Protokoll 228. Verhandlungstag – 16. September 2015

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Der heutige Zeuge ist , der die mitbegründete. Er macht relativ umfassende Aussagen über die Anfangszeiten der Kameradschaft, die er gemeinsam mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erlebte. Er gibt allerdings an, recht schnell wieder ausgetreten zu sein, da ihm die Regeln zu streng gewesen seien.

Zeuge:

  • Tom Turner (Mitbegründer der KS Jena, ehem. Sänger der Jenaer Neonaziband „„, Erkenntnisse zu Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung betritt der Zeuge Tom Turner den Saal. Götzl sagt: „Herr Turner, im fünften Anlauf hat es jetzt geklappt.“ [Turner war mehrfach der Ladung nicht nachgekommen.] Nach der Belehrung nennt Götzl das Beweisthema und bittet Turner, von sich aus zu erzählen, inwiefern er die Personen kenne, wie der Kontakt ausgesehen hat, welche Rolle er und die anderen Personen in der KS gespielt haben. Turner: „Ja also, die ersten zwei von den Leuten, Zschäpe, Mundlos, die habe ich damals durch so eine Clique bei uns in Winzerla kennengelernt. Und Wohlleben, Gerlach, die habe ich dann im Zuge dessen, wo wir uns im getroffen haben, kennengelernt. Böhnhardt habe ich schon ein paar Jahre früher durch einen Heimkollegen kennengelernt, das war nur so ’ne Strohfeuerbekanntschaft, drei, vier Mal gesehen. Dann haben wir uns erst wieder im Winzerclub gesehen, weil er ein guter Freund von Gerlach war und Gerlach und Wohlleben sind zu uns nach Winzerla rübergekommen in den Winzerclub, so war das.“ Götzl: „Von welchem Zeitraum sprechen Sie?“ Turner: „’92, ’93.“ Auf Frage, wann er Böhnhardt kennengelernt habe, sagt Turner: „Ich glaube, so ’91 war das so gewesen.“

Götzl fragt nach der KS Jena. Turner: „Ja, die KSJ, das war halt diese Gruppe, so wie ich das grad aufgezählt hatte, wir hatten uns damals halt diesen Namen gegeben. Wir haben uns in erster Linie deshalb gegründet, weil wir eigene Räumlichkeiten haben wollten. Wir waren im Winzerclub und die Streetworker sind, sage ich mal, so diese linksalternativen Typen gewesen, ständige Piesackereien: Könnt froh sein, dass ihr hier sein könnt. Und das hat uns halt genervt. Wir haben daher diesen Kameradschaftsbund gegründet. Die Linken haben Häuser besetzt und von der Stadt dann die Häuser bekommen. Wir haben daher auch versucht, eigene Räumlichkeiten zu bekommen. Aber wie genau das damals ablief, kann ich nicht mehr sagen.“ Götzl: „Wer gehörte zu der Gruppe, von der Sie sagen: ‚Wir haben uns diesen Namen gegeben.'“ Turner: „Na, halt Kapke, Wohlleben, Böhnhardt, Mundlos, Gerlach, weiß nicht, ob Apel dabei war, Apel, glaube ich, und Friedel, ja. Ich glaube so, das war die Gründerzeitgruppe.“

Götzl fragt nach Zschäpe. Turner sagt, die habe er ja gemeint: „Zschäpe, Wohlleben, Kapke, Gerlach, Apel.“ Götzl: „Worum ging es der Gruppe, hatte die Ziele und Vorstellungen?“ Turner: „Wir waren schon politisch aktiv gewesen, wir haben Demonstrationen angemeldet, Informationsveranstaltungen, Konzerte haben wir besucht, Kameradschaftsabende, ich glaube die waren wöchentlich. Und finanziert hat man sich halt so durch Beitragsgelder und so was.“ Götzl: „Um welche Beträge ging es dabei, was wurde erhoben?“ Turner: „Das kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen, ich hing auch immer ein bisschen hinterher mit dem Bezahlen. Also, ich habe keine Ahnung mehr, wie hoch das war.“ Götzl: „Wann kam es denn dazu, dass sich diese Gruppe gebildet hat unter dem Namen Kameradschaft Jena?“ Turner: „’93 vielleicht. ’93, ’94 ungefähr, in dem Zeitfenster.“ Götzl fragt, was denn habe finanziert werden sollen. Turner: „Die Kosten für Spuckis zum Beispiel, hier solche kleinen Aufkleber, Demonstrationsplakate oder Flugblätter, Informationsblätter. Ja, und dann halt auch, wenn’s drum ging, eine Demonstration zu besuchen, dass Geld in der Kasse war für Benzin und so.“

