Protokoll 74. Verhandlungstag – 15. Januar 2014

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An diesem Verhandlungstag stand die Aussage des Phsyikers Dr. Christian Setzensack vom LKA Bayern im Mittelpunkt. Er war beauftragt worden, das Brandgeschehen in der 26 zu rekonstruieren. In seiner Zeugenaussage berichtete er darüber, welcher Brandstoff verwendet wurde (Benzin), wie es zu den Explosionen kam und dass dabei durchaus Dritte in Gefahr waren. Dr. Setzensack geht von Brandstiftung aus. Der Sachverständige Redmer bestätigte diese Einschätzung.

Zeug_innen:

  • Dr. Christian Setzensack, Sachverständiger Physiker vom LKA Bayern
  • Thomas Redmer, Sachverständiger des LKA Sachsen

Der Verhandlungstag beginnt um 9.48 Uhr. Wie schon gestern ist heute für Wohllebens Verteidigerin RAin anwesend. Vorsitzender Richter Götzl verliest zunächst ein Behördengutachten vom Kriminaltechnischen Institut des BKA vom 12. Januar 2012. Dabei geht es um die Identifizierung einer gelblichen Flüssigkeit in einer Getränkeglasflasche. Es handele sich um eine handelsübliche Glasflasche mit Twist-off-Verschluss, die fast vollständig gefüllt sei und deren ursprünglicher Inhalt Himbeersirup gewesen sei. Die darin enthaltene Flüssigkeit rieche wie Ottokraftstoff, was sich bei der Untersuchung bestätigt habe.

Es folgt die Vernehmung des Sachverständigen Dr. Christian Setzensack, Physiker vom LKA Bayern, der schon an Verhandlungstagen zuvor anwesend war, wenn es um den Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 ging. Setzensack beginnt seine Ausführungen damit, dass das bayerische LKA vom OLG München die Unterlagen mit der Bitte um ein Gutachten zum Brand in der Frühlingsstraße zugesandt bekommen habe. Sein Gutachten gliedere sich, so Setzensack, in eine Zusammenfassung des Brandgeschehens aus gutachterlicher Sicht, eine Stellungnahme zur Zündquelle und eine Stellungnahme zur Gefährdung Dritter. Setzensack geht nach vorn an den Richtertisch, um eine vorbereitete Lichtbildmappe präsentieren zu können.

Zunächst zeigt er Bilder vom Haus Frühlingsstraße 26 und 26a. Die rechte Hälfte sei die Nummer 26, die linke 26a. Die Brandwohnung im ersten Stock habe zur Frühlingsstraße vier Fenster, zum Veilchenweg zwei Fenster gehabt. Im Erdgeschoss sei Leerstand gewesen, ein ehemaliges griechisches Lokal. Über der Wohnung hätten sich zwei leere Wohnungen befunden, die gerade renoviert worden seien. Im Anschluss an die Brandwohnung habe sich in 26a die Wohnung von Frau E. (siehe Protokoll zum 71. Verhandlungstag) befunden, im selben Stockwerk noch eine leerstehende Wohnung. Im Erdgeschoss 26a sei auch Leerstand gewesen, ehemals sei dort ein Schlecker-Markt gewesen. Oben hätten sich die Wohnungen von Herrn B. (siehe Protokoll zum 27. Verhandlungstag) und eines anderen Bewohners befunden.

Am 4. November 2011 habe es gegen 15.08 Uhr eine heftige Explosion in der Wohnung im ersten Stock der Nummer 26 gegeben und dann einen heftigen Brand. Es folgt eine Aufnahme, die sechs Minuten nach der Explosion gemacht worden sei, so Setzensack. Die Außenwand sei heraus gesprengt, Teile seien bis auf die Straße geflogen, in der Wohnung habe es lichterloh gebrannt. Auch auf einem Foto von Richtung Veilchenweg sehe man, dass an der Giebelseite alles weggesprengt worden sei, es habe in Schlaf- und Katzenzimmer gebrannt. Es folgt ein Bild von der Rückseite. Aus dem rückwärtigen Fenster des Katzenzimmers würden acht Minuten nach der Explosion meterhohe Flammen schlagen. Dieser Brand, so Setzensack, sei durch zwei charakteristische Dinge gekennzeichnet: eine heftige Explosion und dann eine „sehr, sehr rasche Brandausweitung“.

Dann zeigt Setzensack den Übersichtsplan der Wohnung und erläutert noch einmal die Lage der einzelnen Zimmer (vgl. etwa Protokoll zum 15. Verhandlungstag). Die Außenwände seien im Bereich Schlafzimmer/Sportraum und Schlafzimmer/Katzenzimmer heraus gesprengt gewesen, erläutert Setzensack. Die Druckwelle sei vom Sportraum gekommen. Die Trennwand zwischen Sportraum und Wohnzimmer sei heraus gesprengt gewesen. Die Wand zum Wohnzimmer von Frau E. habe Risse aufgewiesen und sei nicht mehr rauchgasdicht gewesen. Es folgt ein Bild vom Treppenabsatz vor der Wohnung. Dieser sei nahezu unversehrt, dort sei ein Benzinkanister aufgefunden worden, geöffnet und fast leer. Das nächste Bild zeigt den Kanister in der  Wohnungseingangstüre liegend. Es sei ein 10-Liter-Kanister aus Kunststoff, eine geringe Restmenge Benzin sei noch darin enthalten gewesen. Die Eingangstüre sei von außen nicht brandbetroffen.

