Zunächst sagte ein Waffensachverständiger des BKA zur Identifizierung von Pistolen aus. Er konnte anschaulich darstellen, dass die Ceska 83 aus dem Brandschutt eindeutig die Tatwaffe bei der Mordserie ist. Auch die Waffen, die in Heilbronn verwendet wurden, konnten anhand der individuellen Spuren identifiziert werden. Am Nachmittag kam es dann zur Aussage der mutmaßlichen NSU-Unterstützerin Mandy St. Sie gab an, den ihr angeblich unbekannten Drei die leerstehende Wohnung ihres Freundes vermittelt zu haben. Näher gekannt will St. sie aber nicht haben, ebenso wenig weitere Details. Auch ihre eigene Rolle in der Nazi-Szene spielte St. völlig herunter, um Politik sei es erst später gegangen.
Zeugin und Sachverständiger:
- Ruprecht Nennstiel (Waffensachverständiger BKA)
- Mandy St. (mutmaßliche NSU-Unterstützerin)
Die Sitzung beginnt um 9.44 Uhr. Zuerst wird der Sachverständige Ruprecht Nennstiel vom BKA zu den beim Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A. am 25. Februar 2007 eingesetzten Waffen gehört. Nennstiel sagt, sie hätten Munitionsteile vom Tatort in Heilbronn bekommen mit der Bitte, diese zu untersuchen. Es handele sich dabei um: 1 Hülse, 1 Geschossmantel und 1 Bleikern des Kalibers 9 mm Luger; des weiteren um: 1 Hülse und 1 zerlegtes Projektil des Kalibers 7,62 mm Tokarew. Dann seien noch nachgeliefert worden: 1 Bleifragment, das bei der Operation von Martin A. gefunden worden sei und 1 Geschossmantelfragment aus dem Dienst-KFZ. Außerdem habe er noch zwei weitere Teile behandelt, die aber nach Lage der Dinge im Nachhinein keine Relevanz hätten: 1 Hülse 9 mm Luger, die am 7.5. zehn Meter entfernt vom Tatort aufgefunden worden sei und 1 Patrone, die am 29.4. der Polizei in Laufen übergeben worden sei. Die erstgenannte Hülse 9 mm Luger sowie der Geschossmantel, auf dem sechs Felder und Züge erkennbar seien, stammten von der Firma Sellier & Bellot, beim Bleikern spreche nichts dagegen, dass er mit dem Geschossmantel eine Einheit gebildet hat. Hülse und Geschoss Kaliber 7,62 mm Tokarew seien ebenfalls von Sellier & Bellot. Auf dem Projektil fänden sich vier Felder und Züge. Nach einer Bewertung hätten sie sagen können, dass man bei Hülse und Geschossmantel 9 mm Luger eine Identifizierung vornehmen könne, wenn man die Tatwaffe habe. Dies habe man auch bei der Hülse 7,62 mm Tokarew sagen können, nicht aber bei dem entsprechenden Projektil.
Als mögliches Modell der Verfeuerungswaffen hätten sie für die Munitionsteile 9 mm Luger eine Radom Vis 35, eine Norinco oder eine Daewoo ausgemacht. Bei der Hülse 7,62 mm Tokarew hätten sie als mögliches Modell einen TOZ TT-33 ausgemacht. Dieses Waffenmodell sei jedoch in verschiedenen Ländern als Lizenzfertigung nachgebaut worden und das sei nicht zu unterscheiden. Beim entsprechenden Geschoss könne man keine Aussage treffen, es spreche aber auch nichts dagegen, dass es aus einem dieser Waffenmodelle stammt. Am 10. November 2011 seien ihnen, so Nennstiel weiter, von der PD Zwickau eine Reihe von Asservaten geschickt worden, u.a. eine Pistole Radom Vis 35 mit der Waffennummer H1836. Es sei ein Hinweis auf die Munition vom Tatort in Heilbronn, Nummer 47985, beigefügt gewesen und sie hätten untersuchen sollen, ob damit Übereinstimmung besteht. Die Waffe habe sich in einem äußerst schlechten Zustand befunden, der Hahn sei gespannt gewesen und im Auswurffenster habe sich eine gezündete Hülse befunden. Offensichtlich sei die Waffe hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen, es sei zur Zündung der Patronen im Magazin gekommen. Weil die Schlagfeder so erwärmt worden sei, dass sie ihre Federkraft verloren hat, sie die Waffe nicht mehr schussfähig gewesen. Sie hätten die Waffe dann vorsichtig gereinigt und Schlagfeder und Schließfeder ausgetauscht und dann mit der instandgesetzten Waffe schießen können. Der Auswurf der Hülse habe nicht ordentlich funktioniert, aber das habe der Spurenentstehung nicht geschadet, sie hätten Vergleichsmunition gewinnen können. Bei den Hülsen konnten Übereinstimmungen mit der Hülse vom Tatort in Heilbronn (Nr. 47985) festgestellt werden, diese sei in der Pistole Radom Vis 35 mit der Nummer H1836 gezündet worden. Bei den Projektilen sei diese Zuordnung nicht in dieser Klarheit gelungen. Das liege daran, dass die Waffe und dadurch die Spurenqualität und -menge gelitten habe. Es spreche jedoch einiges dafür, dass die Projektilreste ebenfalls aus dem Lauf der Radom-Pistole verfeuert worden sind. Zusammenfassend könne man sagen: Man hat Hülse, Geschossmantel und Bleikern vom Tatort in Heilbronn und mit dieser Waffe die zugehörige Tatwaffe.
Unter den Munitionsteilen im Brandschutt in Zwickau hätten sich auch 21 Hülsen und Geschosse gefunden, die der Radom hätten zugeordnet werden können. Am 10. November 2011 hätten sie außerdem eine Pistole TOZ TT-33 mit der Nummer X65070 bekommen, da sei es konkret um einen Sammlungsvergleich mit den Munitionsteilen vom Tatort in Heilbronn, Sammlungsnummer 47986, gegangen. Der Hahn sei bei dieser Waffe entspannt gewesen, im Patronenlager habe sich eine verfeuerte Hülse befunden. Das Griffstück sei kaputt gewesen und von ihnen ersetzt worden, das habe auf die Spuren keinen Einfluss. Auch bei dieser Waffe sei es beim Beschuss zu Funktionsstörungen gekommen, Verschlussstück und Griffstück seien nicht hundertprozentig aufeinander abgestimmt gewesen, was aber auf die Spuren keinen Einfluss habe. Ergebnis sei, dass die Tathülse 47986 als Patrone in dieser Waffe gezündet wurde. Bei den Projektilen gebe es wie bei der Radom keine beweiskräftige Übereinstimmung, aber Ähnlichkeiten der Verfeuerungsspuren, so dass erfahrungsgemäß einiges dafür spreche, dass die Projektilteile ebenfalls aus der TOZ verschossen worden sind. Im Brandschutt in Zwickau habe bei 14 Hülsen festgestellt werden können, dass die ebenfalls in dieser Pistole gezündet worden sind.
