Protokoll 271. Verhandlungstag – 16. März 2016

0

Am heutigen Prozesstag werden zunächst Zeug_innen zur Tatortarbeit und Asservierung von Waffen nach dem 04.11.2011 im Wohnmobil in und der Frühlingsstraße in Zwickau befragt. Danach werden Antworten von Beate Zschäpe auf weitere Fragen von den Verfahrensbeteiligten verlesen. Dabei geht es u.a. um die Rolle vom Angeklagten André Eminger und seiner Frau.

Zeug_innen:

  • Andrea Se. (BKA, Asservierung einer Waffe aus der Zwickauer Frühlingsstraße)
  • Wolfgang Hi. (BKA, Asservierung einer Waffe aus der Zwickauer Frühlingsstraße)
  • Thilo Ho. (TLKA, Tatortarbeit am Wohnmobil in Eisenach)
  • Jörn Na. (Polizeibeamter, Auffinden der Tatwaffe Ceska)

Heute ist Fototermin. Es sind im Vergleich zu den meisten Verhandlungstagen in der letzten Zeit viele Pressevertreter_innen und Zuschauer_innen da. Dennoch ist auf der Empore noch Platz. Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Anwesend ist heute Zschäpe-Verteidiger RA Borchert, außerdem ist auch der psychiatrische SV Saß da.

Zunächst wird die Zeugin Andrea Se. gehört. Götzl sagt, es gehe um die Sicherstellung von Waffen in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau: „Inwiefern waren Sie damit befasst, was können Sie uns berichten?“ Se.: „Ja, der Kollege Hi. und ich waren ein Asservierungsteam. Wir sind in Zwickau am 12.11.2011 eingetroffen. Da waren bereits alle Gegenstände aus dem Brandschutt geborgen und zur PD Südwestsachsen verbracht worden, auch die in Rede stehende Waffe.“ Diese habe sich in einem verschlossenen Kellerraum befunden, da seien auch weitere Munitionsteile gewesen. Die Pistole habe sich in einem weißen Kunststoffeimer befunden mit diversen anderen Munitionsteilen [phon.]. Sie hätten die Pistole fotografisch dokumentiert und asserviert, ihr eine Nummer gegeben, sie beschrieben in der Asservatenliste und mit der Nummer versehen. Wenige Tage später hätten sie die Waffe nach Wiesbaden verbracht, um sie der kriminaltechnischen Untersuchung zuzuführen. Götzl fragt, ob Se. gesagt worden sei, wo die Waffe aufgefunden worden sei. Se. sagt, alles was sich in dem Keller befunden habe, auch der Eimer mit der Pistole, sei in „N“ gefunden worden. „N“ stehe für „Nachsuche“ im Brandschutt. Wo genau die Waffe aufgefunden worden sei, wisse sie nicht.

Es folgt der Zeuge Wolfgang Hi. Wieder sagt Götzl, es gehe um die Sicherstellung von Waffen im Bereich des Anwesens Frühlingsstraße 26 in Zwickau. Hi.: „Also, selber in der Frühlingsstraße war ich nicht tätig, das waren die Kollegen aus Zwickau. Als ich am 12.11.2011 in Zwickau angekommen bin, waren sämtliche Asservate aus dem Haus und davor in einer Garage in den Räumlichkeiten der PD Zwickau zum Trocken ausgebreitet. Dort haben wir Stück für Stück wegasserviert, fotografiert und dokumentiert.“ Götzl fragt nach der Waffe „MOD.-315 Auto Kal. 8 mm“ [phon.]. Hi.: „Es gab auf dem Gelände noch einen Kellerraum, der über zwei Räume abgesperrt war, da lagerten diverse Munitionsteile, die im Brandschutt im Rahmen der Nachsuche gesichert wurden. Da lag in einem weißen Kunststoffeimer die besagte Waffe.“ Diese hätten sie dann fotografiert, asserviert und verpackt. Götzl: „Haben Sie Informationen bekommen von irgendeiner Seite, wo diese Waffe Bruni aufgefunden wurde?“ Hi.: „Sie kam aus dem Bereich N. Das stand für Nachsuche im Brandschutt.“

Als nächstes wird der Zeuge Thilo Ho. gehört. Götzl: „Es geht uns um die Sicherstellung von Waffen im Wohnmobil V-MK 1121.“ Götzl fragt, inwieweit Ho. damit befasst gewesen sei. Ho.: „Also, ich war damit schon befasst, wir haben ja an dem 04.11. den ersten Angriff gefahren.“ Er sei damals, so Ho., in der Tatortgruppe gewesen, gegen 12 Uhr hätten sie einen Anruf bekommen, dass vermutliche Bankräuber in dem Wohnmobil in Stregda aufgefunden worden seien. Die Tatortgruppe sei angefordert worden, er und eine Kollegin seien dann zum Tatort gefahren. Es habe dann eine erste Besichtigung des Wohnmobils von außen gegeben. [phon.] Dann sei von der Polizeiführung entschieden worden, dass das Wohnmobil abgeschleppt wird und es sei dann – nicht viel, 10 km ungefähr – abgeschleppt worden. Dann hätten sie angefangen das zu untersuchen. Ho. weiter: „Der Anblick: Es waren zwei Personen in dem Wohnmobil. Das Wohnmobil war stark brandgeschädigt. Ein Großteil der Plastedecke war auf den Boden gestürzt und hat die beiden Leichen, die eine stark und die hintere zum Teil, mit Brandschutt bedeckt. Am Ausgangsort in Stregda haben wir noch eine Waffe gesichert, die Waffe im Nassbereich des Wohnmobils, eine P 2000 – wie sich rausstellte, die Waffe von einem Kollegen. An dem Abend wurden noch zwei Pumpguns gesichert, eine komplett bedeckt vom Herrn Böhnhardt und eine zweite war die, die weiter weg vom Herrn Mundlos lag. Weiter wurde noch ein Revolver sichergestellt, der links neben der Spüle lag. Eine weitere Waffe, auch P 2000, die war auf dem Tisch, auch sehr mit Brandschutt bedeckt. Und rechts neben dem Tisch auf der Sitzbank lag noch eine MP. Bis auf die MP haben wir an dem Abend die Waffen alle gesichert. Das waren nicht alle Waffen. Am nächsten Tag haben die Kollegen aus Gera noch weitere Waffen gesichert. Die hat man erstmal nicht gesehen, weil alles mit Brandschutt bedeckt war.“ Es folgt eine Inaugenscheinnahme von Lichtbildern, auf denen die Waffen, z.T. mit Brandschutt und „organischem Material“ behaftet, zu sehen sind. Danach nimmt Ho. wieder am Zeugentisch Platz.

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders fragt, ob Ho. etwas zu den Gründen dafür sagen könne, dass die Einsatzleitung den Abtransport des Wohnmobil zum Abschleppunternehmen angeordnet hat. Ho.: „Sie müssen davon ausgehen: Zum Zeitpunkt, als wir es aufgefunden haben, war es ja ein Banküberfall. Soweit ich weiß, wollte der Polizeiführer uns in Ruhe arbeiten lassen. Es ist Presse gekommen und er wollte uns in Ruhe arbeiten lassen. Wir haben das anders gesehen, aber er wollte uns arbeiten lassen.“ Schneiders: „Wie haben Sie es gesehen?“ Ho.: „Sagen wir mal, es ist ungewöhnlich. Normalerweise hätten wir einige Sachen erst machen müssen, Abmessung, Absuche des Bereichs. [phon.]“ Schneiders fragt, ob Ho. in Stregda Fotos gemacht habe. Ho.: „Ich persönlich nicht, aber die Kollegin.“ Ho. nennt auf Frage den Namen Mi. von der Tatortgruppe Thüringen. Schneiders fragt, ob die weitergereicht worden seien zu den Akten. Ho.: „Davon gehe ich aus, wir haben nichts gehortet.“ Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse über Bilder von der Feuerwehr?“ Ho.: „Ich selber weiß es nicht. Ich habe ein paar Bilder beim Untersuchungsausschuss gesehen in Thüringen.“ Schneiders: „Wie viele?“ Ho.: „Die die Feuerwehr gemacht hat? Weiß ich nicht.“ Schneiders: „Wie viele haben Sie gesehen?“ Ho.: „Nicht viele. Drei, vier Stück.“