Dann zeigt er ein Foto des Blicks durch die Wohnungseingangstüre in den rechten Flur zur Küchentür. Der Flur sei relativ gut erhalten. Setzensack: „Das Schränkchen könnte man fast wiederverwenden.“ Es folgt ein weiteres Bild vom Flur. Der rechte Flur habe eine Besonderheit aufgewiesen, nämlich Brandspuren in Bodennähe, etwa am Türblatt der Badezimmertüre. Zum Bild vom rechten Bad sagt Setzensack, dieses Bad sei ebenfalls gut erhalten, es gebe nur wenige Hitzeschäden, im Wesentlichen Verrußungsspuren. Ebenfalls gut erhalten sei die Küche, aber im Wohnzimmer seien die Schäden höher. Zum entsprechenden Bild sagt er, ein darauf zu sehendes Regal habe gebrannt, der Raum sei aber „weit davon entfernt, ausgebrannt zu sein“. Hinter der zu sehenden Trennwand liege das Wohnzimmer von Frau E.. Durch die Wand, so Setzensack, hätten Rauchgase eindringen können.

Dann folgt ein Bild vom zerstörten Sportraum. Setzensack sagt: „So sieht ein ausgebrannter Raum aus.“ Hier sei fast alles brennbare Material weg gebrannt. Im Hintergrund sehe man den aus Gipskartonplatten gebauten und nachträglich eingezogenen Zwischengang. Rechts habe sich das ebenfalls in Trockenbauweise gebaute Lager befunden. Zu einem Bild vom linken Flur sagt Setzensack, der Raum sei massiv in Mitleidenschaft gezogen, der Putz sei von den Wänden gefallen. Es folgt ein Bild, das den Blick von außen durch die weg gesprengte Wand in das Schlafzimmer zeigt. Auch das Schlafzimmer sei ausgebrannt, der Putz von den Wänden gefallen, das Bett zerstört. Ein Blick in das zerstörte Katzenzimmer folgt. Dieses sei ausgebrannt, hier habe es ein Bett gegeben, von dem nur noch die Sprungfedern übrig geblieben seien. Zu sehen sei ein Heizkörper, die Gas-Zentralheizung habe sich in 26a befunden. Zu einem Bild vom linken Bad sagt Setzensack, das Bad sei ausgebrannt, die Fliesen seien von den Wänden gefallen, das Feuer habe „sehr stark gewütet“. Es folgt je ein Bild vom Zwischengang, der laut Setzensack relativ gut erhalten sei, und vom Lager.

Setzensack zufolge habe es eine ganz heftige, rasante Brandausbreitung gegeben. Man könne sich fragen, ob das ein normaler Brand gewesen sein kann, z. B. ausgelöst durch eine technische Ursache, einen Kurzschluss, eine Pfanne mit Öl oder eine Zigarettenkippe in einem Abfalleimer. Dies verneint Setzensack, denn bei einem normalen Brand gebe es keine Explosionen. Es könne zwar mal eine Schwelgasverpuffung geben, aber da fielen keine Außenwände heraus. Die nächste Frage sei, ob es eine Gasexplosion gewesen sein könne. Von der Druckwirkung her könne man das bejahen, nicht aber von der Brandausbreitung. Es gäbe dabei nur sekundenweise einen Feuerball und das würde oft nicht ausreichen, um einen Brand in Gang zu setzen. Gelegentlich käme es zu Bränden, aber allenfalls mit langsamer Brandentwicklung. Es würde fünf bis zehn Minuten dauern bis überhaupt ein Raum in Vollbrand stehe, bis größere Teile der Wohnung in Flammen stehen, müsse man zehn, zwanzig Minuten dazu addieren. Bei der Frage nach einer Sprengstoffexplosion gelte das Gleiche. Die einzige Möglichkeit sei also, dass ein leichtflüchtiges Brandmittel großflächig ausgeschüttet und entzündet worden sei. Dann bekomme man beides: Eine Explosion und eine rasche Brandausbreitung. Es bildeten sich nach dem Verschütten explosive Wolken und durch Zündung eine Explosion wie bei einer Gasexplosion. Durch die Lachenbildung könnten große Teile der Wohnung rasch in Brand stehen. Es müsse aber ein leichtflüchtiges Brandmittel sein wie Benzin, denn bei z.B. Heizöl gebe es keine Explosion. Das habe, so Setzensack, auch die Kripo Zwickau so erkannt und sei deshalb mit Spürhunden in das Haus gegangen, die an 22 Stellen angezeigt hätten (siehe Protokoll zum 15. Verhandlungstag). In 19 Proben habe man dann tatsächlich Benzin gefunden.

Es folgt ein Bild mit der Übersicht der 19 Benzinspuren in der Wohnung. Man habe Benzin im rechten Bad, in Küche, Wohnzimmer, Lager, Schlafzimmer und Katzenzimmer, im linken Flur und im linken Bad an zwei Stellen gefunden. Man habe auch im Treppenhaus an vier Stellen Benzin gefunden, obwohl es dort gar nicht gebrannt habe. Interessant sei, dass man in vielen, aber nicht in allen Räumen Benzin gefunden habe. Im Sportraum müsse etwas vorhanden gewesen sein, man habe aber nichts gefunden. Im Flur sei Brandlegungsmittel verschüttet worden, das könne man anhand der Brandspuren beweisen, man habe aber nichts gefunden. Das Brandlegungsmittel sei, so Setzensack, weg gebrannt. Auch interessant sei, dass das LKA Sachsen bei einer Untersuchung der Proben auf Kraftstoffzusätze, unterschiedliche Zusätze gefunden habe. Die Spur 11 im Lager könne nicht von dem Benzinkanister stammen, der vor der Wohnung aufgefunden worden sei. Auch die Spur 29 aus dem Brandschutt vor dem Haus könne nicht aus diesem Kanister stammen. 13 der Proben könnten aus dem Kanister stammen, bei vier Spuren lasse sich keine Aussage treffen, zwei Spuren könnten definitiv nicht aus dem Kanister stammen. Es müsse also mindestens noch ein weiteres Behältnis mit Benzin gegeben haben. Und in der Tat habe man die Glasflasche im Brandschutt gefunden, das habe der Vorsitzende eben vorgelesen. Es sei leider nicht untersucht worden, ob das Benzin aus der Flasche kompatibel ist mit der Spur 11. Das könne man klären, dazu müssten aber die beiden Labors ihre Spektrogramme vergleichen. Er könne nicht sagen, ob es noch ein drittes Behältnis gegeben haben muss. Bezüglich der Brandursache könne man jedenfalls eine eindeutige Antwort geben: es sei großflächig Benzin ausgebracht und gezündet worden.