Dann zeigt Nennstiel eine Power-Point-Präsentation, um seine Ergebnisse zu veranschaulichen. Nach Bildern zu den Waffen im Auffindezustand zeigt Nennstiel, wie schon bei seinen Ausführungen am 83.Verhandlungstag, „Schmetterlingsdarstellungen“. Sowohl was die Radom Vis 35, als auch was die TOZ TT-33 angehe, gebe es Spurenübereinstimmungen. Die Tathülsen, die jeweils links zu sehen seien, seien also mit derselben Waffe abgefeuert worden wie die Vergleichshülsen rechts. Nennstiel zeigt außerdem eine Darstellung zum Tatgeschoss TOZ TT-33, bei der das Tat- und das Vergleichsgeschoss zu sehen sei. Ein klare Aussage, dass es dieselbe Waffe ist, sei damit nicht möglich, es gebe aber nicht zu verleugnende Ähnlichkeiten, so dass einiges dafür spreche. Götzl sagt, jetzt würde ihn diese Übereinstimmungen auch im Hinblick auf das Gutachten vom letzten Mal zur Ceska 83 und zur Bruni interessieren. Um die entsprechenden Präsentation heraus zu suchen, wird eine Pause eingelegt.
Dann wird die Präsentation gezeigt. Zuerst geht es um die Ceska. Zu einer Darstellung sagt Nennstiel, hier sehe man rechts die Tatmunition vom Mord in Nürnberg am 9.9.2000 und links die Vergleichshülse. Hier habe man das Zündhütchen, das aus weichem Material bestehe und bei der Schussabgabe auf den Stoßboden gepresst werde, so dass sich Unebenheiten einprägen. Dann bittet Nennstiel die Darstellung mit der Lupenfunktion näher zu zeigen. Hier sehe man, wie sich die Unebenheiten, wie sie durch Gebrauch entstanden sind, reproduzierbar widerspiegeln. Zu einer anderen Stelle sagt er, man sehe aber auch Unterschiede, der Schießprozess lasse sich nie hundertprozentig reproduzieren. Man sehe aber eine von mehreren sehr überzeugenden Übereinstimmungen. Dann geht es um Schlagbolzenspuren. Nennstiel sagt, der derselbe Schlagbolzen habe sowohl die Tatpatrone als auch die Vergleichspatrone gezündet, es sei der Schlagbolzen der Ceska 83. Im Folgenden geht es um Spuren einer konstruktiv vorgesehene Aussparung für den Auswerfer bei der Ceska 83. Auch hier könne man sagen, dass es zwischen Tat- und Vergleichshülse eine überzeugende Übereinstimmung gebe. Dann geht es um ein Projektil und ein Vergleichsgeschoss und die entsprechenden Feldereindrücke.
Dann geht es um die Bruni. Das sei im Original eine 8 mm Knall gewesen, die in eine 6,35 mm Browning umgebaut worden sei. Solche Veränderungen gingen häufig einher mit Verschlechterungen der Möglichkeit, die Waffe zu identifizieren, so Nennstiel. Bei gezeigten Bildern gehe es um den Schlagbolzeneinschlag. Man habe hier eine überzeugende Übereinstimmung zwischen Vergleichs- und Tatmunition vom Mord in Nürnberg am 9.9.2000. Man habe sich hier auf den Schlagbolzeneinschlag beschränken müssen, denn wegen des geringen Gasdrucks der Bruni seien Stoßbodenspuren wie bei der Ceska nicht möglich. Die Projektile seien nicht zuzuordnen gewesen, aber die Hülse. Götzl fragt, was Nennstiel zur Übereinstimmung bei den weiteren Fällen sagen könne. Nennstiel sagt, man müsse das als Kette sehen. Die erste Tat sei der Mord in Nürnberg am 9.9.2000 gewesen, da gebe es Hülsen und Projektile. Dann kämen andere Taten rein, es gehe bei der Begutachtung dann darum, ob man diese neue Tat der alten zuordnen könne. Am Ende habe man eine Kette von Taten, bei denen festgestellt wurde, dass es sich um dieselbe Tatwaffe handelt. Er müsse dann nicht für jede Tat mit der Waffe eine Übereinstimmung feststellen, denn die Kette habe man ja. Wenn er mit einer dieser Taten eine Identifizierung mache, sei alles identifiziert. Das gelte auch bei der Bruni, so Nennstiel auf Frage Götzls, die hätten sie ja an zwei Tatorten, in Nürnberg am 9.9.2000 und in Hamburg.
Zschäpes Verteidiger RA Stahl fragt, ob man zwischen serienfertigungsbedingten Produktionsspuren und Individualmerkmalen differenzieren könne. Nennstiel erläutert, dass Waffen ab Werk individuell seien, man könnte auch eine fabrikneue Waffe individuell identifizieren. Es gehe dabei nicht um Systemspuren, schon ab Werk gebe es Individualspuren, die für eine Waffe einzigartig seien. Denen überlagerten sich im Laufe noch weitere Spuren: „Eine Waffe ist ab Werk identifizierbar und wird noch besser identifizierbar durch Gebrauch.“ Stahl sagt, es gehe ihm darum, welche Spuren systembedingt sind und welche vollständig individuell. Nennstiel sagt, man könne nicht sagen, eine Spur komme von der Herstellung, eine andere vom Gebrauch, wenn Stahl das meine. Er sagt, es sei müßig, ob eine Spur von der Herstellung oder vom Gebrauch kommt, es seien alles Individualspuren. Auf die Frage, warum die Projektile der Bruni nicht hätten zugeordnet werden können, sagt Nennstiel, dass das Spekulation wäre. Eine plausible Erklärung sei, dass das eine abgeänderte Waffe ist, das werde kein professioneller Hersteller gemacht haben. Möglicherweise habe das Projektil keine ordentliche Führung gehabt, ein Projektil komme mit dem einen Teil des Laufes in Berührung, das andere mit dem anderen. Die Vernehmung endet um 11.27 Uhr.
