Jana J. saß, nachdem sie bereits am 93. Prozesstag vernommen worden war, erneut im Zeugenstand. Die ehemalige Freundin von André Kapke, die auch mit Carsten S. und Anderen der Neonazi-Szene befreundet oder bekannt war, wurde weiter zur Zeit in Jena um 1998 befragt.
Zeugin:
- Jana J. (Umfeld von Jenaer Neonazis in den 90er Jahren)
Götzl stellt beginnend um 9:47h die Anwesenheit fest, u.a. des Sachverständigen Saß. Als Nebenkläger ist Herr Turgut anwesend.
Die Einvernahme der Zeugin Jana J. wird fortgesetzt, nachdem die Zeugin schon am 13. März ausgesagt hatte. Auf Frage des Vorsitzenden Richters Götzl beschreibt die Zeugin, wie sie in der Zeit 1996/1997 ausgesehen habe: sie habe noch längere Haare gehabt, dann abgeschnitten und in allen möglichen Farben wie schwarz, blond oder pink gefärbt. Sie habe verschiedene Frisuren gehabt, auch wie ein Renee-Haarschnitt, nur nicht ganz so kurz. Auf Nachfrage Götzls nach den Personen, die den THS bildeten, betont Jana Jo., dass es schwer sei, das zu sagen. Die Gruppenbezeichnung habe im Alltag keine Rolle gespielt. Aber sie habe gelesen, dass der THS von Tino Brandt und André Kapke gebildet wurde. Sie schätze das im Nachhinein als Gruppe ein, die die gleichen Ziele verfolgt habe, habe den THS aber nie als militantes Netzwerk wahrgenommen. Ihres Erachtens gab es keine Mitgliedsstruktur, man habe den Namen für Demonstrationen und Flugblätter gebraucht. Man wisse vielleicht gar nicht, wo man da hinterher laufe, aber zähle automatisch dazu. Als Beispiel fällt ihr der Aufkleber „Bratwurst statt Döner“ ein, man brauche dafür ja so ein ViSdP (Verantwortlich im Sinne des Presserechts, Anmerkung nsu-watch), das war in dem Fall André Kapke. Und Demonstrationen müssen angemeldet sein, da seien dann Transparente vorne weg gelaufen, auf denen „Thüringer Heimatschutz“ stand.
Wie denn ihr Kontakt zu Tino Brandt gewesen sei, fragt Götzl. Den habe sie öfter gesehen, sagt Jana J. Eine Veranstaltung sei ihr noch eingefallen, meist habe sie Brandt gesehen, wenn der André mit dem unterwegs war. Der sei öfter mit ihm in irgendeine Stadt im Westen gefahren, weil der André ja ein Auto hatte. In welche Stadt wisse sie nicht mehr, sie sei aber ein oder zweimal mit gewesen. Dann habe es noch diese Veranstaltung gegeben, wo auch Nordbruch war, das sei ein Kongress gewesen, den vielleicht der Verlag organisiert habe. Entweder habe Brandt für sie alle das Eintrittsgeld gezahlt oder er habe sie so umsonst reingebracht, jedenfalls haben sie nichts zahlen müssen, auch nicht für das Hotel, das hätten sie sich gar nicht leisten können. Brandt beschreibt die Zeugin als laut und selbstgerecht, er habe sich ziemlich wichtig genommen. Er sei nicht unangenehm, aber sehr speziell gewesen. Sein ganzer Habitus sei eigenartig. Das laute, krächzende Lachen sei ihr in Erinnerung, und er sei ständig am telefonieren und am netzwerken gewesen, habe „Hinz und Kunz“ gekannt. Er habe einen Stellenwert in der Szene gehabt, den habe er zur Schau getragen.
Auf Nachfrage berichtet die Zeugin über Ralf Wohlleben, dass sie heute selbst überrascht gewesen sei, dass sie wohl diese Zeitung mit ihm gemacht habe. 1996/97 habe sie nicht sehr intensiven Kontakt zu Wohlleben gehabt, danach aber häufiger. In der Zeit, wo André wenig Kontakt zu ihm hatte, habe sie ihn auch wenig gesehen. Sie habe ihn als freundlich, entspannt wahrgenommen, aber nicht sehr persönlich gekannt, auch wenn er einer derjenigen war, die sie besser kannte. Götzl fragt noch einmal zu dem Vorfall, wo zwei Mädchen angegriffen wurden. Die Zeugin sagt aus: Christian K. habe das Treffen vermittelt, es seien zwei Mädchen gewesen, Alternative, auf irgendeine Weise gesprächsbereit, so dass André und sie sich mit denen getroffen haben, in Winzerla, wo auch Zschäpe gewohnt habe. Das Treffen habe 2-3 Stunden gedauert, sie hätten sich darüber unterhalten, was damals so zwischen Linken und Rechten los war. Ihr sei noch in Erinnerung, dass die beiden Mädchen das auch nicht gut gefunden hätten. Die Situation damals sei ja eskaliert. Das Gespräch wäre freundlich und nett gewesen, sie seien aufgeschlossen gewesen. Dann habe André sie, glaube sie, nach Hause gefahren und ein wenig später waren die Mädels angegriffen worden. Für sie habe es wie eine Falle ausgesehen. Mehrere hätten sie angegriffen, bedroht und geschlagen, um von ihnen Namen zu erpressen. Damals seien ja Autoreifen zerstochen, Morddrohungen gemacht und Vermieter aufgehetzt worden. Von den Leuten, die so was gemacht haben, habe man die Namen gewollt. Sie habe davon aber nichts gewusst und sei geschockt gewesen. Sie habe sich mit André gestritten, der gesagt habe, er habe damit nichts zu tun. Sie sei ja nicht dabei gewesen, aber sie hätte so was auch nicht befürwortet. „Wir wollten ja auch etwas Frieden bekommen, weil das alles echt nicht mehr witzig war.“ Wann sie von dem Angriff erfahren habe, wisse sie nicht mehr, vielleicht erst als die Gerichtsverhandlung war. Auf Nachfrage sagt die Zeugin, dass Wohlleben dabei wohl eine Rolle gespielt habe. Er sei ja mit angeklagt gewesen, also scheint er dabei gewesen zu sein, aber welche Rolle er gespielt habe, das könne sie nicht sagen.
Ob sie sich mit Carsten S. mal nach dem Verschwinden der Drei unterhalten habe, fragt Götzl. Sie habe gelesen, dass das behauptet worden ist, aber das sei nicht so. Sie habe Carsten S. mit den Dreien überhaupt nicht in Verbindung gebracht.
Ob sie mal bei einer NPD-Schulungsveranstaltung gewesen sei, fragt Götzl, was die Zeugin unsicher beantwortet: Sie wisse es nicht mehr wirklich, aber es habe öfters Rechtsschulungen gegeben. Das sei später gewesen, als Wohlleben schon mit der NPD Aktivitäten begonnen habe. Sie habe eine Erinnerung, wie er Tagesordnungspunkte verlese. Wo das war, wisse sie nicht mehr, der Name „Jugendherberge Froschmühle“ sage ihr nichts.
Götzl hält aus einem Bericht der Quelle „2045“ vor, bei dem es um eine NPD-Schulung am 29.1.2000 geht, an dem zwei der Quelle nicht bekannten B&H– Leute teilgenommen hätten. Man habe über das Lied „5. Februar“ von Eichenlaub geredet und der eine hätte gesagt „den Dreien geht es gut“.
Ja, sie wisse, dass Eichenlaub die Gruppe gewesen sei, die Christian K. damals hatte, aber die Situation sage ihr nichts. Götzl sagt, ihr Name tauche aber weiter unten auf, wo es darum geht, dass sie und Ronny A. über Telefonkontakt geredet hätten, aber Ralf Wohlleben habe der Quelle gesagt, dass Carsten S. der einzige sein solle. Das sei nicht wahr, erwidert die Zeugin, sie habe mit Carsten S. nie über Telefonkontakt zu den Dreien geredet.
