermittelt, bis zum ersten Empfänger. Anhand von sogenannten Losnummern könne man das Herstellungsdatum und den Hersteller feststellen. Er habe die Verfügung der Staatsanwaltschaft am 26.08.2019 erhalten, dann sei beim LKA eine Katalogisierung erfolgt. Die StA fragt, ob er die Munition im Einzelnen benennen könne, Le.: „Mit Aktenhilfe kriegen wir das hin, aber aus der Erinnerung ist das nicht möglich.“ Die StA fragt nach der ersten Durchsuchung, nach sachgemäßer Lagerung und den Waffen. Der Zeuge sagt, das kenne er nur von Fotos, diese habe er in Erinnerung.

Zur Munition, die bei der Durchsuchung 2019 gefunden worden sei, erzählt Le. auf Nachfrage, die Muntion sei vom BKA überbracht worden und sei in den Munitionsbunker gebracht worden, dann habe es eine entsprechende kriminaltechnische Untersuchung und Asservierung gegeben. Die StA geht mit dem Zeugen die in der Anklageschrift benannten Munitionsteile durch. Gefragt nach für Zivilisten zugänglicher Munition gibt der Zeuge allgemeiner an, diese könne man mit entsprechenden Dokumenten über einen Fachhändler erwerben, man zeige dafür die Waffenbesitzkarte vor. Die StA hakt nach, ob man jegliche Munition kaufen könne und mehr als zu den auf der Waffenbesitzkarte angegebenen Waffen. Le. sagt, auf der Waffenbesitzkarte sei das Kaliber abgedruckt, darüber hinaus brauche man eine Erwerbskarte. Auf weitere Nachfrage gibt der Zeuge an, bis 2017 habe G. eine solche besessen, danach nach Aktenlage nicht mehr. Die StA geht dann mit dem Zeugen weiter die gefundene Munition durch, dieser nennt die legalen ersten Empfänger und ob es sich um Munition handelt, die auch für Zivilist*innen zugänglich ist. Le. macht dazu Angaben, darunter sei Munition gewesen, die zunächst das LBPK (Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz) Mecklenburg-Vorpommern erhalten habe. Die StA fragt nach 12 Kartons mit Munition mit dem Namen „Sniperline“. Le. sagt, dies sei lange Munition, sie sei für den zivilen Markt zugänglich. Im konkreten Fall sei sie aber nur an Behörden, an Spezialeinheiten, auch in Holland und verschiedene Workshops des Herstellers „MEN“ ausgeliefert worden. Die StA fragt, ob „MEN“ auch einen Workshop in Güstrow durchgeführt habe. Le. bejaht und fügt hinzu, auch in Frankfurt. Die StA fragt nach, ob die konkrete Munition vollständig an Behörden ausgeliefert worden sei. Die Verteidigung interveniert, ein Workshop in Güstrow sei keine Behörde und beanstandet die Frage. Auf Nachfrage sagt Le., weitere Munition sei an die zentrale polizeiliche Verteilstelle von Nordrhein-Westfalen in Duisburg gegangen. Zu einer weiteren Muntionsangabe sagt der Zeuge, das sei Sportschützenmunition, die sei im Landkreis Friedrichslust, an Herrn He. (2. Prozesstag) ausgeliefert worden, diese sei für den offenen Markt zugänglich.

Die Verteidigung fragt, was mit der Munition die an das LBPK Mecklenburg-Vorpommern geliefert worden sei, passiert sei. Le. antwortet, das wisse er nicht. Der Staatsanwalt sagt dazu, 4150 Schuss, die bei G. gefunden worden sein, könnten legal gekauft oder beim LBPK unterschlagen worden sein. Die Verteidigung fügt hinzu: „Oder offiziell an die Schießmannschaft ausgehändigt.“ Le.: „Das sind die Optionen.“ In der weiteren Befragung der StA sagt der Zeuge, dass es auch ältere Patronen von 1993 gegeben habe. Es habe auch 20 „Patronen Unterschall“ gegeben, das sei Schalldämpfermunition, nur für Militär in „früheren Ostzonen“, die seien einen Zeit lang vom LKA verwendet worden, Le. wisse aber nicht genau, in welchem Zeitraum. Auch Sportschützenmunition aus der DDR sei gefunden worden, diese sei bei zivilen Sportschützen „ganz normal“. Die 1080 unverschossenen Patronen, die in der blauen Tonne gefunden worden seien, seien 2016 angefertigt worden, diese könne man legal erwerben.

Die Staatsanwältin fragt nach der 2019 gefundenen Munition, bei einigen benannten Teilen sagt der Zeuge knapp: „Zivilmunition“. Dann geht es um Munition des Kaliber 9, hier sei der legale Empfänger am 24. Juli 2018 die Bereitschaftspolizei Bayern gewesen. Die StA fragt dann nach neun Patronen, diese seien eigentlich 2018 für das Munitionsdepot Wulfen bestimmt gewesen. Le. sagt, diese Munition sei ausschließlich für die Bundeswehr, sie sei an das Kommando Spezialkräfte (KSK) ausgegeben worden. Das KSK habe eine große Menge dieser Munition am 6. April 2018 empfangen. Le. nennt die Zahl 455.000 Patronen. Die StA nennt als nächsten Posten Luger Vollmantel Munition, der legale Empfänger sei die Carl Walther GmBH und ein Ministerium in Thüringen gewesen. Le. sagt., diese sei an Behörden und zu Testzwecken an den Waffenhersteller ausgeliefert worden. Die StA fragt nach Munition, die 2018 nach Sachsen ausgeliefert worden sei. Der Zeuge sagt, da seien eine halbe Million Patronen geliefert worden. StA: „Wie sind die zu Herrn G. nach Hause gekommen?“ Der Zeuge sagt, das wisse er nicht. Die nächste Frage dreht sich um fünf Kartons, deren legaler Empfänger Frank Th. gewesen sei. Le. sagt, er erinnere sich.

Die StA fragt den Zeugen Le. auch, ob er Angaben zur Waffensachkunde von G. machen könne. Ob dieser bspw. als Ausbilder tätig gewesen sei. Le. sagt aus der Asservatenauswertung bei Frank Th. ergebe sich, dass es zwischen G. und Th. 2018 eine Kommunikation gegeben habe, ob G. einen Sachkundelehrgang in Neumünster begleiten könne. Die StA hält ein Schreiben von Th. an den Auftraggeber des Lehrgangs vor: Die Durchführung und die Prüfung unterliege Herrn G. Er und andere seien langjährige Ausbilder, die in der Vergangenheit so etwas schon gemacht hätten. Die StA fragt, wie der Weg der Uzi nach dem Fund 2019 weitergegangen sei. Le sagt, es habe eine kriminaltechnische Untersuchung vom Schusswaffenerkennungsdienst gegeben, die Uzi sei beschossen worden, die Projektile seien an das BKA weitergeleitet worden, er, Le., habe die Uzi bei der Übergabe gesehen. Die StA liest zum Assverat vor, dass eine Zeitung darin gelegen habe. Le. sagt, das sei „Unser Schwerin“ vom 09. Januar 2005 gewesen. Die Überschrift sei „Heißer Start 2005“ gewesen. Le. bejaht, dass die Uzi und der Koffer durch das LKA begutachtet worden seien. Die StA sagt, im Gutachten werde die gefundene Mutter erstmals von Herr Jo. (später an diesem Tag geladen) beschrieben. Am letzten Prozesstag hatte der Richter verlesen, dass eine Mutter im Koffer der Uzi gefunden worden sei, mit der Uzi und Schalldämpfer verbunden werden könnten. Le. bestätigt, dass er das gesehen habe, darüber habe er mit Jo. gesprochen. Die StA hakt nach, mit der Mutter habe man mit Schalldämpfer schießen können und ihm, Le. sei diese nicht aufgefallen? Le. sagt, er habe den Gutachter gefragt und dieser habe gesagt, er habe sich ein Provisorium basteln müssen, um die Uzi mit Schalldämpfer beschießen zu können, danach sei ihm die Mutter aufgefallen.

Die Verteidigung fragt, ob Le. eine Differenzierung bei der Behörden- und Zivilmunition vorgenommen habe, ob G. die habe besitzen dürfen oder nicht. Le. verneint.

Oliver Jo., Sachverständiger für Schusswaffen vom LKA Mecklenburg-Vorpommern und Zeuge zur Vernehmung 2017

Der Richter sagt, er wolle zunächst über die Durchsuchung 2017 sprechen, da sei Jo. nach Aktenlage anwesend gewesen. Jo schildert, er sei zur Durchsuchung dazu gerufen worden, weil die Kollegen nicht sicher gewesen seien, ob alles mit den Waffenbesitzkarten von G. übereinstimmen würde. Als er angekommen sei, sei bereits alles durchsucht und zusammengestellt worden. Alles was gefunden worden sei, sei im Wohnzimmer abgestellt worden. Dann sei ihm immer zugerufen worden, wenn was Unklares gefunden worden sei. Er habe die Waffennummern mit den Ausdrucken abgeglichen und habe festgestellt, mit den Waffen sei soweit alles in Ordnung gewesen. Es seien viele Polizisten vor Ort gewesen, er habe vor Ort unterstützt. Am Ende seien die Waffen vom Ordnungsamt mitgenommen worden, dabei habe er, Jo., auch den Herrn He. (2. Prozesstag) getroffen. Der Richter fragt, ob es vor Ort Auffälligkeiten bezüglich der Munition gegeben habe. Jo. sagt, es sei bei der Durchsuchung besprochen worden, dass viel Munition nicht in Schränken gewesen sei. Auf Nachfragen sagt der Zeuge, für zwei Munitionsteile habe G. keine Genehmigung gehabt, es sei auch Munition unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gefallen, die sei gemessen an der Gesamtmenge ein verschwindend geringer Anteil gewesen, es sei eine kleine Packung gewesen.

Jo. sagt auf Nachfrage der StA, er schätze, es seien ihm 20 bis 30 Waffen vorgelegt worden. Die StA fragt auch nach der Munition, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gefallen sei. Jo. bestätigt, dass diese für ihn sofort erkennbar gewesen sei. Die Sta. fragt, ob er diese Information an Herrn He. (2. Prozesstag) weitergegeben habe, Jo. sagt, das wüsste er nicht. Auf Nachfrage sagt er, die Munition sei von Herrn He. mitgenommen worden. Man sei über das Ausmaß erschrocken gewesen. Das BKA habe sich für nicht zuständig gesehen, daher habe He. das mitnehmen müssen. Die StA fragt, was man mit Munition nach Kriegswaffenkontrollgesetz mache, ob das üblich sei, diese dem Ordnungsamt zu übergeben. Jo: „Was heißt üblich?“ Das Ordnungsamt schicke das dann weiter. Die StA fragt, ob sich Jo. mit He. unterhalten habe. Der Zeuge sagt, sicherlich, aber er wisse nicht mehr, worüber. Die StA hakt erneut nach, was mit der gefundenen Munition und den Waffen passiert sei. Jo. sagt, die sei an dem Tag eingeladen worden. Die Funde seien nicht vor Ort aufgelistet worden, man habe sich geeinigt, He. solle alles mitnehmen und in Ruhe auflisten. Der Zeuge sagt, er wisse nicht, was mit der Waffenbesitzkarte von G. passiert sei.