Dann verliest Nebenklagevertreter RA Stolle einen Antrag auf Beiziehung der Personalakten und Akten mit Deckblattmeldungen und Treffberichten des Thüringer Verfassungsschutzes (TLfV) zum Zeugen Tino Brandt sowie der aus 15 Bänden bestehenden Akten des TLfV zum „Thüringer Heimatschutzes“ (THS), die alle dem Untersuchungsausschuss in Thüringen vorlägen. Die Akten sollten möglichst vor der Einvernahme von Brandt beigezogen werden, um die Glaubhaftigkeit des Zeugen und seiner Angaben einschätzen zu können. Auf die Angaben von Brandt würden sich sich eine Vielzahl von Erkenntnissen über die Flucht des Trios stützen. Auch zur Beurteilung der Zuverlässigkeit der Informationen von Brandt seien die Personalakten notwendig. In einem mitgeschnittenen Gespräch zwischen Brandt und dem Zeugen [Thorsten] Heise habe Brandt angedeutet, dass er seine Berichte an das TLfV auch nach taktischen Gesichtspunkten bestimmt habe. Wenn er ein Konzert organisiert habe, von dem er behauptet habe, dass nur zwei Personen im Vorfeld Kenntnis davon hätten, sei dieses Konzert nicht unterbunden werden, um die Quelle Brandt nicht zu gefährden. Die Beiziehung der Akten sei auch deshalb erforderlich, weil sich daraus neue Erkenntnisse zu Entstehung, Entwicklung, Zusammensetzung und Aktivitäten des THS gewinnen ließen. Brandt habe beim BKA angegeben, dass Mundlos und Böhnhardt über ein gefestigtes nationalsozialistisches Weltbild verfügt hätten, dass Böhnhardt ein „militanter Mensch“ gewesen sei und Zschäpe über fundiertes Wissen zu „germanenkundlichen“ Fragen und zum NS verfüge. Außerdem habe er angegeben, Kenntnis über „konspirative“ Aktionen der Sektion Jena des THS zu haben, der auch das Trio und die Angeklagten Wohlleben und G. angehört hätten. Es sei davon auszugehen, dass er auch über weitere Aktivitäten berichtet hat. Zum THS fänden sich in den Sachakten bisher nur komprimierte Erkenntnisse. Aus den Akten des TLfV zum THS würden die Angaben von Brandt überprüfbar und man könne wichtige Erkenntnisse zu den Entstehungsbedingungen des NSU gewinnen.
RA Schön verliest zwei Beweisanträge. Er beantragt: 1.) Die Bilder auf der im Brandschutt in Zwickau gefundenen CD mit der Beschriftung „Stuttgart, PDS Hoff“ in Augenschein zu nehmen und den auswertenden Beamten KHK Ze. zu hören. Auf der CD fänden sich Bilder, die am 25.06.2003 zwischen 13.37 und 14.10 Uhr in der Stuttgarter Nordbahnhofstraße aufgenommen wurden. Zu sehen seien u.a. Aufnahmen der Gaststätte „Grillbistro Eskiya“, einer „Bar Italia“, eines türkischen Lebensmittelgeschäfts sowie der in unmittelbarer Nähe zu diesem Geschäft gelegenen Gaststätte „Prager Hof“. Auf drei Bildern sei Uwe Böhnhardt mit Mountainbike zu sehen. Zwei Bilder vom 26.06.2003, 16.18 Uhr, zeigten zwei Büroschilder der SPD, Unterbezirk Hof, ein Bild, erstellt am 26.06.2003 um 18.21 Uhr, Böhnhardt und Zschäpe auf einer Couch vor einem Tisch sitzend. Im Hinblick auf die Zeitabfolge der Fotos müsse davon ausgegangen werden, dass Zschäpe an der Ausspähung des Lebensmittelgeschäfts in Stuttgart sowie der Geschäftsstelle der SPD in Hof beteiligt war. 2.) Die Vernehmung von KOK Ar. und Augenscheinnahme von Dateien, die Ar. auf einer im Brandschutt gefundenen DVD festgestellt habe, „fett1.cpt“ und „wette1.cpt“. Es handele sich um Blätter, die mit dem Begriff „Wette“ überschrieben sind. Auf dem einen sei ein Foto von Zschäpe und Böhnhardt zu sehen. Für Böhnhardt werde als Wetteinsatz formuliert: „Ich weiß, dass mein Gewicht am 1. Mai maximal 85 kg betragen wird. Ansonsten will ich: 10 mal das Bad putzen, 200 Videoclips schneiden, 1 mal die Wohnung putzen.“ Für Zschäpe werde formuliert: „Ich bin mir sicher, dass meine tolle Figur zum 1. Mai mit schlanken 62 kg absolut sommer- und strandtauglich sein wird. Ansonsten werde ich: 10 mal die Stube putzen, 200 mal Videoclips schneiden, 1 mal die Wohnung säubern (außer die Schlafzimmer).“ Auf dem weiteren Blatt sei Zschäpe zu sehen, wie sie in ihrer rechten Hand eine dickere und in ihrer linken eine schlankere Version von sich hält. Daneben stehe: „Killer setzt auf die Lise“, „Cleaner setzt auf die Lise“, „Lise setzt auf ihr Durchsetzungsvermögen gegen Cleaner“. Das belege, so Schön, dass sowohl Böhnhardt als auch Zschäpe in der Lage waren, Videoschnitte durchzuführen. Es gebe auf den sichergestellten Datenträgern aus der Frühlingsstraße keine Hinweise auf andere aufwändig geschnittene Filme, daher spreche alles dafür, dass Zschäpe an der Erstellung des „Paulchen Panther“-Videos bzw. dessen Vorläufern beteiligt war: „Dass sie dies als spielerischen Wetteinsatz mit dem verstorbenen Uwe Böhnhardt einsetzte, bringt ihre abgebrühte Verrohtheit zum Ausdruck.“
Bundesanwalt Diemer sagt, offensichtlich habe Schön die Anklage gelesen und stelle auf dieser Grundlage Beweisanträge. Das halte unwahrscheinlich auf. Schön sagt, das sei nicht zutreffend. RA Hoffmann fragt, ob man aus dem Zwischenbericht zu den Ermittlungen gegen St. vom Mai 2013, den sie erhalten hätten, schließen könne, dass seitdem keine Ermittlungen erfolgt sind. Diemer: „Wir haben hier keine Fragestunde.“ Auf Frage des Vorsitzenden bestätigt Diemer, dass das Ermittlungsverfahren gegen St. noch laufe. Es folgt die Mittagspause bis 13.13 Uhr. Danach teilt Götzl mit, dass der Antrag auf Beiziehung der Ermittlungsakten zu St. abgelehnt ist.
Dann betritt die Zeugin Mandy St. mit ihrem Zeugenbeistand RA Weißflog den Saal. Nach der Belehrung sagt St., sie wolle aussagen. Götzl fordert sie auf zu berichten, es gehe um Kontakte zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Jahr 1998 oder früher. Sie wolle vorher sagen, so St., dass es sehr lange her sei und sie das nur aus Erinnerungsbildern wiedergeben könne. Götzl sagt, sie solle berichten, was sie in Erinnerung hat. St. berichtet jedoch nicht in größeren Zusammenhängen, sondern meist erst auf Frage von Götzl. Sie sagt, im Frühjahr 1998 habe jemand bei ihr geklingelt und gefragt, ob sie drei Leute unterbringen könne, die bräuchten einen Schlafplatz, hätten Scheiße gebaut. Bei sich in der Wohnung habe sie die nicht haben wollen und da sei ihr spontan der Einfall gekommen, dass Max-Florian Bu. sowieso bei ihr schlafe und die könnten bei Bu. schlafen. Sie habe nicht gewusst, worum es geht, und habe sich ihrer Erinnerung nach auch bei Bu. rückversichert, ob das in Ordnung ist. Die Drei habe sie erst in Bu.s Wohnung kennengelernt. Sie habe auch sehr wenig Kontakt zu den Dreien gehabt, sehr viel könne sie nicht zu denen sagen. Götzl fragt, wer bei ihr geklingelt habe und St. nennt den Namen Armin Fi., sie sei nicht sicher, ob auch dessen Bruder dabei war. Es sei nur die Rede von drei Leuten gewesen, die Schlafplätze bräuchten, mehr müssten sie nicht wissen. Götzl sagt, das seien ja spärliche Infos, und fragt, wie St. zu dem Nachfragenden gestanden habe. Sei sei ja selber in der rechten Szene gewesen, so St., und der Armin sei ein Kamerad von ihr gewesen. Sie habe selber zweimal auf Straße gestanden und Dach über den Kopf bekommen, ohne Nachfrage. Auf Frage, ob Fi. gesagt habe, ob die betreffenden Personen aus der rechten Szene wären, sagt St., er habe von „Kameraden“ gesprochen.