Was sie zu den Vorwürfen der Unterschlagung von Geld, Kapke betreffend, wisse, fragt Götzl. Sie habe gewusst, dass ihm vorgeworfen wurde, Geld unterschlagen zu haben, aber konkret wisse sie nicht, um welches Geld es gehe, ob aus einem Versandhandel oder so. Sie habe André eigentlich nie arbeiten sehen. Auch habe es öfter Vorwürfe gegen ihn wegen Unehrlichkeit gegeben, nicht nur das eine, sondern mehrere Male. Das sei wohl meist aus der Richtung Wohlleben gekommen, vielleicht auch von Carsten S. und „den Jüngeren“, und diesem Ronny, der vorhin genannt worden sei. Auf Nachfrage konkretisiert die Zeugin, dass sie von den Vorwürfen wohl von André Kapke selbst erfahren habe, nicht direkt von Wohlleben. André habe gesagt, dass die Vorwürfe Quatsch seien, es laufe eine Intrige gegen ihn. Aber ihr sei es letztendlich egal gewesen. Eine Zeitlang sei aber der Kontakt zwischen André und den anderen schlecht gewesen, aber sie selbst sei sowieso meist alleine mit ihm unterwegs gewesen. Sie seien viel bei ihr gewesen oder durch die Gegend gefahren. Sie habe sich in der Zeit auch zurückgezogen, sie habe angefangen bei der AIDS-Hilfe zu arbeiten, habe sich aus der Szene gelöst, diese ganze Geschichte habe sie nicht interessiert. 1998 habe sie bei der Aids-Hilfe angefangen, sagt sie auf Nachfrage, Ende 2000 sei sie aus Jena weggezogen. Da habe es dann wieder eine Annäherung von André an die Szene gegeben. Sie hatte mit denen nichts mehr zu tun, habe aber Wohlleben und Carsten S. mal im Winzer Club gesehen, der Kontakt muss also wieder besser gewesen sein. Götzl fragt erneut nach, wessen Annäherung an wen oder Distanzierung von wem sie meine und es kommt zu Missverständnissen, die aber geklärt werden können.
Sie sei zwischendurch noch auf Borkum gewesen, habe sich jedenfalls nicht von André gelöst wegen der Vorwürfe. Götzl hält ihr vor, Kapke sei seit dem 11.2.1999 NPD Mitglied, habe sich aber aus persönlichen Gründen aus der Kameradschaft zurückgezogen, weil Wohlleben die ganze Zeit gegen ihn hetze. So hätten schon Carsten S., Jana Ap. (der frühere Name der Zeugin) und jemand genannt „Torte“ schon den Kontakt zu André Kapke abgebrochen.
Jana J. erwidert, das könne nicht sein, sie habe nie den Kontakt zu ihm abgebrochen. Was sie vorhin beschrieben habe, habe sich auf den Kontakt zwischen Wohlleben und Kapke bezogen. Sie habe ja auch, als sie schon nach Berlin gezogen war, noch in engem Kontakt zu André gestanden, über Telefon. Auf Nachfrage erzählt sie von Borkum, wo sie einen Tag nach ihrem Fachabi hingefahren sei, um dort als Kellnerin ein halbes Jahr lang Geld zu verdienen. Dass der Richter wissen wolle, wer sie dort besucht habe, vermutet die Zeugin, denn sie habe das ja bei ihrer BKA-Vernehmung angedeutet, die hätten aber nicht nachgefragt. Jedenfalls seien auf Borkum zwei Leute vom Verfassungsschutz, eine Frau und ein Mann, zu ihr gekommen. Die haben ihr gesagt, dass, wenn sie nicht wolle, dass hier bekannt würde, dass der VS sie besuche, sie sich mit ihnen im Hotel „Vier Jahreszeiten“ treffen solle. Das habe sie auch gleich abends gemacht. Sie hätten sie mit sehr vielen Namen konfrontiert, von denen ihr aber nur ein paar bekannt gewesen seien. Ob nach „den Dreien“ gefragt worden sei, wisse sie nicht, klar hätten sie auch nach André gefragt. Sie habe jede Kooperation abgelehnt, ihren Kaffee selbst bezahlt und sei gegangen. Das Treffen sei nicht einmal zwei Stunden lang gewesen. Auf Nachfrage erzählt die Zeugin, dass sie sich unter subtilem Druck gefühlt habe. Sie habe das Gefühl gehabt, dass die VSler gewusst hätten, dass sie aus Jena weg wollte. Ob sie mit anderen Personen drüber gesprochen habe? Ja, mit André habe sie drüber gesprochen. Der Besuch muss zwischen Juli und September gewesen sein, sie habe André umgehend davon erzählt, noch am selben Abend oder am nächsten Morgen. Entweder von einer Telefonzelle aus – das habe sie oft gemacht – oder per Handy, denn sie hatte von ihrem Onkel für Borkum eins geschenkt bekommen und André habe ja schon seit einigen Jahren ein Mobiltelefon gehabt. Wie das Gespräch verlaufen sei, fragt Götzl. Sie habe ihm gesagt „der VS war bei mir“ und sie habe die Kooperation verweigert. Sie sei schon aufgeregt gewesen, aber eigentlich habe es dazu nicht viel zu sagen gegeben, konkret wisse sie das nicht mehr. Sie habe sich gefragt, wie sie sie gefunden hätten. Eigentlich hätten nur André und ihre Mutter ihre Adresse auf Borkum gehabt.
Wie Kapke reagiert habe, wisse sie nicht mehr. Er habe das wohl zur Kenntnis genommen und es habe für ihn sicherlich außer Frage gestanden, dass er sich Sorgen machen müsse. Götzl hält vor, dass sie in ihrer Vernehmung am 6.6.2012 gesagt hätte, sie glaube, das hätte auch mit dem Trio zu tun. Sie wisse nicht mehr, warum sie das gesagt habe. Nach dem Auffliegen der Morde habe sie das vielleicht gedacht oder eigentlich auch schon nach dem Untertauchen damals, da habe es immer viel Gemunkel gegeben. Deswegen habe sie vermutet, dass das zusammenhängt. Aber sie könne es nicht sicher sagen, sie wisse nur noch, dass sie sehr viele Namen abgefragt hätten. Inwiefern sie denn die Kooperation abgelehnt habe und was der Gegenstand der Zusammenarbeit gewesen wäre, fragt Götzl. Sie habe aus der Szene raus gewollt, deswegen sei sie ja nach Borkum gegangen. Die hätten aber nur die Bereitschaft der Kooperation abgefragt. Die sei aber von ihr aus nicht da gewesen. Sie nehme an, dass sie noch mit Sven K. über den Vorfall geredet habe, vielleicht auch mit Wohlleben oder Carsten S., aber das glaube sie eigentlich nicht, da sie nur noch kurz nach Jena zurück sei, um ihre Wohnung aufzulösen. Auf Nachfrage bestätigt sie, dass Wohlleben und Carsten S. schon die beiden weiteren Personen seien, die sie am besten kannte. Neben André Kapke und Sven K. habe sie noch Freundinnen aus der Schule gehabt, die aber nichts mit der Szene zu tun hatten, also sei sie eigentlich nur mit André Kapke aus der Szene befreundet gewesen.
Wer sie nach Borkum und zurück nach Jena gebracht habe, will Götzl wissen. Hin seien es Kapke und ein Oliver mit dessen Auto gewesen. Der war nicht in der Szene. André habe sie auch mit dem Auto abgeholt, mit welchen wisse sie nicht, vielleicht mit dem von Tino Brandt. Dieser Oliver S. habe Germanistik und Englisch studiert und sei in der Black Metal Szene gewesen. André habe ihn auch gekannt, aber nur über sie. Heute habe sie keinen Kontakt mehr zu Oliver.
Götzl hält vor, dass Wohlleben und Kapke sie auf Borkum während der Hess-Gedenkwoche besucht haben sollen und sie auf ihre Kosten mit dem Mietwagen abgeholt hätten. Die Zeugin erwidert, dass sie sich das nicht vorstellen könne, sie habe ja kein Geld gehabt. Und sie habe dort gearbeitet und sich für politische Sachen damals nicht interessiert. An einen Besuch von Wohlleben könne sie sich gar nicht erinnern, könne es aber auch nicht zu 100% ausschließen. Sie habe jedenfalls nicht telefonisch in Kontakt mit Wohlleben oder Carsten S. gestanden, das wisse sie. Sie könne sich nicht vorstellen, wie der Besuch ausgesehen haben könne, was sie gemacht haben, wo die geschlafen hätten, denn sie selbst habe dort nur ein kleines Zimmer gehabt.