Schneiders: „Haben Sie Informationen darüber, wer alles im Wohnmobil war, bevor Sie vor Ort waren?“ Ho.: „Der Polizeiführer, Herr Menzel. Das ist das, was mir bekannt ist.“ Schneiders: „Was ist Ihnen dazu bekannt?“ Ho.: „Ich war selber nicht vor Ort. Hörensagen.“ Schneiders: „Von wem haben Sie was gehört?“ Ho.: „Weiß ich nicht mehr, ist ein paar Jahre her. Ich weiß nur, Herr Menzel war drin. Da war ein Baterrieladegerät, das klingt jetzt so, aber er hat geguckt, ob das ein Sprengsatz ist, das ist aber nur vom Hörensagen. [phon.] Ich weiß, dass er drin war.“ Schneiders: „Hat Sie das auch verwundert oder ist das üblich?“ Ho.: „Grundsätzlich ja. Es ist natürlich so, dass es eine Lage war, wo erstmal jemand reingucken muss, was da drin los ist. Aber es ist ungewöhnlich, dass der Polizeiführer selbst reingeht, ja“ Schneiders: „Die erste Polizeiwaffe, von wem ist die aufgefunden worden?“ Ho.: „Die P 2000 aus der Nasszelle? Ich und die Kollegin. Ich habe sie gesichert vor Ort noch in Stregda. Wir haben gesehen, es ist eine Polizeiwaffe und haben eine Überprüfung veranlasst. Und ich glaube, 16 Uhr und ein paar Minuten, das Mobil war schon abgeschleppt, kam die Information, dass es die Waffe von einem Kollegen aus Heilbronn ist.“ Schneiders: „Haben Sie eine Information von Herrn Menzel bekommen darüber, welche Waffen vorhanden sind, eine Einweisung von Herrn Menzel oder jemand anderem?“ [phon.] Ho.: „Wir haben eine Einweisung bekommen. Aber es ist vier Jahre her. Ich weiß nicht mehr, wie es lief. Aber es gab eine Einweisung.“

Schneiders fragt, ob durch Menzel oder jemand anderen. Ho. sagt, Menzel sei dabei gewesen und der Kollege, der die ersten Maßnahmen mit geführt habe, den Namen wisse er nicht mehr. Schneiders: „Zum Abtransport: Sind Veränderungen aus Ihrer Sicht entstanden im Wohnmobil?“ Ho.: „Meine persönliche Meinung ist: Eigentlich nicht. Es ist nicht auszuschließen, aber es war durch Brand und Plaste, was runtergetropft ist, es war ja alles fest. Dass im Schrank was rumgerutscht ist, ist nicht auszuschließen. Aber es war ja alles eine Schuttmasse. Kann sein, aber ich glaube es nicht.“ Schneiders: „War an den Gegenständen etwas ersichtlich, dass etwas verrutscht ist?“ Ho.: „Nein.“ Schneiders: „Wie kam es, dass sie an dem einen Tag die Spurensicherung gemacht haben und dann die Kollegen aus Gotha?“ Ho.: „Das war in Absprache mit dem Polizeiführer. Das war in dem Moment auch eine vernünftige Entscheidung. Es hing was dran: Wir haben den ersten Angriff gemacht, die Leichen gesichert, die mussten zur Sektion, die Waffen mussten gesichert werden. Aus Gotha die Kollegen sollten das weiter machen. Das war grundsätzlich ein guter Plan. Aber die Kollegen in Gotha, ich sage mal, das war zu wenig, sage mal, Manpower für das große Wohnmobil.“ Auf die Frage, ob die Kollegen aus Gotha Verstärkung gewesen seien, sagt Ho.: „Nein, ich habe am 05.11. gegen Mittag [phon.]die Übergabe mit den Kollegen gemacht.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Sie sagten, Sie hätten das anders gesehen, das Fahrzeug abzuschleppen, dass es noch hätte eingemessen werden sollen: War das Wohnmobil für Sie kein potenzieller Tatort?“ Ho.: „Doch.“ Klemke: „Doch. Darf denn an einem Tatort vor der Tatortarbeit, durch Sie als Tatortgruppe z.B., irgendetwas verändert werden?“ OStA Weingarten beanstandet die Frage, weil es nicht um Dienstvorschriften gehe, sondern um die Wahrnehmungen des Zeugen. Klemke erwidert, es gehe nicht um die Dienstvorschrift, der Zeuge gehöre zur Tatortgruppe, sei also fähig zu antworten. Götzl lässt die Frage zu, weil es um den konkreten Einsatz gehe. Ho.: „Grundsätzlich ist es so, dass keine Maßnahmen getroffen werden sollen, bis die Tatortgruppe da ist, aber es ist nicht unüblich, dass die Kollegen anfangen bis die Tatortgruppe da ist. Keine Dienstanweisung dazu. [phon.]“ Klemke fragt, mit was die Kollegen anfangen würden. Ho.: „Mit Spurensicherung teilweise. Es gibt ja Kriminaltechniker auf den einzelnen Behörden. Um Spuren zu schonen, zu schützen, fangen die teilweise an. Und dann gibt es eine Einweisung. [phon.]“ Klemke sagt, es gehe ihm ja nicht um die Spurensicherung, sondern um die Bewegung des Tatorts. Ho.: „Wenn ich den Tatort bewege, hat es was mit Spuren zu tun. [phon.] Wie gesagt, da war auch schon die Feuerwehr. Als wir ankamen, war das Wohnmobil auch schon eingepackt. Da war Folie drum rum wahrscheinlich von der Feuerwehr. Es ist unglücklich, so gesehen, aber es war eine Entscheidung des Polizeiführers.“

Klemke fragt, warum das unglücklich gewesen sei. Ho.: „Wie ich schon gesagt habe.“ Klemke: „Wollten Sie sagen, dass man den Tatort als solches nicht bewegen sollte?“ [phon.] Götzl: „Suggestiv.“ Klemke: „Der Zeuge ist fachkundig, er wird suggestiven Einflüssen nicht unterliegen.“ Ho.: „Wenn ich jetzt einfach von einem Fahrzeug ausgehe und Sachverhalte in dem Fahrzeug sind, ist es schon üblich, dass abgeschleppt wird und dann in einem gesicherten Bereich bearbeitet wird.“ [phon.] Klemke: „Vor der Spurensicherung?“ Ho.: „Ja.“ Klemke: „Hätte es andere Möglichkeiten gegeben, ohne Abschleppen?“ Ho.: „Ja.“ Klemke: „Hielten Sie das für sachgerechter?“ Ho.: „Grundsätzlich ja.“ Götzl: „Das ist jetzt eine Wertung.“ Klemke: „Wir bewegen uns im Bereich der Sachkunde des Zeugen.“ Ho.: „Grundsätzlich ist es besser, wenn es stehen bleibt und man dort anfängt. Man darf aber nicht vergessen: Das Fahrzeug hat gebrannt, die Feuerwehr hat gelöscht.“ Er könne nicht sagen, inwiefern die Feuerwehr drin war, aber spurentechnisch sei das vom Brandtatort [phon.] sehr schlecht, so Ho. Klemke: „Und dann macht man den noch schlechter?“ Ho.: „Ich bin der Meinung, dass das Abschleppen in dem Wohnmobil nichts verändert hat.“

Klemke: „Andere Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, die erste Waffe, die Sie gefunden haben, die war in der Nasszelle?“ Ho.: „Die erste Waffe, die wir gesichert haben.“ Klemke: „Welche Waffe haben Sie zuerst gesehen?“ Ho.: „Das kann ich nicht mehr sagen.“ Klemke: „Sind Sie gleich einmal durch das Wohnmobil marschiert oder schrittweise vorgegangen?“ Ho.: „Ich habe mir einen Überblick verschafft in dem Wohnmobil. Spurenschonend, wie sich das gehört. Ich habe sicher die eine Pumpgun gesehen, aber ob das die erste Waffe war, die ich gesehen habe, da kann ich nicht die Hand ins Feuer legen für.“ Klemke: „Bei der Einweisung, wurden Sie da auf Gegenstände hingewiesen?“ Ho.: „Kann Ich Ihnen nicht mehr sagen.“ Klemke: „Sie erwähnten eine P2000 auf dem Tisch und mit Brandschutt bedeckt. Wissen Sie, wann Sie die registriert [phon.] haben?“ Ho.: „Aus dem Kopf nicht, aber die Uhrzeit müsste im Spurenbericht stehen.“ Klemke fragt, ob Ho. die Uhrzeit notiert habe, sofort wenn er eine Waffe registriert habe. Ho.: „Nein, beim Sichern.“ Klemke: „Die Waffe war mit Brandschutt bedeckt. Konnte die ohne Weiteres gesehen werden oder erst nachdem der Brandschutt beseitigt wurde, ganz oder teilweise?“ Ho.: „Ich meine mich zu erinnern, dass sie mit dem Griffstück rausgeguckt hat aus dem Brandschutt.“ [phon.] Klemke: „Wissen Sie, wie weit das Griffstück raus ragte?“ Ho.: „Nein.“

Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Waren Sie dabei, als dieses Wohnmobil abgeschleppt worden ist?“ Ho.: „Ja.“ Kaiser: „Auf welche Weise wurde es abgeschleppt, auf eigener Achse oder angehoben, stand es schräg?“ Ho.: „Ich, weiß es jetzt nicht mehr hundertprozentig. Ich meine, es wurde hochgezogen auf den Abschleppwagen, aber ich weiß es nicht mehr.“ Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Wissen Sie, wohin das Wohnmobil gebracht wurde?“ Ho.: „Nach Eisenach zu einem Abschleppdienst, in eine Lagerhalle.“ Nahrath: „Nicht in eine polizeiliche Einrichtung?“ Ho.: „Nein.“ Nahrath: „Haben Sie dann die Arbeit in der Halle aufgenommen?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Haben Sie es auch dort an die Kollegen aus Gotha übergeben?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Wissen Sie, was dann mit dem Wohnmobil passierte, nach Beendigung der Arbeit der Kollegen aus Gotha?“ Ho.: „Grundsätzlich stand es in der Garage bei dem Abschleppdienst. Es wurde nach der Spurenbearbeitung durch die Gothaer Kollegen ins LKA geschleppt.“ Nahrath: „Haben Sie das Abschleppen begleitet und dann gleich angefangen zu arbeiten?“ Ho.: „Am 04.11., ja.“ Nahrath: „Die ganze Nacht?“ [phon.] Ho.: „Wir haben bis 1 Uhr gearbeitet und dann aufgehört. Ich meine, das steht in den Akten, es wurde bewacht. [phon.]“ Nahrath: „Sie wissen nichts Genaues?“ [phon.] Ho.: „Ich kann mich nicht erinnern, es ist aber sehr üblich, dass es bewacht wird.“ Nahrath: „Haben Sie bis zur Übergabe am 05.11. die Spurensicherung geleitet?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Hatten Sie Schlüssel zu der Halle?“ Ho.: „Kann ich nicht mehr sagen.“ Nahrath: „War das Fahrzeug, das abgeschleppt hat, auch da?“ Ho.: „Es war auf jeden Fall von der Firma.“ Nahrath: „Haben Sie das noch vor Augen?“ Ho.: „Nein.“

NK-Vertreter RA Langer: „Als Sie das Fahrzeug in der Lagerhalle hatten, waren Sie da auch drin, als die Leichen noch drin lagen?“ Ho.: „Ja.“ Langer fragt, ob die Lage der Leichen verändert oder gleich gewesen sei. Ho.: „Vor und nach dem Abschleppen? Die Lage war gleich.“ NK-Vertreter RA Behnke: „Wann hat das LKA die Arbeit, die Tatortarbeit, übernommen?“ Ho.: „Sie meinen, am 04.11.?“ Behnke: „Die Frage zielt darauf ab, wie lange Zeit dazwischen vergangen war.“ Ho.: „Im Tatortbefundbericht müsste die Zeit drin stehen. Man kann grundsätzlich von anderthalb bis zwei [phon.] Stunden ausgehen, nachdem wir alarmiert werden. Steht im Tatortbefund.“ RA Narin: „Haben Sie auch mitbekommen, ob Herr Menzel sich noch in Stregda lautstark über Herrn Wießner geäußert haben soll?“ Ho.: „Nein.“ Nahrath: „Sie sagten, Sie haben sich sehr lange im Wohnmobil aufgehalten zur Spurensicherung. Haben Sie auch organisches Material gefunden? An den Wänden, auf dem Boden?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Konnten Sie entscheiden oder erkennen, was für Material?“ Ho.: „Es war viel Hirnmasse und viel Blut.“ Nahrath: „Im Umfeld beider Leichen?“ Ho.: „Das Wohnmobil war nicht groß. Ich konnte von meiner Seite nicht zuordnen, was zu wem gehörte.“ Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt der Zeuge Jörn Na., 37, Polizeibeamter aus Görlitz. Götzl: „Es geht uns um die Sicherstellung von Waffen im Bereich Anwesen Frühlingsstraße 26 in Zwickau, inwiefern Sie damit befasst waren, was Sie gemacht haben und die Ergebnisse.“ Na.: „Ich war im Bereich Frühlingsstraße Zwickau am 09.11.2011 eingesetzt. Ich habe zu dem Zeitpunkt meine Ausbildung in der Polizeifachschule in Chemnitz durchgeführt. Wir wurden einen Tag vorher informiert über diesen Einsatz. Da war noch nicht klar, worum es da ging, es hieß nur, es geht zu einer Suche [phon.]. Wir sind um 7 Uhr gestartet und waren gegen 8 Uhr in Zwickau, wurden da eingeteilt in drei Gruppen, die mit der Beräumung des Schutthaufens, Abtransport des Schutthaufens beauftragt waren. Das begann eigentlich sofort nach Ankommen, wir haben nicht lange Zeit da rumgestanden. Im Laufe des Nachmittags wurde dann halt diese Ceska von mir gefunden.“ Götzl: „Können Sie noch Näheres zur Auffindung schildern?“ Na.: „Ja. Wir sind angekommen in der Frühlingsstraße. Es war ein Schuttberg vor dem Haus in der Frühlingsstraße. Wahrscheinlich oder ersichtlich von dem ersten Stockwerk, was da runtergerissen wurde. Bauschutt, Leitungsrohre, Holzbalken etc. [phon.] Wie gesagt, es wurde nicht nur eine Waffe gefunden, sondern mehrere Waffen, an dem Tag durch andere Kollegen.“

Götzl: „Wie sah die Ceska aus?“ Na.: „Wo ich es ausgegraben habe, habe ich vorher nur ein kleines Rohr gesehen. Sah aus wie ein Leitungsrohr, dachte ich erst. Ich habe dran gezogen. Es war der Schalldämpfer und am anderen Ende des Schalldämpfers hing halt diese Pistole. Die war jetzt nicht stark verrostet im ersten Eindruck. [phon.] Natürlich Bauschutt und Wasser angebacken, wahrscheinlich durch die Löscharbeiten. Der Schalldämpfer war wie angebacken in eine Folientüte, verbrannt, also die Pistole war mit dem Schalldämpfer verschmolzen.“ Götzl: „Was haben Sie mit der Waffe gemacht?“ Na.: „Ich habe die erstmal abgelegt, ich bin erstmal ein bisschen erschrocken. Ja, und dann habe ich einen Kollegen gerufen, wir haben uns die zusammen angeschaut und die dann zu dem Fahrzeug gebracht, was in der Nähe stand, in eine Tüte und dann kam das dort in die Kiste.“

OStA Weingarten: „Wenn ich Sie falsch verstanden haben sollte, korrigieren Sie mich bitte. Sie haben gegen 8 Uhr begonnen. Können Sie sagen, wann Sie Ihrer Erinnerung zufolge die Waffe gefunden haben?“ Na.: „Das war gegen nachmittags.“ Weingarten: „Wie haben Sie die Stunden zwischen Aufnahme der Arbeiten und Fund ganz konkret verbracht?“ Na. sagt, es habe drei Gruppen gegeben, eine zur Beräumung des Schutthaufens, eine zum Abtransport des Schutts auf die Abräumstelle [phon.], wo nochmal durchsucht worden sei durch andere Beamte, und eine Gruppe habe Pause gemacht und unterstützt bei großen Teilen [phon.]. Weingarten fragt, ob Werkzeuge genutzt worden seien. Na.: „Nein, keine Werkzeuge. Bauhandschuhe und darunter Gummihandschuhe. Keine Werkzeuge außer der Schubkarre.“ Weingarten sagt, Na. habe zunächst ein Rohr erwähnt, dass er es für ein Leitungsrohr gehalten habe. Na.: „Ja.“ Weingarten: „Haben Sie das schon morgens wahrgenommen?“ Na.: „Nein, das war wirklich am Ende gewesen, im unteren Teil des Schutthaufens, kurz vor Beendigung der Maßnahme.“ [phon.] Weingarten: „Habe ich Sie richtig verstanden, Sie sind von der Straße aus gesehen von vorne in Richtung Haus vorgegangen?“ Na.: „Diese Gruppen waren etwa 7 bis 8 Mann stark. Wir haben uns verteilt und uns zum Innenraum vorgearbeitet. Größere Teile von oben runtergenommen, die gestört haben. [phon.]“ Weingarten: „Haben Sie eine Erinnerung daran, welche Höhe an Schutt sie abgeräumt haben, bevor Sie dieses Rohr wahrgenommen haben?“ Na.: „Wenn ich so zurückdenke, dann war es über Mann hoch, über 2 Meter, würde ich sagen.“