Götzl fragt, inwieweit St. in der Szene gewesen sei und seit wann. Es sei ja damals eine reine Skinhead-Szene gewesen, so St.: „Partys, Konzerte, geschorene Köpfe Bomberjacken, Springerstiefel, bis sich das später auf Politik kristallisiert hat, dass man auch auf Demos gegangen ist.“ Mit Politik habe die Szene zuerst nichts zu tun gehabt, es sei um Spaß gegangen. Sie sie 1994/95 in die Szene gekommen, als sie in Selb ihre Lehre gemacht habe. In einer Kneipe habe sie den Skinhead Kai Se. kennengelernt und sei mit ihm zusammen gekommen. Sie habe sich dann angepasst, sich den Kopf rasiert und Springerstiefel getragen. Weitere Namen von Bekannten und Freunden fielen ihr so spontan nicht ein. Einer habe mit Spitznamen „Manu“ geheißen und der André E. habe bei ihr geschlafen. Zur Politik sei die Szene, glaube sie, 1999 gekommen. 2000 sei sie das erste Mal mit dem Chemnitzern auf einer Maidemo gewesen. Mit den Chemnitzern seien Starke, La. und Fi. gemeint, weitere Namen fielen ihr gerade nicht ein, sie sei „total nervös“. Das habe sich szenemäßig so entwickelt, sie könne keinen Zeitpunkt festlegen: „Was alle anderen gemacht haben, macht man mit.“ Sie könne sich erinnern, dass Leute nur von Konzerten mitgekriegt hätten, wenn sie auch auf der Demo waren. Das sei ein Privileg gewesen. An Demos seien ihr die 1. Mai-Demo in Leipzig, einige Gedenkmärsche und einmal, sie meine 2003, Dresden in Erinnerung.
Götzl sagt, laut ihrer Aussage habe es 1998 geklingelt und Fi. habe vor der Tür gestanden, seit 1994/95 sei sie in der Szene und seit 1999/2000 habe die Politik im Vordergrund gestanden. Dann fragt er, ob sich das treffe, 1998 habe sie sich ja demnach noch in der Skinhead-Szene bewegt. St. sagt, dass sie das so einordnen würde. Zu dem Ereignis 1998 sagt St., sie sei bildlich der Meinung, dass Bu. bei ihr war, wisse aber, dass Bu. ausgesagt habe, dass er auf einem Konzert war. Bu. prangere sie ja an, dass sie die ohne sein Wissen in seine Wohnung gelassen habe. Das könne sie sich aber nicht vorstellen. Wenn Bu. nicht da gewesen sein sollte, dann habe sie sich bei ihm rückversichert. Sie könne sich nicht erinnern, dass Bu. sauer gewesen wäre. Sie habe die Drei nicht in Bu.s Wohnung geschafft, denn sie habe die erst bei Bu. das erste Mal gesehen. Sie erinnere sich, dass die Wohnung von Bu. in der Limbacher Straße gelegen hat, dort habe sie gearbeitet. Ihre Wohnung sei damals in der Bernhardstraße 11 gewesen. Die Drei habe sie nach ein oder zwei Tagen das erste Mal gesehen. Die Situation sei komisch gewesen, man habe sich ja nicht gekannt. Die hätten einen freundlichen, netten Eindruck gemacht und sich bei Max bedankt. Bei dem einen habe sie gedacht, dass sie den schon mal in Jena gesehen habe. Einer der Männer habe nett ausgesehen, der andere böse, den netteren habe sie wohl schon mal gesehen. Das sei einfach ihr erster Eindruck gewesen. Der eine habe nichts Böses gesagt, das sei einfach ein Gefühl. Der habe nicht geredet, sondern geguckt, beobachtet. Den anderen habe sie sympathisch gefunden, der habe zwar auch nicht viel geredet, habe aber schon mal gelächelt und einen nicht mit Blicken durchlöchert: „Wer bist du? So dieses Gefühl.“ Die dritte Person sei ein Mädchen gewesen, sehr sympathisch, locker, freundlich und aufgeschlossen. Namen habe sie nicht mehr sagen können. Sie habe die bei der Durchsuchung gelesen und habe nichts damit anfangen können. Götzl: „War dieses Mädchen Frau Zschäpe?“ St.: „Also, ich habe sie nicht wiedererkannt.“ Sie habe das Mädchen als klein in Erinnerung, mit schulterlangem Haar und Lockenkopf. Sie habe eine „ein bisschen pieselige“ Stimme gehabt und sie, St., habe die als niedlich empfunden. Sie glaube, so St., dass sie in etwas so groß wie sei selbst war, sie sei 163 cm groß. Die Haarfarbe sei dunkel gewesen und sie habe eher sportliche Kleidung getragen. Zu Größe und Statur der Männer sagt sie, dass die auf jeden Fall größer als sie selbst und schlank waren. Sie wissen nicht mehr, ob die Haare auf dem Kopf hatten. Der eine, den sie als nett bezeichnet habe, habe für eine männliche Person eine „piepslige“ Stimme gehabt, der andere habe ja nicht viel mit ihr geredet. Zur Kleidung sagt sie, da sei nichts Spezielles gewesen, was sie sich hätte merken müssen.
