Protokoll 214. Verhandlungstag – 30. Juni 2015

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Am heutigen Prozesstag ist zunächst Ha., ein Jugendfreund von Uwe Mundlos, erneut geladen. Dieser wird von Verteidigung und Nebenklage befragt. Danach sind Andreas Temme und seine Frau geladen. Es geht um Telefonate, die beide geführt haben. Beide bleiben bei der Aussage, dass Temme im Internetcafé nichts gesehen habe. Die im Beweisantrag hervorgehobenen Ausschnitte aus den Telefonaten erklären sie zu Banalitäten.

Zeug_innen:

  • Aleksander Ha. (Jugendfreund von Uwe Mundlos)
  • Eva S.-T. (Ehefrau von Andreas Temme)
  • Andreas Temme (Ex-Verfassungsschützer, zum Tatzeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am Tatort)

Heute ist Fototermin. Die Angeklagten betreten den Saal um 09:42 Uhr. Zschäpe wird von Sturm und Heer gegen die Kameras abgeschirmt. Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Als Nebenkläger_innen sind İsmail und Ayşe Yozgat sowie Frau Kilic-Aslan anwesend.

Nach der Präsenzfeststellung sagt Richter Götzl, dass der Senat soeben ein Schreiben von Zschäpe erhalten habe. Er verliest das Schreiben: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, hiermit beantrage ich, die Befragung von weiteren Zeugen erst nach Beiordnung von Rechtsanwalt Mathias Grasel fortzuführen. Mit freundlichen Grüßen, Beate Zschäpe. Dann sagt Götzl: „Sie sind anwaltlich vertreten, Frau Zschäpe, so dass der Fortgang der Hauptverhandlung stattfinden kann und an sich keine Veranlassung besteht, die Befragung von weiteren Zeugen hintanzustellen.“ Götzl fragt, ob Zschäpe dazu etwas sagen wolle. Zschäpe schüttelt den Kopf. Götzl fragt, ob der Antrag aufrechterhalten bleibe. Zschäpe nickt. Bundesanwalt Diemer sagt, dass es aus Sicht der BAW keinen Anlass gebe, mit der weiteren Befragung zu warten. Es sei Sinn der Pflichtverteidigung, dass man weitermachen könne, auch wenn die Angeklagte das nicht so will. Es folgt eine Unterbrechung bis 10:08 Uhr, nach der Götzl verkündet, dass der Antrag abgelehnt ist. Die Angeklagte werde von drei Anwälten vertreten, insofern sei die Verteidigung gewährleistet. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot sei die Fortsetzung geboten.

Dann wird die Einvernahme des Zeugen Ha. (zuletzt 204. Verhandlungstag) fortgesetzt. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders sagt, Ha. habe von Fahrten von Mundlos nach Chemnitz berichtet: „An welche einzelnen Berichte von Uwe Mundlos über Fahrten nach Chemnitz können Sie sich erinnern? Wie viele?“ Ha.: „An eine Zahl kann ich mich nicht erinnern, die einzelnen Berichte verschwimmen.“ Vorhalt aus einem Vernehmungsprotokoll von Ha.: Die Drei, also Kapke, Wohlleben und Zschäpe sind regelmäßig nach Chemnitz gefahren. Schneiders fragt, ob diese Information aus Berichten von Mundlos stammt. Ha.: „Diese Information stammt von Uwe Mundlos.“ Schneiders: „Nach unseren Erkenntnissen war Wohlleben nicht mit Zschäpe, Kapke und Mundlos in Chemnitz.“ Ha.: „Ich möchte Ihre Erkenntnisse nicht in Zweifel stellen.“ Schneiders: „Ändert das irgendwas an Ihrer Erinnerung in Bezug auf Wohlleben? Wie sicher ist Ihre Erinnerung in diesem Punkt?“ Ha.: „Die Sicherheit in der Aussage kann ich nicht relativieren. Das würde jetzt nichts an meiner Erinnerung ändern.“ Schneiders: „Sie haben da konkret auch Angaben zum Fahrzeug gemacht. Was ist da in Ihrer Erinnerung?“ Ha.: „Es gab da nur ein Fahrzeug, was Uwe gehörte, aber viele Gespräche mit Uwe. Daher kann ich zum Fahrzeug genaue Angaben machen, und zu den Gesprächen mit den diversen Inhalten kann ich keine detaillierten Angaben machen.“

Schneiders sagt, Ha. habe hier Angaben zum „“ auf der Lobdeburg gemacht und es auf Mitte der 90er eingegrenzt: „Können Sie angeben, woran Sie es festmachen, dass es das Fest der Völker war?“ Ha.: „Dieses Fest der Völker, soweit ich mich erinnere, wurde von Mundlos in Zusammenhang gebracht mit diesen beiden Terminen, mit Wintersonnwende und Sommersonnwende. Und in diesem Zusammenhang hat er den Begriff ‚Fest der Völker‘ genannt.“  Schneiders entgegnet, dass das erste „Fest der Völker“ aber erst 2005 stattgefunden habe. Ha.: „Dann glaube ich Ihnen das.“ Schneiders: „Wie kommen Sie dann auf Uwe Mundlos.“ Ha.: „Das ist das breitgetretene Phänomen, das mir diesen Zusammenhang ermöglicht.“ Schneiders: „Was meinen Sie damit?“ Ha.: „Dass ich dazu im Vorfeld auch andere Informationen gehört habe.“ Schneiders: „Vor 2011 oder erst danach, nachdem in den Medien vom so genannten NSU erstmals berichtet worden ist?“ Ha.: „Fällt mir sehr schwer. Ich denke, es ist relativ jung, ich würde aber nicht ausschließen, dass Uwe Mundlos davor schon davon gesprochen hat. Ob es davor schon diese Bezeichnung hatte, weiß ich nicht.“ [phon.]

Schneiders: „Können Sie sagen, bei welchen Gelegenheiten Sie Herrn Wohlleben getroffen haben, ob es persönliche Gespräche gegeben hat und um was es gegangen ist?“ Ha.: „Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, einige Male. Persönliche Gespräche hat es in ganz wenigen Sätzen gegeben. Das was mir in Erinnerung geblieben ist, habe ich hier schon ausgeführt, die Sache mit dem Fahrrad. Das einzige richtige Gespräch war das letzte.“ Schneiders: „Sie sagten, Sie schätzen Wohlleben so ein, dass er von der Gesinnung wie die anderen war, auch wie Mundlos. Wie kommt es zu dieser Einschätzung?“ Ha.: „Er war aufgrund der Aussage von Uwe Mundlos einer seiner engen Vertrauten. Er war in diesem Kreis, in dem sich Mundlos bewegt hat, eine Person, die oft dabei war. Und ich denke, dass ich mich an Kleidung erinnere, die er getragen hat. Diese einschlägigen Dinge, die in dem Kreis getragen werden.“ Schneiders sagt, Ha. habe von Hautproblemen bei Wohlleben berichtet, und dass Mundlos sich über Wohlleben lustig gemacht habe, man Wohlleben nicht so richtig ernst genommen hätte. Ha.: „Es ist ein Unterschied zwischen Spaßmachen und Intellektuell-nicht-ernst-nehmen, wenn ich das so sagen darf, und Ausgliedern einer Person aus der Gruppe. Ich meine damit, dass er Bestandteil der Gruppe war, aber, wie es häufig ist mit diesen kleinen Gebrechen, hin und wieder Gegenstand von leichtem – ich betone: leichtem – Spott war.“

Schneiders fragt, welche Informationen Ha. 1998 beim Untertauchen durch die Presse erlangt habe und welche erst ab dem Jahr 2011, wie und wo sich Ha. informiert habe. Ha.: „Also eine Informationsquelle sind Gespräche mit dem Vater von Uwe Mundlos. Über die Presselandschaft damals kann ich nichts sagen. Aus der jüngeren Geschichte, ab 2011, sind mir die Dinge, die durch die Medien gingen, bekannt. Was ich sagen kann, ist die Sache mit dem Wohnmobil in Eisenach, die Sache mit der Pistole.“ Ha. nennt auf Nachfrage weitere Details aus der Presse, vor allem bzgl. Wohlleben. Diese habe er aber nur am Rande mitbekommen, sein eigentlicher Interessenschwerpunkt sei Uwe Mundlos gewesen. Schneiders fragt, ob Ha. sagen könne, ob er sich sehr intensiv, mittelmäßig oder gar nicht intensiv damit beschäftigt habe. Ha.: „Da ich gelegentlich damit in Verbindung gebracht wurde, und auch durch Presseanfragen an mich, durch Vorladungen, die ich ertragen musste, habe ich mich unregelmäßig, gelegentlich und mittelmäßig intensiv damit beschäftigt.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Sie sagten aus, dass Herr Mundlos sehr offen über diesen Koffer berichtet habe, der auf dem Theaterplatz gefunden worden sei. Was meinen Sie mit ‚offen‘?“ Ha.: „Also, er hat in meiner Gegenwart keine Metaphern benutzt, sondern hat das Problem angesprochen.“ Klemke: „Was heißt das? Welches Problem hat Herr Mundlos gehabt?“ Ha.: „Das Problem, dass der Koffer, der gefunden wurde, ihm zugewiesen wurde.“ Klemke: „Hat er gesagt, wer ihm was zugeschrieben hat in Bezug auf diesen Koffer?“ Ha.:“Er hatte, soweit ich mich erinnere, häufig mit der Polizei zu tun.“ Klemke: „Mit wem hat er offen über den Koffer geredet?“ Ha.: „Nach meiner Kenntnis mit mir.“ Klemke: „Aha. Sie sind bereits nach weiteren Namen gefragt worden im Zusammenhang mit diesem Koffer und gaben hier an, Ihnen schwebe da so der Name Böhnhardt im Hinterkopf, weil das sein bester Freund gewesen sei. Können Sie sich dran erinnern, dass Sie das gesagt haben?“ Ha.: „Ob ich das so gesagt habe, weiß ich nicht. Aber den Namen Böhnhardt habe ich mit ins Spiel gebracht.“

Klemke: „‚Möglich, dass der Herr Mundlos den Herrn Böhnhardt erwähnt hat, weil das der engste Freund gewesen sei.‘ So mein Mitschrieb. Kommt da eine Erinnerung?“ Ha.: „Also, ich würde es nicht abstreiten.“ Klemke sagt, am zweiten Tag habe Ha. hier zu Namen aus dem Täterkreis auch Wohlleben, Kapke, Brandt genannt: „Wie kommen Sie drauf, nachdem Sie wenige Tage vorher lediglich den Namen Böhnhardt brachten?“ NK-Vertreterin RAin Lunnebach beanstandet, der Vorhalt sei unvollständig, auf Frage des Gerichtes, ob das die Namen in Bezug auf den Koffer waren, habe Ha. gesagt, dass er das nicht mehr sagen könne. Götzl: „Ich hatte das nochmal nachgefragt: ‚Was heißt: Namen sind nur aus dem engsten Freundeskreis gefallen?‘ Daraufhin habe Ha., so Götzl, die Namen André Kapke, Wohlleben und Brandt genannt, so seien die Namen ins Spiel gekommen. Und dann sei hier nachgefragt worden, ob das der Personenkreis sei und Ha. habe es letztlich nicht sagen können. Klemke fragt Ha.: „Also zur konkreten Schilderung von Namen seitens Uwe Mundlos können Sie keine Verknüpfung herstellen?“ Ha.: „Ja.“

Klemke: „Sie sind auch zum Spiel ‚‚ befragt worden und sagten, Sie hätten es selber gesehen. Wissen Sie noch bei welcher Gelegenheit?“ Ha.: „Nein.“ Klemke: „Sie sagten, dass Sie denken, der Uwe Mundlos sei an der Herstellung beteiligt gewesen, wenn er nicht gar Initiator gewesen sei. Gibt es dafür eine Grundlage?“ Ha.: „Also ich habe über das Spiel von Uwe Mundlos erfahren. Möglicherweise, und das ist wahrscheinlich der naheliegendste Punkt, habe ich es bei ihm gesehen. Und, das ist eine Einschätzung von mir, das würde zu seinem Naturell passen, diese Sache spielerisch zu gestalten.“ Klemke: „Also Sie ziehen diesen Schluss aus Persönlichkeitsmerkmalen?“ Ha.: „Unter anderem.“ Klemke: „Haben Sie eigentlich das Buch ‚Die Zelle‘ gelesen?“ Ha.: „Nein.“ Klemke: „Und ‚Heimatschutz‘?“ Ha.: „Nein.“

Klemke sagt, dass Ha. bei seiner zweiten Vernehmung hier berichtet habe, dass es irgendwann in Jena, in der rechten Szene, massivere Gewalt gegeben habe. Da sei auf Leute noch eingeschlagen worden, wenn sie am Boden lagen, politische Gegner, Ausländer. Klemke: „Haben Sie Vorfälle beobachtet?“ Ha.: „Das habe ich aus den Berichten von Uwe gehört.“ Klemke fragt, wann Mundlos was berichtet habe. Ha.: „Kann ich nicht sagen, das ist zu lange her.“ Klemke: „Was hat er inhaltlich konkret berichtet?“ Ha.; „Es ging um einen Konflikt, den er hatte, als er in der Berufsschule war in Jena-Göschwitz, mit ausländischen Mitschülern. Dann ging es bei anderer Gelegenheit um Kontakte mit, es waren, glaube ich, Vietnamesen. Und noch eine Art Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einer Demonstration, die sie gemacht haben, Gegendemonstration.“ Klemke: „Was hat er konkret gesagt?“ Ha.: „Dass es direkte Kontakte gab, mit Faustschlägen und Tritten.“ Klemke: „Bei all diesen drei Gelegenheiten?“ Ha.: „Ob es bei allen gewesen ist, kann ich nicht sagen.“ Klemke: „Jetzt sprachen Sie von Faustschlägen und Tritten. Hat er gesagt, von wem diese ausgingen, hat er auch was abbekommen?“ Ha.: „Ich habe Uwe Mundlos hin und wieder lädiert gesehen, geschwollenes Handgelenk, lädierte Finger, farbiges Gesicht, und in dem Zusammenhang hat er darüber gesprochen, dass er sich auch gewehrt hat.“ Klemke: „Er hat den Begriff ‚wehren‘ benutzt?“ Ha.: „Das hat er selbst wohl gesagt.“ [phon.]