Götzl fragt, ob ihr ein Interview mit einem Stern-Journalisten etwas sage. Sie könne sich an ein Interview mit einem BBC-Journalisten erinnern. Der habe mal angefragt für eine Doku. Brandt und noch zwei andere waren dabei, vermittelt durch Kapke. Das sei irgendwo in Saalfeld oder Rudolstadt gewesen in einer Kneipe. Mario Br. sei dabei gewesen, worum es konkret ging, wisse sie nicht mehr, sie glaube es war „die rechte Szene von Europa“. André habe aber noch einen anderen Journalisten oft erwähnt, Fromm, sie wisse nicht, ob der vom Stern war. Wohlleben sei in dem Zusammenhang nicht Thema gewesen, sagt die Zeugin, bevor Götzl ihr einen Vorhalt macht, in dem es heißt, dass im Jahr 2000 Wohlleben, Kapke, Br. und Brandt von einem Stern-Journalisten der Berliner Redaktion auf die drei Flüchtigen angesprochen worden seien. Davon wisse sie nichts, zu der Zeit sei sie ja auf Borkum gewesen. Man habe sich zu einem Gespräch in einer Kneipe getroffen, hält Götzl vor. André Kapke sei mit Jana Ap. gekommen. Die Zeugin meint, dann sei es wohl doch die BBC-Sache in Rudolstadt, davon wisse sie. In Rudolstadt und Saalfeld habe es zwei Lokalitäten gegeben, die eine hieß Landsknecht, die andere hatte so eine Aussichtsterrasse. Götzl hält weiter vor, dass Br. das Gespräch mit dem Journalisten als zu gefährlich abgelehnt habe, Kapke habe jedoch einen Kontakt in Weißrussland vorgeschlagen. Die Zeugin scheint erstaunt und erwidert, das sage ihr gar nichts.
Nach einer kurzen Pause wird Jana J. zu ihrem damaligen Freund Sven K. befragt. Mit ihm sei sie von 1998 bis 2000 zusammen gewesen. Er sei auch Rechter gewesen, habe in einer Band Schlagzeug gespielt, die im Winzer Club probten. Er sei nicht so politisch wie André gewesen, sondern in erster Linie Musiker, das sei er heute noch. Er habe die Inhalte geteilt und sich der Szene zugehörig gefühlt, aber nicht mit der gleichen Vehemenz wie André. Carsten S. habe ihn schon länger gekannt, die seien vielleicht zusammen zur Schule gegangen. Er habe mehr mit einer Hooligan Band zusammen gehangen, André Kapke und Wohlleben kannte er auch, besser als Tino Brandt, aber sicher sei sie sich nicht.
Ob ihr eine Schlägerei in einem Bushäuschen was sage, ob das mal Thema zwischen ihr und Sven K. gewesen sei, fragt Götzl, was die Zeugin verneint. Sie habe zwar gelesen, dass Carsten S. auch Sven K. erwähnt habe, aber sie habe damals nichts von diesem Vorfall gehört.
Dann fragt Götzl zu einem Vorfall, wo sie mit Zschäpe unterwegs gewesen sein soll. Jana J. erinnert sich jedoch nur an einen Abend in der Disko, wo es keinen Vorfall gegeben habe, und an einen Abend mit Zschäpe in einer Spielothek im Südviertel von Jena, wo sie zusammen mit einem von der Band „Vergeltung“ Billiard oder Dart gespielt hätten. Götzl hält der Zeugin eine Aussage von Steffi S. vor, deren Namen Jana J. noch nie gehört haben will. Der Aussage nach sei Steffi S. und ihre Freundin Maria H. auf dem Heimweg vom Rummel an der Straßenbahnhaltestelle Holzmarkt auf Beate Zschäpe und deren Freundin getroffen. Diese kannte Steffi S. zwar nicht, aber meinte gehört zu haben, dass sie Jana Ap. heißt. Steffi S. und Maria H. hätten dann die Bahn genommen und Zschäpe und die andere Frau hätten sich zu ihnen gesetzt. Steffi S. beschreibt die Frisur dieser Freundin von Zschäpe als kurz rasierte Haare, etwas schicker als ein klassischer Renee-Haarschnitt. Jana J. erwidert, so eine Beschreibung könne auf viele zutreffen und ja, auch auf sie, aber sie könne sich an so eine Situation wirklich nicht erinnern und wundere sich, dass diese Steffi S. wohl ihren Namen gekannt haben soll. Götzl hält weiter vor, dass Steffi S. und Maria H. ausstiegen, schnelle Schritte hörten und Zschäpe dann Maria H. angesprochen habe, dass sie sie vorhin „Schlampe“ genannt hätte. Steffi S. beschreibt ihre Freundin Maria H. als sehr nett und lieb und beschreibt, wie Zschäpe sie eingeschüchtert und bedroht habe. Zschäpe habe Maria H. dann geschickt zu Boden gebracht. Der Freundin [angebl. Jana Ap.] habe sie gesagt sie solle aufpassen, die habe nur daneben gestanden. Maria H. habe am Boden gelegen, da müsse das Bein dann schon gebrochen gewesen sein. Sie habe geweint und Zschäpe habe sie aufgefordert, die Jacke auszuziehen. Der Vorfall soll sich 1996 ereignet haben. Jana J., die an verschiedenen Stellen betont hat, dass sie den Vorfall nicht kenne und sich das nicht vorstellen könne, dass sie daran beteiligt war, schließt, dass kein einziger Aspekt der Geschichte ihr bekannt vorkäme.
Dann fragt Götzl zu ihrer Wohnungssuche mit André Kapke in Jena-Stadtmitte. Die Zeugin sagt aus, sie habe sich zu Beginn ihres Fachabis eine Wohnung in Stadtmitte gesucht, bei der ihr André Kapke beim Renovieren geholfen habe. Deswegen habe oft sein Auto dort gestanden, das sei in der „Schiller – nein Fischergasse“ gewesen. Sie sei letztens noch mal dort gewesen und habe sich die ganzen Orte noch mal angeschaut. Die Leute aus der Jungen Gemeinde hätten gefürchtet, dass dort eine „Nazi-Zone“ aufgemacht werde. Sie habe mit denen geredet und erklärt, dass das nur ihre und nicht Kapkes Wohnung sei. Was dann passiert sei, habe sie ja schon geschildert. Sie habe Morddrohungen in Form von Comics bekommen, auf denen Molotowcocktails und Menschen im Feuer gezeichnet waren, das hätten wohl sie sein sollen. Ihr Vermieter habe ihr gesagt, dass er massiv unter Druck gesetzt würde. Sie habe das auch verstanden, aber es habe keine Möglichkeit gegeben, mit den Leuten Gespräche zu führen. Das sei alles sehr schnell gegangen, sie sei da nie eingezogen und das Mietverhältnis wurde dann rückgängig gemacht. Götzl hält ihr vor, dass ihr Name auch noch in Zusammenhang mit zwei Vermerken des Landesamts auftauche, wo es hieße, dass Andre Kapke nur noch mit Jana Ap. unterwegs sei und ständig auf der Suche nach einer neuen Wohnung, seine Wohnung sei gekündigt worden. Die Zeugin antwortet, dass Kapke nicht bei ihr einziehen wollte, dass es aber sein könne, dass er parallel auch für sich selbst gesucht habe. Götzl hält weiter aus dem Vermerk vor, dass Kapke schon immer ständige Begleiterinnen, auch Beate Z., in der Szene gehabt habe. Die Zeugin sagt, sie wisse nicht, ob das früher so war, aber als sie ihn kennengelernt habe, habe sich das ziemlich schnell entwickelt und mit wem er unterwegs war, nachdem sie aus Jena weg war, wisse sie nicht. Auf einen weiteren Vorhalt, in dem es heißt, Kapke habe mit ihr und „Koriandi“ Sylvester 98/99 gefeiert und eine Wohnung in Lobeda bezogen, sagt sie, das könne sein, sie wisse es aber nicht mehr.
Götzl befragt Jana J. nach ihrer Familiensituation und den von ihr geschilderten Angstzuständen und Panikattacken, damit er „das einordnen“ könne. Sie berichtet, dass 1996 ihre sowieso schwierige Familie endgültig auseinandergebrochen war und sie diese Panikattacken und eine chronische Krankheit bekommen habe. André habe sie meist gefahren, wenn sie wo hin gemusst habe und sei einer derjenigen gewesen, die mit ihr umgehen konnten, ohne sie gleich als verrückt abzustempeln. Sie sei oft erst abends draußen gewesen und sei auch in Behandlung gewesen.