Zur Zündquelle sagt Setzensack, gebe es drei Möglichkeiten: offene Flammen, elektrische oder mechanische Funken oder heiße Oberflächen. Man habe Teelichter in Wohnzimmer und Flur links gefunden. Lichtschalter habe es ebenfalls gegeben, der Funke reiche aus. Ausreichen würde, so Setzensack, auch das Ein- und Ausschalten des Kühlschranks oder elektrostatische Funken. Zu heißen Oberflächen lasse sich sagen, dass die Zündpunkte bei 300 bis 500 Grad liegen. Eine glühende Herdplatte habe eine Temperatur von 700 Grad. Einen Elektroherd habe es in der Küche gegeben, der sei aber nachweislich abgeschaltet gewesen. Es habe aber z.B. noch einen Toaster gegeben, der ans Stromnetz angeschlossen gewesen sei und im Prinzip mit den 700 Grad heißen Drähten Benzindämpfe hätte entzünden können. Bei normalen Bränden brenne es fünf bis zehn Minuten im Bereich der Brandausgangsstelle und der Brand breite sich erst dann aus. Man könne die Stelle gut lokalisieren. Da wo die höchsten Brandzehrungen vorhanden sind, sei der Brand ausgebrochen. Das sei aber nicht so, wenn man leichtflüchtige Brandmittel in Lachen habe. Hier verbleibe, so Setzensack, als einzige Möglichkeit, auf Indizien zurückzugreifen, die im vorliegenden Fall dafür sprächen, dass der Brand vermutlich von der Wohnungstür aus gezündet worden sei.

Zwei Indizien sprächen dafür: Erstens die Auffindesituation des Benzinkanisters vor der Wohnungstür. Zweitens könne man beweisen, dass Brandmittel bis zur Wohnungstüre ausgebracht gewesen sei. Es sehe so aus, als ob eine „Luntenspur“ gelegt worden sei. Man sieht ein Foto vom Bereich des Wohnungseingangs. Setzensack sagt, man sehe hier charakteristische Brandspuren am Türstock der Wohnungstür und an der Badezimmertür. Die Verrußungen begännen erst einige Zentimeter über dem Boden. Diese Spuren, erläutert Setzensack, seien darauf zurückzuführen, dass hier am Boden Brandlegungsmittel gewesen sei. Auffällig sei, dass man am Boden keine Brandspuren sehe. Setzensack sagt, wenn man einen glatten Boden habe, da Benzin drauf schütte und anzünde, sehe man fast nichts. Setzensack: „Ich habe hier einen kleinen Versuch für Sie durchgeführt.“ Es folgen zwei Bilder. Auf dem ersten ist ein Stück Kunststoffboden zu sehen, auf dem etwas brennt. Auf dem zweiten sieht man den Kunststoffboden nach dem Brand. Folgen des Brandes sind nicht zu erkennen. Da die Dämpfe über der Lache brennen, so Setzensack, sehe man  im Bereich der Benzinlache nichts. Bei der Lache am Boden sei kein Sauerstoff. Die Brandspuren würden auch erst in einer gewissen Höhe beginnen. Die Flammen würden nach oben weg schlagen, bei Lachen werde der Boden nicht beflammt. Es gebe noch einen zweiten Effekt: Benzin verdunstet  sehr stark, so dass Verdunstungskälte entsteht. Bei Teppichböden habe man allerdings sehr wohl Brandspuren, das gelte nur für glatte Böden. Es sehe also so aus, als ob der Täter eine Luntenspur gelegt habe bis zur Wohnungstür.

Es folgt ein Bild, auf dem an der geschlossenen Küchentüre Brandspuren in Bodennähe zu sehen sind, die aber im Bereich der Katzenklappe unterbrochen sind. Das Benzin, so Setzensack, habe neben der Klappe herunter laufen können, im Bereich der Klappe sei es aufgehalten worden. Man könne damit beweisen, dass hier explizit geschüttet worden sei, es sei also nichts einfach nur ausgelaufen. Beim nächsten Bild sehe man die Türe zum Zwischengang. Auch hier seien Brandspuren zu finden, offenbar sei im ganzen rechten Flur Brandlegungsmittel verschüttet gewesen. Es sehe also so aus, als ob das eine Luntenspur gewesen sein könne. Streichhölzer habe man nicht gefunden, das Benzin sei also wohl durch ein Feuerzeug oder ähnliches entzündet worden. Es sei hier relativ viel Benzin verschüttet gewesen, im rechten Flur habe es aber keine Explosionsspuren gegeben. Das bedeute, dass das Benzin kurz nach dem Verschütten angezündet worden sein müsse. Nach wenigen Minuten hätte es bereits eine Explosion gegeben, so Setzensack. Auch das deute darauf hin, dass von der Wohnungstüre aus gezündet worden sei. Setzensack: „Was wäre passiert, wenn hier gezündet worden wäre?“ Die Flammen, so Setzensack, hätten irgendwann den Sportraum erreicht und dann hätte es dort eine Explosion gegeben. Die Strecke von drei bis fünf Metern hätte, wenn der Täter hier angezündet hätte, bei einer Luntenspur bis zum Sportraum drei bis vier Sekunden gedauert. Wenn die Luntenspur eine Unterbrechung habe, dann dauere es zehn Sekunden länger. Hier hätte der Täter, so Setzensack, „allerbeste Chancen“ gehabt, unversehrt davon zu kommen. Es spreche also einiges dafür, dass von der Wohnungstür aus gezündet worden sei, der Täter hätte sich wohl nicht verletzt.