RA Scharmer: „Ein Punkt, da geht es um den finanziellen Aufwand einer Zeitung, Organisation eines Festes und Anmieten einer Kneipe.“ Vorhalt: Ich kann Ihnen auch keine konkreten Personen nennen, ich erinnere mich aber an Einladungen von Altnazis, wie Uwe sie nannte; ich weiß, dass diese Treffen einmal in Hessen und einmal in NRW stattgefunden haben, Das war noch bevor Uwe aufs Ilmenau-Kolleg gegangen ist und ich erinnere mich auch noch, dass Uwe in dem Zusammenhang von einer finanziellen Basis und davon gesprochen hat, dass diese ‚Altnazis‘ den Nachwuchs im Osten unterstützen wollten. Scharmer: „Haben Sie Erkenntnisse, woher diese Altnazis kamen aus Hessen und NRW, konkrete Erinnerungen?“ Ha. sagt, er erinnere sich nicht weiter, könne das räumlich nicht weiter eingrenzen. Scharmer: „Gab es Kontakte von Uwe Mundlos nach Dortmund oder Kassel?“ Ha.: „Ich erinnere mich daran nicht.“ Scharmer: „Sagt Ihnen der Name Kai Dalek etwas?“ Ha.: „Nein.“

Scharmer hält aus dem Vernehmungsprotokoll die Frage an Ha. vor, ob Mundlos jemals Beziehungen zum VS erwähnt habe von ihm oder Freunden. Vorhalt der Antwort: Er hat in den letzten Monaten eine Sache von einem Stadion in Dresden erzählt, wo eine tote Person aufgefunden wurde, und in dem Zusammenhang hat er was von einem V-Mann erzählt; ich hatte den Eindruck, dass es um eine ihm bekannte Person geht; es ist möglich, dass er einen Namen genannt hat, an den ich mich nicht mehr erinnern kann; ich hatte eher den Eindruck dass er [Uwe] eher der Verfolgte war. Scharmer: „Erinnern Sie sich?“ Ha.: „Ja.“ Scharmer: „Das BKA hat danach Ermittlungen angestellt und ist auf ein Tötungsdelikt vom 10.11.1995 gekommen, wo die Brüder Sven und Michael Silbermann Opfer wurden.“ Ha. sagt, die Namen seien ihm nur aus der jüngeren Presse bekannt, seien ihm vorher nicht bekannt gewesen. Scharmer sagt, unter den in einer Garage in Jena, die man auch Mundlos zugeordnet habe, aufgefundenen Gegenständen sei ein Zeitungsartikel: „Ermordete Silbermann-Brüder – Einziger Zeuge hat Todesangst“. Scharmer: „Hat Ihnen Herr Mundlos mal einen Zeitungsartikel über diesen Fall gezeigt?“ Ha.: „Also daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern, ich denke nicht.“

Scharmer hält aus der zweiten Vernehmung von Ha, vor: Frage: Sie sagten, dass eine doppelte Arbeit macht, wie meinen Sie das? Scharmer: „Wissen sie noch was Sie gesagt haben?“ Ha.: „Was ich genau gesagt habe, weiß ich nicht. Da muss ich aus meiner Erinnerung schöpfen. Uwe hat mir gegenüber Misstrauen geäußert und vermutet, dass Herr Brandt sowohl Informationen an den Verfassungsschutz abgibt, als auch in der Szene tätig war als einer der Verantwortlichen für eine Zeitung. Das sind meine Erinnerungen.“ Vorhalt: Ich weiß, dass der Brandt einer von den höheren Personen in der Hierarchiestruktur war, und dass er für die Außendarstellung, also die Presse verantwortlich war; und eine Aussage, die Uwe mal gemacht hat war, dass Brandt auch mal Informationen an den Verfassungsschutz gegeben hat, die intern bleiben sollten. Scharmer: „Hat Mundlos das berichtet?“ Ha.: „Also die einzige Quelle, die ich dazu habe, ist die von Uwe, die Aussage, ja.“ Scharmer fragt, ob Mundlos berichtet habe, ob er selbst von VS-Behörden angesprochen wurde. Ha.: „Das ist möglich, aber ich erinnere mich nicht konkret an so ein Gespräch.“ Vorhalt: Das war aber nur eine Vermutung von Uwe; erzählt haben muss er mir das schon während seiner Armeezeit in Bad Frankenhausen; und Uwe sagte mir damals auch, dass er selbst Kontakt zum VS hatte; in seiner Armeezeit ist er wochenweise seinem Wehrdienst nicht nachgekommen und hatte deshalb Probleme, die durch Feldjäger dahingehend geklärt wurden, dass diese seine Anwesenheitspflicht durchgesetzt haben; deshalb war er gelegentlich in seiner Kaserne im Arrest und dort soll er Kontakt bzw. Besuch vom VS bekommen haben; ich vermute, dass er bei diesen Besuchen gemerkt hat, dass es einen Informanten aus der rechten Szene geben muss. Scharmer: „Hat Mundlos Ihnen das so berichtet?“ Ha.: „Ja, ich denke, das war so.“

RAin von der Behrens: „Erinnern Sie sich, ob Uwe Mundlos für die erwähnte Zeitung auch Artikel geschrieben hat?“ Ha.: „Uwe hatte eine rege Schreibtätigkeit, er war dazu auch intellektuell sehr gut in der Lage. Konkrete Artikel hab ich möglicherweise gesehen, kann mich aber nicht erinnern.“ V. d. Behrens: „Wissen Sie, was das für Schriftstücke waren, die er geschrieben hat?“ Ha.: „Ich weiß, dass er an Flugblättern gearbeitet hat und soweit ich mich erinnere, über sein damaliges Idol, Herrn Heß, den einen oder anderen Text verfasst hat.“ V. d. Behrens fragt, ob Mundlos mal erwähnt habe, so 1996, dass er oder die Gruppe ein Gartengrundstück oder eine Garage sucht zum Anmieten. Ha.: „Ich denke nicht. Ich weiß dass Herr Kapke ein Grundstück hatte, auf dem sie sich getroffen haben. Aber von einer Suche nach einem Grundstück weiß ich nichts oder kann mich nicht erinnern.“

V. d. Behrens fragt, ob Ha. auch Fahrten nach Zwickau in Erinnerung sind. Ha.: „Also, einzelne Fahrten dorthin sind mir nicht bekannt, aber ich glaube zu wissen, aus meiner Erinnerung heraus, dass das ein Zielort war, zu dem sie auch gefahren sind.“ Vorhalt aus einer Vernehmung Ha.s: In Zwickau, Chemnitz, Naumburg und Apolda müssen noch andere Objekte gewesen sein, dort ist das kleine Grüppchen häufiger hingefahren. Ha. verneint, dass zu dem Thema noch eine weitere Erinnerung zurück komme. V. d. Behrens fragt, ob Mundlos darüber gesprochen habe, dass die Vermutung über Brandt, dass der Informationen an den VS gibt, seine alleinige sei, oder ob das in der gesamten Szene bekannt gewesen sei. Ha.: „Über die gesamte Szene kann ich mich nicht äußern. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass Uwe gesagt hat, seine Freunde wissen Bescheid.“ V. d. Behrens: „Hat er gesagt, wo er das Wissen her hat?“ Ha.: „Er sagte, dass Informationen nach außen gedrungen sind, nach denen er möglicherweise gefragt wurde, die nur in dem ihm bekannten Kreis bekannt sein dürften .“ V. d. Behrens: „Hat Mundlos gesagt, ob er Brandt meidet oder nicht?“ Ha.: „Soweit ich weiß, hat er ihn nicht gemieden.“

RA Narin: „Hat sich Uwe Mundlos Ihnen gegenüber oder anderen gegenüber über ausländerfeindliche Anschläge, Rostock, Solingen, Mölln, geäußert?“ Ha.: „Es gab mit Sicherheit immer wieder Gespräche über diese Vorfälle. Ich weiß nur, und auch das ist wenig konkret in Erinnerung, dass er sich dazu nicht negativ geäußert hat.“ Narin: „Was heißt: nicht negativ?“ Ha.: „Er hat sie nicht verurteilt, sondern versucht zu begründen, denke ich, aus der Erinnerung heraus.“ Narin: „Zum Thema Treffen mit Altnazis: Ist Ihnen erinnerlich, ob in dem Zusammenhang Namen gefallen sind?“ Ha.: „Ich erinnere mich an keinen Namen, möglich ist es.“ Narin: „, kommt da eine Erinnerung?“ Ha.: „Nein, nicht im Zusammenhang mit Uwe.“ Narin: „In Zusammenhang mit anderen Beteiligten hier? Oder ganz allgemein?“ Ha.: „Mit niemanden hier.“

Narin fragt, ob Ha. wisse, ob Mundlos im Ilmenau-Kolleg mit Rechten Kontakt hatte. Ha.: „Nach den Erzählungen von Uwe gab es in Ilmenau das Gebäude an der Schnellstraße, das „Blaue Wunder“, und zu dem Objekt ist er häufiger gefahren, da gab es ein wöchentliches Treffen.“ Narin: „Haben Sie da mal Personen aus der rechten Szene gesehen?“ Ha.: „Vor dem Gebäude waren Personen. Beim Vorbeifahren. Eine Zuordnung würde mir schwer fallen.“ Narin: „War in Zusammenhang mit Fahrten nach Chemnitz von oder Ku-Klux-Klan die Rede?“ Ha.: „Den ersten Ausdruck kenne ich, da gab es ein Bild oder einen Sticker. Und den zweiten Ausdruck hat Mundlos auch verwendet.“ Narin: „Hat er den Ku-Klux-Klan mit Personen in Verbindung gebracht?“ Ha.: „Den ersten Ausdruck in Verbindung mit Musikgruppen. Den zweiten nicht konkret mit Personen.“

Narin fragt, ob germanische Mythologie, abgesehen von Sonnwendfeiern auch eine Rolle für Mundlos gespielt habe: Ha.: „Das war keine Person die an ein übergeordnetes Leben geglaubt hat. Aber er hat von Geschichte, von Walhalla und Odin gesprochen. Aber eher scherzhaft.“ Vorhalt aus einem Auswertevermerk von Briefen von Mundlos aus dem Jahr 1995: Während eines Konzertes outete sich ein Skin als unpolitisch und verunglimpfte den Odin-Glauben. Er sei von … Kameraden verprügelt worden. Narin: „Ist Ihnen so ein Vorfall in Erinnerung?“ Ha.: „Eher nicht. Scheint mir nicht ganz unbekannt, aber ich kann jetzt nichts dazu sagen.“ Narin fragt, ob die rumänische Herkunft Zschäpes Thema in der Gruppe oder Szene gewesen sei. Ha.: „Kann ich nicht sagen, weil ich da selten dabei war. Ich denke nicht, dass ich da was gehört habe. Von Uwe denke ich, dass es thematisiert wurde. Aber an ein Gesprächsereignis erinnere ich mich nicht konkret.“ Narin fragt, was Mundlos über Zschäpes Mutter erzählt habe. Dazu könne er aus der zeitlichen Entfernung nichts sagen, so Ha. Narin sagt, hier sei von einem Zeugen gesagt worden, Zschäpes Familie sei von Mundlos als „asozial“ bezeichnet worden: „Kommt dann eine Erinnerung, ob entsprechende Ausdrücke gefallen sind?“ Ha.: „Nein, an so was erinnere ich mich nicht.“