Auf die Frage, ob ihr der Begriff 88er in Chemnitz was sage, erzählt die Zeugin, dass sie mit Stefan Ap. (vgl. 66., 88., 93. Verhandlungstag) wohl 1996 auf einem Konzert in Chemnitz war, da hatte sie die Leute gerade erst kennengelernt. Dort sei ihr Thomas Starke kurz vorgestellt worden als der Organisator des Konzertes, ansonsten sei sie nie in Chemnitz gewesen. Mit B&H hatte sie nichts zu tun, der Name hätte ihr damals im Gegensatz zu heute auch nichts gesagt und ihres Wissens kannte sie auch niemanden, der da unterwegs gewesen sei, das sei in Jena kein Thema gewesen. Götzl hält ihr aus ihrer Vernehmung vor, dass sie Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als verschworene Gemeinschaft wahrgenommen habe, von denen nichts nach draußen gedrungen sei. Die Zeugin erläutert, dass die drei vor dem Untertauchen jedem als sehr enge Freunde bekannt waren, das hätte man nicht persönlich wahrnehmen müssen. Sie selbst habe die drei nie zusammen gesehen oder sei mit denen unterwegs gewesen. Aber der Eindruck, den jener Abend bei ihr hinterlassen habe, war der, dass die sehr eng mit Zschäpe waren. Zur politischen Einstellung der Drei befragt, sagt die Zeugin, dass man den beiden Uwes, wenn man sie in Uniform gesehen habe, ihre politischen Ziele und ihre Attitüde schon abgenommen habe, das sei schon außergewöhnlich gewesen damals. Konkret hätten sie natürlich nicht gesagt, sie planen dies oder das, auch nicht Beate Zschäpe. Aber politisch hätten die eher zur „Scheitelfraktion“ gezählt. Sie erinnere sich an eine Situation im Winzer Club, wo die beiden in ihren braunen Uniformen ankamen, „wie aus einem Kriegsfilm“. Das hätte etwas bedrohliches, aber – sie traue sich kaum, das so zu sagen – auch etwas lächerliches gehabt. Bei den Skinheads habe es da auch schon Augenrollen gegeben. Man hatte ja gehört, dass sie in den Uniformen durch Buchenwald gegangen seien. Das wäre schon eine ungewöhnliche Provokation gewesen. Zwar habe die ganze Szene eine Affinität zu Uniformen, aber in der Form sei das schon klar militaristisch gewesen. Zschäpe habe sie in der Situation nicht in Erinnerung und sie habe mit Zschäpe auch nicht darüber gesprochen.
Befragt nach dem Verhältnis zwischen Christian und André Kapke, sagt Jana J., das sei ein schwieriges Verhältnis gewesen, „vielleicht Hass-Liebe“, Christian habe seinem Bruder immer imponieren wollen, vielleicht sei er nur deswegen in der Szene gewesen. André habe aber kein gutes Haar an dem gelassen, manchmal sei es nur spaßiges Genecke, oft aber auch beleidigend gewesen. Zu Wohlleben habe sie ein entspanntes, recht freundliches Verhältnis gehabt, sagt die Zeugin auf Frage Götzls. Er sei oft fröhlich gewesen. Nie habe es eine unangenehme Situation gegeben, sie habe ihn nie aggressiv erlebt, eher offen und freundlich. Neben Carsten S. sei Wohlleben einer, den sie ganz gerne gemocht habe. Auch verbinde sie beide, dass sie auch „unpolitische Freunde“ hatten, was bei anderen nicht so üblich gewesen sei. Ihr Freund Sven K. habe auch zu dem engeren Freundeskreis gehört, nicht so eng mit Kapke, aber mit Wohlleben. Die hätten sogar im gleichen Haus gewohnt, oder in Nachbarhäusern. Entweder sei Wohlleben mal bei Sven gewesen oder sie und Sven bei Wohlleben.
Götzl fragt, ob Kapke im Besitz des Spiels Pogromly gewesen sei. Jana J. sagt, sie habe das nie im Original gesehen und wisse auch nicht, ob er eins hatte. Über den Vertrieb sei damals nicht gesprochen worden. Sie habe das nur in den Zeitungen von damals gesehen, da sei ein Foto gewesen und dann halt jetzt in der Berichterstattung. Sie glaube nicht, dass sie damals gewusst habe, dass es mehrere Exemplare gab.
Es folgt die Mittagspause. Danach ist im Publikum Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der deutschen Sinti und Roma, anwesend um dem restlichen Verhandlungstag zu folgen.
Weingarten befragt für die BAW die Zeugin, zunächst zu der Geburtstagszeitung für Kapke. Die Zeugin hatte gesagt, dass diese im Kontext staatlicher Verfolgung gestanden habe und sie selbst diese als ungerecht empfunden habe, was Jana J. bestätigt. Weingarten nennt eine Textstelle aus einem Artikel, neben dem ein Foto mit drei Personen (Uwe Mundlos, André Kapke und Holger G.) abgebildet ist und die Zeile steht „Bewerbung für eine neue Tankstelle am Ettersberg“ (bei Buchenwald). Sie wisse nicht, was das mit der Gastankstelle auf sich habe, aber ihr sei klar, dass das absolut antisemitisch sei, den realen Bezug wisse sie aber nicht. Was das mit dem Verfolgungsdruck zu tun habe, fragt Weingarten, und sie antwortet, dass das dann einer [ein Artikel]wäre, der nichts mit dem Staat zu tun habe. Weingarten liest aus dem Text vor, dass die Stadt „drei Nazis aus Jena“ für besonders fähig halte, bei „Gas für alle“ beschäftigt zu werden und „Spaß mit Arbeit“ verbinden zu können. Worauf das anspiele kann die Zeugin nicht beantworten, aber sie sagt, ihr sträuben sich die Haaren, wenn sie das höre. Weingarten fragt sie, wie damals ihre Haltung zur paraindustriellen Vernichtung von Juden im „Dritten Reich“ gewesen sei, sie habe ja von einer satirischen Überspitzung geredet. Sie habe damals mangelnde Informationen gehabt, sagt Jana J., es habe viele Holocaustleugner gegeben und es wurde sich über Zahlen gestritten, „Drei Millionen, fünf Millionen, sechs Millionen“, ihr falle es schwer, das heute nachzuvollziehen. Ob sie sich mal mit dem KZ Buchenwald beschäftigt habe, fragt Weingarten, ob es ein Vernichtungslager oder ein Arbeitslager gewesen sei. Nein, damals nicht, sagt die Zeugin, heute wisse sie das, aber damals nicht. Gefragt nach der Haltung von ihr und von Wohlleben zur Vernichtung, sagt sie, dass sie das für Wohlleben nicht sagen könne. Bei ihr sei das Unwissen gewesen. Weingarten sagt, sie habe ja ihre Handschrift identifizieren können, ob es auch ihre Diktion sei. Das könne sein, sie wisse es nicht, auch nicht was Wohlleben noch geschrieben habe. Weingarten weiter: auf dem Bild seien ja Mundlos, Kapke und Holger G., aber sie habe gesagt, dass sie mit Holger G. keine Erinnerungen verbinde, was die Zeugin bestätigt. Befragt nach Wohlleben sagt sie, dass sie ihn spätestens 1997 kennengelernt habe und Kontakt hatte, bis sie weggezogen sei. Danach, ca. 2002/2003, habe sie André noch mal besucht und habe da auch Wohlleben gesehen, habe aber ansonsten keinen Kontakt mehr gehabt.
Ob ihr „simsalabim-design“ etwas sage, fragt die BAW. Ja, sie erinnere sich. Vielleicht habe sie mit Wohlleben telefoniert, sie habe eine Webseite mit dem Namen gewollt und er habe die ihr freigeschaltet. Darauf habe sich aber der Kontakt zu der Zeit beschränkt. Auf Nachfrage erzählt Jana J. von einem Besuch mit Kapke im Raum Berlin: Sie seien in einem besetzten Haus gewesen, wo sich Leute teilweise aus der Antifa und teilweise aus dem rechten Milieu getroffen hätten, die etwas machen wollten, was „Querfront“ hieß. Das sei 1999 oder 2000 gewesen. Ja, sie hätten auch Frank Sch. und Rita Bö. besucht. Frau Bö. habe damals wohl ein Bauarbeiterhotel gehabt, wo sie und Kapke eine oder zwei Nächte geschlafen hätten. An Gespräche mit Sch. könne sie sich nicht erinnern, aber an Frau Bö. Gefragt, ob da über die Möglichkeit gesprochen wurde, die drei Flüchtigen unterzubringen, dazu gäbe es ja Vermerke des Thüringer LfV, antwortet Jana J., nein, sie wundere sich über die Konfrontation, denn wüsste sie was, hätte sie das bereits gesagt.