Die StA geht dann mit dem Zeugen einzelne Munitionsteile durch und fragt, ob diese für die gefundene Luger oder die Glock, die G. legal besessen habe, passend gewesen wären. Jo. Sagt, einiges würde passen, anderes nicht. Die StA fragt erneut nach der Durchsuchung 2017. Der Zeuge berichtet, diese habe während der Dienstzeit stattgefunden, er habe den Polizeidienststellen beratend zur Seite gestanden. Die StA fragt, ob die Situation unübersichtlich gewesen sei. Jo. sagt, große Menge seien auf Fußboden ausgebreitet gewesen, u.a. Taschen mit Munition, Kollegen hätten auf dem Sofa gesessen, hätten den Rechner von G. in Bearbeitung gehabt. Die StA fragt erneut danach, dass He. die Waffen und Munition mitgenommen habe. Jo. sagt, He. habe alles auflisten sollen, „die Durchsuchungskräfte wollten das nicht machen“. Sie hätten gesagt, He. solle darauf achten, das nichts wegkomme. Die StA fragt nach, wenn alles ok gewesen sei, warum sei es dann mitgenommen worden. Der Zeuge sagt, die unsachgemäße Lagerung habe festgestanden und dann habe man gesagt: „Ok, dann ist irgendwas nicht ganz richtig.“ Die Verteidigung fragt, warum die unsachgemäße Lagerung festgestanden habe. Jo. antwortet, das habe ein Kollege festgestellt, er, Jo., habe das nur gehört.

Der Richter sagt, nun komme man zum Gutachten zur Uzi: „Auf meine Anordnung haben sie die Uzi mitgebracht.“ Diese wird von den Verfahrensbeteiligten am Richtertisch in Augenschein genommen, immer wieder lachen einzelne von ihnen. Der Angeklagte G. ärgert sich in dem Moment offenbar, dass er nicht mit nach vorne darf. Jo.: „Jetzt bin ich Sachverständiger.“ Jo. sagt, diese Uzi sei aus ehemals zwei Uzis zusammengesetzt worden. Man könne nicht sagen, wann mit der Waffe das letzte Mal geschossen worden sei. Der Richter sagt, bei der Uzi sei ein Schalldämpfer gefunden worden, die Uzi sei aber damit nicht nutzbar gewesen. Jo. schraubt den Schalldämpfer auf die Waffe und erzählt, er habe für den ersten Schussversuch einen Pappring gemacht, das habe funktioniert. Am Ende habe er, Jo., alles in den Koffer verpackt, da sei ihm diese Mutter aufgefallen, die sei kein Waffenteil, passe aber zufällig drauf und dann funktioniere es auch, die Uzi mit dem Schalldämpfer zu schießen. Der Richter sagt, diese Mutter klinge nach Improvisation. Das bestätigt Jo. Der Richter hakt nach, warum die Mutter nicht vorher gefunden wurde. Jo. sagt, es sollten andere Sachen im Koffer gesichtet werden, z.B. DNA. Dann sei der Koffer bei ihm gewesen, weil es um die Waffe gehen sollte. Die Mutter sei irgendwo in der Tasche gewesen. Es sei ja vorher um andere Sachen gegangen und da sei sie offenbar übersehen worden. Auf Nachfrage sagt Jo., der Koffer sei nicht ausgepolstert gewesen, da seien lose Plastiktüten, Munitionsmagazine für die Uzi mit drin gewesen. Er denke, wenn man den Koffer geschüttelt hätte, hätte es geklappert. Ein weiterer Richter fragt, ob so ein Koffer eine übliche Lagerungssituation für eine Uzi sei. Jo. sagt, wenn er im Waffenschrank stehe schon, aber eine Uzi sei in Deutschland im Zivilbereich sowieso nicht zugelassen.

Die Verteidigung fragt, ob Jo. seine Konstruktion mit der Pappscheibe dokumentiert habe. Jo. sagt, ja das habe er in seiner Handakte getan. Es wird angemerkt, dass die Handakte kein Teil der Verfahrensakten sei. Die Verteidigung fragt dann, ob Jo. sofort den Eindruck gehabt habe, dass Uzi und Schalldämpfer mit der im Koffer vorhandenen Mutter beschießbar sei. Das bestätigt Jo.

Matthias He., Beamter des Landrates Ludwigslust-Parchim, u.a. zuständig für Waffen- und Sprengstoffangelegenheiten

Als dritter Zeuge ist erneut He. (2. Prozesstag) geladen. Der Richter fragt nach dem Munitionserwerbsschein von G. He. gibt an, dieser sei auf G. ausgestellt gewesen, am Tag der Durchsuchung sei er ihm, He., übergeben worden, er habe ihn mit ins Büro genommen. Richter: „Aber der ist nicht im Sicherstellungsschreiben aufgeführt.“ He. sagt, das müsse ein Versehen sein, er sei in der Akte drin. He. sucht in seiner mitgebrachten Akte und zeigt schließlich den Munitionserwerbsschein. Dieser wird in Augenschein genommen. Der Erwerbsschein war bis 2023 gültig, da er von He. ausgestellt wurde, trägt er auch dessen Unterschrift. Mit dem Schein könne Munition bis Kaliber .50 BMG gekauft werden, der Richter fragt, was das bedeutet. Der Zeuge antwortet, das sei das größtmögliche Sportschützenkaliber. Der Richter hakt nach, ob mehr als .50 BMG im zivilen Bereich erworben werden könnte. He. verneint, dies gelte beispielsweise auch für Jäger. Der Richter fragt, ob He. G. am Tag der Durchsuchung belehrt habe, was der Verlust des Erwerbsscheins zu bedeuten habe. He. sagt, die Waffen seien solange im Besitz von G. bis diese eingezogen würden, dies sei bisher nicht der Fall, aber beim Waffenerwerbsschein könne es sein, dass sich da Änderungen ergeben. [phon.] [Die Einziehung ist noch nicht gerichtlich beschlossen, die Waffen und die Munition von G. sind bislang nur konfisziert, er könnte auf Rückgabe klagen. G. hat bereits am ersten Prozesstag erklärt, darauf werde er verzichten.]
Der Richter fragt, ob der Erwerbsschein in einer späteren Liste aufgeführt sei. He. sagt, er sei nicht ausdrücklich aufgeführt. Das Gericht fragt außerdem nach, ob G. weiterhin Munition kaufen könne.
He.: „Wenn er einen Munitionserwerbsschein in der Hand hätte, könnte er damit einkaufen.“ Die Verteidigung fragt, ob der Munitionserwerbsschein G. zustehen würde. He. sagt, dazu werde er noch einen Bescheid erlassen. Es folgt die Mittagspause.

André We., Polizeibeamter beim LKA, Auswertung der elektronischen Kommunikation von Marko G. aus

Nach der Pause wird der vierte Zeuge des Tages vernommen. We. sagt, er habe Anfang 2019 vom BKA die Festplatte mit elektronischen Daten von G. bekommen und habe sie ab März gesichtet und ausgewertet, dabei insbesondere die Telekommunikation. Dabei habe er Datensätze von 2017 und 2018 gehabt. Er habe die Daten in einer Auswertesoftware eingespielt, dort habe er sie sich zunächst in einer Zeitachse darstellen lassen, dann habe er eine Komplettsichtung vorgenommen, um einen Überblick zu bekommen, dann habe er die Kommunikation mit Einzelnen betrachtet und Vermerke gefertigt. Er hat für die Vermerke die gesamte Kommunikation ausgedruckt, hat sie abgeheftet, aber wenn es zuviel gewesen sei, dann habe er nur eine Auswahl getroffen, diese habe er für sich festgelegt. Der Richter fragt nach der inhaltlichen Auswahl. We. sagt, er habe es ausgedruckt, wenn es um Waffen und Munition und um die „Gruppierung Nordkreuz“… Der Richter unterbricht: „Nennen wir es mal Chatgruppe,“ und fragt dann nochmal, was We. ausgedruckt habe. Dieser sagt, alles, was aus seiner Sicht Relevanz für Verfahren haben könnte. Der Richter frage, was ihm allgemein aus seiner Sicht aufgefallen sei. We. antwortet, dass Herr G. ein zumindest gesteigertes Interesse an Schießen, am Schießsport habe.

Der Richter gibt das Stichwort „SOP-Kurzfassung“, dabei sei es um die Regeln der Chatgruppen gegangen, die solle G. verschickt haben. We. bestätigt, dass seien Verhaltensregeln in der Chatgruppe gewesen, ihm sei aufgefallen, dass diese an mehrere Chatteilnehmer zu Beginn verschickt worden seien, es sei unklar, ob an alle. Nach seiner Auswertung sei die „SOP-Kurzfassung“ erstmal von Th. an Herrn G. geschickt worden und danach habe G. sie weiter verwendet. Der Richter hakt nach, aus welcher Auswertung sich das ergebe, bisher solle G. der Urheber von „SOP-Kurzfassung“ sein. Der Zeuge sagt, das könne er so nicht bestätigen, am 10. Dezember 2015 habe Th. das an G. gesandt, dann sei es von G. genutzt worden. Richter: „Das heißt, Herr G. hat die ‚SOP-Kurzfassung‘ seinerseits weitergeschickt?“ We.: „So würde ich das sagen.“ Der Richter fragt nach Kommunikation von 2019, We. sagt, die habe er nicht ausgewertet. Der Richter fragt noch einmal, ob G. die „SOP-Kurzfassung“ nicht an alle weitergeleitet habe. We. sagt, er könne nur sagen, an wen es verschickt wurde, es sei unklar, ob an alle.

Danach fragt der Richter, ob in den Chatgruppen Inhalte ausgetauscht wurden, die politisch fragwürdig bis strafbar sein könnten, ob We. da in Bezug auf das, was G. versendet hat, etwas aufgefallen sei. Der Zeuge antwortet, er würde sagen, das sei genauso empfangen wie versandt worden, genau könne er das nicht sagen. Es hätten auch mehr Leute Inhalte versandt, aber G. habe genauso Sachen verschickt, aber er, We. könne keine prozentualen Angaben machen. Auf Nachfrage der StA zu der Auswahl, die er getroffen habe sagt We. er habe Nachrichten wie „Hallo“, „Guten Tag“ oder „Wollen wir einen Kaffee trinken?“ rausgelassen. Er habe ausgedruckt, wo es um Waffen und radikalen Tendenzen gegangen sei, wo es aus seiner Sicht fragwürdig sei. Die StA sagt im Vermerk von 16. August 2019 gehe es um die „Flüchtlingsproblematik“ und um Nazideutschland. Warum habe We. das aufgenommen? We. sagt, das sei aus seiner Sicht fragwürdig, er sei sich nicht sicher ob das strafrechtlich relevant sei, deswegen habe er das aufgenommen. Die Verteidigung interveniert, die StA solle sagen, woher das komme, aus einem Privatchat oder Gruppenchat, der hier genannte Chat mit Herrn N. sei ein Privatchat, das wollen sie unterschieden wissen.

Die StA präzisiert, bei der Auswertung des Privatchats mit N. habe G. ein Bild von einer Situation, vermutlich einem Bombenanschlag, geschickt und darauf stehe, dass sowas von sowas komme. N. habe ein Bild geschickt, auf dem Adolf Hitler vorm Eiffelturm stehe mit der Bildunterschrift „Deutsche Antiterrordelegation in Paris eingetroffen.“ 2016 habe G. an N. ein Bild geschickt, auf dem Soldaten der Wehrmacht auf auf dem Boden liegende Menschen schießen, die Bildunterschrift habe „Asylantrag abgelehnt“ gelautet. G. habe N. ein Video geschickt, in dem ein Nussknacker „Sieg Heil“ sage. N. habe G. an Bild geschickt, darunter habe es geheißen „Zur Reinhaltung der Deutschen Rasse 1938“. G. habe am 20. April an N. ein Foto von Hitler geschickt, auf dem „Happy Birthday“ gestanden habe. Die StA fragt, warum er das aufgenommen habe. We. sagt, unabhängig davon, ob das strafrechtlich relevant sei, er habe aber da schon seine Bedenken, ob das so rechtlich in Ordnung sei: „Wenn das witzig sein soll, dann ist das zumindest nicht mein Humor.“ Es stelle zumindest eine Form der Verherrlichung der Zeit und der Person dar, sei beispielsweise fremdenfeindlich. Die Sta fragt zu den Verbindungen zum Vorwurf. We. sagt, zu dem Zeitpunkt habe er nicht nicht gewusst, in welche Richtung die Ermittlungen laufen, da habe er das aufgenommen, weil es ihm aufgefallen sei.