Der psychiatrische SV Saß fragt, ob Schule, Ausbildung, Beruf, Ziele Thema gewesen seien in Gesprächen mit Mundlos. Ha.: „Bestimmt wurde das thematisiert von uns.“ Saß: „Was für Vorstellungen hatte man für das weitere Leben, Ausbildung, berufliche Orientierung?“ Ha.: „Er ist ins Ilmenau-Kolleg eingetreten und da er naturwissenschaftlich und informatikbegabt war, hat er das studieren wollen, denke ich. Wenn es dazu gekommen wäre.“ Saß fragt, ob über Familienplanung, Lebensplanung gesprochen worden sei: Ha.: „Also, wir haben sicherlich drüber gesprochen. Aber konkret zu Familienplanung und Lebensplanung erinnere ich mich nicht, was er sich da vorgestellt hat.“ Saß: „Ist da auch mal mit Frau Zschäpe über solche Fragen gesprochen worden, Schule, Ausbildung, berufliche Ziele?“ Ha. sagt, er wisse von einer Lehrausbildung, die sie gemacht habe in einer Gartenbaufirma zwischen Stadtroda und Jena. Die weitere Lebensplanung, konkrete Ziele von Zschäpe seien ihm nicht mehr bekannt. Saß fragt, ob in dem Zusammenhang was gesagt worden sei, ob es ihr dort gefällt. Ha.: „Nach den Aussagen von Uwe hat es ihr nicht besonders gut gefallen dort. Anstrengende Arbeit. Mehr kann ich nicht erinnern.“ Saß: „Und in Hinblick auf Herrn Böhnhardt, wie es bei ihm mit Schule, Beruf, Ausbildung war?“ Ha.: „Ich denke, dass Uwe Mundlos über die Unterbrechung von Böhnhardts Ausbildung gesprochen hat. Über Lebensplanung ist mir auch da nichts bekannt.“

Götzl sagt, beim Thema Lobdeburg habe Ha. angegeben, dass das Ausstrecken der rechten Hand schon da gewesen sei, bevor es losgegangen sei, und auf die Nachfrage von RA Stahl habe Ha. gesagt: „Ich kann nach 18 Jahren nicht mehr sicher sein.“ Er wolle nachfragen, was damit gemeint sei, dass er nicht mehr sicher sein könne, so Götzl. Ha.: „Ich habe eine Erinnerung an die Handbewegung, an die drei ausgestreckten Finger. Und daran, dass Uwe im Kontakt war mit Freunden, die haben sich so begrüßt. Ob das ein Scherz war oder ernst gemeint, kann ich nicht sagen. Aber ich würde es nicht zuordnen wollen zu einem bestimmten Ereignis.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei. Ha.: „Es fällt mir sehr schwer, chronologisch ein Ereignis einzuordnen und damit solche nebensätzlichen [phon.] Handlungen zu definieren. Ich weiß noch, dass es das gab. Die Zusammenhänge sind aber sehr verschwommen.“

RA Heer sagt, es bleibe bei dem schon gestellten Antrag auf Vereidigung des Zeugen. OStA Weingarten nimmt Stellung: „Unterstellt, es handelt sich um einen wirksamen Antrag, tritt die Bundesanwaltschaft dem entgegen.“ Eine Vereidigung sei nicht geboten, die Aussage von Ha. sei nicht das allein entscheidende Beweismittel, noch stelle sie das Zünglein an der Waage dar. Der Zeuge habe auch ohne Eideszwang umfassende Bekundungen zu seinen Wahrnehmungen vorgenommen. RA Scharmer sagt, auch nach aktueller Bewertung seien die Aussagen glaubhaft, Ha. differenziere, wo er sich erinnern könne, ohne jeden Belastungseifer: „Es ist nicht ersichtlich, wo gerade diese Aussage eine Vereidigung erforderlich machen soll.“ Götzl: „Dann bleibt der Zeuge unvereidigt.“ Heer beantragt einen Senatsbeschluss. Es folgt eine Unterbrechung bis 11:56 Uhr, nach der Götzl den Beschluss verkündet, dass der Zeuge unvereidigt bleibt. Mehrere NK-Vertreter_innen behalten sich Erklärungen vor.

Dann geht es weiter mit der Zeugin Eva S.-T. Götzl sagt, es gehe darum, ob S.-T. Erkenntnisse hinsichtlich des Mitführens einer Plastiktüte durch ihren Mann beim Besuch im Internetcafé Yozgat am 06.04.2006 habe, und um ein Telefonat am 28.04.2006 von S.-T. mit Frau S. Dann belehrt Götzl S.-T. vorsorglich nach § 55 StPo. Dann bittet er die Zeugin zu sagen, was sie von sich aus zum Beweisthema sagen könne. S.-T.: „Ich weiß, dass er sich an dem Tag dort aufgehalten hat. Das weiß ich größtenteils aus der Presse und von dem was er damals erzählt hat. Die Polizei war auch da. Ich weiß nicht, ob er eine Plastiktüte dabei hatte oder einen Koffer oder einen Leinenbeutel oder einen Seesack. Ich weiß auch nicht, wie er gekleidet war, welche Klamotten er anhatte, das weiß ich nicht.“

Götzl: „Was haben Sie denn von Ihrem Mann erfahren und wann haben Sie das erfahren? Dass sie da noch ausholen.“ S.-T.: „Ich habe das erfahren, ich weiß das Datum nicht mehr genau, als die Polizei bei uns gewesen ist. Ich war an diesem Nachmittag in der Badewanne, hochschwanger. Er kam zu mir ins Bad und sagte: Die Polizei ist da, ich muss nach Kassel, ich komme nachher wieder. Und er kam erst am nächsten Tag zurück und ich habe dann nachträglich erfahren, dass er an diesem Tag dort gewesen ist.“ Götzl: „Was hat er berichtet?“ S.-T.: „Ich habe gesagt, er möchte bitte sagen, warum wir in dieser Situation sind. Und da hat er gesagt, dass er in dem Internetcafé gechattet hat und dass er mir das halt nicht sagen wollte.“ Götzl: „Haben Sie auch darüber gesprochen, ob er von der Tötung des Herrn Yozgat etwas mitbekommen hat?“ S.-T.: „Er hatte mir gesagt, dass er nichts mitbekommen hat.“ Götzl: „War Gesprächsthema zwischen Ihnen beiden gewesen, ob er dort im Internetcafé der Familie, ob er dort die Leiche des Herrn Yozgat gesehen hat?“ S.-T.: „Er hat mir gesagt, er hat nichts mitbekommen und er hat auch keine Leiche gesehen und er wäre sonst auch nicht gegangen.“

Götzl fragt, ob zum Thema Plastiktüte zwischen S.-T. und Temme gesprochen worden sei und ggf. wann. S.-T.: „Also, das Thema mit der Plastiktüte, das ist, was ich am Telefon zu einer Freundin wohl gesagt habe, was ich im Internet gelesen habe, weil nach neun Jahren weiß ich nicht mehr, was ich gesprochen habe. Die Polizei hat bei uns nach einer Plastiktüte gesucht, überall. Ich war völlig außer mir, was hier passiert, und habe mich dann, weil ich es nicht fassen konnte, dass die Polizei eine Plastiktüte sucht, das kam mir so gering vor, unschön geäußert. Mein Mann hat mit mir niemals über eine Plastiktüte gesprochen.“ Götzl fragt, ob sich S.-T. mit ihrem Mann denn mal über dieses Thema unterhalten habe, egal wann. S.-T.: „Er hat mir wohl gesagt, es wird nach einer Plastiktüte gesucht, und ja, dann haben wir nicht wirklich ein Gespräch über eine Plastiktüte gehabt. Er hat wohl gesagt, er hatte keine Plastiktüte, aber es wird wohl eine gesucht. Aber das war kein Gespräch, an das ich mich wirklich erinnern kann.“

Götzl fragt, was S.-T. dazu in Erinnerung habe. S.-T.: „Ich muss überlegen, ob ich das von der Polizei wusste. Nein, von denen wusste ich ja gar nichts, was gesucht wird. Er hat mir gesagt, dass die Polizei in seinem Büro und in seinem Elternhaus [phon.] nach Plastiktüten gesucht hat.“ Götzl: „Können Sie das noch zeitlich einordnen, das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrem Mann?“ S.-T.: „Das weiß ich jetzt nicht mehr.“ Sie bejaht, dass es 2006 gewesen sei. Götzl fragt, was S.-T. zu dem Telefonat vom 28.04. noch in Erinnerung habe. S.-T.: „Ich weiß nicht mal, mit wem ich da telefoniert habe. Ich war erbost, weil ich in der Situation war.“ Sie wisse es nicht mehr. Götzl: „Also keine Erinnerung zum Inhalt?“ S.-T.: „Also nichts, was ich nicht selber irgendwo gelesen hätte.“ Götzl sagt, dass es dann wohl sinnvoll sei, das Telefonat vorzuhalten. Götzl sagt in Richtung der NK Yozgat, dass er annehme, dass es nicht um das gesamte zweieinhalbstündige Gespräch, sondern nur um den Abschnitt beginnend mit 1:54:23 und endend mit 2:06:16 [beide Zahlen phon.]gehe. RA Bliwier: „Das ist zutreffend, der Rest ist wirklich unnötig.“ Götzl: „Sehe ich das richtig, das ist die Auffassung auch aller, die sich dem Antrag angeschlossen haben?“ Die NK-Vertreter_innen, die sich dem Antrag der NK Yozgat (siehe 188. Verhandlungstag) angeschlossen hatten, bestätigen das. Dann wird der Ausschnitt des Telefonats angehört.

[Es folgt die Wiedergabe der Audiodatei des Telefonats vom 28.4.2006 zwischen S.-T. und S. Aus redaktionellen Gründen können wir das Telefonat hier nicht wiedergeben. Auf wichtige Stellen gehen die Verfahrensbeteiligten im Verlauf der weiteren Vernehmung mit Vorhalten ein. Siehe zum Inhalt des Telefonats auch die Beweisanträge der NK Yozgat vom 188. Verhandlungstag.]

Dann fragt Götzl: „Sie haben es gehört, was sagen Sie denn dazu?“ S.-T.: „Ich bin ein bisschen erschrocken, was ich so gesprochen habe. Aber ich war voller Wut und Zorn und verängstigt, was da in unserem Leben passiert. Ich habe nicht geheult, sondern solche Sachen dahin gesagt. Da bin ich nicht stolz drauf. Das mit der Tüte habe ich sehr verballhornt. Und dass ich mich so scheußlich geäußert habe über türkische Menschen, das ist nicht meine Einstellung. Mein Mann hat nicht mit mir gesprochen. Und die Frau am Telefon, das ist meine Schwester, da konnte ich Druck loswerden, Angst loswerden. Ich habe nicht zu Hause gesessen und geweint oder so. So kann ich das nur erklären, eine andere Erklärung hab ich dafür nicht.“ Götzl: „Kommt Ihnen die Situation wieder in Erinnerung?“ S.-T.: „Ja.“ Dann folgt die Mittagspause bis 13:35 Uhr.

Danach fragt Götzl, seit wann S.-T. ihren Mann kenne. S.-T.: „Dezember 2004.“ Geheiratet hätten sie ein Jahr später im Dezember 2005. Götzl fragt, welche Kenntnis S.-T. über Temmes dienstliche Tätigkeit gehabt habe. S.-T.: „Ich wusste, dass er beim Verfassungsschutz arbeitet, aber ich hatte überhaupt keine Vorstellung.“ Götzl möchte wissen, ob S.-T. Informationen gehabt habe vor diesen Ereignissen, ob ihr Mann Internetcafés aufsucht. S.-T. verneint das. Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung an den Tattag, den 06.04.2006, und die Tage danach?“ S.-T.: „An den 06.04. kann ich mich nicht erinnern, aber die Tage danach, weil das der Geburtstag meiner Schwiegermutter war und der Geburtstag von meinem Sohn.“ Götzl: „Wann haben Sie von dem Geschehen in Kassel, 06.04, Tötung des Herrn Yozgat, Kenntnis bekommen?“ S.-T.: „Ich habe das bei uns in einem regionalen Blättchen gelesen, ‚Hofgeismar aktuell‘ oder so. Aber wann das gewesen ist, kann ich nicht mehr sagen. In der Zeit danach.“