Die Frage, ob ihr damaliger Freund Sven K. ihr mal erzählt habe, dass er und Carsten S. in eine Wohnung eingestiegen seien, verneint die Zeugin.
Es beginnt die Befragung durch die Nebenklage. RAin Basay fragt nach, ob die Zeugin für „Simsalabim“ eine Rechnung bekommen habe. Ja, das könne sein, und dass die sie gezahlt habe, sei dann wahrscheinlich. Sie habe telefonisch ca. 2005 Kontakt mit Wohlleben gehabt, wo sie schon in der neuen Wohnung gewohnt habe. Basay hält ihr vor, dass es 2004 eine Überweisung von ihr gebe, 20 Euro mit dem Betreff „Danke und viele Grüße Jana Ap.“ und am 5.4.2007 in Höhe von 60 Euro. Das könne sein, dass das im Kontext „Simsalabim“ stehe, sagt die Zeugin. Sie habe mal Sachen genäht, Kindersachen, die sie darüber vertreiben wollte. Wohlleben habe ihr den Namen gesichert und ihr das freigeschaltet.
Nebenklagevertreter RA Stolle fragt nach, wie ihr Einstieg in die rechte Szene in Lobeda gelaufen sei. Die Zeugin antwortet, sie habe schon vorher Kontakt zur rechten Szene gehabt. Kurz vorher, als sie noch in (Jena-)Nord gewohnt habe, habe sie schon Stefan Ap. an einer Tankstelle kennengelernt. Der habe in ihrer Straße gewohnt. Sie sei nachts mit einer Freundin unterwegs und an der Tanke was zu Trinken holen gewesen. Ja, es sei erkennbar gewesen, dass er zur rechten Szene gehörte, antwortet sie auf Nachfrage. Ihre damalige Freundin sei dann mit ihm zusammen gewesen. Sie wisse nicht mehr, ob sie gemeinsam am Winzer Club gewesen seien, jedenfalls habe sie über Stefan Ap. viele Leute kennengelernt und das habe sich dann in Lobeda gefestigt. Auf Nachfrage sagt sie wieder, dass es schwierig sei, das Verhältnis der Nazi-Szene zum historischen Nationalsozialismus zu erklären. Sie glaube, dass die meisten Leute nichts damit haben anfangen können. Es sei viel nachgeplappert worden. Es habe schon Verherrlicher gegeben. Stolle fragt nach, was verherrlicht wurde. Sie wisse es nicht, nationalistische Politik wohl. Stolle fragt nach dem Führerprinzip und der Rassenlehre. Zum Führerprinzip könne sie nichts sagen, aber zum Rassismus auf jeden Fall. André Kapke habe das ja auch ausgesagt, dass man multiethnische Gesellschaften als Genozid bezeichne. Das sei schon die Haltung, die auch damals vorgeherrscht habe. Die Szene in Jena habe nicht in erster Linie NS-Bezug gehabt, sondern sei systemkritisch oder systemfeindlich gewesen. Dem Konsens, den es im Osten sowieso gegeben hätte, habe man angehangen, dass Zuwanderung falsch sei, dass Arbeitsplätze weggenommen würden, dass man eine deutsche Gesellschaft wolle, das sei national bezogen gewesen. Sie habe damals Demokratie mit Kapitalismus gleichgesetzt. Kapitalismus sei immer kritisiert worden, schnell auch antisemitisch. In diesem Sinne sei man systemfeindlich gewesen. Im übrigen sei sie damals 16 Jahre alt gewesen. RA Stolle fragt, was sie denn mitbekommen habe an Einstellungen in der Szene. RA Stahl interveniert und beanstandet die Frage als suggestiv und unklar, auf welche Personen sich das beziehe. Götzl sagt, die Frage sei nicht suggestiv, Stahl will sie trotzdem beanstanden. Nach kurzem Hin und Her fragt Stolle weiter, wie das Verhältnis der Zeugin und ihres Umfelds inklusive Kapke zur Demokratie war. Das könne sie nicht sagen, antwortet die Zeugin. Als Alternative habe man ein nationalsozialistisches System gesehen, aber sie könne nicht erläutern, was damit gemeint gewesen sei. Ob sie noch weitere Situationen mit André Kapke in Erinnerung habe, z.B. weitere Fahrten zu anderen Neonazis in anderen Städten. Nein, antwortet Jana J., nur diese eine Veranstaltung, die sie schon erwähnt hatte, die im Osten in einem Hotel wahr. Und dann der Aufenthalt in Berlin, wobei das ja nicht unbedingt Neonazis gewesen seien, aber Namen könne sie keine nennen. Das wäre eine Party gewesen, erläutert sie auf Nachfrage, wo etwas gegründet werden sollte oder schon gegründet war, das sich Querfront nannte, da wären Antifas gewesen, ein Kroate und ein Berliner, der sich als Nationaler Anarchist bezeichnete.
RA Stolle lässt ein Bild projezieren, auf dem zwei sich sehr ähnlich sehende Frauen mit kurzen Haaren ähnlich einem Reenee-Schnitt, weißen Polohemden und schwarzen Jacken an einem Geländer vor einer Landschaft zu sehen sind. Ja, das linke sei sie, bestätigt Jana J. auf Nachfrage, das rechte sei Anja [Nachname]. Sie glaube, das sei in Thüringen gewesen in jener Gaststätte, in der auch das BBC-Interview gemacht wurde. Sie sei da mit André einfach nur mitgefahren. Sie wären mit zwei Autos gewesen, dass Anja dabei war, daran erinnere sie sich jetzt. Kapke und Tino Brandt waren auch dabei, sie kenne auch Filmausschnitte. Es werden Filmausschnitte [Bericht Report München mit Ausschnitten von der BBC-Dokumentation “Europa von rechts außen”] von dem Interview auf der Terrasse gezeigt. Die Zeugin bestätigt, dass sie dort (gepixelt) zu sehen ist und dass neben Kapke, Brandt, Anja, und ihr auch Mario Br., damals 19, interviewt wurde. Bei der Inaugenscheinnahme werden auch Ausschnitte gezeigt, in denen gefragt wird, wo das Originalmaterial zu finden sei. Ein gefilmter Neonazi aus der Gruppe sagt in die Kamera, dass sich hier die Jugend formiere, um Aktionen gegen den Staat zu machen. Brandt sagt in die Kamera, Adolf Hitler sei ein großer Deutscher gewesen, wie Friedrich der Große. Mario Br. sagt, dass es eine raffinierte Variation der Volksvernichtung sei und Brandt sagt, die ländlichen Gegenden seien ja eindeutig noch ordentlich rein. RA Stolle fragt die Zeugin, wer das gewesen sei, der das erste [Aktionen gegen den Staat] gesagt habe. Mirko, habe der geheißen. Sie sagt, das Material spreche ja eine ganz eindeutige Sprache, sie wisse auch nicht, wie sie diese Zitate erklären solle. Das habe sich auf Demonstrationen beschränkt, auf Flugblätter und ähnliches, das sei nichts Konkretes gewesen. Sie wäre ja dabei gewesen zu der Zeit, sie könne nicht sagen, dass es konkrete Pläne gegen den Staat gegeben habe. Was der Mario Br. gemeint habe, mit der „Volksvernichtung“, fragt RA Stolle. Das sei diese Sache mit dem Genozid, sagt die Zeugin. Sie könne sich aber nicht an Gespräche über Volksvernichtung oder gar über Maßnahmen dagegen erinnern. Was solche Maßnahmen sein könnten, wird sie gefragt und antwortet: „Viele Kinder machen?! Keine Ahnung.“ Es sei viel kokettiert worden „mit diesem Dreck“, aber wenn sie sich heute Reportagen anschaue über die rechte Szene, dann denke man, dass das damals ja ein Kindergarten gewesen sei. Aber wahrscheinlich nähme man das nicht so krass wahr, wenn man drin steckt. Es werden weitere Ausschnitte aus dem Video vorgespielt, in denen es um Beweise für den Holocaust und um Einbürgerung von Nicht-Deutschen geht.