Götzl: „Wer hat sich darum gekümmert, dass die Beiträge eingesammelt werden?“ Turner: „Ich glaube, das war Böhnhardt.“ Götzl: „‚Glaube ich‘?“ Turner: „Weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin. Aber ich denke, ich glaube, das war so.“ Götzl: „Haben Sie selbst auch eine Aufgabe übernommen?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Waren Sie mal mit dem Einsammeln von Beiträgen betraut?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Sie sagten, Sie hätten sich wöchentlich getroffen. Wo?“ Turner: „Das war bei uns im Winzerclub gewesen, so ne. Oder dann halt in Rudolstadt, Rudolstadt-Saalfeld. Die Örtlichkeiten haben auch immer gewechselt.“ Götzl fragt, ob es eine Verbindung nach Rudolstadt gegeben habe. Turner: „Die Verbindung so, das waren halt Brandt und Rosemann, das war die Verbindung, das waren die Leute, die man da so kannte.“

Götzl bittet Turner, Näheres zu Demonstrationen, Informationsveranstaltungen und Konzerten auszuführen. Turner: „Die einzigste Demo, die ich mit angemeldet habe über die KSJ, die wurde verboten. Weitere größere Aktivitäten hatte ich nicht so. Ich war zwar Gründungsmitglied, aber so ein halbes Jahr später hatte sich das erledigt gehabt mit uns.“ Götzl fragt, womit es sich erledigt habe. Turner: „Mit der Gruppe und mir, der KSJ und mir. Ich war auf jeden Fall nicht lange dabei.“ Götzl fordert Turner auf, zu erklären, was er damit meine. Turner: „Die Interessen sind zu weit auseinandergegangen. Mir war das ein zu dickes Regelwerk, deswegen habe ich mich halt anderweitig orientiert.“ Er habe seine Probleme gehabt mit Pünktlichkeit und dann sei da ein Alkoholverbot gewesen: „Ich war knapp über 18 und das war ein bisschen zu heavy.“ Götzl fragt, von wem denn die Vorgaben erfolgt seien. Turner: „Das waren die Regeln, so.“ Götzl: „Wer hat die aufgestellt?“ Turner: „Kann ich Ihnen nicht sagen. Bei den Kameradschaftsabenden, wo wir vorher waren, wenn wir bei Brandt waren, da war das auch so. War Alkoholverbot angesagt. Das wurde wahrscheinlich daher mit übernommen.“

Götzl: „Was hat es mit Rudolstadt auf sich, welche Rolle haben Personen von dort gespielt für Regeln und Sonstiges?“ Turner: „Das war ein befreundeter Kameradschaftskreis halt, so ne.“ Götzl: „Welche Rolle haben Rosemann und Brandt für die Kameradschaft Jena gespielt?“ Turner: „Das waren halt Freunde gewesen. Was heißt Freunde? Meine Freunde waren es nicht. Leute die man kannte. Wohlleben und Kapke [phon.] kannten die halt besser.“ Götzl fragt nach den Konzerten und Informationsveranstaltungen. Turner: „Konzerte haben wir besucht, so ne. Nicht selber organisiert. Das war auch im Kreis Rudolstadt gewesen. Waren so Liederabende halt so, ne.“ Götzl: „Sie wären politisch tätig gewesen, sagten Sie. Worum ging es Ihnen?“ Turner: „Es ging halt so um die Ausländerproblematik, Arbeitslosigkeit, Jugend hängt auf der Straße rum, wird in der Luft hängen gelassen, so hat man sich halt damals gefühlt und dann hat man was getan.“ Götzl: „Was bedeutet das? Was wollte man tun?“ Turner: „Das kann ich heute nicht mehr sagen. Wir sind halt zu den Demonstrationen gefahren. Aber jetzt so irgendwie große Überlegungen, das kann ich nicht mehr sagen.“

Götzl: „Was ist mit ‚Ausländerproblematik‘ gemeint?“ Turner: „Es ging da drum, dass die Ausländer, wir haben das so gesehen, dass die halt dran schuld sind, dass wir keine Arbeitsplätze kriegen und so einen Kram, was weiß ich. Keine Ahnung.“ Götzl fragt, wie Turners persönliche Situation damals gewesen sei. Turner: „Ich habe damals bei meinen Eltern gewohnt, aber aufgrund der Demonstrationsanmeldung hatte ich eine Hausdurchsuchung, und da bin ich dann halt zu Hause rausgeflogen.“ Götzl: „Kannten Sie Ausländer?“ Turner: „Zu dem Zeitpunkt nicht.“ Götzl fragt, ob Turner von Vorfällen im Bekanntenkreis gehört habe, dass wer betroffen gewesen sei. Turner: „Das war in der Diskothek gewesen, die haben dort die Mädels angemacht gehabt, die mit uns unterwegs waren, obwohl die gesehen haben, dass wir daneben standen. Es gab dann eine Auseinandersetzung.“ Götzl: „Wie ist die verlaufen?“ Turner: „Es gab eine Rangelei und dann kam die Security.“ Götzl: „Um welche Ausländer ging es da bei diesem Vorfall?“ Turner: „Keine Ahnung, das war vom Aussehen her so arabische Herkunft.“