Götzl fragt, ob S.-T. darüber mit ihrem Mann gesprochen habe. S.-T.: „Ja, wir haben das gelesen und: Ach du liebe Zeit, das ist ja in Kassel. Und da hat er gesagt, dass er schon mal in dem Café gewesen ist.“ Götzl fragt, ob Temme dazu näheres geschildert habe. S.-T.: „Nein.“ Götzl: „Ob dienstlich oder privat?“ S.-T. verneint das. Götzl: „War denn vom Opfer die Rede?“ S.-T.: „Nein.“ Götzl: „Bevor es zu den Ermittlungen kam, den Durchsuchungen, war denn in der Zeit davor mal die Rede davon, ob er das Opfer kennt, zwischen Ihnen beiden?“ S.-T.: „Ich denke nicht, nein.“ Sie bejaht, sich zu erinnern, dass Sie von der Polizei vernommen wurde. Auf Frage sagt S.-T.: „Mein Mann wurde abgeholt freitags und ich glaube, das war dann, ich weiß das Datum nicht, irgendwie samstags gewesen. Und worum ging es? Immer wieder um diesen 7. April.“ Götzl: „Wissen Sie, um welche Fragen es ging?“ S.-T.: „In seinem Auto war ein Parkschein gefunden worden und der wurde fälschlich so gelesen, dass der vom 7. April war. Aber es ging um Februar, die 7. Kalenderwoche. Deswegen habe ich gesagt, ich erinnere mich genau, mein Mann war zu Hause. Und da ging es wieder darum, dass er in Kassel gewesen sein muss, weil man in seinem Auto diesen Parkschein gefunden hatte.“

Götzl fragt, ob S.-T. wisse, ob sie damals zu Hause einen Internetanschluss gehabt hätten. S.-T.: „Mein Mann hatte einen Laptop, nicht mal so einen Rechner oder so. Ich weiß, dass wir jetzt einen haben, aber zu der Zeit kann ich das nicht sagen.“ Vorhalt aus S.-T.s Vernehmung: Frage: Haben Sie einen Internetanschluss in der Wohnung oder ist Ihnen bekannt, dass Ihr Mann öfters ins Internet gegangen ist und wo? – Antwort: Ich weiß nur dass er unsere Bankgeschäfte über das Internet abgewickelt hat; mein Sohn hat einen Computer ohne Internetanschluss; der Andreas ist mit seinem Laptop hier bei uns zu Hause schon ins Internet gegangen. S.-T.: „Ja.“ Vorhalt: Er hat mir auch erzählt, dass er in irgendwelche Internetcafés geht, das hätte aber was mit seiner Arbeit zu tun. S.-T.: „Er hat mir mal gesagt, dass er, wenn er Links bekommt, irgendwelche Internetadressen, dass er die auch kontrolliert in einem Internetcafé, dass er sich nicht einen Virus auf den Rechner holt. Ich kenne mich da nicht aus.“

Vorhalt: Frage: Können Sie sich noch an den 06.04.2006 erinnern? Antwort: Nein, ich kann mich nicht mehr genau an diesen Tag erinnern; es war wohl Donnerstag, wie ich auf dem Kalender sehe; wie das da genau gewesen ist vor dem langen Wochenende und vor den Osterferien, kann ich nichts zu sagen; wenn irgendetwas Besonderes passiert wäre, hätte ich mich bestimmt daran erinnern können. S.-T. bejaht das. Am 07. habe ihre Schwiegermutter Geburtstag, aber an den 06.04. erinnere sie sich nicht. Götzl fragt nach dem 07.04. S.-T.: „Wir haben zusammen gefrühstückt, mein Sohn hatte schon nach der dritten Stunde Schule aus, haben ihn von der Schule abgeholt, die erste Babybettwäsche gekauft, solche Sachen.“ Vorhalt: Der Tag hat eigentlich ganz normal angefangen; mein Sohn […] ist in die Schule gegangen, er hatte an diesem Tag nur drei Stunden, es gab ja danach Ferien; ich hatte also mit meinem Sohn gefrühstückt, er ist dann in die Schule gegangen; mein Mann hatte an diesem Tag Urlaub und wir sind dann später ebenfalls in die Stadt gegangen und haben einen Rahmen für seine Mutter, die an diesem Tag Geburtstag hatte, gekauft. S.-T. sagt, es könne auch sein, dass sie einen Rahmen gekauft hätten, aber sie wisse, dass sie auch Babybettwäsche gekauft hätten.

Vorhalt: Der Andreas und ich haben dann [S.-T.s Sohn] gegen 10:30 Uhr von der Schule abgeholt; wir sind nach Hause gegangen und haben so gegen 12 Uhr zusammen gegessen; das nächste an das ich mich erinnern kann ist, dass zwischen 14 Uhr und 15 Uhr mein Ex-Mann [S.] vorbeikam, um den [Sohn] abzuholen; der [Sohn] hat dann die nächsten zehn [phon.] Tage bei ihm verbracht. S.-T.: „Das wusste ich jetzt schon nicht mehr.“ Dann sagt Götzl, dass der Beamte S.-T. etwas vorgehalten habe: Sie haben gestern mit Ihrem Mann ein kurzes Telefongespräch geführt; er hat sich bei Ihnen dafür entschuldigt, dass er Ihnen nicht gesagt hätte, dass er im Internetcafé war; Sie haben daraufhin gesagt, dass er ihnen doch gesagt hätte, dass er vorbeigefahren wäre. S.-T.: „Das ist neun Jahre her.“ Vorhalt: Ja, in meiner Erinnerung war das so, dass ich das Ganze am Sonntag nach der Tat im ‚Extra-Tip‘ gelesen hatte; ich habe ihm das dann irgendwie auch erzählt, was da drin steht und er hat dann nur gesagt, dass er ja da vorbeigefahren wäre. Götzl: „Kommt da eine Erinnerung?“ S.-T.: „Ich erinnere mich, dass ich sowas gesagt habe. Was ist Ihre Frage?“ Götzl: „Ob das so war, wie es hier steht im Protokoll, ob Ihr Mann zu Ihnen gesagt hat, dass er da vorbeigefahren wäre?“ S.-T.: „Ich denke, ja.“ Götzl: „Hat er das näher ausgeführt, gab es da nähere Informationen von seiner Seite dazu?“ S.-T.: „Ich weiß es nicht mehr.“

Vorhalt: Das kam für mich so rüber, dass er es wusste, und, da das Ganze ja auf seinem Nachhauseweg liegt, auch gesehen hat; er hat mir bei diesem Gespräch auch gesagt, dass er den Getöteten kennt; ich habe mir darüber aber keine weiteren Gedanken gemacht, weil ich dachte, dass das irgendwas mit seinem Beruf zu tun hat. S.-T.: „Wenn ich das so gesagt habe. Ich erinnere mich an die Vernehmung nicht mehr so detailliert.“ Götzl: „Das ist das eine. Aber der Inhalt, was Sie da zu sagen können. Können Sie sich erinnern, dass Ihr Mann gesagt hätte, dass er da vorbeigefahren wäre?“ S.-T.: „Ich weiß, dass er so was gesagt hat, aber ich weiß nicht mehr wann und in welchem Zusammenhang. Auch ‚Extra-Tip‘: Ich weiß, dass wir darüber gesprochen haben, aber da kann ich Ihnen auch nicht mehr sagen, wann.“ Götzl: „‚Er hat mir gesagt, dass er den Getöteten kennt.‘ Können Sie sich erinnern, dass das damals im Gespräch so gefallen ist?“ S.-T.: „Weil er ja gesagt hat, dass er hin und wieder dort diese Adressen checkt, vielleicht deswegen, dass er ihn daher kennt? Aber ich weiß es nicht mehr.“ Götzl fragt, ob S.-T. eine Erinnerung an die Zeit um das Wochenende 06.04./ 07.04./ 08.04. habe, in welcher Verfassung ihr Mann damals war. S.-T.: „Also, in keiner besonderen, denke, so wie immer. Wir haben am 07. seine Mutter besucht zum Geburtstag. Er war nicht anders als sonst.“

RA Bliwier: „Sie haben ja vorhin dieses Telefonat hören können, wo es drum gegangen ist, dass Ihr Mann abends da sitzt mit dem Laptop und später ins Bett kommt. Über welchen Zeitraum sprechen Sie da und wie oft ist das passiert?“ S.-T:: „Das ist also schon häufiger als einmal passiert. Ich kann den Zeitraum nicht mehr sagen. Häufiger als einmal, aber nicht sehr oft, also nicht täglich.“ Vorhalt aus dem Telefonat: Und, äh, er hat dann in der letzten Zeit auch unglaublich oft hier zu Hause abends, wenn ich dann irgendwie ins Bett gegangen bin: Ja, ich gucke hier nur noch schnell was, ich komme gleich. Und ich habe ja niemals ihm über die Schulter geguckt! Auf die Idee wäre ich ja nie gekommen. Weißt du, er sitzt dann da auf dem Fußboden vor der Heizung, das Ding auf den Knien. Bliwier sagt, es gehe ihm um die Formulierung ‚unglaublich oft‘. S.-T.: „Im Gegensatz zu ‚vorher gar nicht‘ vielleicht, und ja.“ Bliwier: „Vorher gar nicht? Können Sie das an einem Zeitraum festmachen? Wann fing diese Phase an, die Sie hier beschreiben?“ S.-T.: „Ich denke, im Januar 2006.“ Bliwier: „Davor eigentlich eher nicht und ab Januar dann das, was Sie hier feststellen im Telefonat?“ S.-T.: „Davor war es sehr trubelig, wir hatten geheiratet, sind umgezogen, und dann kehrte Ruhe ein. Ich denke, so seit Januar.“

Bliwier sagt, eben habe S.-T. angegeben, dass ihr Mann zusammengefasst gesagt habe: „Ich war da, aber ich habe nichts gesehen.“ Bliwier: „Erstrecken sich die Mitteilungen Ihres Mannes auf diesen einen Satz zum Geschehen im Internetcafé?“ S.-T.: „Im Prinzip ja. Natürlich hat er nicht nur ein einziges Mal zu mir diesen einen Satz gesagt und wir haben uns nie wieder drüber unterhalten. Dafür hat es uns zu sehr betroffen [phon., evtl. „getroffen“]. Wir haben uns natürlich drüber unterhalten, aber schlussendlich: Ich bin dort gewesen und habe nichts gesehen, hat er immer wieder gesagt.“ Bliwier: „Haben Sie Nachfragen gestellt in solchen Gesprächen?“ S.-T.: „Bestimmt habe ich gefragt: Wie sieht es aus, wie kann das sein, du bist da und bekommst das nicht mit? Dann hat er gesagt, er kann es sich selber nicht erklären. Also, was er immer gesagt hat, was er auch hier gesagt hat.“ Bliwier: „Haben Sie eine Situation vor Augen, wo Sie Ihren Mann das so fragen?“ S.-T.: „Ich muss einen Moment überlegen.“ Nach einer kurzen Pause sagt sie, sie hätten nicht viel drüber gesprochen: „Ich habe mich in der Zeit ja auch nicht toll verhalten, war erbost, verängstigt, bin mit ihm nicht gut umgegangen, weil ich war wütend auf ihn. Er war schuld an dem Chaos in meinem Leben. Wenn ich gefragt habe, hat er gesagt, er war im Internetcafé, war im Hinterraum, ist raus gegangen und hat nichts gesehen.“

Bliwier fragt, ob S.-T. mal da gewesen sei, sich das Café angeschaut habe. S.-T.: „Nein.“ Bliwier: „Haben Sie Ihren Mann mal gebeten, eine Zeichnung zu machen oder das zu schildern wie die Räumlichkeiten sind?“ S.-T.: „Nein.“ Bliwier fragt, ob sie mit Ihrem Mann mal gesprochen habe, wie das dienstlich weitergeht, wie die Dienststelle reagiert hat. S.-T.: „Weiß ich gar nicht mehr.“ Sie bejaht mitbekommen zu haben, dass Ihr Mann suspendiert wurde. Bliwier: „Und die Frage seiner beruflichen Perspektive haben Sie nicht besprochen? Ich frage das deshalb, weil wir Telefonate haben, wo Herr Hess beispielsweise bei Ihnen zu Hause anruft.“ S.-T.: „Wir haben bestimmt mal gesprochen. Das sage ich aber nur, weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass wir nicht drüber gesprochen haben, aber ich kann mich nicht mehr an die einzelnen Gespräche erinnern.“ Bliwier fragt zum Thema Plastiktüte im Telefonat: „Ich hatte sie eben so verstanden, dass ein Gespräch mit Ihrem Mann eigentlich nicht stattgefunden hat, Sie also mit Ihrem Mann über das Plastiktütenthema eigentlich gar nicht gesprochen haben.“ S.-T.: „Er hat mir gesagt, dass nach einer Plastiktüte gesucht wird. Und wir haben bestimmt Sätze ausgetauscht, aber kann nicht sagen, dass das ein Gespräch geworden wäre. Aber ich fand das so banal, deswegen habe ich mich lustig drüber gemacht. Bin ich nicht stolz drauf. Warum Plastiktüte? Jeder Mensch benutzt Plastiktüten.“ Aber es sei nicht so gewesen, dass sie da mit ihm ein längeres Gespräch gehabt hätte, so S.-T. weiter.