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Waren während Ihrer Maßnahmen weitere Polizeikräfte außer den drei Gruppen vor Ort?“ Na.: „Ja, da waren auch andere Polizeibeamte vor Ort.“ Nahrath: „Welche Dienststellen?“ Na.: „Kann ich nicht genau sagen, ich weiß es nicht. Ich weiß, dass Beamte aus Sachsen dabei waren, uniformierte.“ Die hätten Jacken getragen wie Brandursachenermittler. [phon.] Na. weiter: „Es war auch ein Wappen aus Baden-Württemberg zu sehen. Aber ich kann nicht sagen, wer genau da war.“ Nahrath: „Waren auch Kräfte in Zivil dabei, LKA oder BKA?“ Na.: „Wie gesagt, diese Jacke Brandursachenermittler habe ich gesehen, war wie eine Feuerwehruniform, aber das Logo von Sachsen drauf. In Zivil gekleidete Personen habe ich nicht wahrgenommen.“ Nahrath fragt nach Na.s Vorgesetztem. Na. nennt denen Namen F. [phon.] Nahrath: „War das praktische Ausbildung aus Ihrer Sicht, die Sie da betrieben haben?“ Na.: „Nein.“ Nahrath: „Weil Sie schon vorher Polizist waren?“ Na.: „Nein, ich war in der Ausbildung.“ RA

Klemke: „Sie sagten, Sie haben übermannshoch Schutt weggeräumt vor der Waffe.“ Na.: „Ja.“ Klemke fragt, ob das bei der Maßnahme fotografisch dokumentiert worden sei, wenn etwas gefunden worden sei. Na.: „Kann ich so nicht sagen.“ RAin Schneiders bittet darum, dass Na. ein Lichtbild aus der Mappe des Brandermittlers vorgelegt wird, ob dann eine Erinnerung kommt, ob das in dem Bereich gewesen sei, wo er die Waffe gefunden habe, oder in einem anderen Nachsuchebereich. Na. geht wieder an den Richtertisch. Na.: „Ich erinnere den Schuttberg und wir haben den von rechts bzw. vorderer Bereich abgetragen. Und die Waffe wurde dann eher im hinteren Bereich, also links, gefunden, wo genau kann ich nicht sagen.“ [phon.] Schneiders: „Können Sie zur Sicherung des Tatorts etwas sagen? Man hat ja die Bauzäune gesehen. Kam da jeder rein oder nur Personen wie Sie, mit einer Aufgabe?“ Na.: „Meine Wahrnehmung war am 09.11.2011, dass ein Bauzaun aufgebaut war. Ob irgendjemand reingehen konnte, kann ich nicht sagen. Ob das bewacht war, kann ich auch nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass als wir da waren, nur Polizeibeamte in dem Bereich waren.“ Schneiders: „Innerhalb des Bauzauns?“ [phon.] Na.: „Ja.“ Na. bejaht, dass Schaulustige und Presse da gewesen seien: „Meist Fotografen, die am Zaun gestanden haben und versucht haben Fotos zu machen vom Einsatzort.“ Schneiders fragt, ob das geschützt gewesen sei vor Einblicken von außen. Na.: „Nein, nicht geschützt, normaler Bauzaun, nicht abgehangen.“ [phon.] Schneiders: „Wissen Sie, ob es ein Einsatzteam gegeben hat, das fotografisch dokumentiert hat, grundsätzlich?“ Na.: „An dem Tag, wo wir da waren, am 09.11., ist mir nicht aufgefallen, dass jemand mit einer Kamera rumgelaufen ist und den Tatort dokumentiert hat, fotografisch.“

Schneiders sagt, Na. habe davon gesprochen, dass er die Waffe in einer Kiste abgelegt habe und fragt, ob da etwas von jemandem dokumentiert worden sei, ob bei dem Fahrzeug jemand gewesen sei, der Notizen gemacht habe. Na.: „Ich war in der Ausbildung. Ich habe den Fehler gemacht – würde ich nicht mehr machen – , dass ich mir keine Notizen gemacht habe, an wen ich sie übergeben habe. Ich kann es nicht mehr sagen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemandem meinen Namen gesagt hätte, dass ich die Waffe gefunden hätte. [phon.]“ Schneiders fragt, ob es eine Einweisung gegeben habe. Na.: „Gegen 8 Uhr wurden wir in Empfang genommen und eingewiesen, dass wir den Schutthaufen beräumen sollen, mehr wurde nicht gesagt.“ Schneiders: „Sind Sie auf Gefahren hingewiesen worden?“ Na.: „Nein.“ Schneiders: „Gab es Hinweise, dass sich in dem Bereich Waffen oder Sprengstoff befinden könnten?“ Na.: „Nein.“ RA Nahrath: „Wo war denn Ihr Lehrer in der Zeit?“ Na.: „Außerhalb des Bauzaunes. Hat beim Bus gewartet.“ Nahrath: „Mit dem Sie gekommen sind?“ Na.: „So ist es.“ Auf Frage, ob der Vorgesetzte in dem Bus gewesen sei, sagt Na.: „Nicht die ganze Zeit, er wird auch mal rausgegangen sein, aber er war nicht beteiligt [phon.].“ Nahrath: „Hat er nicht einen Stein angefasst?“ Na.: „Er war der Zugführer, er beobachtet das Ganze, teilt ein.“ [phon.]

Nahrath: „Wissen Sie heute, ob es für solche Einsätze eine spezielle Truppe gibt im Rahmen der Polizei Thüringen, Entschuldigung, Sachsen?“ Na.: „Ich muss nachfragen, was Sie meinen. Dass seit dem Vorfall Frühlingsstraße anders an einen Tatort herangegangen wird?“ Nahrath: „Ja.“ Na.: „Nein, glaube ich nicht.“ Nahrath: „War irgendjemand bei den Teams dabei, der nicht in Ausbildung war? War es Ihre Klasse?“ Na.: „Es war meine Klasse. Da waren zwei, drei Beamte, Brandursachenermittler.“ Nahrath: „Aus Ihrer Klasse?“ Na.: „Nein, aber die waren bei dem Schuttberg mit dabei, haben aber nicht mit gesucht. Die haben das ein bisschen mit beobachtet.“ Nahrath: „Haben Sie von denen Anweisungen bekommen, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben?“ Na.: „Nein.“ RAin Schneiders bitte darum, dass Na. das Bild 697 vorgelegt wird. Schneiders fragt, ob das die beiden Ermittler seien, die Gesichter seien leider unkenntlich gemacht. Na.: „Ja, hier sieht man diese Rampe, wo wir raufgefahren sind. Der Kleidung nach würde ich sagen, dass die am 09.11. auch da waren.“ Schneiders: „Können Sie etwas sagen, ob es bei denen auch mehrere Teams waren, die sich abgewechselt haben?“ Na.: „Nein, dazu kann ich nichts sagen.“ Der Zeuge wird entlassen. Es folgt die Mittagspause bis 12:06 Uhr.

Danach sagt Götzl, dass die Verteidigung Zschäpe, das Wort habe. RA Borchert verliest dann Antworten Zschäpes:

Ich beantworte die mir gestellten Fragen des Senats und der Verteidigung Schultze wie folgt:

I. Fragen des Senats

Frage 1: Zum Alkoholkonsum
Was verstehen Sie unter den Begriffen „betrunken“ und „angetrunken“?

Antwort: Den Begriff „betrunken“ verbinde ich mit einem „Filmriss“, wenn ich mich also am nächsten Tag nicht mehr erinnern kann, was in den letzten Stunden des Vortages geschehen ist. Außerdem verbinde ich mit dem Begriff „betrunken“, wenn ich nach dem Aufwachen nicht mehr weiß, wie ich ins Bett gekommen bin oder ob ich mir vor dem zu Bett gehen die Zähne geputzt habe. Ich verbinde den Begriff „betrunken“ außerdem damit, wenn ich mich wegen des übermäßigen Alkoholkonsums übergeben muss. Den Begriff „angetrunken“ verbinde ich mit den Gefühlen, dass ich geselliger und redseliger bin und dass ich albern werde. Ich bezeichne meine Stimmung als eher lustig und ich beginne in diesem Zustand zu „quasseln“.

Frage 2: Wie waren die Situationen als Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber handgreiflich
wurde. Wann war das?