Er bejaht, bei verschiedenen Demonstrationen gewesen zu sein: „Das waren Heß-Gedenkmärsche gewesen.“ Götzl fragt, welche Rolle dabei die KS Jena gespielt habe. Turner: „Nur Anwesenheit.“ Götzl: „Und die verbotene Demonstration, die hat die Kameradschaft Jena organisiert?“ Turner: „Ja, genau.“ Götzl: „Worum ging es dabei?“ Turner: „Ooh, keine Ahnung, also das ist echt-, kann ich Ihnen nicht mehr sagen.“ Götzl: „Zur Struktur der Kameradschaft Jena, Organisation, wer war denn jetzt zuständig für Demonstrationen, Anmeldungen, Konzertbesuche?“ Turner: „Die mit den meisten Kontakten, das waren in dem Fall Wohlleben und Kapke, so ne.“ Götzl: „Können Sie zu diesen Kontakten etwas sagen?“ Turner: „Die Kontakte, die ich halt kenne oder die ich meine, so, das sind die, die in Richtung Rudolstadt gingen, das war zu der Zeit, glaube ich auch der Kontakt, so .“

Götzl: „Rosemann und Brandt: Welche Rolle haben die letztlich gespielt, in Rudolstadt aber auch im Hinblick auf Jena und insgesamt?“ Turner: „Naja, Brandt, das war in Rudolstadt die Person, worum sich alles gedreht hat, der dort viel organisiert hat. Und ich weiß nicht, Rosemann, das war bestimmt eine gleichwertige Geschichte, so ne.“ Götzl: „Was haben Brandt und Rosemann in Rudolstadt gemacht, politisch, organisatorisch?“ Turner: „Die haben halt auch so Kameradschaftsabende organisiert. Der Brandt, der hat auch so, – also, ja, was war das gewesen? -, für irgendsoeinen Versand dann auch, – ich überlege gerade. Ich habe die halt auch immer nur an diesen Kameradschaftsabenden gesehen, da hat der das ein oder andere Mal geredet, mehr hatte ich mit den Leuten nicht zu tun. Ich weiß nur, dass Brandt das Zugpferd war und Rosemann war dem eigentlich auch ebenbürtig, so ne.“ Götzl: „Wie nah standen Sie persönlich Brandt oder Rosemann?“ Turner: „Gar nicht.“

Götzl: „Zu den einzelnen Personen in der Kameradschaft Jena: Welche Rolle hat jetzt wer innerhalb der Kameradschaft Jena gespielt? Und dass Sie mir die Personen beschreiben: Wie war’s mit Mundlos?“ Turner: „Wir waren alles gleichwertige Mitglieder, der eine hat sich halt mehr gekümmert, der andere weniger. Als ich bei der KSJ war, da stand das alles noch in den Kinderschuhen, so eine richtige Aufgabenverteilung gab es da nicht. Wer eine Idee hatte, hat die halt vorgebracht und dann wurde das halt so demokratisch entschieden.“ Götzl: „Trotzdem zu den einzelnen Personen: Dass Sie mir die Personen etwas beschreiben, so wie Sie sie kennengelernt haben und dann auch auf die Rolle in der Kameradschaft eingehen. Kapke, ist da André Kapke gemeint?“ Turner: „Ja. Kapke war immer ein sehr engagierter Typ, der was bewegen wollte. Bei Wohlleben war das ungefähr ähnlich, so.“ Götzl: „Mundlos?“ Turner: „Das war halt so ein sehr redegewandter Typ, mit dem man auch mal so quatschen konnte. Und Böhnhardt? Mit Böhnhardt hatte ich nicht so viel zu tun, er hat auch nicht so viel geredet. Und mit Apel war ich gut befreundet gewesen.“