Die Staatsanwältin fragt, ob die Datenträger vollständig gewesen seien, ob es Hinweise auf Löschungen durch den Angeklagten gäbe. We. sagt, davon gehe er aus. Die Gruppe „Nordkreuz“ sei erst ab Juli 2017 zu lesen gewesen, die Gruppe sei aber vorher gegründet worden, da habe es wohl Löschungen gegeben, das habe G. wohl auch in einer Aussage gesagt. Die Staatsanwältin fragt, was We. zu den Gruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ festgestellt habe. Der Zeuge sagt, er habe sich bezüglich der Mitglieder auf Erkenntnisse des BKA gestützt, an der Liste habe er sich auch orientiert, sonst sei es für ihn nicht nachvollziehbar, wer schreibt. „Nord.com“ sei erst im Juli 2017 gegründet worden. Die Staatsanwältin fragt nach der Anzahl der Mitglieder. We. sagt, es seien ungefähr 30 gewesen. Auf Nachfragen zum Aufbau der Gruppen sagt der Zeuge, „Nordkreuz“ sei quasi der Infokanal gewesen, das habe G. auch so angegeben, da habe es nur wesentliche Mitteilungen gegeben, nur der Administrator habe Senderecht gehabt. „Nord.com“ sei der „Quasselkanal“, da hätten sich alle austauschen können. Er selbst könne nicht sagen, wer der Administrator sei, das BKA habe G. ermittelt. G. habe einige Chatgruppen gehabt, „Vier gewinnt“, „Reisegruppe Dresden“ und „Dreschden“ [phon.].

Die Staatsanwältin liest aus der „SOP-Kurzfassung“ vor: Dieser Chat sei ins Leben gerufen worden, um die aktuelle Lage und das weitere Vorgehen an alle Eingeweihten zu vermitteln. Desto besser die Kommunikation, desto besser die Organisation und das Sammeln an Tag X. Bis dahin sei es wichtig, nicht aufzufallen, und möglichst viele Vertrauenswürdige in die Chatgruppe zu füllen, dann kämen die Punkte, diese liest die Staatsanwältin aber nicht vor. Dann hält die Staatsanwältin aus einer weiteren Kommunikation vor, G. schreibe an einen Hendrik, dass er hoffe, dieser sei gut zu Hause angekommen und G. finde es schön, dass er da gewesen sei. Später schreibe G. erneut, dass Hendrik Rückmeldung geben solle. Dann komme die Antwort von Hendrik, er sei gestern gut zu Hause angekommen, er habe sich gefreut, er habe die Regeln wahrgenommen und warte auf weitere Anweisungen. G. habe geantwortet, prima, dann gehe es jetzt los in Nord. We. sagt, das dürfte Jan-Hendrik H. sein.

Die Staatsanwältin fragt nach der Thematisierung von Safehouses. We. sagt, im Februar 2016 habe es eine Objektbesichtigung gegeben, G. habe darüber mit Jörg Sch. geschrieben, bestätigt der Zeuge. Im Februar 2016 sei man auf der Suche gewesen, man habe sich was angesehen und sich dafür entschieden. Er könne nicht sagen, ob man sich dort eingerichtet habe. Die Staatsanwältin sagt, am 09. März 2016 sei über Listen geschrieben worden, das Safehouse Nord biete ein „großes Depot von Mun“, weitere Informationen gäbe es vom „Safehouseführer“. We. sagt, ja, das habe er gefunden, er könne aber nicht sagen, ob es noch weitere Kommunikation mit Sch. gegeben habe. Die Staatsanwältin liest vor, G. schreibe an Sch.: „Kurzes Feedback von mir, 2000 Mann treten uns bei, alle verteidigungsfähig.“ Sie würden sich zusammenschließen und „im Nordbereich unterstützen“, dann erneut das Zitat: „Safehouse Nord bietet großes Depot von Mun.“ Die Rede ist außerdem von einer Münchener Gruppe. Die StA fragt nach Jan-Hendrik H. und nach dem Pokalschießen. We. sagt, es sei sinngemäß so gewesen, dass Herr G. zur Geburtstagsfeier von H. eingeladen war. Da habe es ein Wettschießen mit Luftgewehr gegeben, es habe einen Pokal gegeben, der sollte Mehmet Turgut „gewidmet sein“ und er, We. meine, dass das ein Opfer des NSU gewesen sei. So ein Schießen habe es wohl zweimal gegeben, im Jahr davor sei es kalt gewesen, dann sei es in den Mai verlegt worden. Die StA sagt, in der Einladung sei die Rede von einem „bedauernswerten südländischem Neumitbürger“, der „vor gar nicht allzu langer Zeit durch fiese Mörderhand“ ermordet worden sei. Die StA fragt, warum We. das protokolliert habe. Der sagt, er habe das Foto gesehen und der Name sei im Zusammenhang mit der Einladung gefallen. Die Sta sagt, We. habe in seinen Vermerken teilweise das Stichwort Radikalisierung notiert, und fragt, was es bedeute. We. sagt, das beziehe sich genau auf solche fremdenfeindlichen, menschenverachtende, das 3. Reich verherrlichende Inhalte.

Die Verteidigung fragt nach einzelnen Nachrichten, die möglicherweise einen rechten Hintergrund haben könnten, dabei betont der Anwalt den zweiten Teil des Satzes über und schüttelt die Hände neben seinem Kopf. We. sagt, das sei vorrangig in bilateralen Chats gewesen, aber auch in Chatgruppen. Der Verteidiger fragt, ob bei der Chatgruppe „Nordkreuz“ irgendwas mit rechtem Gedankengut geschickt worden sei. We.: „Aus meiner Erinnerung nein.“

Als der letzte Zeuge des Tages entlassen ist, sagt der Richter, für das Gericht stelle sich die Frage der weiteren Zeugenvernehmungen durch Verlesungen und die Problematik der Einziehung der Waffen und Munition des Angeklagten G. Der Richter macht den Vorschlag, die bereits benannten weiteren Zeugen durch Verlesungen zu ersetzen. Die StA antworten, sie hätten die Beweisaufnahme so bekommen wie sie gewollt hätten. Der Richter verliest dann die Liste potentieller Zeugen, davon sind einige offenbar aus dem Umfeld von G., einige wie Frank Th., Jörg Sch. oder Norman N. wurden vom Zeugen We. als Chatpartner von G. benannt. Weitere Zeugen von der Liste sind vermutlich weitere Zeugen der Polizei, z.B. zur Auffindesituation. Insgesamt verliest der Richter ca. 20 Namen. Die Vernehmung dieser Zeugen wolle man durch Verlesungen ersetzen. Die Verfahrensbeteiligten sind alle damit einverstanden.

Dann stellt der Richter die Frage, ob man das Einziehungsverfahren abtrennen solle, da es zur Verzögerung führen könnte. Die StA sagt dazu, dass es aus Nordrhein-Westfalen den Antrag gäbe, dem Einziehungsverfahren beizuwohnen. Die Verteidigung wendet ein, wenn der Angeklagte verzichte, dann sei es doch kein Problem. Dann könnten sich die Geschädigten, wenn es denn welche seien, an die StA wenden und das rausklagen.

Danach wird beschlossen, Zeugenvernehmungen vor Gericht durch Verlesungen von Zeugenvernehmungen, Schreiben und Gutachten zu ersetzen. Der Richter sagt, wegen der voll geständigen Einlassung des Angeklagten und wegen der bisher gehörten Zeugen seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Die Verlesungen werden dann im Selbstleseverfahren angeordnet, das heißt, die Verfahrensbeteiligten lesen diese außerhalb der Hauptverhandlung. Es werden dann Ordner und CDs an alle ausgeteilt.

Die StA verliest im Anschluss daran ein Schreiben des GBA vom 19. September 2019. Es betrifft das Verfahren gegen Jan-Hendrik H. und Haik J. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Der GBA nimmt Bezug auf das Verfahren der StA Schwerin gegen G. Der GBA erklärt, er sei für dieses Verfahren nicht zuständig, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte nicht gegeben seien. Sollte sich etwas neues ergeben, solle die StA Schwerin dazu Bescheid sagen.

Zur Person Marko G.

Der Richter sagt, nun wolle man den Angeklagten G. zur Person vernehmen. G. erzählt selbst und sagt, er sei in Neu Kaliß geboren, das sei der Wohnort seiner Großeltern gewesen, dort seien sie „hängen geblieben nachdem sie aus Ostpreußen vertrieben worden waren“. Seine Mutter sei Krankenschwester beim Landarzt gewesen. Sie seien dann nach Cambs gezogen, er, G., habe eine unbeschwerte Kindheit und Jugend erlebt. Er habe eine Schwester und sei in Cambs eingeschult worden. Dann sei er bis zur zehnten Klasse an die Polytechnische Oberschule gegangen, seinen Abschluss habe er 1985 gemacht. Dann habe er die Grundausbildung zum technischen Zeichner gemacht. Sein Berufswunsch sei Fallschirmjäger gewesen. Die Schweriner Einheit sei ein bisschen elitär gewesen, da habe er gerne hin gewollt. Er habe dann an Fallschirmspringen teilgenommen, im Frühjahr 1990 habe er die Ausbildung vorzeitig mit sehr guter Leistung abgeschlossen. Er habe sich dann beim Kreiswehrersatzamt Bad Oldesloe für vier Jahre freiwillig gemeldet. 1991 habe er in Braunschweig seinen Dienst angetreten, er habe auch Lehrgänge in Oberbayern besucht. Er sei zur Schützenschule gegangen, habe an europaweiten Übungen teilgenommen. Er habe deutsche und u.a. auch ein dänisches Abzeichen bekommen. Er sei Gründungsmitglied der Kommando Spezialkräfte (KSK) gewesen. Er habe einen „heimatnahen Standort“ in Schwerin gehabt. Sein letzter Rang sei Oberfeldwebel gewesen.

Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr dann eine Ausbildung zum Physiotherapeuten begonnen. Nach zwei Jahren habe er sich umentschieden, er habe den Entschluss gefasst, zur Polizei zu gehen. Er sei allerdings schon 29 gewesen, nur bis 27 werde man eingestellt, er habe daher beim Innenministerium eine Sondergenehmigung beantragt. Dann habe er die Ausbildung beim mittleren Dienst begonnen, dann sei er Polizeimeister geworden, danach sei er direkt nach Schwerin zur Bereitschaftspolizei gegangen. Da habe es ihn nicht lange gehalten, er habe zur BFE gewollt, das seien die, die bei Demonstrationen die „schweren Straftäter sich rausgreifen“. Er habe an Einsätzen am 1. Mai in Berlin und bei Castor-Transporten teilgenommen. 2001 sei er wegen seiner Schießleistungen in die Schießmannschaft berufen worden, er sei dann alle zwei Jahre nach Suhl gefahren. Bei der BFE habe er seine Schießtrainerausbildung gemacht. Er habe dann noch eine Stufe höher gewollt, „alle beim BFE wollen zum SEK“. Bei ihm habe es gereicht, 2004 habe er in Schleswig-Holstein seine SEK-Grundausbildung gemacht, dann sei er zurück nach Mecklenburg-Vorpommern gegangen. 2008 habe er einen weiteren Lehrgang besucht und sei ab dem Zeitpunkt Präzisionsschütze und der Erfahrenste gewesen. 2009/2010 habe er in Güstrow einen Aufstiegslehrgang besucht. Er, G. sei getauft und konfirmiert, seine Hobbys seien Motorfallschirm fliegen, Motorrad fahren, er habe Europa bereist, der Schießssport sei seine Berufung gewesen. Seit 1995 sei er Sportschütze, er sei Mitglied in zwei Vereinen und auch als Ausbilder tätig. Im Laufe der Zeit habe er viel erworben, das sei ja besprochen worden. Er habe seine Behörde auch auf eigene Kosten bei Wettkämpfen im Ausland vertreten [phon.].