Antwort: Vor unserem Untertauchen und zu Beginn unseres Untertauchens, also etwa Frühjahr 1998 bis Sommer 2001, kam es vor, dass Uwe Böhnhardt mir gegenüber handgreiflich wurde, das heißt er schlug mich, wenn ihm bei einer verbalen Auseinandersetzung die Argumente ausgingen. Mit der Zeit konnte ich einschätzen, wann es für mich besser ist, eine Diskussion zu beenden, beziehungsweise nachzugeben, um eine Eskalation zu vermeiden. Verbal konnte sich Uwe Böhnhardt gegenüber Uwe Mundlos und auch gegenüber mir in Diskussionen nicht durchsetzen. Solche Situationen beendete er mir gegenüber mit Schlägen. Konkret erinnere ich mich beispielsweise an folgende Situationen: Es gab Streit wegen einer Pistole, die offen auf dem Tisch in der Wohnung herumlag, weil Uwe Böhnhardt sie dort hingelegt hatte. Ich wollte nicht, dass eine Waffe offen zugänglich in der Wohnung herumliegt. Uwe Böhnhardt war das egal und er beendete den lautstarken Streit mit Schlägen. Erwähnen möchte ich auch noch einen Streit, bei dem es um das Thema Internet ging. Dies war kurz nach dem Umzug nach Zwickau, also in der zweiten Jahreshälfte 2000. Sowohl Uwe Mundlos als auch ich wollten gerne einen Internetanschluss. Ich wollte den Anschluss, um im Internet surfen zu können. Uwe Böhnhardt war jedoch strikt dagegen, da er darin ein Sicherheitsrisiko sah. Er war stattdessen dafür, dass man besser in ein öffentliches Internetcafe gehen solle, was sowohl er als auch Uwe Mundlos in den späteren Jahren auch taten – ab wann genau weiß ich nicht mehr. Es kam wiederholt zum Streit zwischen uns, bis er mich erneut schlug, um das Thema zu beenden. Erst Jahre später, ich glaube in der Frühlingsstraße, konnte Uwe Mundlos ihn schließlich überzeugen und wir bekamen einen eigenen Internetanschluss. Zudem gab es einen weiteren heftigen Streit bezüglich der 10.000 DM, die Holger Gerlach erhalten sollte. Ich war absolut dagegen, weil das Geld bei ihm nicht gut aufgehoben wäre, weil er damals bereits spielsüchtig war. Uwe Böhnhardt beendete die Diskussion erneut mit Schlägen und er übergab das Geld schließlich persönlich an Holger Gerlach. Das müsste meiner Erinnerung nach etwa im Jahr 2000 oder 2001 gewesen sein.

Frage 3: Haben Sie nähere Informationen zur massiven Gewalt und zum sexuellen Missbrauch, den Uwe Böhnhardt während seiner Inhaftierung erlebt hat?

Antwort: Uwe Böhnhardt hatte mir von Gewalt und von sexuellem Missbrauch im Jahr 1995 berichtet. Mehrere Inhaftierte hatten ihm gegenüber Gewalt angewandt. Uwe Böhnhardt schilderte mir ein Vorkommnis, bei welchem massive Gewalt in sexueller Hinsicht ausgeübt wurde. Details möchte ich in aller Öffentlichkeit nicht schildern.

Frage 4: Zum Abend des 3. November 2011
Was bedeutet „ziemlich viel Sekt“ konkret? Was meinen sie mit „betrunken gefühlt“? Wann haben Sie mit dem Trinken begonnen, wann aufgehört?

Antwort: Am 3. November trank ich über den Tag verteilt mindestens drei Flaschen Sekt. Ich fing gegen Mittag an zu trinken und kurz vor dem Schlafen gehen hörte ich auf, wobei mir eine genaue zeitliche Einordnung nicht mehr möglich ist. Ich fühlte mich betrunken, wie bereits unter Frage 1 geschildert. Als ich wohl gegen Mitternacht schwankend ins Bett ging, musste ich mich dabei immer wieder festhalten. Am nächsten Morgen konnte ich mich nicht mehr an alle Details des Vorabends erinnern.

Frage 5: Zum Vormittag des 4. November 2011
Von wann bis wann haben sie getrunken? Wie war die Wirkung des Sekts?

Antwort: Ich bin gegen 8:00 Uhr morgens aufgestanden und habe ca. eine Stunde später das erste Glas Sekt getrunken. Ich hatte nicht gefrühstückt. Gegen 11.30 Uhr hatte ich im Internet recherchiert und währenddessen Sekt getrunken. Ich denke, dass ich bis um etwa 14:30 Uhr eine Flasche Sekt getrunken hatte. Ich hatte jedoch keine Ausfallerscheinungen.

Frage 6: An welchen Umständen machen Sie fest, dass Gerlach nicht spielte, weil er Spaß am Spiel hatte, sondern weil er einfach spielen musste?

Antwort: Ich mache dies daran fest; dass er so lange spielte, bis er kein Geld mehr hatte und anschließend frustriert und deprimiert war. Wenn er kein Bargeld mehr hatte kam es vor, dass er zum nächsten Geldautomaten ging und Geld abhob, um weiterspielen zu können. Auch die Tatsache, dass er parallel an mehreren Automaten gleichzeitig spielte, spricht für mich dafür, dass er spielsüchtig war.

Frage 7: Zum Besuch Andre Kapke's in der Limbacher Straße
Wie kam es zu diesem Besuch? Erfolgte der Besuch zu einem bestimmten Zweck? Wie waren die Umstände des Besuchs?

Antwort: Der Besuch von Andre Kapke in der Limbacher Straße muss ganz zu Beginn unseres Untertauchens gewesen sein. Ich weiß heute nicht mehr, ob sein Besuch einen bestimmten Grund hatte oder ob es nur ein Wiedersehen unter Freunden war. Ich hatte mich damals auf jeden Fall gefreut ihn wieder zu sehen, weil wir befreundet waren. Ich glaube, er hatte uns 500 DM vorbeigebracht – mit Sicherheit kann ich dies jedoch nach der langen Zeit nicht mehr sagen. Nach diesem Besuch habe ich ihn nie wieder gesehen und ich meine, dass auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihm danach nicht mehr begegnet sind.

Frage 8: Zu Andre Eminger
Wie haben Sie Andre Eminger kennengelernt? Welche Information hatte Andre Eminger zu ihrer Flucht und den Gründen für die Flucht? Welche Kenntnis hatte Andre Eminger zu ihren Lebensumständen? Hatte er Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Haben Sie Andre Eminger von den Ereignissen vom 04.11.2011 berichtet und ggf. was? An welchem Ort hat Sie Andre Eminger abgeholt?

Antwort: Ich habe Andre Eminger während der Zeit in der Limbacher Straße – also zwischen Mitte Februar und Spätsommer 1998 – in Chemnitz kennengelernt. Max-Florian [Bu.] hatte diese Wohnung damals für uns angemietet. Entweder er oder brachten Andre Eminger bei einem ihrer Besuche mit und stellten ihn uns vor. Später kam es dann wie gesagt dazu, dass Andre Eminger die Wohnung in der Wolgograder Allee in Chemnitz für uns angemietet hat. Zu diesem Zeitpunkt kannten weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt oder ich seine Frau Susann. Andre Eminger wusste, dass Uwe Böhnhardt eine Haftstrafe anzutreten hatte und er wusste auch, dass in der von mir angemieteten Garage in Jena Sprengstoff gefunden worden war. Das waren die ihm bekannten Gründe für unser Untertauchen. Nach der Anmietung der Wohnung in der Wolgograder Allee nahm der Kontakt zu ihm ab. Nach der Geburt seines ersten Kindes wurde der Kontakt noch seltener. In den Folgejahren kam es nur noch zu sporadischen Kontakten mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und mir. Erst nach der Geburt seines zweiten Kindes im Sommer 2006 wurde unser Kontakt intensiver. Zu dieser Zeit lernte ich seine Frau Susann kennen und wir freundeten uns an. Ab Herbst 2006 haben mich Susann und die Kinder regelmäßig – das heißt im Durchschnitt ca. einmal wöchentlich – besucht. Gelegentlich war auch Andre dabei. Wie bereits erwähnt haben mir vor allem die Besuche mit den Kindern gut getan, da diese für mich eine Art Ersatzkinder waren, da ich selbst keine Kinder bekommen konnte. Am 11.01.2007 begleitete mich Andre Eminger zur Polizei in Zwickau, wo ich unter Verwendung des Ausweises seiner Frau als auftrat und eine Zeugenaussage machte. Den Ausweis seiner Frau hatte mir Andre Eminger mitgebracht. Nachdem wir von der Polizei nach Hause zurückgekehrt waren, fragte Andre Eminger, warum wir drei denn eigentlich nicht wieder in das bürgerliche Leben zurückkehren würden bzw. wann wir das Untertauchen abbrechen würde. Bei diesem Gespräch waren dann auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt anwesend. Andre Eminger meinte, dass die Sache mit dem Sprengstoff in der Garage doch schon Jahre zurückliege und vermutlich bereits verjährt sei und dass auch die Haftstrafe, zu der Uwe Böhnhardt verurteilt worden war, doch auch irgendwann einmal verjährt sein müsse. Auf Grund seiner Hilfeleistungen in der Vergangenheit – nämlich die Anmietung der Wohnung, die logistische Unterstützung bei größeren Einkäufen von Lebensmitteln und zuletzt meine Begleitung zur Polizei vom selben Tag – vertrauten wir ihm nunmehr soweit, dass wir ihm von den zurückliegenden Raubüberfällen berichteten und dass dies der Grund sei, weshalb wir nicht einfach wieder auftauchen könnten. Von den Tötungsdelikten und Bombenanschlägen erfuhr er jedoch nichts. Nachdem ich am 04.11.2011 die Wohnung in der Frühlingsstraße in Brand gesetzt hatte rief ich Andre Eminger an und bat ihn um ein Treffen. Wir vereinbarten als Treffpunkt den Ort eines Black Metal Konzerts, bei dem Andre Eminger einmal gewesen war. Es handelt sich dabei um die Kreuzung der Crimmitschauer Straße mit der Dieselstraße, ca. 10-15 Gehminuten von der Frühlingstraße entfernt. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich die Wohnung mit Benzin angezündet hätte, meine Kleidung deshalb stark nach Benzin roch und ich deshalb neue Kleidung benötigte. Er fragte mich, weshalb ich dies getan hätte. Ich berichtete ihm davon, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot seien und dies ihr letzter Wille gewesen sei, den ich ihnen erfüllt hätte. Wir fuhren dann gemeinsam in seine Wohnung, wo er mir frische Kleidung seiner Frau gab. Susann war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Anschließend brachte mich Andre Eminger zum Bahnhof nach Chemnitz, nachdem in Glauchau kein Zug fuhr. Er fragte mich, was ich nun vorhätte, nämlich ob ich mich wie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auch umbringen wolle, mich der Polizei stellen oder flüchten würde. Da ich diese Frage selbst nicht genau beantworten konnte, blieb ich ihm eine Antwort schuldig. Wir verabschiedeten uns und ich ging in den Bahnhof. Das war das letzte Mal, dass ich Andre Eminger vor der Hauptverhandlung gesehen und gesprochen hatte.