Aber, so Turner weiter, das sei auch keiner, der sich in den Vordergrund geschoben habe, der der erste habe sein müssen, wenn es um irgendwas gegangen sei. Götzl fragt nach Holger Gerlach. Turner: „Wenn ich ehrlich bin, kann ich zu dem gar nichts groß dazu sagen. Der konnte immer gut Musik besorgen, die man schlecht bekommen hat.“ Götzl: „Dann hatten sie Friedel genannt.“ Turner: „Ja gut, das war so ein bisschen so ein Kasperkopf.“ Götzl: „Und Frau Zschäpe?“ Turner: „Ja, die war dabei, so ne. Aber die ist mir politisch so nie aufgefallen, die hat sich dahingehend nicht geäußert. Die war zwar Mitglied, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie da so am Tisch saß und Parolen mit rumgeschrien hat.“ Götzl: „Wie hat sie sich denn verhalten?“ Turner: „Wie man sich als Freundin von jemand so verhält. Immer mal zu ’nem Späßchen bereit, hat aber auch mal gesagt, wenn ihr was nicht gepasst hat. Was genau, kann ich nicht wiederholen. Aber diese Charaktereigenschaften, die sind mir da in Erinnerung geblieben.“ Götzl: „Waren Sie eigentlich mit den Personen befreundet aus der Kameradschaft Jena?“ Turner: „Ich sage mal so: Mit Mundlos, Apel, Wohlleben, da war das schon zeitweise eine Freundschaft, also eine Kumpanei.“

Götzl: „Und um auf Uwe Böhnhardt zu kommen, das Verhältnis Uwe Böhnhardt zu Ihnen. Und mir wäre dran gelegen, dass Sie ihn auch beschreiben, wie er sich verhalten hat.“ Turner: „Der Böhnhardt, das war einer, der eigentlich nicht groß aufgefallen ist in der Gruppe. Wenn er in den Winzerclub gekommen ist, dann hat er sich eine Cola bestellt und meistens mit den anderen Jungs, mit Apel oder so, Karten gespielt. Das war ein bisschen so ein Spieler. Und wie gesagt, was soll ich denn zu dem sagen? Er war auch nicht so der, der jetzt hier unbedingt hier der Wortführer sein musste, hat sich eigentlich so ein bisschen im Hintergrund gehalten.“ Götzl: „Spieler?“ Turner: „Der hat immer was gezockt, Flipper oder Karten gespielt mit ein paar anderen Jungs. Also was das Repertoire im Winzerclub hergegeben hat, damit hat er sich meistens beschäftigt.“ Götzl: „Und Ihr Verhältnis zu Böhnhardt?“ Turner: „Wir waren jetzt nicht so dick.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Turner: „Bei manchen Leuten, da kommt einer zur Tür rein, da weiß man sofort: Das ist mein Mann. Und Böhnhardt, da war es aber so, dass es ein bisschen frostig war. Wo ich ihn ’91 gekannt habe, war das damals schon so eine Strohfeuerbekanntschaft gewesen. Wir haben früh gemerkt, dass wir nicht so zusammenpassen.“ Götzl fragt, ob Turner beschreiben könne, wie Wohlleben sich verhalten habe. Turner: „Er war immer ein lockerer Typ so, gute Laune, wenn wir abends gesagt haben, komm wir fahren da und da hin, dann war er immer dabei. Ein sympathischer Kerl eigentlich gewesen.“

Götzl: „Wie sah es in der Folge aus? Sie hatten über die 90er gesprochen, sagten, dass Sie dann den Kontakt nicht mehr in der Form zur Gruppe hatten. Wie sah es ansonsten mit Kontakt zu den Personen in den nachfolgenden Jahren aus?“ Turner: „Ja, wenn man sich irgendwo mal gesehen hat. Aber Kontakt gehalten kann man nicht sagen. Nur zu Apel hatte ich noch Kontakt.“ Götzl: „Nach wie vor?“ Turner: „Nein, nicht mehr. Aber danach.“ Götzl: „Und zu Uwe Mundlos?“ Turner: „Nein, man hat sich auch gar nicht mehr gesehen, ich war dann auch in einer anderen Stadt.“ Götzl: „Wo?“ Turner: „In einigen Städten.“ Götzl: „Wo?“ Turner: „Gera, Kahla.“ Götzl: „Wann sind Sie nach Gera gezogen?“ Turner: „So ’94, ’95.“ Götzl: „Haben Sie zu Wohlleben weiter Kontakt gehalten?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Wann war der letzte Kontakt zu ihm?“ Turner: „’95 vielleicht. Aber Kontakt heißt: Mal gesehen, mal getroffen.“ Götzl: „Waren Sie mit Frau Zschäpe auch befreundet?“ Turner: „Mit Frau Zschäpe war ich dahingehend befreundet, weil ich hing mal eine Zeit bisschen enger mit Mundlos zusammen, Konzerte, und zu dem Zeitpunkt war Mundlos mit Zschäpe liiert und dadurch hatten wir ein engeres Verhältnis. Wie man das halt so hat, wenn ein Kumpel halt eine Freundin hat.“ Götzl: „Ab wann war Frau Zschäpe mit Uwe Mundlos liiert?“ Turner: „Phhh, ’92 oder ’93.“