Stolle fragt die Zeugin, ob sie sich sicher sei, dass sie das Spiel „Pogromly“ nie gesehen habe, was die Zeugin bejaht. Wie das Interview weitergegangen sei, fragt der Nebenklagevertreter. Sie glaubt, sie habe dort mit Anja rumgesessen, entweder drinnen an den Tischen oder draußen. Und sie wisse, dass sie alle mit zwei Autos gefahren seien. Sie sei sicherlich da mitgefahren. Ob sie sich erinnere, dass dem Journalisten das Brettspiel übergeben wurde, fragt Stolle, was die Zeugin verneint. Ein Filmausschnitt wird gezeigt, wo man sieht, wie dem Journalisten das Pogromly-Spiel übergeben wird. Die Zeugin sagt, sie kenne das Spiel nur aus der Presse. Sie meine sie habe das damals 1998 auf Zeitungsfotos gesehen, an die Situation der Übergabe habe sie keine Erinnerung. Ob sie sich an Hausdurchsuchungen zum Beispiel bei Kapke konkret erinnern könne. Ja, der habe ja viele gehabt, sie sei aber nie dabei gewesen und habe auch selber keine gehabt. Sie nehme an, dass es auch welche nach dem Untertauchen gegeben habe, es habe ja immer irgendwelche Gründe gegeben, irgendwelches verbotene Material. Zum Verhalten bei Hausdurchsuchungen und Festnahmen habe es vielleicht Gespräche gegeben, es habe ja diese Rechtsschulungen gegeben, wo sie nicht mehr wisse, ob sie selbst teilgenommen habe. Stolle fragt, ob sie, da sie ja erst 16/17 Jahre alt war, aber mit dem Kader André Kapke zusammen, denn nie von dem gesagt bekommen habe, dass sie sich so oder so zu verhalten habe. Sie sagt, sie könne sich nicht konkret erinnern. Auf Nachfrage ob Verfassungsschutz und Spitzel Thema gewesen seien, sagt sie, dass es zwei Vorwürfe gegeben habe, die man jemandem hätte machen können, um ihn zu diskreditieren. Das wäre gewesen, dass einer V-Mann, oder dass er schwul sei, das wären „Killer“ gewesen. Es wäre zwar bekannt gewesen, dass es wahrscheinlich Spitzel gäbe, aber sie könne kein konkretes Gespräch erinnern. Auch Namen dazu wüsste sie nicht. Auch dass es Brandt damals vorgeworfen wurde, wüsste sie nicht mehr, sie habe einen „Jürgen“ im Kopf, allerdings nicht Jürgen H., einen der im Kreis um Carsten S. war. Manchmal habe man einen Witz gemacht „bist nen V-Mann?!“, manchmal sei das aber ernst gewesen. Sie nähme an, dass einem schon gesagt wurde, dass man jede Kooperation verweigern solle. Auf Nachfrage sagt die Zeugin, sie wisse nicht, welches Amt sie auf Borkum angesprochen habe. Auch an eine Eingangsfrage, die Namen der BeamtInnen oder ob ihr Bilder vorgelegt wurden, kann sie sich nicht erinnern. Es müsse wohl vorwiegend um Thüringen gegangen sein, denn andere Namen hätte sie ja nicht gekannt. Warum sie die Kooperation abgelehnt habe, begründet sie damit, dass sie ja aus der Szene weg wollte und sie generell Spitzeltätigkeiten für sich ausschließe. Sie finde das nicht vertretbar, egal wie man jetzt politisch denke, denn Interessen würden sich verwässern und man sehe ja, was dabei rauskomme. Ob sie auch andere J. [ihr Nachname]kenne, z.B. einen Stefan, Sven oder Frank J., verneint die Zeugin.
Nebenklagevertreter RA Schön hält ihr weitere Textteile aus der Geburtstagszeitung vor und fragt, ob sie sich auch jetzt nach dem Anschauen des BBC-Filmes nicht an mehr erinnern könne. Sie sagt, sie könne es wirklich nicht sagen, ob die Texte von ihr oder von Wohlleben stammen. „Sie sind 16 – 17 Jahre und laufen da hinterher und wissen nicht, dass das militante Leute sind. Da wird ja nicht die ganz Zeit über Mord und Totschlag geredet, zumindest nicht im Ernst, das hat für mich keinen realen Bezug gehabt.“ Das sei jetzt schockierend für sie und sie hoffe, für andere auch. Ob sie sich vorstellen könne, dass jemand anderes die Texte verfasst habe, nicht sie oder Wohlleben, fragt RA Schön. Götzl und Stahl beanstanden die Frage.
Nach einer kurzen Pause fragt Nebenklagevertreterin von der Behrens, wann Kapke das Auto von Brandt bekommen hatte. Das könne nach dem Untertauchen gewesen sein, sagt Jana J., er habe das eine ganze Weile gehabt, vielleicht sogar 1-2 Jahre. Kapke habe vorher auch einen Golf gehabt, der genauso ausgesehen habe, deswegen könne sie nicht genau sagen, ob sie mal zusammen mit Kapke im Auto von Brandt gefahren sei. Auf Nachfrage bestätigt sie, dass sie von Zivilfahrzeugen verfolgt wurden, und dass das sicher auch gewesen sei, als sie mit Brandts Auto unterwegs gewesen seien. Ihr selbst sei das nicht aufgefallen, aber wenn man das wisse, dann würde man das schon merken. Sie hätten sich auch Späße erlaubt, seien oft mit dem Hund unterwegs gewesen und hätten dann Zivilfahrzeuge im Wald getroffen. André habe einen Peilsender am Auto vermutet, aber ob er was unternommen habe, um den zu finden wisse sie nicht. Auf die Frage, ob sie sich an Situationen mit Ronny A., vielleicht auch zusammen mit Carsten S., erinnere, sagt die Zeugin, dass sie nur ganz schemenhafte Erinnerungen an Ronny A. habe und nicht wüsste, ob sie mal was zu dritt unternommen hätten. Ob Kapke Thomas Gerlach kenne, kann sie nicht sagen, da sie nicht wisse, wer Thomas Gerlach sei. Dass es Gerüchte darüber gab, dass Brandt schwul sei, kann sie bestätigen. Ob das Konsequenzen für seinen Status in der Szene gehabt habe? Nein, überhaupt nicht, antwortet die Zeugin.
Nebenklagevertreter RA Narin fragt, ob sie den Nachnamen des Mirko kenne, den sie erwähnt habe. Nein, sie wisse, dass er aus Saalfeld komme und dass er einen Bruder hatte. Aber die seien nicht im engeren Kreis mit Brandt gewesen, der Bruder sei eher bei den Skinheads gewesen. Auf Nachfrage bestätigt sie den Nachnamen Eberlein.
Ob sie die Namen Jana K. und Claudia S. kenne, verneint die Zeugin. Es geht um das Treffen mit den beiden „alternativen“ Mädchen, sie habe gesagt „wir hofften, dass da Ruhe einkehrt“, was der Sinn des Treffens gewesen sei. Das könne sie nicht mehr wiedergeben, aber sie haben sich wirklich freundlich unterhalten. Sie seien nicht immer einer Meinung gewesen, aber es sei ein angenehmer Abend gewesen. Nein, einen Streit zwischen ihnen und den Mädchen habe es nicht gegeben, sagt die Zeugin auf Nachfrage. Ob sie die Claudia als „Hure“ beschimpft habe, will Narin wissen, was die Zeugin verneint. Ob „kleines P“ oder Matthias P. dabei gewesen seien, verneint die Zeugin, den kenne sie nicht. Ob sie Wohlleben und Kapke angefeuert habe, die Mädchen anzugreifen? Nein, sicher nicht, antwortet Jana J., von einem Diktiergerät dort wisse sie nichts. Wo sie nachgelesen habe, dass „er auch dafür verurteilt wurde“, will Narin wissen. Das sei irgendwo in der Berichterstattung gewesen oder in „irgendwelchen Chroniken“, es habe ja zwei Verhandlungen gegeben, sie erinnere sich, dass sie einmal in Jena als Zeugin ausgesagt hat. Sie erinnere sich an einen Anwalt mit einer Riesen-Brille. Narin hält ihr vor, sie sei am 31.8.99 als Zeugin geladen gewesen, ob sie denn auch am 15.3.2000 in Gera ausgesagt habe. Nein, das halte sie für unwahrscheinlich, sie habe nur einmal ausgesagt, ob sie da von der Polizei vernommen wurde, kann sie nicht erinnern, sie glaube aber nicht.