Bliwier: „Haben Sie damals erfahren, was es mit dieser Plastiktüte möglicherweise für eine Bewandtnis hat, warum die so wichtig war?“ S.-T.: „Das habe ich wohl irgendwann erfahren, aber kann nicht sagen, ab wann ich das wusste.“ Bliwier: „Das ist mir auch nicht wichtig. Aber warum war das wohl wichtig mit der Plastiktüte?“ S.-T.: „Weil da wohl eine Waffe drin gewesen sein soll.“ Bliwier fragt, woher diese Information komme. S.-T.: „Ich habe so viel gelesen in der Zeit, auch im Internet dann später und auch viel später diese ganzen Sachen, die früher drin standen in der Zeitung. Ich kann es nicht mehr sagen, woher ich das weiß.“ Bliwier hält aus dem Telefonat vor: Ne, und nun hat er mir das dann erzählt mit dieser Plastiktüte, dass die da dauernd drauf rumgeritten sind. Sage ich: Was habe ich Dir gesagt? Ne, willst du nicht mal auf mich hören? Nimm keine Plastiktüte! Bliwier: „Wie hat eigentlich Ihr Mann darauf reagiert?“ OStA Weingarten beanstandet, weil nicht klar sei, worauf Temme reagiert habe.

Bliwier fragt S.-T.: „Sie geben ein Gespräch gegenüber Ihrer Schwester wieder. Hat es das Gespräch so gegeben?“ S.-T.: „Da bin ich mir nicht mal sicher. Bin mir nicht sicher, ob ich das zu ihm gesagt habe: Plastiktüte ist verdächtig, nimm lieber einen Leinenbeutel. Ich habe das verballhornt. Das war so ein Druckablassen meiner Schwester gegenüber. Ich hätte auch sagen können: Wer Schokoladenpudding isst, macht sich verdächtig.“ Sie könne nicht mal sagen, dass es das Gespräch gab, so S.-T. Vorhalt: Und ich habe dann zu ihm gesagt: Pass mal auf! Ich kann das nicht leiden, wenn wir einkaufen oder wenn er einkaufen geht und nimmt immer Plastiktüten. S.-T.: „Er hat ständig welche gekauft und ich mochte nicht, dass der Plastiktütenberg zu Hause immer größer wird.“ Bliwier: „Dieses Gespräch hat es aber gegeben, oder?“ S.-T.: „Ja, das hat es gegeben.“ Vorhalt: Männer die Plastiktüten tragen sehen doof aus. S.-T. bejaht, dass es das Gespräch auch gegeben habe. Bliwier fragt, ob es das Gespräch gegeben habe, in dem S.-T. davon spreche, dass „die da drauf rumgeritten sind“ und dass sie gefragt habe, ob er mal auf sie hören würde. S.-T. sagt, sie könne es sich vorstellen, wisse es aber nicht mehr. Das könne man ihren Mann fragen: „Vielleicht erinnert er sich daran, dass ich so frech zu ihm war.“

Bliwier: „Diese andere Passage, wo Sie schildern, wie widerlich die Holländische Straße sei, Kassel-Nord, und gefährliches Pflaster, soll Ihr Mann Ihnen immer wieder erzählt haben. Was hat er Ihnen erzählt?“ S.-T.: „Ich habe ihm mal erzählt, dass ich so mit 15 häufig von Hofgeismar nach Kassel getrampt bin und immer von der Holländischen Straße zurück getrampt bin, und dann hat er gesagt, dass es gefährlich wäre, da lang zu gehen.“ Bliwier fragt, ob S.-T. nachgefragt habe. S.-T.: „Ich trampe ja nicht mehr, da brauche ich keine näheren Informationen mehr.“ RA Kienzle: „Hat in der Zeit ab dem 06.04. das Landesamt irgendwann mal zu Ihnen Kontakt aufgenommen?“ S.-T.: „Das weiß ich nicht.“ Kienzle: „Das wissen Sie nicht? Gut, vielen Dank.“

RA Narin: „Können Sie erläutern, wie die politische Einstellung Ihres Mannes damals war und wie Sie heute ist?“ OStA Weingarten beanstandet die Frage als nicht relevant: „Und die Erläuterung persönlicher Umstände ist nur dann in öffentlicher Verhandlung zu thematisieren, wenn sie von ausschlaggebender Bedeutung ist.“ Götzl sagt, er halte die Frage für zulässig, weil sie bei den damaligen Ermittlungen eine Rolle gespielt habe. Narin wiederholt die Frage. S.-T.: „Also, der ist zu keiner Zeit irgendwie ausländerfeindlich gewesen. Ich könnte sagen welche Partei er wählt, aber das möchte ich nicht.“ Götzl: „Darum geht es Herrn Narin nicht.“ S.-T.: „Da hat sich nichts dran verändert.“ Narin: „Wissen Sie, wie er zu Türken eingestellt war? Ich frage deshalb, weil Sie ja im Telefonat von ‚Dreckstürken‘ sprechen und Ihnen sei egal, wie viele ’niedergemetzelt‘ wurden. War das mal Gesprächsthema bei Ihnen zu Hause? War das der Sprachgebrauch zu Hause?“ Götzl: „Frau S.-T. hat dazu Angaben gemacht.“ Narin: „Es geht um den Mann, wie er dazu stand.“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer beanstandet die Frage, es sei keine Verfahrensrelevanz erkennbar. Götzl: „Wenn Sie meinen, dann müssen wir es halt wieder durchexerzieren.“ Heer fragt, ob die Entscheidung schon feststehe. Götzl: „Wann wäre das jemals so gewesen?“ Heer: „Ich entnehme Ihrer Reaktion, dass der Senatsbeschluss bereits feststeht, und um Zeit zu sparen halte ich die Beanstandung nicht aufrecht.“ Götzl: „Der Schluss ist falsch.“

Narin fragt S.-T., ob sich ihr Ehemann zu den Gegenständen, rechtsextremistischen Schriften, judenfeindlichen Schriften, die bei ihm gefunden worden seien, mal ihr gegenüber geäußert habe. Götzl sagt, Narin solle korrekte Vorhalte machen. Narin sagt, es gehe um Abschriften von „Mein Kampf“ und “Judas Schuldbuch. Eine deutsche Abrechnung.“ S.-T.: „Die Abschriften aus dem ‚Mein Kampf‘, die hat es gegeben. Die hat er aufbewahrt. Da hat er in seiner Schulzeit mit seinem Schulkollegen ein Referat geschrieben. Das waren Kopien irgendwie, weil der Opa seines Klassenkameraden das Buch hatte. Es gab auch noch das Referat.“ Narin: „Und ‚Judas Schuldbuch. Eine deutsche Abrechnung‘?“ S.-T.: „Da weiß ich nichts drüber.“ Narin hält vor, dass S.-T. in ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben habe, dass ihr Mann in einem Motorradclub gewesen sei: „Was wissen Sie denn über seinen Motorradclub?“ Wieder beanstandet Heer. Götzl sagt, er habe bei der Frage auch Probleme. Narin zieht sie zurück und fragt: „Wissen Sie ob Ihr Mann mal bei den Hells Angels war?“ S.-T.: „Ich weiß, dass er da nicht war.“ Narin: „Wissen Sie, ob er Kontakt zu Mitgliedern der Hells Angels hatte?“ Heer beanstandet. Die Zeugin wird aus dem Saal geschickt und Narin erläutert die Frage.

Narin sagt, es habe im Laufe der Beweisaufnahme mehrfach Hinweise auf Kontakte Temmes zu den Hells Angels gegeben, die in Hessen als kriminelle Vereinigung geführt würden. Die Hells Angels hätten in Nordhessen nach dem B&H-Verbot als Auffangbecken für B&H gedient. Auf Nachfrage von Götzl sagt Narin, es gehe um den Zeitraum 2000 bis 2006, da sei die Gruppierung B&H in den Hells Angels aufgegangen und die Kontakte würden bis heute anhalten. Hells Angels aus dem Großraum Kassel, die Personen der zwischenzeitlich verbotenen Organisation, hätten nach wie vor Kontakt zu Frau S.-T. und Temme und seien nach wie vor im rechten Spektrum tätig. Götzl fragt nach der Relevanz fürs Verfahren. Narin: „Die Frage wäre, ob es eine Omertà [Gesetz des Schweigens in der Mafia] gegenüber den Hells Angels gibt, dass er Informationen zurückhält.“ Temmes Angaben, er habe nichts gesehen, seien nicht glaubwürdig, daher müsse es einen Grund geben, warum er sein Wissen zurückhält.

Nun äußert sich Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Der Verschwörungsvirus scheint immer weiter um sich zu greifen.“ Er wisse nicht, so Kaiser, wie weit man das noch spinnen solle, und wo die Verfahrensrelevanz liege, selbst wenn es solche Kontakte geben sollte: „Und zu spekulieren, ob damit die Omertà der Rocker dann auf Herrn Temme gewirkt hat, hier zu schweigen oder die Unwahrheit zu sagen: Abenteuerlich!“ Narin erwidert, die Mitglieder würden sich auch mit dem „“ überschneiden, einige hätten Kontakte zum gehabt. Heer sagt, Narin habe in seiner Antwort zur Verfahrensrelevanz mehrfach „möglicherweise“ benutzt, das sage alles. Narin: „Deswegen fragen wir ja. Wir wissen es nicht, Ihre Mandantin weiß es vielleicht.“ Für einen VS-Beamten sei es schon bemerkenswert, wenn er Kontakte zu einer kriminellen Vereinigung pflege, so Narin weiter. Götzl sagt, es gehe um S.-T. und das Thema, zu dem sie geladen sei, und da habe es nichts mit zu tun. Narin: „Ich frage Frau S.-T., weil es mir schwerfällt, Herrn Temme Glauben zu schenken.“ Götzl: „Soll die Frage aufrechterhalten werden?“ Narin: „Ich ziehe die Frage zurück.“

Die Zeugin kommt wieder in den Saal. Narin: „Hat Ihr Mann Ihnen gegenüber mal klipp und klar gesagt, ob er die Tat in Kassel begangen hat oder nicht?“ S.-T.: „Ja, natürlich hat er gesagt dass er das nicht gemacht hat.“ Narin: „Wann hat er das denn gesagt, wissen Sie das noch?“ S.-T.: „Moment. Ich glaube, ich habe ihn das auch nie gefragt, weil das stand nie im Raum. Ich bin mir gar nicht sicher, dass er das tatsächlich so ausgesprochen hat.“ Narin: „Was meinen Sie?“ S.-T.: „Das war nie eine Frage, mir brauchte er das nicht sagen.“ Vielleicht habe wer anders ihn das mal gefragt. Narin: „Haben Sie mal einer anderen Person gegenüber geäußert, er habe nie klipp und klar gesagt, er war es nicht?“ S.-T.: „Nein. Vielleicht habe ich das auch mal gesagt: Vielleicht war er’s doch.“ Auf Nachfrage sagt S.-T.: „Ich bin wie jede Frau. Das sagt jede Frau: Mein Mann war’s nicht. Sagt auch jeder Hundebesitzer: Mein Hund beißt nicht. Vielleicht habe ich es mal ausgesprochen, vielleicht um zu sehen, wie es klingt. Ich bin nie im Zweifel gewesen. Und Sie denken, ich bin ein kleines Hühnchen und habe keine Ahnung. Aber ich weiß ganz sicher, dass er kein Verbrecher ist. Woher ich das weiß? Weil ich mit ihm zusammenlebe.“ Narin: „Ich bedanke mich.“

RA Kuhn sagt, im Telefonat habe S.-T. gesagt, ihr Mann habe ihr immer wieder erzählt, wie „widerlich“ die Holländische Straße sei. Kuhn fragt, worauf sich das bezogen habe. S.-T.: „Kassel-Nord ist kein schöner Stadtteil. Kassel hat schönere Ecken. Ich denke nicht, dass er ‚widerlich‘ gesagt hat, das ist eher meine Wortwahl.“ Kuhn: „Sie haben das als ästhetische Kategorie verstanden?“ S.-T.: „Denke schon.“ Kuhn: „Wann haben Sie zum ersten Mal Kenntnis erhalten, dass Ihr Mann Umgang mit Schusswaffen hatte?“ S.-T.: „Das hat mir die Polizei erzählt.“ Die Zeugin wird entlassen.