Der Richter fragt, ob beide Eltern noch leben würden und wie der Kontakt zu ihnen sei. G. bejaht das, sie seien schon lange geschieden. Zu seinem Vater habe er keinen Kontakt, seine Mutter sei heute bei der Verhandlung anwesend. Der Richter fragt, wie seine Mutter auf die Festnahme reagiert habe. G. sagt, sie sei zunächst bestürzt aber dann „sehr herzlich“ gewesen, sie besuche ihn so oft es gehe und sie schrieben Briefe. Aber das wisse das Gericht ja, weil er der Postkontrolle unterliege. Der Richter sagt, bei dem Lebenslauf stelle sich ihm die Frage, warum G. nach acht Jahren Bundeswehr nicht direkt zur Polizei gegangen sei, sondern die Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen habe. G. sagt, er sei nach fast acht Jahren uniformmüde gewesen, habe immer nur aus dem Rucksack gelebt, er wollte zuhause sein. Einige Kameraden seien Physiotherapeuten geworden, hätten geschwärmt, aber als „Haupternährer der Familie“ könne man davon nicht leben, das sei ein Grund gewesen.

Der Richter fragt, mit welcher Begründung er die Ausnahme beantragt und bekommen habe. G. sagt, er habe seine Qualifikationen angeheftet, das müsse auf den Minister einen guten Eindruck gemacht haben. Der Richter fragt, ob er sich schon zu DDR-Zeiten für sein Berufsfeld interessiert habe. Was sei zuerst da gewesen, das Interesse am Schießen oder die Tätigkeit in Bundeswehr und Polizei. G.: „Das war irgendwie anders, ich habe schon als Kind gern mit Luftgewehren geschossen.“ Er habe wegen Abenteuer und Fallschirmspringen zur Bundeswehr gewollt, Schießen habe nicht so im Vordergrund gestanden. Auf Nachfragen sagt er, sein letzter Dienstrang sei Polizeikommissar gewesen, „ohne das ganze Drama hier“ habe er 2500 € netto verdient. Der Richter fragt nach Schulden und wie der diese bediene. G. sagt er habe Hauskredite, es sei „auf letzter Schiene“. Er fügt hinzu „ich schaue mal nach oben, da kommt wohl noch monatliches Einkommen.“

Der Richter sagt, G. habe in seiner Einlassung verlesen lassen, dass er ab August 2017 keinen Glauben mehr daran gehabt habe, dass er zurück zum SEK komme. Wieso habe er vorher gedacht, das könnte noch gelingen? G. sagt, ab der Auskleidung habe er es dann nicht mehr geglaubt: „Da war es dann vollzogen.“ Richter: „Aber ihr Vorgesetzter hat doch gesagt, das wird nichts mit dem Zurückkommen?“ G. sagt, da sei viel gesagt worden, aber er sei nicht ausgekleidet worden, er habe noch einen Schlüssel, einen Transponder und das Recht, in die Waffenkammern zu kommen gehabt und es sei ihm klar gewesen, es fehlen Fachleute. Der Richter sagt, dass G. laut Akte seit einiger Zeit erkrankt sei und fragt warum. G. sagt, da gehe es um Dinge, „die sich im Kopf abspielen“, das sei schwer nach außen darzustellen. Allein der Einsatz bei ihm 2017 als Zeuge [erst bei der zweiten Hausdurchsuchung 2019 wurde Marko G. als Beschuldigter geführt], das sei um Haaresbreite gewesen: „Da hat das Schicksal mir beigestanden am Morgen.“ Das habe Spuren hinterlassen. Der Richter hakt ein, dass laut Akte G. aber schon seit 2015 regelmäßig krankgeschrieben gewesen sei. G. sagt, er habe „durch die Personalpolitik meiner Behörde eine leichte Depression“ gehabt. Er habe 2014 erfahren dass er ab der nächsten Woche zur Bereitschaftspolizei versetzt würde. Er habe die Schießtrainerausbildung noch mitgenommen, dann sei er zum Dienst erschienen. Als er zum SEK zurücksollte – seine Gruppe habe sich schon auf seine Rückkehr gefreut – sei er auf dem Weg zu einer Übung zurückgerufen worden, es habe eine Anschlussabordnung gegeben. Das sei keine Art und Weise, mit der man mit Personal umgehen solle. Seine Abordnung zur Bereitschaftspolizei sei dann noch mehrfach verlängert worden. Einmal habe er bei einem Einsatz des SEK dabei sein sollen, da habe er einen Anruf gekommen: „Herr G. fährt nicht mit.“ Er habe dann drei Tage durchgehalten, dann hätten ihn seine Kollegen zum Amtsarzt geschickt. Er habe auch eine Kur besucht. 2017 habe er wieder im Dienst Fuß fassen wollen, dann habe es eine Woche vorher „das Ereignis der Durchsuchung“ gegeben.

Der Richter fragt nach der Untersuchungshaft. G. sagt, er habe erst mal einen Tag gebraucht, um das zu realisieren, dann habe er seinen Anwalt angerufen. Er sei fast 20 Jahre bei der Polizei gewesen und dann werde man mit Handschellen dort reingeführt, wo man sonst andere hingeführt habe. Er habe einen starken Willen, sich nicht hängen zu lassen, die Zeit einigermaßen zu überstehen, aber es gebe auch Momente, in denen es nicht gut gehe. Der Richter fragt, wie die Bediensteten im Gefängnis ihn behandelten, als Verräter oder „Einen von uns“. G. sagt, das sei unterschiedlich, es gebe überall Leute, die ihren Dienst gut machten. Auf Frage sagt G., auch seine Lebensgefährtin und seine Kinder kämen ihn so oft wie möglich besuchen, das sei in Hamburg, wo er in Untersuchungshaft sitze, aber schwierig. Der Richter fragt nach dem letzten halben Jahr. G. sagt, er sitze in Isolationshaft und muss sich offenbar erst einmal fangen und trocknet sich die Augen. Dann beschreibt er seinen Tagesablauf in Haft.

Richter: „Irgendwann wird die Haft vorbei sein, wie wird es dann weitergehen?“ G. sagt, er könne viele Führerscheine und einen großen Freundeskreis vorweisen, es müsse dann alles zügig gehen, damit er wieder Geld verdiene. Es gebe weltweit Bereiche, wo er seine Fähigkeiten anbringen könnte, irgendwas werde er finden. Aber er könne sich „viel ausmalen in der Isolation aber man kriegt ja keine Rückmeldung.“

Die StA fragt ab, wann G. zur Bereitschaftspolizei/Wasserschutz abgeordnet worden sei. G. sagt, das sei ab Oktober 2014 bis 15. April 2015, zur Bereitschaftspolizei sei er ab Januar 2017 versetzt worden. Er habe dazu keinen offiziellen Grund mitgeteilt bekommen, es sei üblich, dass man sich ab Anfang/Mitte 40 mal umsehe, was danach komme, er habe mal geäußert, dass er vielleicht ein Praktikum beim Wasserschutz machen wolle, dann sei nichts mehr gekommen und dann sei die Abordnung erfolgt. Von 2004 an sei er beim SEK gewesen, bis zur Auskleidung, die hektisch nach den 28. August 2017 erfolgt sei. Der Staatsanwalt sagt, er wolle die Person Marko G. verstehen. Sein Verteidiger habe verlesen: “… wir pflegten sicherlich einen bösen Humor, anders ist das nicht zu bewältigen.“ G. sagt, ja das mit dem schwarzen Humor, das seien Dinge über die man sich keine Gedanken mache. Der Staatsanwalt fragt nach der Situation in Mecklenburg-Vorpommern, die man bewältigen müsse. G. antwortet, Mecklenburg-Vorpommern sei relativ ruhig, aber trotzdem gebe es Einsätze, die gefährlich seien, gegen gefährliche Straftäter. Es herrsche ein „schnoddriger entspannter Umgangston“, das verselbständige sich, es gebe eine besondere Beziehung zu den Kollegen. Pro Woche habe es etwa einen Einsatz für das gesamte SEK gegeben, also nicht unbedingt für seine Einheit.

Die StA sagt, das Verfahren hier werde ja mit einer Strafe enden und zitiert aus der Einlassung, dass sich G. als kritischen wertekonservativen Bürger bezeichne. Die StA fragt, ob das dann so bleiben würde. G. bejaht das, und trotzdem sei er mit einigen Entscheidungen, die die Regierung getroffen habe, unzufrieden, z.B., was das Klima betreffe. Aber man sollte die Entscheidungen der eigenen Führung mal hinterfragen, das sollte jeder Bürger tun. Er habe bis 2010 immer CDU gewählt, er sei christlich erzogen worden. Richter: „Das klingt, als käme ein Aber?“ G.: „Ohne aber.“ Die StA fragt, was reiche, um sich so politisch zu bekennen. G. sagt, das Einhalten der gesetzlichen Norm, ein gemeinsames Miteinander. Er bekenne sich selbstverständlich weiter politisch wie angegeben, er habe auch das Gefühl, hier ein rechtsstaatliches Verfahren zu bekommen.

Die Staatsanwältin fragt, ob er Ausbildungslehrgänge bei Th. unterstützt habe. G. bestätigt, er habe seinen Freund unterstützt. Das sei im Juli 2018 gewesen. Staatsanwältin: „Würden Sie sich Waffenexperte bezeichnen?“ G. sagt, er habe Waffenrecht unterrichtet, er habe keine Scheu vor größeren Personengruppen zu sprechen. Die Staatsanwältin fragt nach konkreten Plänen, wie es weitergehen solle. G. sagt, konkrete Pläne seien schwer, er könnte LKW fahren, aber dazu sei er sich zu schade. Die Staatsanwältin fragt nach dem weiteren Umgang mit der Waffenbehörde. G.: „Das Thema ist erstmal durch.“ Auf Nachfrage verneint G., noch über Waffen und Munition zu verfügen: „Ich denke, sie haben sehr sorgfältig alles umgegraben bei mir zu Hause.“ Die Staatsanwältin sagt, es dränge sich die Frage auf, 2019 habe man wieder viel gefunden, wie sehe es bei Marko G. 2020, 2021 aus. G. sagt, dann sei nichts mehr da, weil er keine Waffenschein mehr besitze. „Wenn das wieder möglich sein sollte, dann sieht das wieder anders aus.“ Die StA fragt nach dem Thema Survival und was es G. bedeute. G. sagt, er habe es in extremen Formen selber gelernt. Die Staatsanwältin fragt nach der vorliegenden Risikoanalyse und wie er sich selbst einschätzen würde. G. sagt, davon, was der Herr Horn aus München geschrieben habe, das sei Wahnsinn, davon distanziere er sich. Er lehne Gewalt ab, er habe noch nie eine körperliche Auseinandersetzung gehabt, sei Schlägereien aus dem Weg gegangen. Was Notwehr oder Dienstliches betreffe, das sei was anderes.

Die Verteidigung fragt nach der Haft. G. sagt, er sei zunächst in Lübeck gewesen, in normaler Untersuchungshaft, dann sei er mit der Begründung, er sei für seine eigene Sicherheit in den Sicherheitstrakt in Lübeck verlegt worden, und weil er mal beruflich in der JVA Lübeck gewesen sei, sei er nach Hamburg verlegt wurde: „Ich denke, dass mich mehrere Mithäftlinge, als sie herausbekommen haben, dass ich ein Bulle bin, haben sie mich angeschissen.“ In Hamburg habe es 38 Tage gebraucht, um überhaupt zu telefonieren. Der Staatsanwalt fragt, wie er die Medienpräsenz empfinde. G. sagt, es sei belastend im Fokus zu stehen, davor habe er einen guten Leumund gehabt, das sei nun eingeschränkt. Er adressiert einen Journalisten persönlich und fragt, ob er noch da sei. Er sagt die ZDF-Zoom-Doku „Staatsbürger in Uniform“ habe er dreimal gesehen, das seien alles „Lügen und Verdrehungen“. Der Staatsanwalt fragt, ob G. das als Vorverurteilung empfinde. G.: „Auf jeden Fall.“

Damit endet der Prozesstag, am 18.12. soll ab 09:00 Uhr die Beweisaufnahme geschlossen werden und dann sei der Plan, dass die Verfahrensbeteiligten ihre Plädoyers halten.