Frage 9: Zu Susann Eminger
Welche Kenntnis hatte Susann Eminger von ihren Lebensumständen? Hatte sie Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Hatten Sie am 04.11.2011 Kontakt zu Susann Eminger?

Antwort: Susann Eminger war – wie bereits oben erwähnt – etwa ab Herbst 2006 regelmäßig, das heißt im Durchschnitt einmal wöchentlich, bei mir zuhause, so dass sie dort natürlich sah, wie wir lebten. Sie kannte die Wohnung und auch mein Zimmer. Ich hatte darauf geachtet, dass bei ihren Besuchen keine Waffe offen herumlag, zumal sie fast immer ihre Kinder mitgebracht hatte. Ab dem Jahr 2007 wusste Susann Eminger, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Raubüberfälle begangen hatten und dass wir von dem erbeuteten Geld lebten. Nachdem Andre über die Raubüberfälle informiert worden war, sprach mich Susann natürlich darauf an und ich bestätigte ihr dies. Von den Bombenanschlägen und den Tötungsdelikten hatte ich Susann – ebenso wie ihrem Mann – nichts erzählt. Am 04.11.2011 hatte ich keinen Kontakt zu ihr.

Frage 10: Zur Waffe von Holger Gerlach
Haben Sie aus den Erzählungen der beiden nähere Umstände hinsichtlich des Besorgens, der Lieferung und des Verwendungszwecks der Waffe erfahren? Was wissen Sie über die zeitliche Einordnung des Vorgangs?

Antwort: Eine zeitliche Eingrenzung des Vorganges fällt mir schwer. Ich erinnere mich noch daran, dass geplant war, dass Holger Gerlach über den Jahreswechsel 1999/2000 zu uns nach Chemnitz kommt und wir Silvester zusammen feiern wollten. Ich wartete am Bahnhof auf ihn, da er mit dem Zug anreisen wollte. Doch er kam nicht. Auch danach haben wir uns eine ganze Weile nicht getroffen. Ich schätze es war dann im Sommer 2001 als wir ihn wiedergesehen hatten. Holger Gerlach besuchte uns in Zwickau. Ich holte ihn – wie auch bei seinen anderen Besuchen – am Bahnhof ab und wir gingen gemeinsam in die Wohnung in der Polenzstraße. Weitere Einzelheiten bezüglich des Besorgens, der Lieferung und des Verwendungszwecks der Waffe sind mir nicht bekannt.

Frage 11: Zur Waffe von
Wann haben Sie von U.B. erfahren, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei? Haben Sie näheres über die Umstände der Lieferung erfahren?

Antwort: Eine genaue zeitliche Einordnung ist mir nach den vielen Jahren nicht möglich. Ich denke, es war zu Beginn unseres Untertauchens. Details hinsichtlich der Lieferung der Waffe oder zu deren Preis sind mir nicht bekannt. Weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt hatten mir Einzelheiten mitgeteilt.

Frage 12: Bei welcher Gelegenheit und wann hatte ihnen Carsten Schultze die Vollmacht des Rechtsanwalts gegeben?

Antwort: Carsten Schultze hatte mir die Vollmacht in einem Kaufhaus in Chemnitz übergeben. Die diesbezüglichen Angaben des Carsten Schultze vom 5. Hauptverhandlungstag sind zutreffend.

Frage 13: Haben Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitgeteilt, welchen Zweck sie mit der Versendung der DVDs verfolgten?

Antwort: Sowohl Uwe Mundlos als auch Uwe Böhnhardt hatten mir zu keinem Zeitpunkt ihre Beweggründe hierfür näher erklärt. Es wurde nie erörtert, dass mit der Versendung und Veröffentlichung der DVDs politische Ziele erreicht werden sollen. Ich hatte auch nie konkret nachgefragt, weil wir dann über den Tod der beiden hätten sprechen müssen. Diese Gedanken – nämlich der Tod der beiden und mein weiteres Leben ohne sie – waren für mich unerträglich. Ich fragte deshalb nicht nach dem Warum oder Weshalb und verdrängte diese Vorstellungen. Rückblickend glaube ich, dass es Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit dem eigenen Tod vor Augen beruhigte, dass trotz ihres Todes einmal ihr Tun veröffentlicht werden würde.

Frage 14: Auf Grund welcher Umstände vermuteten Sie, dass auch die Morde Gegenstand des Films sein könnten? Was ist mit der Formulierung „ich verdrängte jedoch diesen Gedanken“ gemeint?

Antwort: Im Jahr 2000/2001 hatte ich Gesprächen der beiden entnommen, dass Uwe Mundlos eine DVD über die Raubüberfälle erstellen wollte. Von mir darauf angesprochen, was er für einen Film mache, erhielt ich zur Antwort, dass er es selbst noch nicht genau wisse. Über die Jahre hinweg fragte ich nicht nach, was mit dem geplanten Film sei. Ich konnte auch nicht sehen, ob er am Film arbeitete oder ob er mit Computerspielen beschäftigt war, denn er saß regelmäßig stundenlang an seinem Computer, während Uwe Böhnhardt und ich am Fernseher Filme und Serien anschauten oder anderweitig beschäftigt waren. Erst als sie mich darauf ansprachen, dass ich nach ihrem Tod die DVDs versenden solle, hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, dass nicht nur die Raubüberfälle Inhalt des Films sein könnten. Die Tatsache, dass Uwe Mundlos mich bei der Erstellung des Films nicht einbezogen und ihn mir auch nie gezeigt hatte, ließ mich vermuten, dass der Film auch das Töten von Menschen zum Inhalt haben könne. Sowohl Uwe Mundlos als auch Uwe Böhnhardt konnten davon ausgehen, dass es für mich unproblematischer gewesen wäre, mir einen Film anzusehen, der nur die Raubüberfälle zum Gegenstand gehabt hätte, Wenn aber der Tod eines Menschen darin gezeigt würde, hätte ich damit sehr wohl ein Problem gehabt. Heute vermute ich, dass sie sich nicht sicher waren, ob ich die DVDs nach ihrem Tod tatsächlich versendet hätte, wenn sie mir den Film gezeigt hätten. Ich hatte beide nie darauf angesprochen, ob meine Vermutungen zutreffen. Hätte ich das gemacht, so wäre ich mir sicher gewesen, dass es zu größeren Auseinandersetzungen gekommen wäre – möglicherweise nicht nur verbaler Art. Dies wollte ich vermeiden. Ich verdrängte folglich den Gedanken, dass auch das Töten von Menschen Gegenstand des Films sein könne. Mit der Beschreibung „Verdrängen des Gedankens“ meine ich also, dass ich mich nicht weiter damit auseinandersetzen konnte, dass die beiden Menschen getötet hatten.

Frage 15: Wurde zwischen Ihnen und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt besprochen, wie es mit Ihnen weitergehen sollte, falls die beiden Suizid begehen würden oder erschossen werden sollten Haben Sie im Hinblick auf den Eintritt einer solchen Situation Überlegungen angestellt, ggf. welche?