Götzl fragt, wie die Situation gewesen sei, als sie dann ein oder zwei Tage später in die Wohnung gegangen seien. St. antwortet, dass Max Sachen habe holen müssen. Eigentlich habe sie nicht mit gesollt, weil sie die nicht habe kennenlernen sollen, sie habe aber gesagt, dass sie eh wisse, dass die Drei in der Wohnung sind, also könne sie auch mit. An Wortwechsel habe sie keine Erinnerung, man habe sich fragend angeguckt. Sie sei nicht lange da gewesen. Auf die Frage, wie lang die Drei in Bu.s Wohnung waren, sagt St., Max sei ja dann bei ihr ausgezogen. Es sei schwierig zu sagen, aber sie gehe davon aus, dass Max sechs bis acht Wochen durchgängig bei ihr in der Wohnung gewesen sei. Die Drei seien bei seinem Auszug noch in seiner Wohnung gewesen, sie wisse aber nicht, wie lange noch. Bu. sei mal in seiner Wohnung gewesen, um Sachen zu holen oder als es um die Hausordnung ging. Götzl fragt, wie oft St. in den sechs bis acht Wochen da gewesen sei. Sie hätten das für sich mal hochgerechnet, so St., und wenn sie sagen würde, 24 Stunden, dann sei das hoch gegriffen. Sie sei das im Kopf durchgegangen, warum sie da war. Sie habe in der Nähe gearbeitet und kein Auto gehabt. Es könne sein, dass sie da mal geklingelt und eine Zigarette geraucht habe. Lange habe sie sich da nicht aufhalten können, weil sie einen Hund habe. Sie habe fünf Mal angegeben, aber das habe sie einfach geschätzt. Götzl sagt, sie solle die einzelnen Gelegenheiten durchgehen. Einmal sei es der Frau Zschäpe schlecht gegangen, das wisse sie, die habe Bauchkrämpfe gehabt, so St. Da habe sie der ihre AOK-Karte gegeben, damit sie zum Frauenarzt gehen kann. Dann sei sie anwesend gewesen, als es um die Abholung eines Ausweises ging. Dann habe sie, St., nochmal bei ihr geklingelt, um mit Max zu reden, da hätten sie schon Stress gehabt. Sie habe noch einmal mit Zschäpe geredet, damit die mit Max redet und das bereinigt. Der Max habe ja dann dort gewohnt.
Götzl sagt, wenn St. jetzt von Zschäpe rede, dann mache sie ja doch eine Zuordnung. St. sagt, es wäre richtig gewesen, von „der Frau von damals“ zu sprechen. Götzl erwidert, er wisse nicht, was richtig ist, und fragt, warum St. von Zschäpe gesprochen hat. St. sagt, das habe ihr jeder so eingeredet. Götzl erwidert, er habe ihr nichts eingeredet. St. sagt, sie meine auch nicht ihn, bei der Polizei und in der Presse sei davon ausgegangen worden: „Es ist die Frau, es ist die Frau, es ist die Frau.“ Götzl fasst zusammen, dass es fünf Situationen des Zusammentreffens gegeben habe laut ihrer jetzigen Aussage: Das Kennenlernen, die Situationen mit den Bauchkrämpfe und dem Ausweis, dann habe sie mit Max reden wollen und dann als sie mit Zschäpe habe reden wollen. Er fragt, ob ihr sonst noch etwas einfalle. Sie habe in Erinnerung, dass die Würfel gebastelt haben für so ein Spiel, so St., sonst falle ihr nichts ein. Zur Reihenfolge sagt sie, das sei schwierig, ihrer Erinnerung nach sei das so gewesen: erst die AOK-Karte, dann das mit dem Ausweis, das mit den Würfeln „so zwischendrin“, dann das wegen dem Max und dann das, wo sie mit dieser Frau habe reden wollen. Es sei sicherlich so, dass die Drei sich mit Namen vorgestellt haben, aber sie wisse nicht, ob die gesagt haben, ich bin der Uwe, ich bin der Uwe, ich bin die Beate. Zum ersten Treffen habe sie keine Bilder im Kopf, nur dass sie zur Tür reingekommen seien und man sich angeschaut habe. Sie wisse nicht, was da konkret gesprochen wurde. Sie erinnere sich, dass ihr der eine bekannt vor kam. Sie wisse auch gar nicht mehr, ob sie gleich weg oder nochmal ins Wohnzimmer gegangen seien. Sie habe den, der ihr bekannt vorgekommen sei, nicht darauf angesprochen. Sie habe damals mit der Person ja nicht gesprochen, es sei ein einziger Moment gewesen.
Sie sei mit den Chemnitzern mal in Jena gewesen wegen irgendeiner Party, da sei der aufgefallen, weil er ein braunes Hemd, eine schwarze Hose und Krawatte getragen habe. Sie seien damals in Jena in einer Diskothek gewesen, sie wisse gar nicht mehr, ob die Party überhaupt stattgefunden hat. Sie seien herum gefahren, irgendwann seien sie in der Disko gelandet. Götzl fragt, ob sie bei der ersten Situation möglicherweise in der Wohnung geblieben seien oder übernachtet hätten. Das verneint St., wie lange der Aufenthalt gedauert habe, könne sie nicht sagen. Götzl fragt, ob sie oder Bu. nicht versucht hätten etwas zu erfahren, oder sie von Bu. Sie persönlich habe gar nicht nachgefragt, so St. Vorher sei gesagt worden, mehr müssten sie nicht wissen. Es seien aber in Chemnitz schon Gerüchte unterwegs gewesen. Es sei schon durchgesickert, dass drei aus Jena sich in Chemnitz aufhalten, das sie ihr auch selber erzählt worden, sie habe aber natürlich nichts erzählt. Es seien Gerüchte herum gegangen, dass die eine Hakenkreuzfahne vom Balkon ausgerollt hätten, eine Puppe mit Judenstern über eine Brücke gehängt hätten, dass sie eine Garage in die Luft gesprengt hätten wegen Beweismitteln. Sie habe nicht gefragt, was war. Auf Frage, wer solche Geschichten erzählt habe, sagt St., das seien etliche Leute gewesen, der „Buschfunk“ habe funktioniert. Sie wisse nicht mehr, wer sie angesprochen hat. Diese Informationen seien gekommen, als die Drei schon eine ganze Weile da gewesen seien. Es sei, sagt St. nach Frage Götzls, auf jeden Fall vor der Ausweisabholung gewesen. Götzl möchte wissen, welche Informationen denn Bu. über die Drei hatte, von denen selbst oder von dritter Seite. Zu der Zeit, in der sie noch zusammen waren, habe der die gleichen Information wie sie selbst gehabt, nehme sie an, so St. Götzl fragt, ob sie sich mal drüber unterhalten hätten. Sie hätten sich nur zur Einschätzung der Leute unterhalten, dass die nett und nicht auf Krawall aus seien und irgendwann schon wieder gehen. Götzl fragt, wie St. zu dieser Einschätzung gekommen sei. St. sagt, sie sei ja fremd für die gewesen, die seien aber trotzdem herzlich gewesen. Sie könne über die ganze Art nichts Schlechtes sagen. Man sei da offen aufgenommen worden. Nur der eine habe immer ganz kritisch geguckt. Sie bejaht die Frage, ob Bu. auch anfangs unabhängig von ihr in seiner Wohnung gewesen sei. Sie habe dann von ihm erfahren, dass die sich draußen frei bewegen, das sie selber einkaufen gehen, dass sie weiter an ihren Würfeln feilen. Zur Frage, was es damit auf sich habe, sagt St., sie habe gewusst, dass die an einem Spiel basteln. Sie habe nur die Würfel im Rohzustand gesehen, da seien die noch am Sägen und Feilen gewesen. Sie hätten gesagt, dass sie ein Spiel basteln, das habe sie, St., aber nicht interessiert, sie sei kein Fan von Spielen. Bu. habe ihr gesagt, dass die Termine ausgemacht hätten zum Telefonieren in Telefonzellen. Sie habe nur mitgekriegt, dass sie Uhrzeiten mit anderen ausgemacht hätten zum Telefonieren, ob Freunde, Bekannte, Familie wisse sie nicht. Götzl: „Was wissen Sie darüber?“ Das sei auch wieder schwierig, weil sie viel im Internet gelesen habe über die Thematik, so St. Einmal habe sie, meine sie, das auch selbst mitbekommen. Sie sei vor Ort gewesen, da habe es geheißen: „Ich muss jetzt los.“ Da sei es um ein Telefonat gegangen. Das sei einer der zwei Männer gewesen, welcher wisse sie nicht mehr. Auf die Frage, ob sie erfahren habe, worum es gehen sollte, sagt St., eines wisse sie, dass wohl Pässe besorgt werden sollten, um ins Ausland zu können. Die hätten wohl einen an der Hand gehabt, der Pässe besorgen kann, das Angebot sei aber so billig gewesen, dass es wohl eine Falle sei, so sei ihre Erinnerung. Es folgt eine Pause bis 14.42 Uhr.