„Rechtsradikale lustige Bilder und die leitet man dann einfach weiter.“ – Die Plädoyers im Prozess gegen Marco G. – 4. Verhandlungstag

NSU-Watch Protokoll vom 4. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 18.12.2019

Der Prozesstag beginnt um 09:17 Uhr. Zunächst verliest der Vorsitzende Richter einen Vermerk, in dem es heißt, am 12.12.2019 sei die Kammer zur Auffassung gekommen, dass eine Abtrennung des Einziehungsverfahrens nicht möglich sei. Dabei habe sich das Gericht an einer von dem Beamten Le. erstellten Exceltabelle mit allen Waffen- und Munitionsfunden orientiert. Le. sei daher heute ein weiteres Mal als Zeuge geladen. Daher könne Marko G. nun eine konkretisierte Verzichtserklärung abgeben.

Eine letzte Zeugenanhörung

Oliver Le., Polizeibeamter beim LKA, wafffenrechtliche Einschätzung

Der Zeuge Le. [3. Verhandlungstag] wird herein gebeten. Der Richter sagt, es gebe zwei Übersichten mit Empfängern der Munition und der Waffen. Le. gibt an, dass er ausgehend von den Losnummern Kontakt zu den Herstellern aufgenommen habe, die Verkaufswege ermittelt und die Lieferscheine angefordert habe. Dabei habe er u.a. die Information erhalten, dass es mal einen legalen Empfänger, mal mehrere legale Empfänger der Munition gegeben habe. Wenn es sich um Behördenmunition gehandelt habe, habe er dann die entsprechenden Ressorts angeschrieben, um zu erfahren, was damit geschehen sei. Der Zeuge listet dann nach Jahren sortiert einige ausgewählte Positionen auf. So seien bei der Durchsuchung 2019 100 Patronen gefunden worden, die zur Landespolizei Bayern gehört hätten. Es sei Munition der Polizei Sachsen dabei gewesen. Die Doppelmantelgeschosse des Kalibers 5,45 hätten zwei Empfänger gehabt, die Bundeswehr und das LKA Mecklenburg-Vorpommern, das seien 500.000 Schuss Munition gewesen, die über die Bundeswehr an die Regierung im Irak weitergeleitet worden seien, ein Teil sei eben an das LKA Mecklenburg-Vorpommern gegangen. 25 Schachteln mit 1250 Patronen, 9mm seien 2007/2008 nach Schleswig-Holstein gegangen, dann laut Lieferschein nach Mecklenburg-Vorpommern. Der Richter fragt, wie der Zeuge das veraktet habe. Der Zeuge erklärt seine Vorgehensweise, die im Sonderheft 23 zu sehen sei. Der Richter legt die sechs Bände des Sonderhefts 23 vor, um die Tiefe der Nachforschung zu verdeutlichen. Zu den Ausführungen des Zeugen gibt es dann keine weiteren Fragen.

Der Richter fragt den Angeklagten, ob er eine Erklärung des Verzichts abgeben wolle. Marko G. erklärt, er verzichte auf sämtliche in der Anklageschrift vom 19.09.2019 erwähnten Waffen und Munition. Er listet dann über zehn Minuten alle Gegenstände auf. Anschließend wiederholt die Gerichtsschreiberin die ganze vorgetragene Liste noch einmal. Die StA nimmt die Erklärung des Angeklagten an. Sodann verliest der Richter eine Liste von Dokumenten, die in Augenschein genommen werden sollen. Alle Prozessbeteiligten gehen nach vorne zur Richterbank zur Inaugenscheinnahme. Für die Öffentlichkeit sind die Inaugenscheinnahmen an der Richterbank nicht vollständig sichtbar.

Danach erklärt der Richter den Abschluss des Selbstleseverfahrens und dass Richter, Schöffen und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hatten, die Dokumente zu lesen. Alle stimmen zu.
Dann stellt der Richter fest, dass das Bundeszentralregister zum Angeklagten keinen Eintrag enthält. Damit wird mit allseitiger Zustimmung die Beweisaufnahme geschlossen.

Die Plädoyers im Prozess gegen Marko G.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft Schwerin

Es kommt zu den Plädoyers. Es beginnt die Staatsanwaltschaft, zunächst die Staatsanwältin. Sie wiederholt im Grunde die in der Anklageschrift gemachten Ausführungen zu den Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz. Diese hätten sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestätigt. Der am 12.10.1970 geborene Angeklagte habe im Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern als Polizeivollzugsbeamter und beim SEK des LKA Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet. Nach einem Schießtrainerlehrgang sei er als Schießtrainer und als Präzisionsschütze tätig gewesen. Er habe privat und beruflich großes Interesse an Waffen und am Umgang damit, er habe die Verstöße begangen, um seine „waffenrechtlichen Befindlichkeiten zu verwirklichen“. Marko G. habe angegeben, die Chatgruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ seien zur Krisenprävention im Krisenfall gegründet worden. Es sei um Vorsorge für Krisensituation, etwa Naturkatastrophen, Hackerangriffe oder Stromausfall gegangen. Es sei darum gegangen, ein Infonetzwerk für Krisensituationen in Nord, Süd, West und Ost aufzubauen, G. sei einer der Administratoren in der Gruppe gewesen. Im Dezember 2015 sei er der Gruppe „Nord“ beigetreten, das sei ein bundesweites Netzwerk, das sich für einen „Tag X“ gegenseitige Hilfe versprochen habe und sich darauf vorbereitet habe. Marko G. habe zur zur effektiven Umsetzung der Pläne die „Nordkreuz“ und „Nord.com“ Chatgruppen gegründet, die 40 Mitglieder hätten sich aus Polizisten, Rechtsanwälten, Ärzten, Soldaten zusammengesetzt. So sei der gesondert verfolgte Jan-Henrik H. Rechtsanwalt und ein weiterer gesondert Verfolgter ebenso.

Man habe unter anderem Übungen abgehalten, sich kennengelernt und Vorräte angelegt, um einige Tage oder Wochen zu überleben. Es sei um ein Überleben wie in der Wildnis gegangen. In den Gruppen seien viele Jagdeberechtigte oder Mitglieder von Schützenvereinen dabei gewesen, es habe regelmäßige Treffen gegeben. „Nord.com“ sei auf Kommunikation ausgerichtet gewesen, in der Gruppe „Vier gewinnt“ habe G. eine „SAP-Kurzfassung“, eine Art Verhaltenscodex der Gruppe weitergeleitet, diesen habe er 2015 von seinem bekanntem Frank Th. erhalten. Die Mitglieder sicherten ihre Gefolgschaft zu, es habe Schießübungen gegeben. Rechtsanwalt Jan-Hendrik H. habe 2016 zu einer Geburtstagsfeier mit Wettschießen eingeladen in deren Rahmen ein Pokal ausgelobt gewesen sei, der „Mehmet-Turgut-Gedenkpokal“ geheißen habe.

Es sei auch Geld eingesammelt worden, um beispielsweise Lebensmittel, Kraftstoff oder Leichensäcke zu erwerben. Die Buch- und Kassenführung habe beim Angeklagten G. gelegen. Man habe Depots ausfindig machen wollen, der Angeklagte habe als Waffenexperte illegale Waffen und Munition von der Bundeswehr und von Polizeidienststellen besorgen sollen, die jedoch zuvor nur zu dienstlichen Zwecken ausgereicht worden seien. G. habe den Mitgliedern der Chatgruppen „Nordkreuz“ und „Nord.com“ 40.000 Schuss Munition bereitgestellt.

Die Staatsanwältin sagt, zum Komplex eines Reservistenverbands und eines „Safehouses“ sei ein Ermittlungsverfahren gegen Jan-Hendrik H. und Haik J. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat anhängig, in welchem Marko G. als Zeuge geführt werde. Im Rahmen dieses GBA-Verfahrens habe die Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshofes die Durchsuchung des Anwesens des Angeklagten angeordnet. Durchsucht worden seien Wohnräume und Nebengelasse sowie eine blaue Abfalltonne. Es seien 23.000 Schuss Munition, Waffen und Irritationskörper gefunden worden. Diese seien nicht sachgemäß gelagert worden und seien somit als Gefahr für die Kinder und die Lebensgefährtin des Angeklagten anzusehen. Es seien Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz festgestellt worden.

Die Staatsanwältin sagt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass G. sich – wie er während der Hauptverhandlung angegeben habe – am Tag der Durchsuchung zu früher Stunde schon auf ein Schießtraining vorbereitet habe und im Aufbruch begriffen gewesen sei und sich nach Anschlagen des Hundes mit seiner durchgeladenen Pistole der Eingangstür genähert habe, er jedoch noch rechtzeitig festgestellt habe, dass ein SEK der Bundespolizei vor der Tür gestanden habe und Pistole deeskalierend abgelegt habe. Neben der Glock sei im Haus eine Pistole der Marke Luger, ein beidseitig geschliffener Dolch, 6700 Patronen unterschiedlichen Kalibers, insgesamt 1440 Patronen Behördenmunition von der Bundeswehr sowie von verschiedenen Polizeien der Länder u.a. Hessen gefunden worden.

Es seien auch zwei Bundeswehr-Übungsgranaten, zwei Knallpatronen sowie Signalpatronen gefunden worden. Darunter seien Patronen, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterlägen. Es sei dem Angeklagten bekannt gewesen, dass er diese nicht habe besitzen dürfen. Er habe drei Kollegen, die dazu später im Verfahren ausgesagt hätten, aufgefordert Munition aus den Beständen des LKA Mecklenburg-Vorpommern zu besorgen, diese Kollegen würden gesondert verfolgt. Es liege ein Chatverkehr zu diesem „Organisieren“ vor. Am 28.08.2017 seien in der unverschlossenen blauen Mülltonne über 1000 Patronen gefunden worden, die nur von SEKs benutzt würden und mithin nicht von Marko G. legal hätten erworben werden können. An diesem Tag sei alles inklusive der Waffenbesitzkarten, der Waffen- und Munitionserwerbsscheine aufgrund einer sofortigen Sicherstellungsanordnung mitgenommen worden. Noch im selben Jahr habe die Auskleidung von Marko G. und Einziehung der Dienstgegenstände stattgefunden.

Am 12.06.2019 habe die nächste Durchsuchung beim Angeklagten stattgefunden und es seien 31.400 Schuss Munition und Waffen und Sprengkörper festgestellt worden. Der Staatsanwalt sagt, diese habe der Angeklagte wohl schon vorher besessen und bei seiner Schwiegermutter gelagert. Auch Munition nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sei wieder dabei gewesen, diese habe G. wohl „unter der Hand“ mit einem Unbekannten besorgt, vermutlich einem Bundeswehr-Angehörigen. Unter den Funden sei auch Behördenmunition der Bereitschaftspolizei Bayern gewesen. Außerdem seien 1500 Gramm Treibladungspulver, sechs Irritations- und Irritationswurfkörper gefunden worden. Neben der Munition habe sich eine Uzi aus Bundeswehrbeständen angefunden, die der Angeklagte im November 2009/10 für 500 Euro auf einer Waffenmesse in Kassel von einem Unbekannten illegal erworben haben will. Zur Uzi habe es einen Schalldämpfer mit einer Schraubenmutter gegeben, die Uzi sei vom Panzergrenadierbatallion Brandenburg entwendet worden, diese sei zur Sachfahndung ausgeschrieben. Außerdem seien ein Winchester-Gewehr und diverse Schreckschusspistolen festgestellt worden. Für die Uzi und Winchester habe der Angeklagte keine Erlaubnis nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz besessen. Der GBA habe eine Übernahme des Verfahrens jedoch wegen des Fehlens tatsächlicher Hinweise auf die Beteiligung von Marko G. an der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat abgelehnt.