Nach einer Pause geht es um 14:50 Uhr weiter mit Andreas Temme (zuletzt 106. Verhandlungstag). Götzl wiederholt die Belehrung, „die ich Ihnen schön des öfteren erteilt habe.“ Dann verliest er Temmes Aussagegenehmigung. Danach sagt er: „Es geht uns um Beweisthemen, die wir teilweise auch schon angesprochen haben. Es geht um die Frage, ob Sie anlässlich des Besuchs im Internetcafé am 06.04. eine Plastiktüte mitgeführt haben, es geht uns um Gespräche in Telefonaten mit dem Zeugen Hess und um die Frage, ob Mitarbeiter des LfV Hessen bereits vor dem Mord an Halit Yozgat Kenntnisse von der Tat, Tatzeit, Tatorten, Tätern hatten. Was sagen Sie von Ihrer Seite her dazu?“ Temme: „Von meiner Seite: Ich habe vorher, vor meinem Besuch, bis zu dem Zeitpunkt, wo ich aus der Zeitung erfahren habe, was dort geschehen ist, keine Kenntnis gehabt, dass sich dort was ereignen sollte. Und ich hatte an dem Tag auch keine Plastiktüte bei mir. Beim Telefonat macht es mehr Sinn, wenn ich da auf Ihre Fragen antworte.“

Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung an ein Telefonat zwischen Ihnen und Herrn Hess am 09. Mai und am 20.06.?“ Temme: „Ich hatte bis vor einiger Zeit keine Erinnerung, ich war aber am 11. Mai beim hessischen Landtag im Untersuchungsausschuss als Zeuge geladen, dort wurden mir Teile des Telefonats vorgespielt und man kann das Telefonat ja mittlerweile im Internet nachlesen. Eine persönliche Erinnerung habe ich nicht.“ Götzl: „Was können Sie dann sagen, worum ging es dann bei dem Telefonat?“ Temme: „Anlass war wohl, soweit ich es rekonstruieren konnte, die Abfassung einer dienstlichen Erklärung, die auch vom 09. Mai datiert, wie ich rekonstruieren konnte. Und da ich sowas noch nie gemacht hatte, wollte ich rausfinden, was da reingehört, wie die abzufassen ist. Ich hatte im Landesamt für Verfassungsschutz angerufen und wurde gebeten, ich solle doch mit Herrn Hess sprechen. Er hat meine Nummer im Display gesehen und zurückgerufen. Und der Satz, der in den Medien verbreitet worden ist, dass man an dem Ort nicht vorbeifahren soll, hatte ich persönlich nicht in konkreter Erinnerung. Und ich kann mich auch nicht an irgendein Gefühl erinnern, was ich wahrgenommen hätte, als ich das hörte. Ich hätte das damals so wahrgenommen als Versuch, das Gespräch aufzulockern. Ich habe mich gehört beim hessischen Untersuchungsausschuss und gehört, dass ich in sehr schlechter Verfassung war. Ich denke, Herr Hess wollte wohl irgendwas zur Auflockerung beitragen, um in ein Gespräch mit mir einzusteigen.“

Götzl: „Worum ging es im Weiteren?“ Temme: „Um die dienstliche Erklärung, was ich da reinschreiben sollte, und dann …, das ist alles ein bisschen viel in letzter Zeit. Ich habe jetzt nicht das ganze Telefonat. Wenn ich es höre, kommt es wieder.“ Götzl: „Das Thema Wahrheit?“ Temme: „Richtig, Herr Hess sagte wohl diesen Satz, den ich auch vorher schon aus den Medien kannte, ich solle so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben. Wobei dieser Rat für mich keine Bedeutung hatte, da ich in den polizeilichen Vernehmungen gesagt habe, was ich wusste, und nichts zurückgehalten habe. Auch bei der dienstlichen Erklärung brauchte ich den Rat nicht, weil ich wusste, es gibt für mich nur eine Möglichkeit, nämlich an allen Stellen die Wahrheit zu sagen.“ Götzl: „Dieses andere Telefonat, vom 20.06.2006, was können Sie dazu sagen?“ Temme: „Wenn Sie mich was Konkretes fragen. Ich habe es jetzt nicht komplett präsent, aber ich werde mich dran erinnern. Zu dem Telefonat hatte ich, bis ich im Internet drauf gestoßen bin, gar keine Erinnerung, man kann es ja jetzt überall nachlesen. Der Inhalt ist mir bekannt, aber nicht so, dass ich es jetzt reproduzieren könnte.“ Götzl: „Ja, worum ging es?“ Temme: „Ich finde im Moment den Einstieg nicht, wenn Sie mir mit einem Stichwort helfen .“ Auf Frage, von wem die Initiative ausging, sagt Temme: „Wenn ich mich richtig erinnere, von Herrn Hess.“

Vorhalt aus dem Telefonat vom 20.6.: Hess: Ja, hier ist Hess, LfV. Der Herr Temme zu sprechen? – S.-T.: Einen Moment. – Temme: Ja, hallo? – Hess: Hallo, Herr Temme, grüße Sie, Hess am Apparat. – Temme: Ah, hallo, Herr Hess! – Hess: Wollte mich mal bei Ihnen melden. Ja, wie schaut es aus? Beim Anwalt waren Sie? Temme: „Ich hatte einige Tage vorher einen Anwalt hinzugezogen, das war ja schon bei früheren Vernehmungen Thema. Und soweit ich es nachvollziehen kann, war wohl auch der Rat aus Wiesbaden, dass ich mir einen Anwalt nehme um die disziplinarrechtlich anstehenden Angelegenheiten besser regeln zu können.“ Götzl: „Haben Sie mit Ihrer Frau über das Thema Plastiktüte gesprochen?“ Temme: „Im Laufe der Jahre sicherlich mehrmals, weil die Polizei immer wieder auf das Thema kam. Es gab sogar eine konkrete Vernehmung zu einer Plastiktüte in meinem Büro. Von daher weiß ich, dass Plastiktüte immer wieder Thema war. Es kam ja dann auch in der Berichterstattung, dass die Polizei davon ausgegangen ist, wegen fehlender Patronenhülsen, dass durch eine Plastiktüte geschossen wurde. Ich bin wohl auch von der Polizei gefragt worden dazu.“ Götzl: „Meine Frage zielt darauf, wann Sie mit Ihrer Ehefrau darüber gesprochen haben.“ Temme: „Im Laufe der Jahre haben wir sicherlich mehrfach über alle Aspekte gesprochen, sicherlich auch über die Plastiktüte.“ Götzl: „Wann erstmals?“ Temme: „Das weiß ich nicht. Falls das nach dem 21. April 2006 gewesen ist, ist mir klar, dass ich es nicht mehr sagen kann. Das war eine sehr traumatische, belastende Zeit und viele Details sind mir so nicht mehr greifbar.“ Der Senat hat keine Fragen mehr. RA Bliwier bittet um eine kurze Unterbrechung. Um 15:14 Uhr geht es weiter.

Bliwier: „Ich schließe an das an, was ihre Frau eben bekundet hat zum Sonntag nach der Tat. Sie lesen den ‚Extra-Tip‘ und dann gibt es ein Gespräch da drüber. Vorhalt aus einer polizeilichen Vernehmung Temmes: Als meine Ehefrau und ich an dem Sonntag im „Extra-Tip“ den Artikel zu dem Mord lasen, erklärte ich ihr dass ich schon mehrfach in dem Internetcafé gewesen bin; näher bin ich darauf nicht eingegangen, weil sie im Zusammenhang mit meiner Arbeit beim LfV oft Angst um mich hat, habe ich es dabei belassen und nicht weiter über diese Dinge mit ihr gesprochen; wegen dieses Artikels habe ich dann natürlich für mich selbst darüber nachgedacht, wann ich in der vergangenen Woche in dem Internetcafé gewesen bin; für mich selbst habe ich dann rekonstruiert, dass ich an dem Mittwoch vor der Tat dort zuletzt gewesen bin. Bliwier: „Ist das zutreffend?“ Temme: „Soweit ich es gehört habe, ich denke ja. Wobei ich damals schon immer den Einwand gemacht hatte, dass ich mich nicht mit so großer Genauigkeit an Zeitpunkte erinnern zu können.“ Bliwier: „Aber Ihre Aussage ist doch, dass Sie am Montag früh mittels Stempelkarte rekonstruieren wollten, an welchem Tag Sie früher gegangen sind, Mittwoch oder Donnerstag?“ Temme bestätigt das.

Vorhalt aus einer Vernehmung von Eva S.-T.: Sie haben gestern mit Ihrem Mann ein kurzes Telefongespräch geführt; er hat sich bei Ihnen dafür entschuldigt, dass er Ihnen nicht gesagt hätte, dass er im Internetcafé war; Sie haben daraufhin gesagt, dass er ihnen doch gesagt hätte, dass er vorbeigefahren wäre. Temme: „Da hatten wir schon drüber gesprochen, glaube ich. Das war das Telefonat, das ich im Beisein einer Polizistin mit meiner Frau führen durfte.“ Vorhalt aus deiner Vernehmung von S.-T: Ja, in meiner Erinnerung war das so, dass ich das Ganze am Sonntag nach der Tat im ‚Extra Tip‘ gelesen hatte; ich habe ihm das dann irgendwie auch erzählt, was da drin steht und er hat dann nur gesagt, dass er ja da vorbeigefahren wäre; das kam für mich so rüber, dass er es wusste, und, da das Ganze ja auf seinem Nachhauseweg liegt, auch gesehen hat; er hat mir bei diesem Gespräch auch gesagt, dass er den Getöteten kennt. Bliwier: „Sehen Sie da einen Widerspruch zu den Angaben in Ihrer Aussage?“ Temme: „Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht. Und – ich bin noch nicht ganz fertig [in Richtung Bliwiers]- zum anderen hatte ich auch schon damals ausgeführt, dass das eine absolute Extremsituation war, nicht nur für mich, der mit dem Vorwurf des neunfachen Mordes konfrontiert war, auch für meine Frau, die mit einer Durchsuchung konfrontiert, Besuch von der Kriminalpolizei bekam, hochschwanger.“

Bliwier: „Das meine ich nicht. Es geht um den Widerspruch. Ihre Frau schildert ein Gespräch mit Ihnen, die Lektüre des ‚Extra-Tip‘, da sollen Sie nicht nur gesagt haben laut Ihrer Frau, dass ‚er es kenne‘, sondern: vorbei gefahren, gesehen: ‚Das kam für mich so rüber, dass er es wusste.‘ Nach Ihrer eigenen Angabe wollen Sie aber nur gesagt haben: ‚Ich kenne das Internetcafé und wollte am Montag recherchieren‘.“ Temme: „Wenn ich das richtig sehe, sagt dann rekonstruiert meine Frau ja auch nur. Deswegen kann ich Ihnen nicht ganz folgen, wo Sie den Widerspruch jetzt sehen.“ Vorhalt aus der Vernehmung von S.-T.: Ja, in meiner Erinnerung war das so, dass ich das Ganze am Sonntag nach der Tat im ‚Extra Tip‘ gelesen hatte; ich habe ihm das dann irgendwie auch erzählt, was da drin steht und er hat dann nur gesagt, dass er ja da vorbeigefahren wäre; das kam für mich so rüber, dass er es wusste, und, da das Ganze ja auf seinem Nachhauseweg liegt, auch gesehen hat. Bliwier: „Hat es dieses Gespräch gegeben mit Ihrer Frau?“ Temme: „Sicherlich hat es das Gespräch gegeben. Ich bin aber nach neun Jahren nicht mehr in der Lage, den Inhalt wiederzugeben, habe ich ja mehrfach gesagt. Aber meine Frau hat es so verstanden.“

Bliwier: „Ja, sie hat es so verstanden. Die Abweichung zu Ihrer eigenen Aussage, dass Sie gesagt hätten, Sie seien schon mehrfach in dem Internetcafé gewesen, aber Ihre ganze Vernehmung beschäftigt sich doch damit, dass Sie erst am Montag recherchieren wollten, ob Sie in dem Internetcafé waren. Wie kann dann am Sonntag Ihre Frau schon den Eindruck haben, dass Sie das gesehen haben?“ OStAin Greger beanstandet. Die Passage sei wiederholt vorgelesen worden, es heiße dort, so Greger, am Sonntag nach der Tat hätte Frau S.-T. das im „Extra-Tip“ gelesen, im Folgenden komme aber nicht dezidiert zum Ausdruck, dass das Gespräch am Sonntag stattgefunden hat. Heute habe S.-T. gesagt, sie könne nicht sagen, wann das Ganze stattgefunden habe. Temme wird aus dem Saal geschickt. Götzl sagt, er denke, es sei von Greger soweit korrekt wiedergegeben. Bliwier: „Ich stelle diese Frage in den Zusammenhang mit dem Telefongespräch: Festnahme Temme, er ruft von der Polizei aus an, Frau S.-T., die uns heute erzählt hat, sie hätte erstmalig durch die Festnahme des Mannes erfahren, dass er überhaupt im Internetcafé gewesen sei. Jetzt hält die Polizei Frau S.-T. vor, er habe ihr nichts erzählt, dass er an dem Tag im Internetcafé gewesen wäre. Sie sagt, er hätte doch gesagt, dass er vorbeigefahren ist. Daraus schließe ich, dass dann die Angaben der beiden über das Gespräch vom Sonntag abweichen.“