Die Frage, ob Personen außerhalb der Wohnung gefährdet gewesen seien, könne man mit einem „klaren Ja“ beantworten, so Setzensack. Zunächst zeigt er ein Bild von der Frontseite des brennenden Hauses und dann eines von der Giebelseite. Wenn vor dem Gebäude eine Person gestanden hätte und etwa „diesen Brocken auf den Kopf bekommen hätte“, dann wäre das, so Setzensack, vermutlich tödlich ausgegangen. Dann zeigt er ein Bild vom Wohnzimmer von Charlotte E., auf dem Rissbildungen in der Wand gekennzeichnet sind. Die Trennwand sei etwas verschoben und weise Risse auf, sie sei nicht mehr gasdicht gewesen. Diese Wand wäre, so Setzensack, ebenfalls gefallen, wenn z.B. die Küchentüre offen gewesen wäre und dadurch der Explosionsdruck etwa höher gewesen wäre. Frau E. sei in den ersten Minuten des Brandes in ihrer Wohnung gewesen. Zu einem weiteren Bild des Brandes sagt Setzensack, die Explosion habe auch auf die Decke „mit ganz gewaltigen Kräften“ gewirkt, das Dachgeschoss sei kurzzeitig durch die Explosion angehoben worden. Zu einem Bild vom Dachgeschoss sagt Setzensack, wenn sich im Dachgeschoss Personen aufgehalten hätten im Moment der Explosion, hätte, so der Brandgutachter, eine erhebliche Sturzgefahr bestanden: „Da kann man unter Umständen verletzt liegenbleiben.“

Der Brand sei nicht auf die Wohnung im ersten Stock begrenzt geblieben, er habe übergegriffen auf eine Wohnung im Dachgeschoss. Zu einem Bild von der verblendeten linken Eingangstüre zur Wohnung sagt Setzensack, die Türe sei im oberen Bereich durchgebrannt gewesen. Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre der Brand im hölzernen Treppenhaus gewesen, wodurch dann Personen der Fluchtweg verstellt gewesen wäre. Zu einem Bild des Dachstuhls sagt Setzensack, dass es zwischen den Gebäudeteilen 26 und 26a keine Brandmauer, die mindestens 30 cm über den Dachstuhl hinaus ragen müsse, gegeben habe und der Brand daher auf die Hausnummer 26a hätte übergreifen können. Es folgt ein Bild, dass das brennenden Gebäude und eine tiefschwarze Rauchwolke zeigt. Setzensack stellt fest, dass hier eine Dunkelfärbung zu sehen sei, der Rauch sei also hochgradig toxisch. Viel Ruß bedeute wenig Sauerstoff und schlechte Verbrennung, da entstehe immer Ruß und eine große Menge an Kohlenmonoxid. Wenn man zwei, drei Minuten in diesen Rauchgasen verbringe, sei man tot, so Setzensack. Eine Dachgeschosswohnung sei bereits gefüllt gewesen mit Rauchgasen. Die zweite sei noch nicht von den Brandgasen erfasst, aber schon verrußt. Es habe auch Rauchgase im Treppenhaus gegeben, so Setzensack. In gewisser Weise sei auch Frau E. schon gefährdet gewesen, weil Rauchgase in ihre Wohnung eingedrungen seien. Frau E. sei nach der Explosion um 15.08 Uhr, aber vor Eintreffen der Feuerwehr um 15.15 Uhr gerettet worden. In diesen wenigen Minuten sei es für Frau E. sicher nicht gefährlich gewesen, aber, so Setzensack weiter, hätte sie 20, 30 Minuten dort verbringen müssen, wäre es auch für sie gefährlich geworden.

Zur Gefährdung in Bezug auf Schusswaffen und Munition sagt Setzensack, es seien insgesamt elf Schusswaffen sowie Munition gefunden worden. Er habe sich mit dem Sachgebietsleiter Schusswaffen des LKA Bayern in Verbindung gesetzt. Der habe gesagt, dass das Nitrozellulosepulver zünde, wenn man die Patronen auf 200-300 Grad erwärme. Diese Temperaturen erreiche man auf jeden Fall bei einem Brand. Bei einzeln herum liegender Munition baue sich aber keine nennenswerte kinetische Energie auf, Passanten und Feuerwehrleute seien dadurch eigentlich nicht gefährdet. Auch Munition, die sich im Magazin befindet, sei relativ harmlos. Gefährlich seien durchgeladene Schusswaffen. Würden Patronen im Lauf gezündet, entspreche das einer normalen Schussabgabe, das Projektil könne mit der üblichen kinetischen Energie Passanten und Feuerwehrleute treffen. Dann fasst Setzensack seine Ergebnisse zusammen. Es sei ein Brandstiftung aufgrund großflächigen Ausbringen von Benzin; die Zündquelle sei nicht eindeutig, aber vermutlich sei von Wohnungstüre aus gezündet worden; es habe eine hohe Gefährdung Dritter gegeben, zumindest, wenn sich Personen in bestimmten Bereichen aufgehalten hätten.

Es folgt eine Pause bis 11.18 Uhr.