Dann fragt Götzl, was aus den Pässen, die St. angesprochen habe, geworden ist. St.: „Mit den anderen? Weiß ich nicht.“ Auf die Frage, ob Pässe nochmal Thema gewesen seien, sagt St., es seien ja dann bei der Stadt Chemnitz Pässe beantragt worden. Da komme man auch noch zu, sagt Götzl, St. solle beim Thema Telefonieren bleiben. Er will wissen, was St. mitbekommen habe, wie das funktioniert habe. Sie habe davon nichts mitgekriegt, sagt St., und jemand, sie wisse nicht wer, habe es ihr dann erklärt mit den Telefonzellen, weil ja Handys abgehört würden, und den ausgemachten Uhrzeiten. Sie, St., habe das nur einmal mitgekriegt. Götzl fragt zu den beantragten Pässen, wie das abgelaufen sei. Von der Beantragung habe sie nichts mitbekommen, so St. Sie sei gefragt worden, ob sie den abholen könne und das habe sie dann auch gemacht. Sie wisse nicht mehr, wer sie gefragt hat, aber es könnten nur Max oder einer von den Dreien gewesen sein, sonst habe ja keiner darüber Bescheid gewusst. Sie wisse, dass sie im Steinmetzauto von Bu. mitgefahren sei zum Einwohnermeldeamt und dort nach dem Ausweis gefragt habe. Im Vorfeld habe man sich überlegt, was ist, wenn es schief geht. Die Ausrede sei dann gewesen, dass jemand St. auf dem Vorplatz angequatscht und ihr Geld geboten habe. Sie sei dann rein ins Amt, habe unterschrieben, dass sie das entgegen genommen hat, sei wieder raus und habe einen Ausweis in der Hand gehabt. Auf dem Ausweis seien ein Foto von einem der Männer gewesen und falsche Daten von jemand anderen, von Gunnar Fi., wenn sie sich richtig erinnere. Zur Situation auf dem Amt könne sie so gar nichts mehr sagen, sie sei froh gewesen, wieder raus zu sein. Wahrscheinlich habe sie eine Vollmacht gehabt. Sie habe im Kopf, dass sie den Ausweis in die Jacke gesteckt habe, mit dem Max wieder in die Wohnung gefahren sei und den Ausweis dann bei den Dreien abgegeben habe. Sie selbst werde sich den Ausweise sicher mal angeschaut haben, aber das wisse sie nicht mehr. Sie wisse auch nicht mehr, wem sie den Ausweis übergeben hat. Bekommen habe sie dafür nichts. Götzl fragt, was bei der Ausweisübergabe gesprochen wurde. St.: „Dass es geklappt hat, ich hätte ja damit gar nicht gerechnet, dass es funktioniert.“ Die Ausrede für den Fall, dass die Polizei kommt, sei im Vorfeld überlegt worden, die Idee sei „von einem dieser zwei Männer“ gekommen, so St. Götzl fragt, wie sich St. ansonsten hätte verhalten sollen. St. sagt, sie könne sich nur an die Ausrede erinnern.
Götzl fragt, ob etwas ausgemacht gewesen sei für den Fall, dass es nicht klappt, ob sie die Männer hätten verständigen sollen. Das habe sie auch schon überlegt, vielleicht hätten sie da eine Zeit ausgemacht, wenn sie bis dann nicht zurück sind, ist es schief gegangen. Es sei wirklich schwer, die Geschichte zusammen zu bekommen, so St. Zur Art des Ausweises sagt St., dass es ein Personalausweis gewesen sei. Götzl fragt, wofür der Ausweis sein sollte. Sie glaube, so St., es sei darum gegangen, dass man einen Ausweis braucht, um einen Reisepass zu bekommen. Alle drei hätten einen Reisepass gewollt. Reisepässe brauche man fürs Ausland und die Drei hätten ins Ausland gewollt, wie sie sich erinnere, nach Amerika. Auf die Frage, woher sie diese Informationen habe, sagt St., darüber sei gesprochen worden, als sie da gewesen seien. Götzl sagt, St. spreche in der Passivform. Einfacher wäre, wenn St. sagen würde, wer was gesagt hat, sonst weise das darauf hin, dass sie nicht damit heraus kommen wolle, so Götzl. St.: „Wenn ich es aber nicht weiß.“ Götzl sagt, St. wisse ja doch immer sehr viel, sie solle ihm und sich das ersparen. St.: „Was wollen Sie jetzt wissen?“ Götzl lacht und sagt, dann es gehe um die Reisepässe und den Ausweis. Sie habe mitbekommen, so St., dass die komplett gefälschten Reisepässe nicht angenommen worden seien, weil das eine Falle sei. Von der Beantragung des Personalausweises habe sie gar nichts mitbekommen. Das sei wohl ein Test gewesen, ob es funktioniert. Sie habe den dann abgeholt. Sie habe gewusst, dass er indirekt eine Fälschung ist. Dann sei sie nicht mehr mit Bu. zusammen gewesen, sie könne nicht sagen, was dann war.