Götzl: „Hier ist von ‚vorbeigefahren‘ die Rede.“ Bliwier. „Und die Zeugin erklärt: Das kam für mich so rüber, dass er es gesehen hat.“ Götzl: „Ich habe ja da auch nachgefragt. Was soll Herr Temme dazu sagen, wie seine Frau das interpretiert hat. Sie können Fragen stellen, die im Wissen des Zeugen stehen, aber nicht Verknüpfungen herstellen, wo der Zeuge etwas interpretieren soll.“ Bliwier sagt, er lese das aus dem Akteninhalt so, dass es da widersprüchliche Angaben gebe von Temme und seiner Frau. Er werde, so Bliwier weiter, Temme nochmal fragen, ob es eine weitere Gelegenheit gegeben habe, wo er mit seiner Frau über den Vorfall gesprochen hat, und wo er das gesagt haben kann, dass er tatsächlich da vorbeigefahren ist am Tattag. Temme kommt wieder in den Saal. Bliwier: „Hat es zwischen diesem Sonntag, Lektüre des ‚Extra-Tip‘, und Ihrer Festnahme ein weiteres Gespräch gegeben über diesen Mord, ob Sie da gewesen sind oder nicht?“ Temme: „Weiß ich nicht mehr. Das könnte möglich sein, aber ich kann es nicht mit der erforderlichen Genauigkeit sagen.“

Bliwier fragt, ob sich Temme an das Telefonat mit Ho. vom 21.07.2006 erinnere. Temme: „Ich meine mich dunkel erinnern zu können. Wenn es in der TKÜ auftaucht, ist es sicherlich so, aber eine konkrete Erinnerung habe ich jetzt nicht.“ Bliwier nennt das Stichwort Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Temme: „Richtig, da habe ich mal mit Ho. gesprochen. Da ging es darum, dass das LfV Hessen mich nach meiner vorläufigen Festnahme drei Monate vom Dienst suspendieren konnte, darüber hinaus ging das nur mit einem Disziplinarverfahren, das ich selber beantragen konnte.“ Bliwier: „Haben Sie das aus freien Stücken beantragt oder hat er es verlangt?“ Temme: „Er hat es nicht von mir verlangt. Ich wusste allerdings bis zu diesem Gespräch nicht, dass es diese Möglichkeit gibt. Er hat mich darauf hingewiesen, ich fand die Idee gut und habe das gemacht.“ Temme verneint, sich erinnern zu können, wer da wen angerufen hat.

Vorhalt aus dem Telefonat: Ho.: Äh, wir sitzen hier zusammen mit dem Ministerium. – Temme: Ja – Ho.: Es geht also, äh, um weitere Maßnahmen, die also ergriffen werden müssen, also auch aufgrund der Veröffentlichungen, die jetzt also alle gelaufen sind. – Temme: Mhm. – Ho.: Und, äh, haben Sie mit Ihrem Anwalt mal gesprochen auch in dienstrechtlichen Dingen. Temme verneint, sich jetzt zu erinnern. Bliwier sagt, er habe das Telefonat selber gehört, und Ho. werde dann ungehalten. Vorhalt: Ho.: Herr Temme! Ich hatte Ihnen gesagt, dass das Wasser am Halse steht, Das haben Sie offensichtlich nicht so ernst genommen. Es ist jetzt so weit, dass das Wasser also schon Oberkante Unterlippe überläuft. Temme: „Ich erinnere mich an das Gespräch. Hat auch damit zu tun, vermute ich mal, dass er mir das vielleicht vorher schon mal geraten hat. Offensichtlich bin ich bis zu dem Zeitpunkt nicht tätig geworden, dass er mich darauf hingewiesen hat, dass was passieren muss, entweder so oder so rum.“

Vorhalt: Ho.: Schreiben Sie sich das auf! Ich, Andreas Temme, beantrage gemäß § 30 der Hessischen Disziplinarordnung gegen mich ein – die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Die Folge davon ist, dass Sie, äh, dann vom Dienst weiter suspendiert werden, Ihre Bezüge im Moment nach dem Willen des Ministers behalten und ansonsten, äh, zunächst mal ist in dem Zustand der, in dem Istzustand bleibt. Bliwier sagt, dass Temme dann gebeten worden sei, ein Fax zu senden, und ihm eine Frist von einer Stunde gegeben worden sei. Temme: „Ich weiß, dass wir damals drüber gesprochen haben. Ich weiß aber auch, dass ich da keinen Druck empfunden habe. Habe wohl versäumt, das zu machen, wegen meiner generellen Verfassung.“ Vorhalt: Ho.: Jetzt haben wir, jetzt haben wir halb zwo. Bis um drei Uhr sollte das hier sein. – Temme: Mhm. – Ho.: Ja? – Temme: Alles klar. – Ho.: Machen Sie das! – Temme: Gut. – Ho.: Alles klar. Und am Montagmorgen, da soll aber der Herr Hess Sie nochmal anrufen, am Montagmorgen müssen Sie nochmal hier runterkommen. Das ist also unbedingt notwendig. Denn auch für die sonstige, äh, Dauer und die ganzen Überlegungen, die da angestellt waren, da muss neu drüber nachgedacht werden in verschiedenen Punkten. Und das ein oder andere muss Ihnen also vielleicht noch einmal ein bisschen verdeutlicht werden. Temme: „Weiß ich jetzt so nicht mehr. Nehme an, es ging darum, wie es dienstlich mit mir weitergehen sollte.“

Bliwier: „Waren Sie denn nach dem Telefonat mit Ho. nochmal bei Herrn Hess und haben Sie ein Gespräch mit ihm geführt?“ Temme: „Ich hatte ja gesagt, dass ich mehrmals in Wiesbaden war. Ob ich an dem Tag in Wiesbaden war, weiß ich nicht, ich habe mir die Termine damals nicht aufgeschrieben. Wenn mir der Verfassungsschutz gesagt hätte, ich soll am Montag kommen, hätte ich mir das auch noch merken können ohne Kalender.“ Bliwier: „Das ist keine Antwort.“ Temme: „Ich erinnere mich nicht konkret.“ Bliwier: „Aber an das Fax mit dem Disziplinarverfahren schon?“ Temme: „Ich erinnere mich, dass ich das Fax abgeschickt habe, auf den Rat und den Hinweis hin, dass die Zeit jetzt abläuft. Der Zeitablauf war gegeben, weil vom 21.04. bis zum 21.07. sind es drei Monate, und das hat das Ganz dringlich gemacht. Ich kann mich aber in keiner Weise erinnern, dass ich gedrängt worden bin so zu verfahren, denn es gab für das LfV die andere Möglichkeit, das selber einzuleiten.“

Vorhalt: Ho.: Äh, ansonsten wird das Ministerium bzw. das Haus gezwungen sein, gegen Sie ein förmliches Disziplinarverfahrens einzuleiten. – Temme: Mhm. – Ho.: Mit der Folge, dass es also bezüglich des Tatvorwurfs ausgesetzt bleibt. Insofern ist die Selbsteinleit- oder der Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens von dem Bediensteten gegen sich selbst der vorteilhaftere Weg, der, äh, ja, dieses Instrumentarium ist ja geschaffen, um hier einen so genannten Selbstreinigungszweck in Gang zu setzen. Und dieser Selbstreinigungszweck wird also dadurch, äh, dadurch angestoßen. Bliwier: „Haben Sie da noch eine Erinnerung?“ Temme: „An diese Einzelheiten nicht.“ Bliwier: „Und in Folge des Telefonats, ob Sie da bei Hess waren, das erinnern Sie auch nicht mehr?“ Temme: „Nein.“ Bliwier: „Anderes Thema: Vorher sagten Sie, Sie hätten keine Plastiktüte im Internetcafé dabei gehabt. Gab es denn mal ein Gespräch mit Ihrer Frau über Plastiktüten?“ Temme: „In welchem Zeitraum?“ Bliwier: „Januar bis April 2006?“ Temme: „Das weiß ich nicht mehr. Ein Gespräch über Plastiktüten gehört auch sicher nicht zu den Dingen, die sich tief einprägen.“

Vorhalt aus dem Telefonat von Eva S.-T. mit S.: S.-T.: Ja, natürlich, nächstens frage ich die Leute auch gleich als allererstes, ob sie Schusswaffen besitzen und gebrauchen und ob sie irgendwie chatten oder ob sie gedenken, in der nächsten Zeit mal irgendwelche Türken niederzumetzeln – S: [Gelächter] – S.T.: Ist doch wahr, echt. Der findet das aber gar nicht so lustig, ich sage das ja auch zu ihm, ne. Oder dann ging es ja darum, er hätte ja angeblich eine Plastiktüte gehabt. – S.: Wieso? – S.-T.: Na, dieser Mensch, der ihn da noch angeblich gesehen hat, hat doch gesehen, dass er eine Plastiktüte in der Hand hatte. – S.: Ja, und? – S.-T.: Und ich habe dann zu ihm gesagt: Pass mal auf! Ich kann das nicht leiden, wenn wir einkaufen oder wenn er einkaufen geht und nimmt immer Plastiktüten. – S.: Ätzend, ne? – S.-T.: Das kann ich nicht haben, das sieht so asi aus. – S.: Mhm. – S.T.: Na, ich habe dann schon ein paar Mal zu ihm gesagt: So, weißt Du, Männer, die Plastiktüten tragen, sehen doof aus. Ich sage: Nimm einen Korb oder nimm einen Beutel oder weiß der Kuckuck: Nimm es lose in die Hand oder einen Karton. Ich sage: Aber bitte, laufe nicht mit irgendwelchen Tüten durch die Gegend. Ne, und nun hat er mir das dann erzählt mit dieser Plastiktüte, dass die da dauernd drauf rumgeritten sind. Sage ich: Was habe ich Dir gesagt? Ne, willst du nicht mal auf mich hören? Nimm keine Plastiktüte! Bliwier: „Erinnern Sie sich an solche Gespräche?“ Temme: „Mag sein, dass meine Frau mal so mit mir gesprochen hat. Aber da gilt das Gleiche, was ich gesagt habe, ein Gespräch über Stil und Form von Plastiktüten ist nichts, was sich mir über Jahre einprägt.“

Bliwier: „Aber Sie wissen doch ganz genau: Die Frage einer Plastiktüte hat für die Ermittlungen über Jahre eine wichtige Rolle gespielt.“ Götzl zu Bliwier: „Ja, aber was wollen Sie denn fragen? Ich hätte, so wie Sie es gelesen haben, auch Schwierigkeiten zu verstehen, worauf Ihre Frage zielt.“ Bliwier: „Also, ich glaube schon, dass Herr Temme verstanden hat, worauf meine Frage zielt.“ Er habe nämlich gefragt, so Bliwier, ob Temme ein Gespräch geführt hat mit seiner Frau zu einer Plastiktüte mit Gegenstand im Internetcafé. Bliwier: „Nochmal: Haben Sie so ein Gespräch geführt?“ Temme: „Da habe ich vorher gesagt, dass wir sicherlich drüber gesprochen haben. Den Zeitraum weiß ich nicht mehr. Vorher haben Sie gesagt: Zwischen Januar und April 2006. Und vor dem 21. April gab es keinen Anlass, sich ein Gespräch über Tüten zu merken.“ Bliwier beginnt: „Ich wollte …“ Götzl: „Sie brauchen Ihre Fragen nicht zu erläutern.“ Bliwier:“Ich verstehe diese Aufgeregtheit nicht, denn ich stelle zulässige Fragen und die Frage war nicht beanstandet.“ Götzl: „Sie erklären jetzt, warum Sie eine Frage stellen.“

Dann fragt Bliwier zum Telefonat mit Ha. (211. Verhandlungstag). Vorhalt aus dem Telefonat Temmes mit Ha.: Temme: Aber das war schon ganz schön heftig letzten Freitag. Ich sage es Dir. Wenn der ganze Spaß soweit rum ist, dann muss ich mal vorbeigucken, dann … – Ha.: Mhm. – Temme: … dann kann ich Dir das Ganze ja … – Ha.: Jaja, genau. – Temme: … am Stück erzählen. Das ist am Telefon ein bisschen schlecht, … – Ha.: Jaja. – auch wegen dem ganzen anderen Drumrum, wegen – von wegen, äh, dass ja niemand außerhalb darüber auch nur irgendwas erfahren darf. Temme: „Man kann ja die Abschrift des Telefonats im Internet nachvollziehen. Es hatte damit zu tun, dass bereits vor diesem Zeitpunkt eine der Polizistinnen meiner Frau den wohlmeinenden Ratschlag gegeben hat, wenn es heraus käme, dass ich es nicht gewesen bin, es aber an die Presse käme, dass wir dann nach Neuseeland auswandern könnten. Das war der Hintergrund.“ Bliwier: „Haben Sie sich dann mit Herrn Ha. mal getroffen?“ Temme: „Ich habe Jahre später mit ihm gesprochen, da waren die Ermittlungen aber schon abgeschlossen. Aber kein dienstlicher Hintergrund, wir haben auch privat Sachen unternommen.“