Auf Frage nach Sven K. sagt Jana J., dass es zwei Bands gab, wovon die eine Vergeltung hieß. Wenn bei Vergeltung ein „Tuffi“ und „Schmaler“ gespielt haben, dann habe Sven in der anderen gespielt. Die Namen „Blutstahl“ oder „Sonderkommando Dirlewanger“ sagen ihr aber nichts, ebenso wenig wie die Namen Mirko Sz. oder „Barny“. Auf Nachfrage bestätigt sie auch, dass sie gesagt hatte, dass es B&H in Jena nicht gegeben habe. Dass die Band „Vergeltung“ sich B&H zurechnete, habe sie nicht gewusst.
Nebenklageanwältin Pinar fragt die Zeugin, was sie in ihrer Zeugenaussage gemeint habe mit der Antwort auf die Frage, ob es Hinweise von Kameraden auf den NSU gegeben habe, dass man das hätte vermuten können. Die Zeugin erinnert sich nicht und kann es auch nicht erklären. RAin Pinar fragt, warum sie und die Frau auf dem Bild, das gezeigt wurde, identische T-Shirts und gleiche Jacken anhaben. Die Zeugin sagt, die Jacken seien nicht die gleichen gewesen. Auf den Vorhalt, dass aber auf jeden Fall die T-Shirts gleich seien, sagt Jana J., dass das dennoch keine Uniformierung sei. Ob sie sie vorhin richtig verstanden habe, dass sie nur eine Begegnung mit Zschäpe ohne die Jungs [jener Diskoabend]hatte, fragt die Anwältin. Verteidigerin Sturm beanstandet die Frage. Ob sie ein Foto von sich zur Verfügung stellen könnte, wie sie 1996 ausgesehen habe, wird die Zeugin gefragt. Sie wisse nicht ob sie noch eins habe. Im Vergleich zum BBC-Foto 1998 habe sie damals wohl etwas längere Haare gehabt, sagt die Zeugin.
RA Stahl fragt, was die Zeugin damit gemeint habe, als sie die Drei als verschworene Einheit bezeichnet habe. Das habe sie doch schon gesagt, erwidert diese, sie habe keine persönliche Wahrnehmung von den dreien zusammen gehabt. Wer denn diese von ihr geschilderten Meinungen in der Szene vertreten habe, will Stahl wissen. Das habe jeder vertreten, man habe nicht ständig ein Gesinnungsupdate gemacht, das habe sich von selbst verstanden. Von André Kapke könne sie das pauschal so sagen, weil sie mehrfach solche Diskussionen mit ihm gehabt habe, von solchen Diskussionen mit anderen Leuten könne sie nicht so konkret berichten, auch nicht bezüglich Beate Zschäpe. Ohne das Videomaterial hätte sie auch nicht formulieren können, wie sie in Bezug auf den NS gedacht hätten. Ihre damalige Einstellung oder die von anderen Leuten könne sie nicht darstellen, höchstens die von André Kapke. Bei dem Besuch bei Frau Zschäpe habe sie doch eine Waffe gesehen, fragt Stahl. Ja, berichtet die Zeugin, sie hätten dort an einem Tisch gesessen, sie sei sich inzwischen auch sicher, dass Zschäpe die an dem Abend sogar mit hatte, denn auf der Rückfahrt von der Disko seien sie von einem Mann mittleren Alters mit Bart mitgenommen worden. Diesem habe Zschäpe, die auf dem Beifahrersitz saß, die Waffe gezeigt. Sie habe das Gefühl gehabt, dass es um Selbstschutz gegangen sei. Der Mann habe auch nicht komisch reagiert, sei auf das Gespräch eingegangen, sei nicht entsetzt gewesen, was man ja hätte erwarten können. Sie selbst sei sehr müde gewesen, vielleicht habe sie auch geschlafen, auf der Rückbank. Aber sie erinnere sich an diese Bruchstücke. Rain Sturm fragt nach, was denn „übliche Provokationen“ seien, wenn sie den Vorfall mit den Uniformen im KZ Buchenwald als ungewöhnlich empfunden habe. Die Zeugin sagt zögernd, das Tragen von verfassungswidrigen Kennzeichen, verbotene Zeichen auf T-Shirts, das hätten sich manche getraut, andere aber auch nicht.
RAin Schneiders fragt die Zeugin zur Vernehmungssituation bei der Polizei 2012 und die Zeugin berichtet, dass es drei Leute waren, eine Frau die protokolliert habe, ein Mann der ihr gegenüber gesessen, aber nichts gesagt habe und einer, der die Fragen gestellt habe. Ob das mitgeschnitten wurde, könne sie nicht sagen. Sie habe das sehr lange Protokoll dann überflogen, nicht genau gelesen, und unterschrieben. Konkret gefragt worden sei sie nach Kapke, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, ihr sei auch ein ganzer Ordner mit Fotos vorgelegt worden. Auch zu Wohlleben sei sie gefragt worden, aber sie könne nicht sagen, dass das übermäßig häufig gewesen wäre. Ob sie mal auf dem Bafög-Amt in Jena gewesen sei, fragt Schneiders, was die Zeugin bejaht. Ob sie zusammen mit Kapke da gewesen sei oder wo das konkret war, könne sie sich aber nicht erinnern. Sie habe in ihrer Aussage gesagt, dass sie den Eindruck hatte, dass Wohlleben nicht zum engeren Kreis gehörte, hält Schneiders ihr vor, wer habe dann zum engeren Kreis gehört. Die Zeugin antwortet, sie habe die Drei gemeint. Ob Wohlleben beim BBC-Interview dabei gewesen sei, könne sie heute nicht sicher sagen, sie könne es sich aber vorstellen. Der habe ein weißes Auto gehabt, vielleicht seien sie damit hin gefahren, aber sicher sei sie sich nicht. Was sie auf Borkum dem VS an Privatem erzählt habe, wisse sie nicht mehr. Dass die sie ermutigt hätten, in der Szene zu bleiben, könne sie ausschließen. Schneiders fragt, ob sie Kapkes Aussage im Prozess (vgl. 59. Verhandlungstag) zu den Themen Umweltpolitik und Naturschutz bestätigen könne, was die Zeugin relativ vehement ablehnt. Sie habe gedacht, als sie das gelesen habe: Was für ein Quatsch. Sie glaube auch nicht, dass Kapke mal in Gorleben gewesen sei. Wohlleben-Verteidiger Klemke fragt sie erneut zu der Geburtstagszeitung, ob sie wissen, was die tatsächlichen Hintergründe der Artikel sein könnten, was sie verneint. Auf seine Frage, ob ihr Behauptungen bekannt seien, dass es in Buchenwald Tötungen durch Giftgas gegeben habe, sagt sie, das wisse sie heute, dass das nicht so war. Damals habe sie darüber nicht viel nachgedacht. Auf Nachfrage, woher sie erfahren habe, dass die beiden linksalternativen Mädchen nach dem Gespräch in der Kneipe „bedrängt“ worden seien, sagt sie, das wisse sie nicht mehr, ob gleich danach oder ein paar Tage später oder erst im Zuge der Ermittlungen. Sie wisse aber noch, dass sie mit André darüber diskutiert habe. Sie sei sauer gewesen, denn sie sei sich selbst verarscht vorgekommen, denn das sei eine Falle gewesen, von der sie nichts gewusst habe. Wie genau die Vermittlung von Christian K. ausgesehen habe, wisse sie nicht. Aber sie nehme an, dass sie mit dem Auto, dem Golf, den André damals fuhr, dorthin gefahren sei. Der Imbiss sei so eine kleine Hütte an einer Endhaltestelle gewesen, so ein Heiße-Hexe-Imbiss. Klemke sagt, Kapke habe in der Hauptverhandlung gesagt, der Vorfall soll vor dem Treffen gewesen sein, danach sei man dann zusammen Kaffee trinken gegangen. Nein, das könne nicht sein, sagt die Zeugin, denn wenn man mit mehreren Leuten die zwei Mädchen bedrängt und geschlagen habe, dann würden die sich doch nicht mit ihnen hinsetzen und nett reden. Klemke fragt, wieviele „Nazis“ (mit einem distanzierenden Unterton) denn dabei gewesen seien. Das