Götzl fragt, ob über die Pläne ins Ausland zu gehen, auch mit ihr gesprochen worden sei, was St. bejaht. Sie habe ja das mit den gefälschten Pässen mitbekommen. Dass es um Amerika gegangen sei, habe sie so in Erinnerung, es müsse aber nicht unbedingt stimmen. Götzl fragt, ob da von einem bestimmten Ort oder bestimmten Leuten die Rede war. Davon wisse sie nichts, so St. Auf Frage sagt sie, sie habe meistens mit der Frau, die anwesend war, gesprochen. Sie sei mit der Frau nie alleine gewesen, die Männer seien immer mit im Raum gewesen. Zur Aufteilung der Wohnung sagt St., rechts seien Küche und Wohnzimmer in einem gewesen und auf der anderen Seite ein kleines Schlafzimmer, in der Mitte, glaube sie, das Bad. Wie die Wohnung unter den Dreien aufgeteilt war, wisse sie nicht. Götzl fragt, ob St. die Männer später mal wiedererkannt habe. St. sagt, ihr seien zur Vernehmung Fotos vorgelegt worden und sie habe die überhaupt nicht wiedererkannt. Das sei ja auch in der Presse gekommen, so St., und sie habe nichts mit den Personen anzufangen gewusst. Sie habe das gar nicht in Verbindung mit 1998 gebracht. Erst nach der Hausdurchsuchung habe sie mitbekommen, worum es ging. Erst als sie den Beschluss durchgelesen habe, die Aussage von Max, habe sie gewusst: „Ach, du Schande, das waren ja die und die.“ Zum Stichwort „Bauchkrämpfe“ sagt St., sie könne nicht mehr sagen, ob Max das gesagt hat oder es Zufall war. Die Frau habe jedenfalls „total verkrampft“ auf dem Sofa gelegen und geweint. Sie könne nicht mehr sagen, ob sie dann ihre Krankenkassenkarte angeboten hat oder danach gefragt wurde. Es sei ausgemacht gewesen, dass die Karte, wenn sie nicht mehr gebraucht wird, bei ihr in den Kasten geworfen wird. Das sei dann auch passiert, nicht gleich am nächsten Tag, aber es habe nicht lange gedauert. Auf die Frage, ob das noch mal Thema war, ob sie sich bedankt hätten, sagt St., sie glaube, dass das gerade so die Grenze war, wo sie sich nicht mehr gesehen hätten. Eben habe sie aber von der Abfolge her gesagt, dass das nach dem Kennenlernen die nächste Situation gewesen wäre, sagt Götzl. Sie habe keine feste Erinnerung, so St., sie wisse nicht mal, ob die Frau überhaupt beim Arzt war. Auf die Frage, ob darüber gesprochen wurde, dass das ein gewisses Risiko sein könnte, sagt St., ihr sei bewusst gewesen, dass das Versicherungsbetrug ist, aber sie habe sich überhaupt keinen Kopf gemacht darüber. Wenn sie es nicht ausgesagt hätte, so St., wäre es wahrscheinlich nie herausgekommen.
Zur Situation mit dem Spiel sagt St., das sei in der Wohnküche gewesen, da habe das auf diesem Küchentisch gelegen: „Und ich kann nicht sagen, ob ich nachgefragt habe, oder sie von sich aus gesagt haben, das wird ein Spiel, wir brauchen ja was zu tun.“ Anwesend seien außer ihr die Drei und Bu. gewesen. Sie sei nie alleine in der Wohnung gewesen. Sie habe die Würfel auf dem Tisch gesehen und die Stäbchen und die Säge. Das sei halt hängen geblieben. Die Erinnerung sei ihr auch nur wieder gekommen, weil ihr die Kripo solche Würfelchen vorgelegt habe. Götzl fragt, ob sie mal mit Bu. darüber gesprochen habe. Der habe ja in der Zeit eigentlich dasselbe gesehen wie sie, ihr falle kein Gespräch ein, so St. Damit habe er so seine Schwierigkeiten, sagt Götzl. Sie versuche die Situation aus einzelnen Bildern zusammen zu puzzlen, so St. Aber sie könne nicht sagen, das kann sein, wenn sie es nicht wisse. Es spiele für sie auch keine Rolle, sie belaste sich schon genug, aber sie wisse es nicht: „Und wenn ich sage, ich weiß es nicht, dann meine ich es auch so.“ Götzl sagt, er versuche es noch mal, und fragt, ob die Drei mit St. darüber gesprochen hätten, wofür sie dieses Spiel basteln. Die Zeugin weint. Götzl unterbricht bis 15.34 Uhr.
Dann fragt er, ob im Beisein von St. mal am Spiel gearbeitet worden sei. St. verneint das, sie habe erst bei der Vernehmung gesehen, was da für Sprüche drauf waren. Götzl fragt, ob über das Spiel gesprochen wurde. St. sagt, es sei darum gegangen, dass sie ein Spiel basteln, was sie in der Szene weiterverkaufen wollen. An Einzelheiten sei ihr nichts bekannt, so St. Wovon die Drei gelebt haben, habe sie sich dann auch gefragt, aber erst in der Vernehmung. Sie habe sich damals darüber keinen Kopf gemacht. Sie habe mitgekriegt, dass die Drei Kontakte zu anderen Personen hatten, irgendjemand werde schon Geld gebracht haben. Sie selber sei nie nach Geld gefragt worden. Lebensmittel habe besorgt, wer draußen war. Sie selbst habe nie Sachen besorgt, sie wisse nichts darüber, ob Bu. Einkäufe gemacht hat. Götzl sagt, sie habe angegeben, mal dort gewesen zu sein als sie schon Stress mit Bu. hatte. Sie sei an der Tür gewesen, um mit Max zu reden, so St., der habe sich aber verleugnen lassen. Am nächsten Tag habe sie nach der Arbeit dort geklingelt, aber Max sei nicht da gewesen und sie habe mit der Frau geredet, ob sie mal mit ihm sprechen kann. Als Max sich verleugnet habe, sei auch die Frau an der Tür gewesen und habe gesagt, Max wolle nicht mit ihr reden. Beim Gespräch danach habe die Frau gesagt, dass sie sich da nicht rein hänge. Ob da die Männer zugegen waren, wisse sie nicht, sie sei da nur an der Tür gewesen. Das könne sogar der letzte Kontakt zu den Dreien gewesen sein. Götzl fragt dann, ob das das letzte Mal war, was St. bejaht. Götzl fragt, ob sie einzelne von denen dann noch mal gesehen habe. St.: „Nach meiner Erinnerung überhaupt nicht.“
Götzl fragt, ob St. den Dreien Informationen von sich gegeben habe, etwa Telefonnummern. Das sei bei der Vernehmung kurios gewesen, so St. Die Telefonnummer habe sie seit 1999, die könne sie denen 1998 nicht gegeben habe. Der Zettel, der ihr vorgelegt worden sei, das habe wie ihre Schrift ausgesehen, sie wisse aber nicht, wie die Personen zu ihrer Telefonnummer kamen. Götzl fragt: „Die haben sie nicht weitergegeben?“ St.: „Die hatte ich noch gar nicht.“ Götzl fragt, ob sie den Dreien zu der Zeit irgendwelche Informationen über ihre persönlichen Verhältnisse gegeben habe. St. sagt, sie hätten ja mit dem Armin vor der Türe gestanden, als der geklingelt habe, außerdem hätten sie die AOK-Karte gehabt. Aber die Telefonnummer mache keinen Sinn, denn Handys würden ja abgehört. Das sei in der Szene bekannt gewesen und man überhaupt gar nichts übers Handy erzählt. Als sie den Ausweis abgeholt habe, sei Bu. dabei gewesen, so St. auf Frage, aber dass der noch einen Ausweis zur Verfügung gestellt hat, habe sie gar nicht gewusst. Bu. habe sich weiter verleugnen lassen, weil er der Meinung gewesen sei, dass sie ihm mit einem Freund von ihm fremdgegangen sei. Sie wisse, dass sie den Max angerufen und „übelst zur Sau“ gemacht habe. Am Tag drauf habe der dann bei ihr in der Wohnung gestanden, sie mit einer Waffe bedroht und gesagt: „Du weißt schon, was mit Verrätern passiert.“ Sie habe ihn dann der Wohnung verwiesen und seitdem nichts mehr von ihm gehört. Götzl fragt, was mit „Verräter“ gemeint sei. Da habe sich Bu. darauf bezogen, dass sie wusste, dass die Drei bei ihm in der Wohnung sind, so St.