Bliwier: „Haben Sie irgendwann mal Herrn Ha. eine Darstellung gegeben, was Sie dort im Internetcafé erlebt haben?“ Temme: „Ich glaube, die ganze Geschichte drumrum, von der Verhaftung, da werden wir drüber gesprochen haben.“ Bliwier sagt, dass Temmes Frau ihrer Schwester gegenüber davon gesprochen habe, dass es Situationen gegeben habe, da sei sie schon ins Bett gegangen und Temme habe auf dem Fußboden vor der Heizung gesessen: „Beschreibt da Ihre Frau eine Situation, wo Sie im Internet surfen?“ Temme: „Ich vermute. Ich weiß nicht, was meine Frau denkt, wenn sie mit ihrer Schwester spricht.“ Bliwier: „Die Situation zu Hause: Sie haben den Laptop auf den Knien und sagen: Ich komme später. Ich habe Ihre Frau gefragt, seit wann das so gewesen sei, und sie sagte, seit Januar. Also, hat es das gegeben, Sie sind mit dem Laptop im Internet am Surfen?“ Temme: „Das kann sein, das haben wir ja schon festgestellt, dass ich auch zu Hause im Internet war.“ Bliwier: „Haben Sie dann zu Hause auch gechattet in der Flirtline?“ Temme: „Ob ich konkret gechattet habe, weiß ich nicht. Ich werde dort wohl geguckt habe. Ob ich auch gechattet habe, das mag sein, ich kann das aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigen.“ Götzl sagt, er könne da vom Internet nichts lesen. Bliwier erwidert, dass er den Zeugen gefragt habe, ob der da im Internet gewesen sei. Bliwier fragt Temme, ob er da Word-Dokumente gelesen habe oder da öfter im Internet gewesen sei. Temme: „Ich war auch von zu Hause im Internet. Wie oft, kann ich nicht sagen. Und ich weiß natürlich nicht, was ich gerade dort getan habe, ob bei jeder Gelegenheit, ob ich Word-Dokumente angeguckt habe. Um es kurz zu sagen, ich habe keine konkrete Erinnerung, was, wann, wie oft.“

Vorhalt aus dem Telefonat von S.-T. mit ihrer Schwester: S.: Wir haben da zwar nie direkt so drüber gesprochen, jetzt über das Chatten, aber das ist immer das, was er mir so suggeriert hat. Er hat mir immer suggeriert: Ja, Internet, und ööh, ist ja ätzend und da holt man sich ja so viel Dreck auf den, den Rechner und, nä? – S.: Mhm. – S.-T.: So Virus und bla. Und er macht das ja immer nur auf und guckt und dann macht er das ja wieder zu und blablabla und so, ne? Bliwier: „Gab es solche Gespräche?“ Temme: „Möglicherweise.“

RA Narin: „Am 19.05.20158 haben wir den Zeugen vernommen und ich habe ihn gefragt, ob er Sie kenne. Seine Antwort war: Er kannte Sie, Sie hätten sich in der rechten Szene der Nordstadt von Kassel bewegt und er nannte auch die Adresse der Dienstanschrift. Können Sie uns beantworten: Haben Sie mit Mitgliedern der Gruppe ‚Sturm 18‘ mal über Ihre dienstliche Tätigkeit beim VS gesprochen?“ Temme: „Mit Sicherheit nein, es sei denn dort ist jemand, von dem ich es nicht weiß. Narin: „Und Ihre Tätigkeit für das Landesamt?“ Temme: „Es gab schon Menschen, die davon wussten.“ Der Kreis, wo er über seine Tätigkeit berichtet habe, sei gering gewesen. Narin: „Mitglieder der rechten Szene?“ Temme: „Gehören eigentlich nicht zu meinem Bekanntenkreis.“ Narin: „Was heißt: eigentlich?“ Temme: „Gehören nicht zu meinem Bekanntenkreis.“

Narin: „Haben Sie neben eine andere Quelle aus dem Rechtsextremismus geführt, möglicherweise auch nur vertretungsweise?“ Temme: „Ich habe geführt: Fünf Quellen aus dem Bereich des Islamismus und eine Quelle im Bereich Rechtsextremismus.“ Er habe auch Vertretung gemacht, so Temme, aber das heiße nicht, diese Person zu führen. Narin: „Sondern?“ Temme: „Dass man was abholt, wenn was dringlich gewesen ist, oder das Geld gibt. Das Führen ist Sache des V-Mann-Führers selbst.“ [phon.] Narin: „Wurde so eine Quelle auch mal vertretungsweise abgeschöpft?“ Temme: „Ja, aber nichts, was in dem Bereich hier eine Rolle gespielt hätte.“ Narin: „Sie meinen den Bereich Rechtsextremismus?“ Temme: „Nein, den Bereich der Morde.“ Narin: „Waren denn die Morde mal Thema mit irgendwelchen anderen Quellen?“ Temme: „Nein. Ich bin auch nicht sicher, ob ich vom 06. bis zum 21. April jemand vertretungsweise getroffen habe.“ Narin: „Und davor?“ Temme sagt, da habe es naturgemäß auch Vertretungen gegeben, vor dem 06.04.

Narin: „Waren die Morde vor dem 06.04. mal Thema?“ Temme: „Nein.“ Narin: „Herr Mu. sagte, Ihre Behörde sei vor dem 06.04. mit der Mordserie befasst gewesen, machte aber unter Berufung auf die Aussagegenehmigung keinen weiteren Angaben.“ Temme: „Herr Mu. war Abteilungsleiter, ich Oberinspektor Quellenführung. Herr Mu. wird mich nicht über alles informieren, was er tut.“ Narin: „Herr Fe. sagte, dass Sie als V-Mann-Führer auf alle Fälle dienstlich befasst gewesen seien mit der Mordserie, ob Sie es aber tatsächlich gemacht hätten, wisse er nicht. Kommt Ihnen einen Erinnerung, dass Sie damit befasst waren?“ Temme: „Über das hinaus, was auch schon Thema war, dass die Kollegin mich gebeten hat, bei der Polizei nachzufragen, was das gewesen ist, niemals. Nicht dass ich wüsste.“ Narin: „Was heißt ’nicht dass ich wüsste‘?“ Temme: „Ich habe keine Erinnerung daran. Ich erinnere mich nicht daran, vor diesem Zeitraum dienstlich befasst gewesen zu sein.“ Der Zeuge wird entlassen.

Dann gibt İsmail Yozgat, Vater von Halit Yozgat, eine Erklärung ab, die vom Dolmetscher übersetzt wird: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, hoher Senat. Entweder hat Herr Temme meinen Sohn Halit Yozgat getötet oder gesehen, wer ihn getötet hat. Wenn wir zum Grund kommen: Ich bin 1,68 m groß. Ich konnte aus einer Entfernung von 2 m meinen Sohn Halit sehen. Ein Teil von 85 Prozent des Körpers meines Sohnes war zu sehen. Warum konnte Temme, der 1,86 m groß ist, meinen Sohn nicht sehen? Hinzu kommt: Er musste eigentlich die Internetgebühren von 50 Cent zahlen. Wie konnte er den Halit Yozgat nicht sehen, der unter dem Tisch lag und nur seine Beine nicht zu sehen waren. Der Tisch war 150cm hoch. Halit war 1,70 m groß, nur seine Beine lagen unter dem Tisch. Dieser Mann, Herr Temme, lügt. Und wir wissen alle, dass dieser Mann lügt. Warum wollen wir die Wahrheit nicht sehen? Schauen Sie her, ich und meine Frau sind aus einer Entfernung von 3.500 km mit Mühe und Not hierher gekommen, gestern. Ich beantrage eine Tatortbesichtigung durch den Senat. Wenn sie die Tatortbesichtigung vornehmen, würden Sie die Wahrheit besser schätzen. Sehr geehrter Herr Vorsitzender, hoher Senat, bis jetzt habe ich von ganzem Herzen geglaubt, dass Sie die Entscheidungen hier richtig treffen. Wenn Sie sehen würden, wie Herr Temme, in dem Laden, wo mein Sohn getötet wurde, d.h. wenn Sie einen Ortsbesichtigung im Laden vornehmen würden, würden Sie die Tatsachen besser schätzen. Ich sage: Temme erzählt nur Geschichten. Das was er gesagt hat, hat mit der Wahrheit nichts zu tun. Hier gibt es zwei Alternativen: Entweder hat Herr Temme meinen Sohn selbst getötet oder er hat denjenigen gesehen, der meinen Sohn getötet hat. Hochachtungsvoll.

Danach sagt RA Bliwier, er behalte sich eine Erklärung nach §257 vor, wolle aber ankündigen, dass das, was Herr Yozgat gerade vorgetragen hat hat, dem Senat nochmal schriftlich zugehen werden, man werde das aufgreifen und verschriften, so dass im Moment noch kein Anlass bestehe, Stellungnahmen abzugeben.

Dann modifiziert RA Langer seinen Beweisantrag vom 213. Verhandlungstag dahingehend, dass beim Beweismittel 7 das Original des Asservats der Zulassungsbescheinigung in Augenschein zu nehmen sei. Die Tatsache, dass es sich bei dem vom Trio genutzten Wohnmobil um ein mit Dieselkraftstoff betriebenes Fahrzeug handele, lasse sich mit diesem Beweismittel direkter belegen, eine Anfrage beim Hersteller erscheine dann nicht mehr notwendig. Alle anwesenden NK-Vertreter_innen, die sich angeschlossen hatten, schließen sich auch der Modifizierung an. Dann sagt Götzl, dass die Zeugin Pf. einen Unfall gehabt habe und morgen nicht kommen könne, so dass man morgen erst um 11 Uhr beginne.

Dann nimmt OStAin Greger für die BAW zunächst Stellung zum gerade modifizierten Antrag RA Langers. Der Antrag sei abzulehnen, so Greger. Die Beweistatsachen seien für die Entscheidung ohne Bedeutung. Zum einen würden sich die Ausführungen ausschließlich auf das Wohnmobil und dessen Antriebskraftstoff beschränken. Zum anderen seien die Beweismittel nicht geeignet, die Verwendungsmöglichkeit des Superbenzin als Antriebskraftstoff in Frage zu stellen. Die Zugriffsmöglichkeit von Mundlos und Böhnhardt auf Fahrzeuge und Motoren würden sich nicht abschließend beurteilen lassen. Die Tatsache, dass Superbenzin in Zwickau gekauft wurde und das Wohnmobil nicht damit betrieben werden konnte, spiele keine Rolle für die Entscheidung, weil die drei Untergetauchten Kraftstoff im Bereich Ihrer Wohnung vorrätig gehalten hätten. Dabei handele es sich um mehrere unterschiedliche Kraftstoffe.

Ein Teil sei laut dem Ermittler L. (zuletzt 38. Verhandlungstag) aus einem Zehn-Liter-Kanister ausgebracht worden zur Brandlegung. Die Abläufe im Wohnmobil und das Internetrechercheverhalten der Angeklagten sprächen dafür, dass zunächst keine Brandlegung geplant war, und dass keine gemeinsame Exit-Strategie geplant war, die von der Angeklagten umgesetzt wurde. Daher seien auch der beantragte Urkundenbeweis und weitere Ermittlungen nicht veranlasst. Die Beweistatsache, dass es sich beim Superbenzin um das eingesetzte Brandmittel handelte, könne im Übrigen nur durch einen Sachverständigen bewiesen werden. Die Restflüssigkeit und die Brandproben seien bereits untersucht, die Zuordnung zu einer bestimmten Marke habe jedoch nicht getroffen werden können.

Schließlich nimmt Greger zum Antrag der Verteidigung Wohlleben Werner Ludwig F. zu laden Stellung. Auch dieser sei abzulehnen. Sämtliche Beweistatsachen seien für die Entscheidung ohne Bedeutung. Die behaupteten Bekundungen des Zeugen F. würden sich nicht auf das angeklagte Tatgeschehen beziehen, sondern Waffenerwerbe einer anderen Person betreffen. Der Schluss, dass den Waffenbüchern der Firma Schläfli & Zbinden dann kein Beweiswert zukommen könne, werde der Senat nach Betrachtung der Beweise auch dann nicht ziehen wollen. Denn die Eintragungen im Waffenbuch bzgl. der korrespondierten mit den konstanten Angaben des Zeugen Ge. Zudem würden sie durch die Ermittlungen in der Schweiz und die Angaben des Zeugen Schläfli hier zusätzlich abgesichert. Der Verhandlungstag endet um 16:13 Uhr.

Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:

„Allerdings bestätigte Frau Temme, dass ihr Mann in den Monaten vor dem Mord regelmäßig nachts zu Hause mit seinem Laptop „im Internet“ gewesen sei als sie bereits schlafen gegangen war. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Geschichte, er sei trotz entgegengesetzter dienstlicher Weisungen in das Internet-Café der Familie Yozgat gegangen, weil er sonst keine Gelegenheit gehabt habe, im Internet zu chatten, gelogen ist.
Temme selbst war sehr gut vorbereitet, hatte sich aus der Presse alle zugänglichen Informationen, auch über die abgehörten Telefonate, besorgt und parierte alle Fragen mit vorbereitet wirkenden Plattitüden.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/06/30/30-06-2015/

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