Antwort: Anfang Frühling 2008 – heute weiß ich nicht mehr, ob wir noch in der Polenzstraße oder schon in der Frühlingstraße wohnten – unternahmen Uwe Mundlos und ich eine Fahrradtour. Uwe Mundlos sprach mich während dieser Tour darauf an, ob ich mich mit dem Gedanken anfreunden könne, mich im Falle einer Entdeckung umzubringen. Ich sagte ihm, dass ich mich nie erschießen würde. Er erwiderte, dass es auch andere Methoden gäbe. Er schlug mir vor, dass ich mich mit Kohlenmonoxid umbringen könne. Auch dies lehnte ich ab. Dass ich im Falle einer Entdeckung lieber in Haft gehen würde, als mich umzubringen, konnte er nicht verstehen. Seine Einstellung erschreckte mich. An weitere Gespräche über dieses Thema kann ich mich nicht erinnern. Alles was mit dem Tod der beiden und den daraus resultierenden, möglichen Konsequenzen zusammenhing, wollte ich nicht wahrhaben. Ich habe auch nie ausführlich über meine eigene Zukunft nachgedacht. Natürlich ließen sich solche Gedanken nicht ganz ausschließen. Für mich kam jedoch ein Suizid nie in Frage, eine weitere alleinige Flucht aber auch nicht. Es wäre für mich also nur die Haft übrig geblieben, mit der ich mich gedanklich aber nicht auseinandersetzen wollte.

Frage 16: Haben Sie vor oder anlässlich der Brandlegung Überlegungen angestellt, wie sie im Anschluss daran weiter vorgehen werden und ggf. welche Überlegungen?

Antwort: Außer den groben Anweisungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die Wohnung anzuzünden, die DVDs zu verschicken und ihre Eltern zu informieren, gab es keine weiteren Anweisungen der beiden. Vor der Brandlegung hatte ich nie darüber nachgedacht, wie ich im Ernstfall konkret vorgehen würde. Ich wollte mich mit diesem Gedanken nicht befassen und hoffte, dass diese Situation möglichst nie eintreten würde. Erst als ich erfahren hatte, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot waren, begann ich damit entsprechende Überlegungen anzustellen. Nachdem ich die Wohnung angezündet und mich anschließend mit Andre Eminger getroffen hatte und schließlich am Bahnhof in Chemnitz angekommen war, hatte ich zum ersten Mal aktiv über meine weiteren Möglichkeiten nachgedacht. Ein weiteres Leben wie in den letzten 13 Jahren kam für mich nicht in Frage. Ich spielte mit dem Gedanken, mich ebenfalls umzubringen. Ich überlegte mich vor einen Zug zu werfen. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch wieder und stellte mich stattdessen vier Tage später der Polizei. Zuvor wollte ich unbedingt meine Oma noch einmal wiedersehen, wozu es aber nicht mehr kam.

Frage 17: Zum Thema Auswanderung
Wurde der Gedanke an eine Auswanderung ins Ausland zu irgendeinem Zeitpunkt aufgegeben, ggf. wann und aus welchen Gründen?

Antwort: Ich meine mich zu erinnern, dass etwa Mitte 1998 – also relativ kurze Zeit nach dem Untertauchen – zum ersten Mal die Rede von Südafrika war. Konkreter wurde dies – soweit ich mich noch daran erinnern kann – aber erst Ende 1999. Zu diesem Zeitpunkt sprachen mich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrfach auf ihre Pläne an und fragten, ob ich mitkommen würde. Ich lehnte dies aus den bereits vorgetragenen Gründen ab. Beide kannten meine ablehnende Einstellung zum Auswandern und banden mich nicht in ihre Diskussionen ein. Sie wollten, dass ich nicht wisse, wohin sie innerhalb von Südafrika genau hinziehen würden, damit ich ihr Versteck auch nicht verraten könne. Die Argumente, warum die beiden mir insoweit misstrauten, habe ich bereits vorgetragen. Es war etwa zum Zeitpunkt des Umzugs nach Zwickau im Sommer des Jahres 2000, als der Auswanderungsgedanke von den beiden aufgegeben wurde. Heute weiß ich nicht mehr, ob sie mir damals Gründe für diese Entscheidung mitgeteilt hatten. Es wurde meiner Erinnerung nach nicht mehr über das Thema gesprochen.

Frage 18: Ende 1998 sei das Geld aufgebraucht gewesen. Über wieviel Geld hatten Sie verfügen können? Woher hatten Sie welche Beträge? Hatten Sie von Andre Kapke Geld bekommen, ggf. wie Hatten Sie von Carsten Schultze Geld bekommen, ggf. wie?

Antwort: Zum Zeitpunkt des Untertauchens hatten wir etwa 1.500 bis 2.000 DM zur Verfügung. Das meiste Geld hatte Uwe Böhnhardt, weil er seinen Dispokredit ausgeschöpft hatte. Ca. 300 DM stammten von mir. Ganz genau weiß ich heute nicht mehr, über wie viel Geld wir tatsächlich verfügten. Ich weiß aber, dass wir sehr sparsam lebten. Holger Gerlach hatte uns kurz nach unserem Untertauchen, den genauen Tag weiß ich nicht mehr, 3.000 DM gegeben, die Uwe Böhnhardt ihm später zurückzahlte. Auch die Mutter des Uwe Böhnhardt hatte uns zu Beginn unseres Untertauchens zweimal je 500 DM zur Verfügung gestellt. Ich möchte betonen, dass ich mich heute konkret nicht mehr an die Zahlungen erinnern kann. Ich gehe jedoch davon aus, dass Frau Böhnhardt in der Hauptverhandlung die Wahrheit gesagt hat. An die Tatsache, dass Sie uns Geld gegeben hat, erinnere ich mich, jedoch nicht an die genauen Beträge. Wie bereits unter Frage 7 ausgeführt glaube ich mich daran zu erinnern, dass Andre Kapke uns bei seinem Besuch 500 DM mitgebracht hat. Ich weiß nicht, ob uns Carsten Schulze damals Geld gegeben hat. Ausschließen möchte ich dies nicht, ich kann mich jedoch nicht konkret daran erinnern.

Frage 19: Von wem wurden welche Räume auf welche Art und Weise in der Wohnung in der Frühlingstraße genutzt?

Antwort: Zur Beantwortung dieser Frage füge ich eine Skizze bei, in welcher vermerkt ist, wer welchen Raum bewohnte und wie die Wohnung aufgeteilt war. Jeder hatte sein eigenes Zimmer und nur das Wohnzimmer, die Küche und die zwei Bäder wurden gemeinsam benutzt.

II. Fragen der Verteidigung Schultze

Frage 1: Wer veranlasste in der Zeit nach dem Untertauchen aus Ihrer Sicht den Telefonkontakt zwischen Carsten Schultze und dem sogenannten Trio? Wie wurde er hergestellt, wie häufig fand er statt und über welche Themen wurde gesprochen?

Antwort: Ich habe nie länger mit Carsten Schultze gesprochen. Der einzige Kontakt zu ihm war in dem Cafe in dem Kaufhaus, als ich die Vollmacht für Herrn Rechtsanwalt Dr. Eisenecker unterschrieben hatte. Die Telefonkontakte fanden ausschließlich mit Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos statt, niemals mit mir. Ich wusste zwar, dass die drei miteinander telefonierten, ich wusste jedoch nicht, über was konkret gesprochen wurde. Mir ist bekannt, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Telefonnummern von Telefonzellen in Jena kannten, die angerufen werden konnten. Ob es auch umgekehrt so war, also dass auch Carsten Schultze Telefonnummern von Telefonzellen in Chemnitz kannte, weiß ich nicht. Ich habe vage in Erinnerung, dass bei den Telefonaten immer gleich der Termin für das nächste Telefonat vereinbart wurde. Zur Häufigkeit der Telefonate kann ich keine weiteren Angaben machen. Bezüglich der Themen, über die gesprochen wurde, erinnere ich mich noch daran, dass über das Thema Ausland gesprochen wurde und darüber, wohin Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verschwinden könnten.

Frage 2: Erinnern Sie sich an Kontakte zwischen Carsten Schultze und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen vor dem Untertauchen im Jahr 1998? Wie häufig kamen sie vor und aus welchem Anlass fanden sie statt?

Antwort: Ich meine mich zu erinnern, dass ich vor dem Untertauchen einmal in der Wohnung des Carsten Schultze war. Zu den Kontakten zwischen Carsten Schultze und Uwe Mundlos bzw. Uwe Böhnhardt kann ich nichts sagen. Ob und gegebenenfalls wie oft sie sich getroffen haben, ist mir nicht bekannt.