Irgendwann 2000 sei die Kripo Thüringen bei ihr auf Arbeit erschienen, sie wisse aber gar nicht, ob das die Kripo Thüringen war. Die seien in den Laden gekommen, niemand habe mehr telefonieren dürfen. Sie sei dann mit denen in den Aufenthaltsraum und sei da auf eine Demo angesprochen worden, wo sie ein Plakat getragen hätte oder eine Fahne. Ihr sei gesagt worden, dass „Kripo Live“ eine Sendung über Gesuchte ausgestrahlt habe und Leute angerufen hätten, dass die Gesuchten bei ihr wohnen würden. Sie habe nicht gewusst, um wen es in der Sendung ging. Dann seien ihr Fotos, die vor ihrer Haustür aufgenommen worden seien, vorgelegt worden. Das Haus sei riesengroß und habe zwei Treppenaufgänge. Eine Person habe sie erkannt, den Daniel He., der mit der rechten Szene nichts zu tun gehabt habe. Sie habe mit denen zu He. fahren und He. nach Hause locken müssen unter einem Vorwand. Als He. gekommen sei, hätten die richtig brutal reingehauen, ihm die Klamotten runtergerissen und nach den Tätowierungen geguckt. Das sei aber nicht das gewesen, was die Kripo habe sehen wollen, und dann seien die wieder gegangen. Götzl fragt, ob da auch die Drei aus Bu.s Wohnung abgebildet gewesen seien, was St. verneint. Sie könne sich auch jetzt nicht erinnern, dass sie jemand speziell nach den Drei gefragt habe. Sie habe danach Max angerufen, da habe der schon in Dresden gewohnt. Max sei dann extra nach Chemnitz gekommen auf einen Kaffee. Sie habe gefragt, ob es um die Leute gegangen sein kann. Max habe das verneint, die seien schon lang im Ausland. Und dann habe sie nicht mehr nachgedacht. Sie habe danach von niemanden erfahren, wie es weitergegangen ist, wenn hätte sie nur Bu. oder Fi. fragen können, aber zu denen habe sie keinen Kontakt mehr gehabt.
Götzl fragt zu André E. Der sei mit ihr in die Schule gegangen, sie „quasi mit ihm aufgewachsen“, so St. Zeitweise habe E. am Wochenende in Chemnitz bei ihr geschlafen. E. habe eine Freundin gehabt, die noch bei den Eltern gewohnt habe, da habe E. nicht übernachten dürfen. Als E. dann irgendwann bei der Freundin habe übernachten dürfen, hätten sie sich aus den Augen verloren. Nach ihrer Trennung von Bu. habe sie E. noch ein paar Mal gesehen. Wenn man sich noch mal gesehen habe, dann vielleicht auf einem Konzert. E.s Familie komme aus Johanngeorgenstadt, E. habe mehrere Geschwister, einen Zwillingsbruder. E. sei einige Stufen unter ihr gewesen, deswegen sei er „eher uninteressant“ gewesen. Während der Lehre sei sie einige Zeit nicht da gewesen. Kontakte habe sie zu E. erst wieder gehabt, als sie wieder in „Johannstadt“ war. E. sei „halt auch Glatzkopf, Springerstiefel, Bomberjacke“ gewesen. Aber sie könne sich nicht erinnern, dass er irgendwie mal Stress gesucht hätte. Zu ihr sei er korrekt gewesen. 1995/96 sei sie mal bei den Eltern rausgeflogen, da hätten E. und sein Bruder ihr geholfen. Was E. charakterisiere sei, dass er jedes Fettnäpfchen mitgenommen habe, was man habe mitnehmen können. Sie hätten sich gut verstanden: „Aber wenn du mies drauf warst, hat er das gesagt, was du genau nicht hören wolltest.“ Dann habe sich E. aber auch „ganz süß“ entschuldigt. Götzl fragt, ob E. da auch in der Wohnung von Bu. gewesen sei. Das verneint St., sie habe das auch vor E. geheim gehalten. An Gegenständen hätten die Drei, so St. auf Frage, noch so ein Funkgerät zum Abhören der Polizei gehabt. Woher sie das hatten, wisse sie nicht, sie habe das aber lustig gefunden, einen „guten Gegenzug“, dass sie die Polizei abhören. An weiteren Gegenständen falle ihr nichts Besonderes ein, Waffen habe sie definitiv keine gesehen, wenn sie vor Ort war. Sie habe den Dreien keine Unterlagen von sich gegeben, das Einzige, was die in der Hand gehabt hätten, sei die Krankenkarte gewesen. Götzl fragt, ob sie Wohlleben, G. oder S. kenne, was St. verneint. Die Vernehmung wird unterbrochen.
Wohllebens Verteidigerin RAin Schneiders erklärt zu den Aussagen von Lo. und Tu. (86. Verhandlungstag), Li. habe sich nicht an ein Treffen mit Wohlleben, wo dieser nach einer Waffe gefragt habe und an Sch. verwiesen worden sei, erinnert, er habe es lediglich nicht ausschließen können. Es sei wieder mal kein Wortprotokoll geführt worden. Beim zweiten Protokoll seien keine Fragen protokolliert, dass es keine gegeben habe sei nicht überzeugend. Die Behauptung, die zweite Vernehmung habe keine Zielrichtung gehabt, sei in Anbetracht der ersten Vernehmung absurd. Interessant sei, dass der Zeuge mit „verbotenen Sachen“ CDs und Aufkleber gemeint habe. Es sei nie konkret nachgefragt worden, was der Zeuge eigentlich mit dem Begriff Waffe meint, hier in der Verhandlung habe Li. gesagt, dass er Schreckschusswaffen meint.
Der Verhandlungstag endet um 16.09 Uhr.
Auf dem Weblog NSU-Nebenklage heißt es zur Aussage von Mandy S.:
„Nachmittags begann die Zeugin Mandy St. ihre Aussage. Gegen sie wird immer noch wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU ermittelt, sie könnte also schweigen. Dennoch sagte Struck aus, sie will offensichtlich ihre Geschichte erzählen. […] Bereits heute wurde deutlich, dass auch Mandy St. ihre eigene Rolle systematisch herunterspielt, allenthalben Gedächtnislücken vorschiebt und dabei offensichtlich unglaubwürdige Geschichten erzählt. […] St. bemüht sich offensichtlich, ihre eigene Rolle so unbedeutend wie möglich darzustellen. Dabei ist aus den Akten ersichtlich, dass sie eine durchaus wichtige Rolle in der Chemnitzer Szene spielte. Auch der Vorsitzende Richter Götzl machte deutlich, dass er ihr nicht alles glaubte.“