Danach fragt OStAin Greger, ob man Angaben zur Menge des ausgebrachten Brandlegungsmittels machen könne. Die Menge sei schwer zu schätzen, weil es nicht nur auf die Menge ankommen, sondern auch auf die Zeit zwischen Ausbringen und Anzünden, antwortet Setzensack. Man könne aber eine Untergrenze festlegen, wie viel mindestens ausgebracht worden sein muss und, „allerdings nur ganz grob“, eine Obergrenze abschätzen. Zur Untergrenze könne man sagen, dass Außenwände heraus gefallen seien, hierzu bedürfe es eines Überdrucks von 0,3 bar. Wenn man also etwa den Druck schlagartig auf 1,3 bar erhöhe, wirke eine Kraft von drei Tonnen auf den Quadratmeter Raumfläche, dann würden z. B. Außenwände heraus brechen. Daraus lasse sich die Größe der explosiven Wolke errechnen, die für diesen Überdruck notwendig sei. Diese müsse mindestens fünf  Prozent des Raumvolumens von 50 Kubikmeter im Sportraum gehabt haben. Daraus ergebe sich eine Wolkengröße von mindestens 2.500 Litern und es lasse sich errechnen, wie viel Benzin in einer solchen Wolke gewesen sein müsse. Dies könne man für Schlafzimmer und Katzenzimmer wiederholen. Unter der Berücksichtigung, dass noch etwas Benzin am Boden gewesen sei, müsse man von einer „absoluten Untergrenze“ von fünf Litern verschütteten Benzins ausgehen.

Die Obergrenze könne man nur grob abschätzen, indem man sich etwa Vergleichsbilder von Explosionen anschaue, bei denen man wisse, wie viel Benzin ausgebracht worden sei. Setzensack präsentiert eine Luftaufnahme eines völlig zerstörten Einfamilienhauses. Dieses Haus sei völlig gesprengt, so Setzensack, die Haustür sei am Haus vorbei geflogen und in der Krone eines Baumes gelandet. In diesem Fall seien 35 Liter verschüttet worden: „So hat Zwickau nicht ausgesehen.“ Deswegen schätze er als Obergrenze 20 Liter, aber das sei wirklich ungenau.

Richter Götzl übergibt das Fragerecht nun an die Verteidigung von Zschäpe. RA Stahl fragt, welche eigenen Feststellungen Setzensack seiner Einschätzung zur Gefährdung der Frau E. zugrunde gelegt habe. Er sei natürlich nicht vor Ort gewesen, so Setzensack, aber es gebe zwei Hinweise. Brandermittler Le. sei hier in der Verhandlung gefragt worden, ob die Wand noch dicht war, und habe bestätigt, dass die Wand nicht mehr dicht gewesen sei. Und der Zeuge Olaf B. habe hier geschildert, dass er seine Wäsche dreimal habe waschen und sie dennoch habe wegwerfen müssen, also seien offensichtlich auch in 26a Rauchgase vorhanden gewesen. Ob die Fenster bei Frau E. geöffnet gewesen seien, so dass Rauchgase hätten eindringen können, wisse er nicht, so Setzensack, aber bei einer beschädigten Wand gingen Rauchgase direkt durch. Zur Stärke der Rissbildung könne er sich nur auf das beziehen, was Le. geschildert habe. Es gebe Fälle, wo Leute ein Tuch auf dem E-Herd hätten liegen lassen. Die Rauchgase dieses Tuchs hätten für eine Rauchgasvergiftung ausgereicht. Man brauche da nicht erhebliche Mengen, aber er könne die Rauchgaskonzentration in der Wohnung von Frau E. nicht nennen. Auf Frage von RA Stahl sagt Setzensack, die Wand zwischen Nummer 26 und Nummer 26a sei eine 24 cm starke Hohllochwand gewesen, zur Rohdichtemasse des Baustoffs könne er nichts sagen. Auf Nachfrage sagt er, eine Brandwand müsse mindestens 24 cm stark sein, nach 90 Minuten noch eine gewisse Stoßbelastung aushalten und mindestens 30 cm über das Dach gehen. Auf die Frage von RA Stahl, ob eine Brandwand immer 30 cm über das Dach gehen müsse, verweist Setzensack auf die Zuständigkeit des vorbeugenden Brandschutzes. RA Stahl will wissen, welche Erkenntnisse Setzensack darüber habe, dass die Wand etwas verschoben gewesen sei. Es stehe in der Akte, dass die Wand etwa 1 cm in Richtung der Wohnung von Frau E. verschoben gewesen sei. RA Stahl fragt, ob Setzensack das hinterfragt habe. Setzensack erwidert, für ihn sei das ein Aktenfall gewesen, kein Tatortfall. Der Wert eines Überdrucks von 0,3 Bar, der zum Einstürzen von Außenwänden führe, sei ein tabellierter Durchschnittswert für Mauerwerk, so Setzensack auf Frage von RA Stahl, der Unterschied zwischen Neu- und Altbauten sei hier nicht so gravierend.