Nachdem Borchert die Verlesung beendet hat, spricht Götzl Zschäpe an: „Das was vorgelesen wurde, sind Ihre Antworten? Ja.“ Zschäpe nickt. Götzl: „Dann nehmen wir die Skizze in Augenschein.“ Ein Justizangestellte legt das Blatt zur Inaugenscheinnahme auf, die Skizze wird an die Leinwände übertragen. Götzl: „Linkes Zimmer Böhnhardt, mittlerer Bereich Mundlos und rechts Zschäpe. Gibt es das wieder, Frau Zschäpe, wie es war? Ja.“ Zschäpe nickt. Götzl: „Dann werden wir eine Pause einlegen.“ Es folgt eine Unterbrechung bis 13:05 Uhr.

Götzl sagt, es gehe nun um Lichtbilder zum Thema Zeitschriften [siehe 270. Verhandlungstag, Zeugin Ar.]. Es seien bereits beim Zeugen Le. Lichtbilder dazu in Augenschein genommen worden, so Götzl. Dann wird ein Lichtbild von zusammen liegenden Artikeln in Folienhüllen in Augenschein genommen. Götzl: „Und in der Folge kommen dann die einzelnen Artikel.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Wenn ich das richtig sehe, ist das alles,was wir an Dokumentation zur Auffindesituation des ‚Archivs‘ in den Akten haben?“ Götzl: „Das ist das, was wir jedenfalls in Augenschein genommen haben.“

Dann verliest Götzl Hinweise des Senats zu den Beweisanträgen der Nebenklage Yozgat vom 270. Verhandlungstag. Götzl führt zu mehreren Stellen in beiden Anträgen aus, wie der Senat die Anträge verstehe.

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath beantragt dann, eine erweiterte Aussagegenehmigung für den Zeugen Görlitz zu erwirken, dahingehend, dass dieser auch zu und , wie generell auch über 1997 und 1998 hinaus aussagen darf. Die Angeklagte Zschäpe, so Nahrath, habe angegeben, Böhnhardt habe ihr erzählt, dass Jan Werner ihm eine Pistole verschafft habe. Hinsichtlich dieser Waffe sei laut Zschäpe auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen, genauere Erinnerungen hieran habe sie jedoch nicht mehr. Der Zeuge Görlitz, so Nahrath weiter, habe bislang nur von Versuchen Jan Werners berichtet eine Waffe zu beschaffen. Es liege aufgrund der SMS vom 25.08.98 nahe, dass Jan Werner den V-Mann „“ deswegen ansprach und dieser in die Waffenbeschaffung involviert war. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass Werner die besagte Waffe nach dem 31.12.1998 beschaffte und diese von oder unter Vermittlung des V-Mannes Szczepanski alias „Piatto“ erhielt. Das Aussageverhalten des Zeugen Görlitz sei bisher davon geprägt gewesen, den Verfahrensbeteiligten so wenige Informationen wie möglich zukommen zu lassen. Widersprüche habe der Zeuge nur zögerlich und nur auf Vorhalt korrigiert. Görlitz sei aufzugeben, sich pflichtgemäß auf seine Zeugenaussage vorzubereiten. Der Senat habe darauf zu drängen, dass das Innenministerium Brandenburg die acht Leitz-Ordner, mit denen sich Görlitz vorbereitet habe, freigibt, damit Görlitz unbefangen aus diesen Unterlagen zitieren kann.

Nähere Angaben zu Waffengeschäften von „Piatto“ habe Nick Greger gegenüber „dem Nachrichtenmagazin Compact“ gemacht. Demnach sei „Piatto“ Anfang 2000 schnell in den Landesvorstand der brandenburgischen aufgestiegen. An Greger und andere „rechte Kameraden“ solle sich „Piatto“ mit dem Vorschlag gewandt haben, eine Wehrsportgruppe zu bilden. Zuerst habe laut Greger nur in den Wäldern bei Halbe für einen „ominösen Tag X“ trainiert werden sollen. Laut Greger solle Szczepanski eine Bauanleitung und Schwarzpulver für einen Sprengsatz besorgt haben; Greger solle die Rohrbombe gebaut haben. Auch ein Präzisionsgewehr solle laut Greger angeschafft worden sein. Dann zitiert Nahrath aus dem Interview: „Außerdem bot er uns eine tschechische Pistole an, Kaufpreis 600 D-Mark. Gottlob lehnte ich ab. Seit ich weiß, dass die sogenannten Döner-Morde mit einer tschechischen Ceska-83 begangen wurden, mache ich mir über dieses Angebot meine Gedanken‘. Laut dem Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt, so Nahrath weiter, sei Nick Greger vom 17.04.2001 bis zum 13. oder 18.03.2003 mit der Codierung „VP 598“ erst Informant und dann V-Person des LKA Berlin gewesen. In diesem Zeitraum seien mindestens 9 Treffen aktenkundig, acht in der JVA Tegel, eines in Dresden.

Die Anwerbung als VP habe im Frühjahr 2001 in der JVA Tegel stattgefunden, während Greger eine Haftzeit wegen einer Rohrbombe dort abgesessen habe die er nach seinen Angaben zusammen mit dem V-Mann gebaut haben wolle. Auch die Verbindungen zwischen dem von Görlitz geführten V-Mann Szczepanski und dem weiteren Spitzel Toni Stadler könnten sich als verfahrensrelevant erweisen. Der Zeuge Thomas Mü. habe über seinen RA bekundet, dass es 2006 in Dortmund ein Treffen zwischen Toni Stadler und Uwe Mundlos gegeben haben soll; es solle bei diesem Treffen um Waffengeschäfte gegangen sein. Stadler sei, so Nahrath weiter, ebenfalls V-Mann gewesen und stamme aus Guben in Brandenburg. Auch Stadler habe Kontakte zum V-Mann „Piatto“ gehabt. Aus den genannten Gründen ergebe sich, so Nahrath, dass weitaus umfänglicher in Waffenbeschaffungen für die „so genannte rechte Szene“ verwickelt gewesen ist, als er dies bisher eingeräumt habe, und dass dem Zeugen Görlitz dies in amtlicher Eigenschaft bekannt geworden ist. Der Senat nehme die unglaubhaften und erstaunlich lückenhaften Bekundungen des Zeugen Görlitz mit überraschender Langmut hin, so Nahrath. Deshalb besorge die Verteidigung Wohlleben, dass sich der Senat hinsichtlich des Herkunftsweges der Tatwaffe der Ceska-Mordserie bereits abschließend festgelegt hat. Der Verhandlungstag endet um 13:28 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Der Tag begann mit Aussagen mehrerer Polizeibeamtinnen zu den Waffen, die in der Frühlingsstraße 26 und im Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Dabei wurden auch praktische Beiträge zur Ausräumung von Verschwörungstheorien geleistet, konkret zu der, es sei keine Hirnmasse von Böhnhardt und Mundlos im Wohnmobil gefunden worden, was zeige, dass sie anderswo ermordet worden seien: auf Frage der Verteidigung Wohlleben gab ein Beamter der Tatortgruppe an, er habe „viel Hirnmasse und viel Blut“ im Wohnmobil gesehen. Auch die von der Verteidigung Wohlleben immer wieder angedeutete These, die Mordwaffe Ceska sei von Dritten in den Brandschutt der Frühlingsstraße eingebracht worden, wurde erneut widerlegt: der Polizeibeamte, der die Waffe aufgefunden hatte, gab an, sie habe ganz unten in dem Schuttberg gelegen und sei erst nach stundenlangem Abtragen gefunden worden, es habe auch an dem Tag außer der Polizei niemand Zutritt zu dem Gelände gehabt. Es folgten weitere Antworten der Verteidigung Zschäpe auf die Fragen des Gerichts und der Verteidigung Schultze, die von RA Borchert verlesen wurden. Wie zuvor blieben die Antworten total vage, Zschäpe will von nichts gewusst haben und sich über nichts Gedanken gemacht haben. Auch André Eminger habe nichts gewusst. Die von Zschäpes Verteidigern formulierten Antworten bleiben in den Kernfragen extrem detailarm, während Randgeschehen sehr detailreich beschrieben wird. Sie wirken darüber hinaus konstruiert, bereits in sich unglaubhaft und widersprüchlich: so hatte Zschäpe etwa zu Beginn behauptet, sie habe die beiden Männer mehrfach ausdrücklich angesprochen und aufgefordert, nicht mehr zu morden – heute dagegen gab sie an, sie habe sich nicht einmal getraut, Themen wie einen eigenen Internetanschluss anzusprechen, aus Angst, dass Uwe Böhnhardt sie schlagen würde. Der Vorsitzende kündigte an, dass die Fragen der anderen Beteiligten (also der Generalbundesanwaltschaft, der Nebenklage und des Sachverständigen) morgen gestellt werden könnten – die Befragung durch das Gericht ist demnach nunmehr abgeschlossen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/03/16/16-03-2016/

    » «