Nun übernimmt der Staatsanwalt. Er sagt, Marko G. habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, wodurch die Tatvorwürfe feststünden. Die StA folge dem Geständnis bis auf wenige Punkte. Die Behauptung, es habe keine Zugriffsmöglichkeit anderer auf Waffen und Munition gegeben, stelle sich der StA anders dar. Der Behauptung, es habe sich nur um Krisen- und Gewaltprävention gehandelt stehe die kritische Haltung des Angeklagten und seiner Gruppe zur Regierung gegenüber. Die Behauptung des Angeklagten, ihm sei Benennung und Bedeutung des „Mehmet-Turgut-Pokals“ nicht bekannt gewesen, stelle die StA in Abrede. Dass der Angeklagte bis zum Frühjahr 2018 davon ausgegangen sei, dass er zum SEK zurückkehren könne, sei abwegig. Die Aussage, es habe keine Geldsammlung für Waffen gegeben, stelle sich der StA anders dar, mit der Behauptung, es habe sich nur um Gedankenspiele gehandelt, verhält es sich angesichts der Chatprotokolle und der Aussage des Zeugen We. [3.Prozesstag] anders. Dass die Bilder im Chat nicht ernst gemeint gewesen seien und dem Angeklagten jede extremistische Tendenz fremd sei, stelle sich der StA anders dar. Dass die 223 Patronen Doppelkernmunition nach einem Tausch mit einem Bundeswehr-Angehörigen in den Besitz von Marko G. gelangt seien, stelle sich ebenfalls anders dar. Diese würden eindeutig aus Beständen des LKA Mecklenburg-Vorpommern stammen, ein Tausch sei mithin ausgeschlossen.
Im Ergebnis habe sich der Angeklagte folgender Straftaten schuldig gemacht: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Verstoß gegen das Waffengesetz und Vergehen gegen Sprengstoffgesetz.

Die StA folge dem rechtlichen Hinweis des Gerichts, dass die Vergehen zueinander in Tateinheit stünden: Es sei nur eine Tat gewesen, als Klammer könne der andauernde Besitz der Uzi von 2009/10 bis zur zweiten Durchsuchung betrachtet werden. Der Strafrahmen liege zwischen einem Jahr und fünf Jahren Freiheitsentzug. Es sei nun die Aufgabe, eine möglichst gerechte Sanktion gegen den Angeklagten zu finden: Wie seien die Vergehen zu bestrafen? Der Staatsanwalt macht dazu zunächst allgemeine Ausführungen. Die Schuld des Täters sei unter „Abwägung der Beweggründe und der Ziele die Grundlage unter Berücksichtigung der Wirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Angeklagten“ zu bestimmen. Zu betrachten seien das Vorleben sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Man müsse die Bedeutung des Falls in strafrechtlicher und medialer Hinsicht sowie im Hinblick auf das Vertrauen der Bevölkerung betrachten und trotzdem eine gerechte Strafe finden. Der Satz, eine Überdosis sei immer schädlich, gelte auch für eine Überdosis Strafrecht, auch sei der Ruf und die Forderung nach harter Bestrafung nicht in jedem Fall der richtige. Die Entscheidung, ob hier ein minderschwerer Fall vorliege, sei entscheidend, denn dann könnte sich herausstellen, dass aufgrund des gesamten Tatbilds und der subjektiven Täterhaltung eine hohe Strafe nicht gerechtfertigt erscheine.

Zu Marko G. sagt der Staatsanwalt, selbst als einstiger Polizeibeamter, Schießtrainer und Präzisionsschütze habe man schon am 28.08.2017 viele Waffen und viel Munition bei ihm gefunden, am 12.06.2019 sei er erneut im Besitz großer Mengen Munition sowie einer Uzi gewesen. Dies habe zum Teil gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Der Angeklagte habe sich diese Waffen und Munition gemeinsam mit Mitgliedern der Chatgruppe besorgt, um sie in gesellschaftlichen Krisensituationen einzusetzen. Das sei als Straftat durchaus schwerwiegend: Das Sammeln von Waffen in solchem Umfang als besonders ausgebildeter Beamter bedeute eine zusätzlich drastisch erhöhte Gefahr. Auch der Umfang der Zivilmunitionsfunde sei nicht geeignet, einen minder schweren Fall zu konstruieren. Gegen den Angeklagten spreche, dass er nach der ersten Durchsuchung 2017 dann 2019 wieder große Mengen Munition angesammelt habe, obwohl die erste Durchsuchung ja wohl eine überdeutliche Warnung gewesen sei. Marko G. sei ein besonders sachkundiger und ausgebildeter Beamter, weshalb seine Taten geeignet seien, dem Ansehen und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei einen kaum wieder gut zu machenden Schaden zuzufügen. Auch habe er Kollegen in Misskredit gebracht.

Für den Angeklagten spreche, dass er durch sein Geständnis zu einer erheblichen Verkürzung und Vereinfachung des Verfahrens beigetragen habe. So müsse man es jedoch nicht zwingend sehen, weil Waffen und Munition ja als Beweismittel gefunden worden seien. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, die Möglichkeiten eines beruflichen Neuanfangs seien schwierig, die Untersuchungshaft habe unter besonders harten Umständen stattgefunden, die mit einer Isolation vergleichbar seien. Der Staatsanwalt merkt an, Marko G. sei zwar für Extremsituationen ausgebildet, habe hier aber eine hohe Haftempfindlichkeit gezeigt. Der Angeklagte meine, dass er durch die Presseberichterstattung in Wort und Bild vorverurteilt worden sei. Er habe anstandslos auf die sichergestellten Waffen und Munition verzichtet. Damit halte die StA zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsentzug für angemessen, der Haftbefehl sei aufrecht zu erhalten, die Kosten des Verfahrens trage der Angeklagte.

Das Plädoyer der Verteidigung von Marko G.

Es folgt das Plädoyer der Verteidigung. Zunächst spricht Rechtsanwalt Knye. Dieser sagt, er müsse zurückkehren zur Eröffnungsrede. Sie hätten die Verteidigung damit begonnen, nochmal daran zu erinnern, worum es hier gehe. Es sollte ein sachliches Verfahren sein, frei von politischen Einflussnahmen. Er, RA Knye, könne dem Gericht bescheinigen, dass sich daran orientiert habe und in einer Weise verhandelt worden sei, dass das zu Tage gekommen sei, was hier relevant sei: Verstöße gegen das Waffen-, das Kriegswaffenkontroll- und das Sprengstoffgesetz. Die StA habe sich der vorherigen Absprache nicht verschrieben. Ihr Plädoyer trage Teile aus der Anklage mit Bezug zum GBA-Verfahren in sich, doch sei der hiesige Prozess dieses Verfahren nun gerade nicht. Marko G. sei nur Zeuge in dem GBA-Verfahren und nicht vorbelastet. Bei den medialen Veröffentlichungen habe er oft das Gefühl gehabt, an einer anderen Verhandlung teilgenommen zu haben. In dieser sei es wohl nur um die Wiederholung von Schlagworten mit negativer Konnotation gegangen, das sei wohl moderner. Aber wenn die StA das mache, sei das nicht akzeptabel.

Zum äußeren Rahmen sagt der Rechtsanwalt, das habe die StA mit reingebracht ins Verfahren. Auch in der Verfahrensgeschichte habe bis einen Tag vor Beginn der Hauptverhandlung eine Absprache gegolten, die das Gericht sauber protokollarisch dokumentiert habe. Diese habe gelautet, dass es beim Angeklagten bei voller Geständigkeit zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung kommen solle, so habe die Verteidigung sich und ihren Mandanten vorbereitet. Es sollte ruhig und sachlich verhandelt werden, gehe es doch nur um das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Wenn die StA nun, mit noch einem Oberstaatsanwalt zusätzlich, völlig überraschend mitteile, dass eine Bewährung nicht mittragen werde – es hieß, man habe das „nochmal in den Fachabteilungen geprüft“ – frage man sich, wie das wohl abgelaufen sei. Dadurch sei das Vertrauen ihres Mandanten erschüttert worden. Sie hätten sich gefragt, sollte die Verteidigung ihre Strategie nun nochmal ändern? Noch Beweisanträge stellen?

Erst sei der Angeklagte als Elitepolizist im Land hofiert worden und nun gehe es auf einmal um jede Patrone: „Das ist Presseberichterstattung statt Beweisaufnahme!“ Was hätte die Verteidigung zu erwägen, wenn sie nicht darauf vertrauen könne, dass das Gericht sich an die Absprache halte? Ihr Ergebnis sei gewesen, die Verteidigung werde sich genau so verhalten, als ob die Verfahrensabsprache fortbestünde. Dass die StA keine Bewährungsstrafe beantragt habe, habe eindeutig einen politischen Hintergrund. Der Angeklagte sei umfassend geständig, er habe ein subjektiv und objektiv von Reue getragenes Geständnis abgelegt und alle Fragen beantwortet. Das habe zu einem extrem verkürzten Verfahren geführt, schon das Selbstleseverfahren habe dazu beigetragen. Man könne den Fall doch nur einordnen, wenn man verstehe, dass Marko G. sein ganzes Leben in den Dienst des Staates gestellt und immer mit Waffen zu tun gehabt habe, alle Erlaubnisse seien ihm bis heute noch nicht rechtskräftig entzogen worden.

2017 habe der Zeuge He. [2. und 3. Verhandlungstag] alle Besitzkarten, die Erlaubnis zum Umgang mit Sprengstoff, alle Berechtigungen und im Haus befindlichen Waffen und Munition „mitgenommen“. Es habe sich zum größten Teil um Waffen und Legalmunition gehandelt, die G. bis heute gehörten, da die waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht entzogen worden seien. Es habe sich um eine Einziehung unter falschem Tatbestand gehandelt und sei nicht rechtsmittelfähig, seine Waffenerwerbserlaubnis sei weder eingezogen worden noch erloschen. Wenn seine Waffenbesitzerlaubnis nicht entzogen gewesen sei, dann habe Marko G. Munition besitzen, kaufen und an sich nehmen dürfen und wenn er Munition von einem Schießfreund bekomme brauche er im Übrigen keine Waffenerwerbserlaubnis. Noch heute könnte Herr G. Munition an sich nehmen.

Im September 2019 sei die Zustellung der Einziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis an den Wohnort erfolgt, was nicht rechtens sei. Daraus folge, dass der Angeklagte bis heute diese Erlaubnis besitze, selbst Behördenmunition sei okay, die habe er besitzen dürfen. Das Waffengesetz frage nämlich nicht nach der Herkunft, sondern nach der Erlaubnis. Deshalb sei das für das Jahr 2017 nicht relevant. Es sei für G. nicht verboten gewesen, Glock und Luger sowie sämtliche Munition im Haus, Auto und in der blauen Tonne zu besitzen. 2019 sei eine große Anzahl von Munition aus dem Bestand von 2017 gewesen, nur an anderem Ort aufbewahrt. 2017 habe im Auto ja schon eine Anzahl von Gewehren gelegen, die nicht mitgenommen worden seien, das sei alles strafrechtlich nicht relevant. Alles, was dazu gehöre, Schalldämpfer, Tragegurt, das habe Marko G. besitzen und behalten dürfen. Strafbar seien nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz die Bundeswehr-Übungsgranaten, die Leuchtspurmunition und Irritationskörper, Winchester und Uzi, wobei letztere subjektiv nicht beschussfähig gewesen sei. Eine Benutzung des Schalldämpfers für die Uzi schien Marko G. nicht möglich zu sein. Der Sachverständige habe sich eine Pappscheibe improvisiert und die geeignete Schraubenmutter sei selbst dem Sachverständigen erst spät und zufällig im Koffer aufgefallen. Der Angeklagte sage, er habe so eine Mutter nicht gesehen.