Dass das Dachgeschoss kurzzeitig angehoben worden sei, könne man abschätzen. Es gebe den Hinweis von Brandermittler Le., dass das Gebälk im vorderen Bereich gebrochen gewesen sei. Man könne sich das aber auch theoretisch herleiten, auf das Dachgeschoss wirke eine Kraft von 150 Tonnen, diese Kraft sei höher als das Gewicht des Dachgeschosses: „Es wird definitiv angehoben.“ Auf Nachfrage von RA Stahls sagt Setzensack, er gehe von einer Explosion in Sportraum, Schlafzimmer und Katzenzimmer aus, in den anderen Räumen habe es keine Explosion gegeben. Auf Frage von RA Stahl gibt Setzensack an, sicherlich sei im Sportraum mehr Brandmittel ausgebracht worden als etwa in der Küche, es komme aber darauf an, ob Teile angezündet worden seien oder nicht. RA Stahl will wissen, in welchem Zeitraum ein für den Brandleger gefahrloses Entzünden nach Ausbringung der Brandlegungsmittel möglich sei. Setzensack erwidert, wenn man neben neben einer explosiven Wolke stehe und sie anzünde, gebe es einen Feuerball, der sich um das 1,7fache ausdehne. Eine Wolke von einem Meter Durchmesser ergebe einen Feuerball von 1,7 m. Dieser brenne aber nur kurz, ein paar Zehntelsekunden, dabei zögen sich die Leute Verbrennungen im Gesicht zu, die Haare würden ein bisschen weg gebrannt, im Allgemeinen seien die Verletzungen nicht so dramatisch. RA Stahl sagt, es gehe ihm um das Zeitfenster zwischen dem Ausbringen des Brandlegungsmittel und der Explosion. Setzensack sagt, wenn man eine durchgehende Luntenspur habe, wäre die Explosion drei bis vier Sekunden nach der Zündung gekommen. Zur unterbrochenen Luntenspur habe er ein Bild. Setzensack zeigt ein Bild von einem Zündversuch. Man sehe hier ein brennendes Teelicht und eine Benzinspur, die nicht an das Teelicht herangeht, da sei eine Lücke von 5 cm. Sie hätten getestet, wie lange es dauert, bis diese Spur gezündet wird. In dem Fall habe es zehn Sekunden gedauert. Die Dampfwolke erreiche irgendwann das Teelicht und dann zünde dieses zu der Lache herüber. Bei einer unterbrochenen Luntenspur müsse diese Lücke überbrückt werden. RA Stahl fragt, ob Setzensack seinen Erkenntnissen zugrunde gelegt habe, ob und welche Türen in der Wohnung geöffnet oder geschlossen waren. Das habe er von der Akte übernehmen müssen. Er zeigt ein Bild und sagt, er habe hier die Tür- und Fensterstellungen eingezeichnet, soweit bekannt. Geschlossen seien die Türen im Badezimmer rechts und in der Küche gewesen, geöffnet im Schlafzimmer, im Katzenzimmer und im Badezimmer. Die Fenster nach hinten und im Wohnzimmer seien geschlossen gewesen. RA Stahl bittet Setzensack zur Beantwortung einer hypothetischen Frage: „Wäre es denkbar, dass die Person, die dieses Brandmittel ausgebracht hat, die Wohnung nochmal verlässt, dann wiederkommt und dann, meinetwegen am Ausgangsort im Flur, den Brand legt?“ Diesen Hergang würde er ausscheiden, so Setzensack, weil es im rechten Flur keine Explosion gegeben habe. Diese Entzündung müsse sehr zeitnah gewesen sein. Das von RA Stahl Geschilderte könne also nur passieren, wenn die Person das Benzin in den anderen Räumen vorher ausgelegt hätte und dann zurückgekommen, Benzin im Eingangsflur verschüttet und da gleich angezündet hätte. RA Stahl sagt, genau das habe ihn interessiert, er habe dann keine Fragen mehr. Dann bittet RA Stahl doch noch um eine Pause zur Beratung. Richter Götzl sagt, er lege dann die Mittagspause ein.

Um 13.10 Uhr geht es weiter. RA Stahl sagt, er habe doch noch zwei kleine Fragen zur Gefährdung von Frau E. Setzensack habe gesagt, die Trennwand zur Wohnung von Frau E. sei nicht mehr gasdicht gewesen und er, RA Stahl, wolle wissen, welche Feststellungen Setzensack dazu getroffen habe. Er habe sich da auf die Akte beziehen müssen und habe Herrn Le. danach gefragt. Dieser habe geantwortet, dass die Wand nicht mehr dicht gewesen sei. RA Stahl fragt nach, ob sich das auf eine Dichtigkeitsprüfung stütze oder ob das die Auffassung von Le. gewesen sei. Setzensack sagt, er gehe davon aus, dass die Polizeibeamten auch in der Wohnung von Frau E. waren, und vermute, dass man Rauchgase gerochen und daraus geschlossen habe, dass auch Rauchgase eingedrungen seien.

RA Stahl fragt, woran Setzensack seine Aussage festmache, dass nicht mehr viel dazu gehört hätte, dass auch diese Wand eingestürzt wäre. Das mache er an der Türstellung fest, so Setzensack. Erneut zeigt er die Skizze der Tür- und Fensterstellungen. Er sagt, die Küchentür zum rechten Flur sei geschlossen, die Tür von Küche zu Wohnzimmer offen gewesen. Wäre die Tür zum rechten Flur geöffnet gewesen, wäre der Druck Richtung Wohnzimmer stärker gewesen, so Setzensack. Das sei ja eine sehr hypothetische Aussage, erwidert RA Stahl. Ihn interessiere, ob diesbezüglich auch Untersuchungen an der Wand vorgenommen worden seien. Das verneint Setzensack. Risse und Verschiebungen an der Wand bedeuteten aber, dass Stellen keine Verbindung mehr hätten. Er vermute, dass dann nicht mehr viel fehle bis die Wand einstürze. RA Stahl entgegnet, es gebe aber Gebäude, die Risse in der Wand hätten und auch nicht umfielen, es sei also eine Schlussfolgerung oder Vermutung. Das bestätigt Setzensack, mehr könne er hier nicht tun.