wisse sie nicht mehr, aber es wären mehrere gewesen. Sie habe gesagt, sie hätten Namen und Adressen von den Leuten, die Reifen abstechen, in Erfahrung bringen sollen. Wie viele Fahrzeuge denn angezündet worden seien, fragt Klemke. Eines, antwortet die Zeugin, das von Christian K., glaube sie. Die Scheiben von mindestens zwei weiteren, unter anderem dem von André Kapke, seien betroffen gewesen. Die Morddrohungen und Anrufe beim Vermieter haben nur sie betroffen. Ihr Vermieter habe gesagt, dass er unter Druck sei, er hatte ein Weingeschäft unten im Haus und habe Angst darum gehabt. Wie die Drohungen im Einzelnen ausgesehen habe, könne sie nicht sagen. Die Comiczeichnungen hätten aber überall gehangen, auch unten am Tor, die könne er nicht übersehen haben. Eine Anzeige habe sie nicht gemacht, da sie einfach ihre Ruhe haben wollte. Sie habe dann in Lobeda eine Wohnung gefunden und auch da habe sie einen militanten Linken als Nachbar gehabt, da habe sie jeden Tag „einen roten Punkt auf der Stirn“ gehabt. Sie könne das nachvollziehen, dass das als Provokation empfunden wurde, dass sie direkt um die Ecke der Jungen Gemeinde einzieht, die Mittel habe sie nicht nachvollziehen können. Ob sie denn kein Recht auf eine Wohnung habe, fragt Klemke. Die Zeugin sagt, dass die anderen gedacht hätten, dass André da eine Nazi-Homezone machen würde, das könne sie verstehen, aber sie seien auch nicht davon abzubringen gewesen. Klemke kommentiert: Der André Kapke hat also kein Recht auf eine Wohnung?! Götzl unterbricht ihn, das laufe jetzt auf eine Erklärung hinaus und Klemke zieht seinen Einwand zurück. Nach einer kurzen Pause fragt Klemke weiter, ob denn der Kreis Kapke-Wohlleben damals den Kapitalismus kritisiert, mit Demokratie gleichgesetzt und das auf Antisemitismus bezogen hätten. Die Zeugin sagt, es sei sie gewesen, die Demokratie und Kapitalismus gleichgesetzt habe. Aber beim Antikapitalismus ging es schon immer um Juden und Finanzen und so, sie könne das aber nicht mehr genau sagen, es sei über Schlagworte verhandelt worden. Man sei sich politisch einig gewesen, das habe über Zugehörigkeit funktioniert. Gegen Überfremdung zu sein, sei damals üblich gewesen. Klemke sagt, er wisse nicht, was damals üblich war. Die Zeugin wiederholt, gegen Überfremdung und gegen Kapitalismus, kann aber die Frage, wie das am historischen NS orientiert gewesen sei, nicht konkreter erläutern. Klemke will konkretere Aussagen wie die Ablehnung der „Überfremdung“ denn ausgesehen habe, unterbricht die Zeugin aber öfters bei ihren Versuchen zu antworten, bis Götzl interveniert, er solle sie aussprechen lassen.
Der Sachverständige Saß befragt die Zeugin, was sie gemeint habe, als sie vom autoritären Auftreten der beiden Uwes gesprochen habe. Sie glaube, sie habe die Uniformen gemeint, antwortet diese, sie habe ihr Verhalten ja eigentlich nie selbst mitbekommen. Zschäpes Verhalten schildert sie auf Nachfrage als selbstbewusst, offen, aufgeschlossen. Sie sei eine Persönlichkeit gewesen, war freundlich, witzig. Sie habe ihr mit ihrem Selbstvertrauen imponiert, denn damals habe sie selbst nicht so viel Selbstvertrauen gehabt. Mehr könne sie dazu nicht sagen. Warum sie Mundlos und Böhnhardt zur Scheitelträgerfraktion gezählt habe, erklärt die Zeugin damit, dass das zwar keine festen Kategorien seien, Skinheads aber in einer Band waren, tranken und Spaß hatten. Die Leute die gewillt sind, politische Aktionen zu machen, was zu ändern, das seien die anderen gewesen, die Scheitelträger, die hätten halt manchmal auch keine Glatze gehabt.
Erneut fragt Stahl nach, was sie denn mit „selbstbewusst“ in Bezug auf Zschäpe meine. Zschäpe habe ein Selbstverständnis gehabt, wie man sich das als junges Mädchen wünsche, sagt die Zeugin. Sie sei auf Leute zugegangen, habe Dinge geklärt. Klemke erwidert, die Zeugin sei 16 gewesen, Zschäpe 23, woran sie das nun festmache, abgesehen vom Altersunterschied. Die Zeugin sagt, Zschäpe habe eine aufrechte Haltung gehabt. Die Situation mit dem Trampen sei ein Beispiel. Da habe Zschäpe das Fragen übernommen, habe sich neben den Typen gesetzt und habe ihm gesagt, wo sie hin wollen. Klemke fragt wieder nach, wieso das „sehr selbstbewusst“ sei. Die Zeugin erwidert, dann nähme sie das „sehr“ halt zurück, was wiederum Klemke auch nicht gefällt. Die Zeugin sagt, sie meine das im Vergleich zu ihr selbst. Klemke fragt, ob sie das Afrocenter kenne. Ja, das sei gegenüber von Paradies-Bahnhof, das sei in einem Turm drin gewesen, ein Ort wo sich Afrikaner getroffen haben. Vielleicht sei sie mal da gewesen, bevor sie mit den anderen rumgehangen habe, sie habe eine Freundin gehabt, die dort in der Nähe wohnte. Ob sie dort mal zu „Raggae Weihnachten“ gewesen sei, fragt Klemke, was die Zeugin verneint.
Da es keine weiteren Fragen gibt, wird die Zeugin Jana J. um kurz vor 16h unvereidigt entlassen.
RA Klemke gibt noch „ganz kurz“ eine Erklärung ab hinsichtlich der Personenbeschreibung der Zeugin von Zschäpe als „sehr“ selbstbewusst. Man müsse zugrunde legen, wie selten sie Umgang mit Zschäpe gehabt habe und man müsse auch den Altersunterschied betrachten. 1997 habe Zschäpe sich in Besitz einer Waffe befunden. Im Jahr 1997 stelle eine Waffe – und es gäbe keinen Hinweis darauf, dass es eine scharfe Waffe wäre, denn es sei offen damit umgegangen worden und man müsse ja glauben, dass es zum Selbstschutz sei – keinen verbotenen Gegenstand dar. Das heißt, es sei wohl eine Gaspistole gewesen, für die gab es 1997 keine waffenrechtlichen Vorgaben. Es sei ein legaler Gegenstand gewesen, das möge zwar zynisch klingen, aber so wäre es. Solche Gegenstände könnten in einer sozusagen gewaltbereiten Umgebung nach allen Seiten mitgetragen werden. Er wolle darauf hinweisen, dass es sich also um kein strafrechtlich relevantes Verhalten handele.
Nebenklagevertreter RA Stolle möchte sich eine Erklärung zu der Zeugin vorbehalten, ebenso die BAW. RA Narin erwidert auf Klemke, dass die Wahrnehmung der Zeugin als selbstbewusst wohl doch zutreffend sei, wenn sie sich zu einem Fremden ins Auto setzt und mit einer Waffe prahlt. Auch RA Hoffmann behält sich eine 257er-Erklärung vor. Götzl beendet den Verhandlungstag um 16:02 mit dem Hinweis, dass der nächste Prozesstag der 28.4, ein Montag sei, wo der Zeuge Enrico Th. erwartet werde.
Rechtsanwalt Stolle erklärt:
„Die Vernehmung hat noch mal deutlich gemacht, in welchem Umfeld das Trio politisch sozialisiert worden ist; ein Umfeld, in dem rassistische Einstellungen normal waren, Kritik am Kapitalismus ohne Antisemitismus nicht denkbar war und Zuwanderung mit Volksvernichtung gleichgesetzt worden ist. Wenn man sich aber in eine Situation hineinhalluziniert, dass dem deutschen Volk durch ‚Vermischung‘ die Vernichtung droht, ist es zum Mord als Mittel zu dessen Abwehr nicht mehr weit.“