Auch seien Munitionsteile nicht sachgemäß aufbewahrt gewesen. Fünf Patronen im Waffenschrank, eine Patrone auf dem Boden. RA Knye fragt, was das nun rechtlich sei. Die Verteidigung folge der Auffassung des Gerichts, der schwerwiegendste Vorwurf sei der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, doch bei Kriegswaffen sei zu bedenken, in welchem Verhältnis die Waffen des Angeklagten zu größeren Waffen wie Panzer, Raketen oder Atomwaffen stünden, das bewege sich also am unteren Rand dessen, was das Gesetz vorgebe und wofür die Strafbarkeit nach Kriegswaffenkontrollgesetz in diesem Falle nur ein „Auffangtatbestand“ sei. Ein unerlaubter Erwerb habe schlicht nicht stattgefunden. Ebenso wenig wie eine Gefährdung durch den möglichen Zugriff Dritter. Zum Sprengstoffgesetz sagt RA Knye, sein Mandant habe eine entsprechende Berechtigung gehabt, habe größere Mengen Treibladung besitzen dürfen, Irritationskörper nicht, da sei aber die Gefahr nicht groß.

Die StA habe gesagt, gerade weil G. Polizist sei, müsse er besonders hart bestraft werden. RA Knye fragt, ob es nicht genau umgekehrt sei. Mit seinem Sachverstand, seinen Berechtigungen, seinem Beruf und seinem persönlichen Hintergrund dürfe er als zuverlässig gelten. Präzisionswaffen seien doch wesentlich gefährlichere Gegenstände als z.B. diese Winchester Liebhaberwaffe. G. sei nicht vorbestraft, habe eine enorme Haftempfindlichkeit gezeigt über ein halbes Jahr. Als Polizist habe er das als besondere Ächtung und Isolation erlebt. Marko G. sei Familienvater, die besonderen Kontrollanordnungen wie die Haftverlegung von Lübeck nach Hamburg seien durchaus irritierend und bedrohlich gewesen, Besuche seien überwacht gewesen, Besucher hätten Begleitung durch das LKA Mecklenburg-Vorpommern selbst organisieren müssen.

„Eine Bande, die sich zusammengetan hat, um Munition zu stehlen“, habe es geheißen und von Höchststrafen sei gesprochen worden. Nichts davon sei übrig. Über Marko G. habe ein krasses Damoklesschwert gehangen. Zu den beruflichen Folgen sagt der RA, was G. als hoch angesehener Soldat und Polizist erreicht habe, sei auf einmal weg. Es habe eine öffentliche Ächtung und Vorverurteilung gegeben, von „rechtsradikalen Preppern“ sei die Rede gewesen, von Terroristen: „Das muss ein Mensch erstmal ertragen.“ Weil es einfach nicht stimme. Ein Zeuge habe bestätigt, dass es in den Chatgruppen keine rechtsradikalen Inhalte gegeben habe. Man könne doch nicht über „all diese Ärzte, Rechtsanwälte, Soldaten, Jagdgenossen und Schützenvereinsmitglieder, sagen, sie seien rechtsradikal“. Sie hätten sich nur damit befasst, Vorsorge zu treffen, selbst die Bundesregierung empfehle, man solle etwas einkaufen und Vorräte anlegen. Ja, es habe rechtsradikale Äußerungen gegeben, aber das sei nicht die Gesinnung von Marko G., das charakterisiere auch nicht diese Leute, die „preppen“. Der Angeklagte bekenne sich zur freiheitliche demokratische Grundordnung: Wie hätte er denn sonst ein halbes Leben diesem Staat dienen können? Eine umfassende Verzichterklärung dokumentiere eine klare Abkehr vom Vorsorgegedanken. Dies würden Familie, Freunde und selbst der Pfarrer bestätigten.

Eine Strafe deutlich unter zwei Jahren sei tat- und schuldangemessen. Der moralische Schaden für die Behörden werde anerkannt, dieser sei aber auch durch eine Berichterstattung, die von rechtsradikalen Tendenzen in der Polizei spreche, verursacht worden. Marko G. sei kein Rechtsradikaler. Eine Bewährungsaussetzung sei ohne weiteres möglich und dringend nötig, ein Neuanfang werde gelingen. G. habe auch keine Waffen mehr, die Wirkung der Untersuchungshaft sei durchgreifend gewesen, die Nähe seines Prozesses zum Verfahren des GBA habe den Mandanten beeindruckt.

Rechtsanwalt Kain sagt, er schließe sich dem Kollegen an, vor allem was die Einordnung der Waffenerlaubnisse angehe. Er habe ein Zitat der StA im Ohr: „Ich hätte mir mehr erwartet“. Er könne nur sagen, er auch: mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Klarheit, mehr Verbindlichkeit, weniger Polemik und Gesichtswahrung. Das Verfahren beinhalte Verstöße gegen Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz. Es sei kein politisches Verfahren gewesen, Versachlichung sei das Gebot der Stunde gewesen. Das Verhalten der StA erschließe sich ihm nicht, rechtsstaatliche Bedenken ließen die StA unbeeindruckt. Immer noch sei beispielsweise von einem Dolch die Rede, dabei handele es sich um ein Bajonett, das sei etwas anderes. Die StA gehe bei Marko G. wegen seiner Spezialausbildung von einer besonderen Gefahr aus. Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz sollten doch für Sicherheit sorgen, bei wem seien die Gegenstände in sichereren Händen als bei Marko G.? Die StA frage nach den Zielen der Gruppe „Nordkreuz“. RA Kain: „Was für Ziele? Was für ein Quatsch!“ In diesem minderschweren Fall wären drei Monate für ein paar Patronen angemessen, drei mal soviel, nein Monate, durchaus auch noch.

Der Mandant habe die Ordnung in diesem Land nicht verändern wollen. 30 Jahre habe er den Kopf hingehalten, sei da rein gegangen, wo es wehtue. Das tue doch keiner, der dieses System nicht möge. Zu den Bildern im Chat sagt RA Kain, man dürfe doch wohl im bilateralen Mailverkehr mal ein paar Bilder bekommen, „rechtsradikale lustige Bilder oder Pornobilder sehr fetter Frauen und die leitet man dann einfach weiter“. Zur Frage nach dem Zugriff Dritter sagt der RA ironisierend, um 04:30 Uhr morgens hätten im Garten des Angeklagten natürlich alle Kinder Zugriff gehabt.
Die StA sage, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei sei erschüttert. Er, RA Kain, meine, dass eher das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden erschüttert sei und zwar „vom Kopf her“.
Das Verfahrens des GBA gegen H. und J. dümpele vor sich hin, das gegen Franco A. sei jetzt zwar eröffnet, aber das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sage, da sei nix dran. Und da werde hier von der Fortdauer der Untersuchungshaft geredet: „Wissen Sie, was sie da machen?“ Fluchtgefahr, das seit absurd und nichts als ein verzweifelter Versuch, hier nochmal nachzutreten. RA Kain schließt sein Plädoyer: „Freiheitsstrafe ja, aber deutlich unter zwei Jahre.“ Der Dritte Anwalt Marko G.s schließt sich an.

Die letzten Worte des Angeklagten

Es folgen die letzten Worte des Angeklagten, er habe nicht großartig etwas hinzuzufügen, er schließe sich den Ausführungen seiner Anwälte an. In 189 Tagen Untersuchungshaft sei ihm bewusst geworden, er habe nicht gewollt, dass „meine Leidenschaft am Schluss Leiden schafft“.

Der Angeklagte und seine Waffenbegeisterung – Urteilsverkündung im Prozess gegen Marko G. – 5. Verhandlungstag


NSU-Watch Protokoll vom 5. Verhandlungstag am Landgericht Schwerin am 19.12.2019

Kurz nach 13 Uhr betritt das Gericht den Saal und verkündet das Urteil für den Angeklagten Marko G.: Ein Jahr und neun Monate Freiheitsentzug auf Bewährung.

Der Richter führt dann in der Urteilsbegründung aus, im Zentrum stehe die Waffenleidenschaft von Marko G., der jedoch auch Inhaber einer grünen und gelben Waffenbesitzkarte, eines roten Waffenscheins und eines Munitionserbwerbsscheines sei. G. sei legaler Besitzer einer zweistelligen Zahl von Schusswaffen und entsprechender Munition und habe eine Genehmigung nach dem Sprengstoffgesetz für den Umgang mit Sprengzellulose. G. habe ein großes Interesse an Survival. Der Richter sagt, dabei sei es eine Frage nach der Henne und dem Ei und die habe im Verfahren nicht genau aufgeklärt werden können. Der Angeklagte habe sich auf Krisenszenarien vorbereitet, in deren Verlauf der Verlust staatlicher Ordnung und des staatlichen Gewaltmonopols zu erwarten sei, auch etwa durch eine Naturkatastrophe. Für einen solchen „Tag X“ habe er sich vorbereitet. Aber G. habe nicht drauf hingearbeitet, dazu habe nichts festgestellt werden können. Es sei ums „Preppen“ gegangen, darum, Lebensmittel, Kraftstoff und Hygieneprodukte vorrätig zu halten oder ein „Safehouse“ zu suchen – zum Schutz der eigenen Familie.

Dabei sei G. nicht allein gewesen, er sei als Administrator in Chatgruppen organisiert gewesen, er habe die sog. „SAP-Kurzfassung“ in den Chatgruppen verbreitet. Diese habe er von Frank Th. erhalten. Man habe gemeinsame Überlegungen angestellt, mit dabei seien unter anderen Soldaten, Polizisten, Ärzte, Sportschützen und Jäger gewesen. Auch Geld sei eingesammelt worden, etwa 12.500 Euro, das sei auch für Munition ausgegeben worden. Es sei um die Bereithaltung von legalen Waffen sowie 40.000 Schuss Munition gegangen. Der Angeklagte habe als Polizeibeamter auch andere Polizisten zur Beschaffung von Munition aufgefordert, außerdem gebe es fragwürdige wertkonservative, zum Teil rechtsradikale Chatposts. Deswegen laufe ein Ermittlungsverfahren des GBA wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, allerdings gegen andere, Marko G. sei in dem Verfahren nur Zeuge.

Das Landgericht Schwerin sei jedoch für derartige Terrorismusverfahren nicht zuständig. Hier gehe um etwas anderes: „Es geht hier nicht um Gesinnungsstrafrecht.“ Natürlich sei der politische Hintergrund eine Frage: „Was sollte mit den Waffen geschehen?“ Vieles von dem Gefundenen habe der Angeklagte jedoch legal besessen und das meiste sei auch sachgerecht gelagert gewesen. Insgesamt seien an vielen Stellen des Hauses Munition und Waffen gefunden worden und gemeinsam mit Waffenbesitzkarten und -scheinen sowie einem Munitionserwerbsschein bei Durchsuchung von dem Zeugen He. [2. und 3. Prozesstag] „mitgenommen“ worden. Ein entsprechender Bescheid mit Sicherstellungsanordnung sei ergangen, nicht jedoch für den Munitionserwerbsschein. Diese Anordnung habe aber – analog etwa zur Fahrerlaubnis bei Einziehung des Führerscheins – auf Besitz- und Erwerbsrechte keine Auswirkungen, es habe sich nicht um eine Entziehung gehandelt. Aufrund dieser Ergebnisse sei ein Verfahren eingeleitet worden. Schon damals habe dem Angeklagten klar gewesen sein müssen, dass es kein Zurück zum SEK habe geben können, zumindest hätte ihm das schon vorher klar gewesen sein sollen.

Bei der zweiten Durchsuchung bei Marko G. seien wieder Dutzende Waffen und große Mengen Munition festgestellt worden, sowohl erlaubnisfreie Waffen als auch illegale, wie Polizeimunition, Sprengkörper, eine Uzi und 1500 Schuss Munition nach Kriegswaffenkontrollgesetz, die jedoch nicht zur Uzi gepasst habe. Das meiste habe der Angeklagte schon 2017 im Besitz gehabt, das gelte v.a. für die Uzi und das Winchester-Repetiergewehr. Bei der Uzi handele es sich um eine Kriegswaffe mit Munition, der Schalldämpfer habe so ohne Weiteres nicht an der Uzi verwendet werden können, es sei ein Distanzstück erforderlich gewesen. Eine entsprechende Schraubenmutter habe sich im Koffer befunden, das habe der Angeklagte jedoch nicht gewusst und auch der Sachverständige nicht. Der Sachverständige habe das Kleinteil erst nach der Untersuchung der Uzi und nachdem er sich selbst ein Distanzstück aus Pappe gefertigt habe, in dem Koffer entdeckt. Marko G. jedenfalls habe keine Waffenbesitzkarte für die Winchester gehabt. Das meiste sei aber schon bei der Durchsuchung 2017 vorhanden gewesen, die Munition habe oft dieselbe Losnummer. Marko G. habe sich durchgängig kooperativ gezeigt, habe alle Passwörter mitgeteilt und sich einverstanden erklärt mit der Durchsuchung, der Sicherstellung und Mitnahme der Gegenstände, er habe sogar zugestimmt, dass die Durchsuchung ohne ihn und Zeugen stattfinden könne.