Nebenklagevertreterin RAin Dierbach folgert aus der Verschiebung der Wand, dass diese keine Verbindung mehr zu Boden und Decke gehabt habe. Setzensack bestätigt, dass es irgendwo eine Unterbrechung gegeben haben und dann zumindest durch Mikrorisse eine Undichtigkeit vorhanden gewesen sein müsse. RAin Dierbach sagt, dann komme es doch auf die Mauerrisse, die im Bild zu sehen gewesen seien, gar nicht an. Das sei möglicherweise so, erwidert Setzensack. RAin Dierbach will daraufhin wissen, ob aus Setzensacks Sachverständigenerfahrung die Art der Brandlegung darauf hindeute, dass der Täter sich besondere Kenntnisse angeeignet habe. Er würde keine besondere Kenntnisse unterstellen, so Setzensack. Viele Täter würden überrascht, dass es eine Explosion gibt. Auch im vorliegenden Fall meine er, die Explosion habe für den Täter auch „ins Auge gehen können“, insofern wisse er nicht, ob man so große Sachkunde unterstellen kann. RA Scharmer weist darauf hin, dass die Tür zum Sportraum offen gewesen sei, da müsse sich doch das Benzin-Luftgemisch verteilt haben, möglicherweise in den Flur. Im Prinzip habe RA Scharmer recht, so Setzensack, aber es sei unklar, wie die Stellung der Tür im Sportraum gewesen sei. Man wisse nicht, ob sie offen oder geschlossen war.

RA Kolloge möchte wissen, wie lange es dauere, bis sich in einem Raum ein explosives Gemisch bildet. Wenn man eine Lache habe, entstehe pro Minute und pro Quadratmeter ein explosives Gemisch von 100 Litern. Der Sportraum habe 50 Kubikmeter und, damit die Außenwände herausfallen, müsse die explosive Wolke mindestens 2.500 Liter haben. Pro Minute entstehe ein Gemisch von 700 Litern, also habe man nach sechs bis sieben Minuten eine solche Wolke. RA Kolloge fragt, wie sich fünf ausgekippte Liter verteilten. Auf einem glatten Boden bekomme man eine Lache von fünf Quadratmetern, so Setzensack, auf einem Teppichboden sei sie nicht so groß. Die Abdampfrate hänge von der Lachenoberfläche ab. Wenn man das Benzin auf einen glatten Boden schütte, bekomme man die größte Lache und umso größer die Lache, um so schneller dampfe das ab. RA Kolloge fragt, wie steuerbar das sei, wenn man das mit dem Ziel mache, die Wohnung komplett auszubrennen, ohne eine Wand herauszuprengen. Setzensack erwidert, dass ihm Benzin dafür zu gefährlich wäre und er auf Diesel oder Heizöl zurückgreifen würde, weil das nicht explodiere. Wenn man zehn Liter Benzin verschütte, könne man eine Explosion gar nicht vermeiden, denn dafür brauche man eine gewisse Zeit und dann habe sich schon eine explosive Atmosphäre gebildet.

Laut RA habe es auch im Eingangsflur irgendwann mal eine explosive Atmosphäre gegeben. Er will wissen, wie viel Zeit jemandem bliebe zwischen Ausbringen und Anzünden, ohne dass es dort zu einer Explosion komme. Dazwischen könne maximal etwa eine Minute liegen, so Setzensack. Auf Frage von RA Reinecke antwortet Setzensack, dass an mehreren Stellen im Wohnzimmer Benzin gefunden worden sei. Auf Reineckes Frage, ob dort auch ein explosives Gemisch zustande gekommen sei, erwidert Setzensack, er vermute, dass dort nicht genügend Benzin verschüttet worden sei. Wenn man bspw. ein Schnapsglas Benzin verschütte, reiche das nie aus, um eine explosive Atmosphäre zu bilden.

RA Stahl will wissen, ob davon auszugehen sei, dass in den Zimmern, in denen es zur Explosion gekommen sei, mehr brennbare Gegenstände waren oder mehr Brandmittel ausgebracht wurden. Setzensack antwortet, es müsse auf alle Fälle eine hinreichende Menge an Brandmittel verschüttet worden sein, sonst hätte es nicht ausgereicht, diese Wolke zu erzeugen. Für den Sportraum könne man ausrechnen, dass in der Wolke mindestens 0,7 l Benzin gewesen sei. RA Stahl fragt nach, wie es sich mit der Abdampfung beispielsweise bei durchtränkten Matratzen verhalte. Da könne man wieder die Oberfläche zugrunde legen, so Setzensack, es zähle nicht die Tiefe.

Es folgt die Einvernahme des Sachverständigen Redmer vom LKA Sachsen. Redmer sagt, er könne sich nur den Ausführungen von Dr. Setzensack anschließen: „Das ist für mich schlüssig und aussagekräftig. Da gibt es keinerlei Widerspruch oder Anmerkungen von mir.“ Was er evtl. zeigen könne, seien Beispiele für das unterschiedliche Abbrennverhalten unterschiedlicher Flüssigkeitsmengen Benzin. Damit ist die Vernehmung von Redmer beendet. Danach gibt es auch an Setzensack keine Fragen mehr, der also ebenfalls entlassen wird.

Nebenklagevertreter RA Hoffmann verliest eine Erklärung zur Stellungnahme der BAW zu seinem Beweisantrag (siehe Protokoll zum 73. Verhandlungstag.) Der Beweisantrag sei zulässig, so RA Hoffmann, und die Vernehmung des Zeugen von der Aufklärungspflicht des Gerichts geboten. Die Frage der Zulässigkeit des Beweisantrages stelle sich nach Anschluss weiterer Nebenkläger an den Antrag nicht mehr. Die behauptete Beweistatsache würde eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 129a StGB und eine zumindest versuchte Beihilfe zu den nach dem Februar 2004 erfolgten Straftaten des NSU darstellen. Dies würde sich jedenfalls auf die Strafzumessung bezüglich des Angeklagten Wohlleben auswirken. Entgegen der Auffassung der BAW sei davon auszugehen, dass auch Beweisanträge der Nebenklage zulässig sind, die sich nur auf die Rechtsfolgen beziehen. Die BAW überspanne die Anforderungen, die an einen Beweisantrag zu stellen sind, wenn sie diesen ablehnen wolle, weil der behauptete Tausch einer Pistole gegen ein Gerät zur Überwindung von Wegfahrsperren von Fahrzeugen, die häufig von Mitgliedern des NSU zur Tatbegehung genutzt wurden, keinen ausreichenden Bezug zum NSU aufweise. Vielmehr verhalte es sich nach Aktenlage so, dass der Angeklagte Wohlleben einerseits außerhalb seines Bezuges zum NSU nichts mit Waffen zu tun gehabt habe, andererseits die in dem Beweisantrag aufgeführten Fahrzeugtypen für welche der Angeklagte Wohlleben das Gerät habe beschaffen wollen über Jahre hinweg das bevorzugte Fahrzeug bei der Ausübung der Taten des NSU gewesen seien. Im Übrigen gebe es keinerlei Hinweise, dass der Angeklagte Wohlleben aus nicht politisch motivierten Bestrebungen heraus KfZ-Diebstähle begangen oder unterstützt habe. Bei lebensnaher Betrachtung dränge sich daher ein Zusammenhang der Beweisbehauptung zu den Taten des NSU und Wohllebens Verstrickungen hierin auf.

Im Folgenden nimmt die BAW zum Beweisantrag von RA auf Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft Hannover (siehe Protokoll zum 73. Verhandlungstag) Stellung. Dieser sei abzulehnen. Es handele sich um einen Beweisermittlungsantrag. Dem Antragssteller gehe es um die Feststellung der materiellen Richtigkeit der Verurteilung des Zeugen, wozu sich eine Strafakte nicht verhalte. Der Nachweis einer Falschaussage des Zeugen könne nichts zu einer Erforschung des angeklagten Verfahrensgegenstands beitragen. RA Heer sagt: „Wir sehen das ganz genau so.“

Dann gibt RA Reinecke eine Erklärung zur Vernehmung der Brandsachverständigen ab. Der Tatkomplex Ziffer 1.2 der Anklage sei in weiten Teilen abgeschlossen. Es ergebe sich, dass die Angeklagte die Brandstifterin sei. Man könne sich den Fragen nähern, ob eine Person allein die Brandstiftung begangen hat, und ob es Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Tötungsdelikt gibt. Die Brandstiftung könne allein ausgeführt worden sein. Dass zehn Liter Benzin vorbereitet gewesen seien, spreche für eine geplante Tat. RA Reinecke sagt, ihm falle auch keine andere Funktion ein, warum man Benzin in eine Himbeersaftflasche umfüllen solle als zum Zwecke einer Brandstiftung. Es handele sich um eine extrem gefährliche Version der Brandlegung, wenn jemand eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Benzin in Brand setzt, unabhängig davon, ob man Explosionen erwarte oder nicht. Das Gericht sei nicht verpflichtet, allen Möglichkeiten nachzugehen, sondern nur den naheliegenden. Wenn von der Angeklagten keine Einlassung komme und es keine konkreten Anhaltspunkte gebe, dann müsse man sich nicht mit allen Möglichkeiten, wie dem Klingeln bei Frau E., auseinandersetzen. Schweigen müsse nicht immer die Verteidigungsstrategie erster Wahl sein. Man habe hier zumindest mit bedingtem Vorsatz ein Tötungsdelikt. Richter Götzl unterbricht RA Reinecke, jetzt gehe er über die Möglichkeiten einer Erklärung hinaus. RA Reinecke sagt, er sei in die Bibliothek gegangen und habe nachgelesen. Wieder unterbricht Götzl. Wenn er sage, was zulässig ist, bedeute das nicht, dass Reinecke die Grenze überschreiten dürfe. Nachdem RA Reinecke wieder angesetzt hat, unterbricht Götzl aufgebracht dessen Satz, der sich auf die Strafe für versuchten Mord bezieht. Man sei nicht im Schlussvortrag, so Götzl, und er verstehe das jetzt als Provokation, dass RA Reinecke bewusst darüber hinausgehe. RA Reinecke schweigt. Götzl sagt, dazu könne RA Reinecke jetzt etwas sagen, aber er sage nichts. RA Reinecke sagt, er sehe das nicht so, man sei im siebzigsten Verhandlungstag eines Verfahrens und es folgten nochmal so viele. Auch RA Stahl habe in einer Erklärung schon einmal eine halbe Seite der Anklageschrift zitiert. Wieder unterbricht Götzl, RA Reinecke nehme als Nebenklagevertreter Keupstraße Stellung zum Komplex Frühlingsstraße. RA Reinecke erwidert, das Verhalten der Angeklagten sei indiziell für alles, was vorher gelaufen sei. Götzl sagt, man halte sich jetzt ganz genau an die StPO, RA Reinecke wisse ganz genau, was damit gemeint sei. Damit schließt Götzl den heutigen Verhandlungstag.

Auf dem Blog NSU-Nebenklage heißt es:

„Heute wurde das abschließende Gutachten zum Brand in der Frühlingsstraße 26 gehört. Beide Sachverständige waren sich in Ihrer Einschätzung einig und bestätigten, was auch schon frühere Beweise gezeigt hatten: Explosion und Brand entstanden durch Ausschütten und Anzünden größerer Mengen Benzin, es bestand eine ganz erhebliche Gefahr für Personen im Haus Frühlingsstraße 26/26a und um das Haus herum.Damit ist die Beweisaufnahme zum Brand in der Frühlingsstraße weitgehend beendet. Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Reinicke fasste in einer Erklärung die Beweisergebnisse zusammen und kam zu dem Schluss, dass der Anklagevorwurf gegen – dreifacher versuchter Mord – insoweit bestätigt worden ist.“

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