Der Richter geht nun darauf ein, was von all dem strafbar gewesen sei. Bei der Durchsuchung im Jahre 2017 sei die Pistole Luger nicht ordnungsgemäß gelagert gewesen, es seien 2000 Schuss Behördenmunition festgestellt worden, von der 650 Schuss nicht sachgemäß gelagert gewesen seien, es sei auch Munition nach Kriegswaffenkontrollgesetz gefunden worden, die ebenfalls nicht sachgerecht gelagert gewesen sei, ebenso wie etwa 1000 Schuss in „der blauen Tonne“.
Im Jahr 2019 seien 5000 Schuss Behördenmunition und 1250 Schuss nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, Sprengmittel, Signalfackeln, die Uzi und die Winchester gefunden worden, die ebenfalls nicht sachgerecht gelagert worden seien, ebenso wie drei Luftdruckwaffen. Die dort auch aufgefundenen etwa 25.000 Schuss Zivilmunition seien nicht strafbar, da der Munitionserwerbsschein nicht entzogen worden sei. Nicht strafbar seien die insgesamt 30.000 Schuss Zivilmunition, eine Streitaxt und ein Messer. Die aufgefundene Behördenmunition habe von Behörden im ganzen Bundesgebiet gestammt, hier habe es wohl Zwischenhändler gegeben, Marko G. habe nicht wissen können, woher sie genau kam.
Das 2017 aufgefundene doppelseitig geschliffene Seitengewehr oder Bajonett sei straflos.

Die Kammer habe als entschuldigt angesehen, so der Richter mit einem Anflug von Heiterkeit, dass die geladene Waffe Glock auf dem Boden des Wohnhauses gelegen habe, Marko G. habe verdächtige Bewegungen wahrgenommen und zur Waffe gegriffen. Als er jedoch erkannt habe, dass das GSG 9 vor der Tür stand, habe er sofort getan, was jeder gemacht hätte, nämlich die Waffe niedergelegt. Wenn er da erst hätte sagen wollen, er müsse die Waffe erst ordnungsgemäß verwahren, sei lebensfern bis lebensmüde. Der Angeklagte habe umfangreich und nachvollziehbar den Erwerb der Uzi geschildert, er habe sich dazu eingelassen, was ohne Weiteres nachvollziehbar und einsichtig gewesen sei. Es stehe hier nicht im Streit, was vom Angeklagten mit wem kommuniziert worden sei, sein Vorsatz sei durch das volle Geständnis klar geworden. Die Staatsanwaltschaft habe gesagt, sie hätte sich mehr erwartet – wo aber, so fragt der Richter, hätte man sich mehr vorstellen können? Er hätte die Lieferanten der Munition nennen und etwas zum kommuniziertes Gedankengut, das teilweise eindeutig außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verorten sei, sagen können. Die Lieferanten jedoch seien für Entscheidung in der Sache nicht zentral erheblich. Warum der Angeklagte dazu geschwiegen habe, sei Anlass für Spekulationen. Es könne jedoch sein, dass er es schlicht nicht mehr wisse. Nicht relevant sei auch das ausgetauschte Gedankengut oder die Gesinnung des Angeklagten. Sein Motiv sei relevant und von der politischen Einstellung zu lösen, denn für jede Einstellung kann ein Motiv positiv oder negativ ausgelegt werden. Ein Verdacht jedoch reiche nicht aus, es gehe nur um Beweise. Der GBA habe keine Anhaltspunkte auch nur eines begründeten Verdachts gesehen. Das Gericht sehe es auch so, anderenfalls hätte es das Verfahren an eine anderes Gericht abgeben müssen.

Es sei nicht festgestellt worden, dass Marko G. auf den „Tag X“ hingearbeitet hätte, fährt der Richter fort, es seien Vorbereitungen getroffen worden. Was dann geschehen wäre, sei hier untergeordnet. In Vorgesprächen habe es einen Deal der Verständigung gegeben, das Gericht habe klar kommuniziert: Der Angeklagte müsse liefern. Und er habe geliefert. Die Lieferanten der Munition seien zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Erörterung gewesen, niemand habe erwartet, dass sich der Angeklagte hier zum Kronzeugen mache. Die Uzi sei die Klammer für alle Vorwürfe, woraus sich die Tateinheit ergebe. Es habe keine Waffenlager in Erddepots gegeben und auch keine Banküberfälle oder ähnliches. Konkrete Gefahren seien nur wegen unsachgerechter Lagerung entstanden. Es seien Kinder im Haus des Angeklagten anwesend gewesen. Allein die Möglichkeit einer Gefährdung reiche aus. Das sei jedoch eine Ordnungswidrigkeit. Es sei hier jedoch nicht um Ordnungswidrigkeiten, sondern allein um das Strafgesetz gegangen.

Der Richter widmet sich nun der Frage, wie Marko G. nun also zu bestrafen sei. Ob es sich um minderschwere und besonders schwere Straftaten gehandelt habe, werde vom Gericht verneint. Zugunsten des Angeklagten sei zu sagen, dass dieser nicht vorbestraft sei. Er habe eine Untersuchungshaft unter besonders schweren Umständen durchstehen müssen, es habe sich faktisch um Einzelhaft und Isolation gehandelt. G. habe sich geständig eingelassen, was angesichts der objektiv erdrückenden Beweislast weniger wiege, zumal er auch keine Lieferanten genannt habe. Aber es habe den Deal gegeben, es habe keinen doppelten Boden bei seiner Einlassung gegeben, obwohl der Deal seitens der Staatsanwaltschaft kurzfristig aufgekündigt worden sei. Der Angeklagte habe so mit seinem Geständnis dem Rechtsstaat großes Vertrauen entgegengebracht. Was hätte er noch tun können, außer Kronzeuge zu werden? Er habe eingestanden, dass er sich verrannt habe und naiv gewesen sei – das spreche gegen erhöhte kriminelle Energie. Er sei von Anfang an sehr kooperativ gewesen, habe Passwörter oder Pins preisgegeben und sich einverstanden erklärt, dass die Durchsuchung ohne seine Anwesenheit stattfinden könne. Das habe alles dazu beigetragen, das Verfahren abzukürzen. Das hätte auch anders laufen können, was einen Aufwand nicht von mehreren Wochen, sondern Monaten nach sich gezogen hätte. Es seien alle Waffen sichergestellt worden und dadurch auch keine weiteren Folgen gegeben. Marko G. habe weiträumig den Verzicht auf Waffen und Munition erklärt, auch obwohl einiges straflos gewesen wäre und ihm zugestanden hätte.

Eine erhebliche rechtliche Folgen sei darin zu sehen, dass es für den Angeklagten kein Zurück zum SEK mehr gebe, seine Bezüge und beamtenrechtlichen Vorteile seien perdu. Der Fall habe großes mediales Interesse gefunden und hier im und vor dem Saal zu erheblichen Sicherheitsvorkehrungen geführt. Da entstehe sehr schnell der Eindruck einer Vorverurteilung. Dem habe sich das Gericht nicht entzogen, es sei festzustellen, dass die Medienberichterstattung nicht mit gerichtlichen Sichtweise übereinstimme. Wo der Angeklagte als rechtsradikaler Prepper dargestellt worden sei, sei das hier nicht Gegenstand gewesen, allenfalls Randthema. Teilweise habe die Darstellung in den Medien nicht dem entsprochen, was das Gericht wahrgenommen habe. So seien zwar die Waffen im Wohnzimmer von den Durchsuchungsbeamten hingelegt worden. Irgendwo sei dann gestanden, überall im Haus hätten Waffen herumgelegen. Der Angeklagte habe genau gewusst, was er gedurft habe und was nicht.

Der Richter sagt, das sei aber auch noch die schiere Masse an Waffen. G. habe nach 2017 weitergemacht und zum Teil zu Unrecht weiter auch Behördenmunition beschafft, jedoch nur noch in geringem Umfang. Strafverschärfend sei jedoch, dass G. versucht habe andere Personen, andere Polizeibeamte zu verstricken indem er sie aufordert habe, illegal Munition zu beschaffen. Es sei ein eher sorgloser Umgang mit gefährlichen Gegenständen festzustellen, so sei etwa die Uzi vollkommen unsachgerecht gelagert gewesen. Bei der Strafzumessung habe sich das Gericht davon leiten lassen, wie es das Gericht hier trotz dem Nichtzustandekommen der Verständigung dargestellt habe, nämlich dass eine Freiheitsstrafe von nicht über zwei Jahren auf Bewährung möglich sei und in Betracht komme.

Die Beweisaufnahme habe dann noch mehr Punkte zugunsten des Angeklagten ergeben. Fast sämtliche Positionen zu Waffen und Munition aus der Angklageschrift seien legal im Besitz des Angeklagten gewesen. Deswegen habe sich das Gericht genötigt gesehen, unter zwei Jahren zu bleiben, zumal auch 30.000 Schuss Munition aus der Strafbarkeit rausgefallen seien. Das Gericht habe sich kritisch immer wieder die Frage gestellt, ob der ursprüngliche Deal in Ordnung gewesen sei und das Gericht sei dabei geblieben. Der Richter geht nun auf die Bewährung ein. Es sei seitens des Angeklagten Straffreiheit zu erwarten, dafür gebe es eine Vielzahl gewichtiger Gründe. Es habe auch durchaus Aspekte gegeben, die gegen eine Bewährung gesprochen hätten, z.B. die Waffenbegeisterung des Angeklagten, die er ja nicht wie eine Jacke ablegen könne. Aber diese auszuleben, dafür gebe es eben auch legale Möglichkeiten. Er sei nicht vorbestraft und habe ein halbes Jahr in Untersuchungshaft unter besonderen Bedingungen verbracht, man habe gesehen, was das heiße.

Weiterhin sei auch die Rolle der Berichterstattung in den Medien zu berücksichtigen, der Angeklagte müsse sich darüber im Klaren sein, dass er unter Beobachtung stehe, es gebe viele Leute, die sicher nur darauf warteten, dass sie etwas zur Anzeige gegen ihn bringen könnten. Auch die Familie sei bei der Bewährungsfrage zu berücksichtigen: G. sei für seine Kinder sorgeverpflichtet und habe einen sehr guten Kontakt auch zu seiner Mutter. Die Kostenentscheidung sei klar, wer verurteilt werde, müsse zahlen.

Zum Schluss ergeht sich der Richter noch in einer Lobhudelei. Vor allem den Prozessbeteiligten wolle er hier vor den Berichterstattern seinen Respekt zu zollen. Das Verfahren habe einen erheblichen Umfang gehabt, aber alle hätten konzentriert und zielorientiert gearbeitet. Ein Strafprozess sei keine Wohlfühlveranstaltung. Die Aktenführung seitens des LKA Mecklenburg-Vorpommern sei unter sehr schwierigen Bedingungen hervorragend gewesen, das wünsche man sich eigentlich immer. Das sei sehr, sehr gut gewesen. Für das Gelingen hätte man auch am Wochenende gearbeitet.

Die verhängte Strafe werde auf vier Jahre Bewährung mit Wohnortauflage ausgesetzt. Die Schwierigkeit des Angeklagten mit seiner Waffenbegeisterung ziehe diese vier Jahre nach sich. Als der Richter die Aufhebung des Haftbefehls und das Ende der Verhandlung verkündet, brechen auf der Zuschauertribüne oben Applaus und zustimmende Rufe aus.