Götzl: „Welche Rolle hat denn in der Zeit Uwe Böhnhardt gespielt im Verhältnis zu Uwe Mundlos und Frau Zschäpe?“ Turner: „Also, zu dem Zeitpunkt, da hat die Gruppe, wie sie sich als KSJ im Nachhinein gefunden hat, war das in dem Moment, wo Zschäpe mit Mundlos zusammen war, war das so gewesen, dass das Verhältnis nicht so eng gewesen ist zwischen Böhnhardt, Mundlos, Kapke. Mundlos und ich waren damals viel unterwegs gewesen, Zelten gefahren und so ’nen Kram, Konzerte besucht, Freunde besucht.“ Götzl: „Die Personen, die zur Kameradschaft Jena gehörten: Gab es da engere Verbindungen zwischen einzelnen Mitgliedern, über die Kameradschaft hinaus?“ Turner: „Wohlleben und Gerlach, das sind ja Schulkameraden gewesen, die sind zusammen aufgewachsen. Und ich denke, dass da schon die Freundschaft über die Kameradschaft hinausgegangen ist. Und da gehörte eigentlich Böhnhardt auch dazu. Gerlach, Böhnhardt und Wohlleben sind zusammen aufgewachsen, so ne. Und da ging die Freundschaft schon über die Kameradschaft hinaus.“ Götzl: „Und die Sonstigen: Kapke, Apel, Friedel?“ Turner: „Das hat sich alles durch den Winzerclub entwickelt.“

Götzl fragt zur politischen Einstellung von Kapke und Wohlleben. Turner: „Naja, Kapke und Wohlleben, die waren schon so ein bisschen gefestigt. Kapke, Mundlos, Wohlleben, das waren schon die gefestigteren Typen, so ne.“ Götzl: „Was heißt das?“ Turner: „Die waren ehrgeizig so in den Sachen, die sie da vertreten haben.“ Götzl: „Was meinen Sie damit?“ Turner: „Die wollten schon was bewegen mit ihren Aktivitäten, so.“ Götzl: „Was wollten sie bewegen?“ Turner: „Sie waren halt junge Leute, die halt was verändern wollten, die mit ihrer Situation halt nicht zufrieden waren.“ Götzl: „Ja, beschreiben Sie die Situation und inwiefern sie damit nicht zufrieden waren.“ Turner: „Weiß ich doch nicht. Das sind Sachen, die ich noch so im Kopf habe. Aber wie die das im Einzelnen machen wollten, kann ich nicht mehr sagen.“

Götzl: „Zu Ihnen dann: Wie war Ihre Situation?“ Turner: „Wie gesagt: Ich bin in die Gruppe mit reingekommen und da hat das so eine Eigendynamik bekommen. Ich bin nicht als Rechtsradikaler vom Himmel gefallen, das ging Schritt für Schritt, Haare kürzer geschnitten, Bomberjacke geholt. Das war halt eine Jugendbewegung gewesen und ich bin ein paar Jahre später wieder verschwunden, wo die Jungs immer noch da waren.“ Götzl: „Jetzt hatten Sie vorhin bezogen auf Kapke, Wohlleben und Mundlos gesagt: ehrgeizig, wollten etwas bewegen mit Aktivitäten.“ Turner: „Die kamen jede Woche mit was anderem: Da ist ein Konzert, ein Liederabend, eine Demonstration. Da war auch kein Kilometer zu weit. Die waren halt aktiv und schon immer auf dem neuesten Stand.“

Götzl fragt, was der Zweck der Heß-Gedenkmärsche gewesen sei. Turner: „Das war zum Gedenken von Heß gewesen, so ne. Also, wir wollten mal hinfahren, Bamberg oder so war es gewesen, das wurde kurzfristig verboten.“ Götzl: „Mich würde interessieren: Welche Bedeutung hatte Heß für Sie und die anderen gehabt?“ Turner: „Für mich hatte der nicht so eine große Bedeutung, der Mundlos hatte da ein Faible so mit. Für mich war das eine Veranstaltung, wo man ein paar Leute mal wieder getroffen hat.“ Götzl: „Welche Bedeutung hatte Heß für Mundlos?“ Turner: „Weiß ich jetzt nicht. Ich weiß bloß, dass er eine Bedeutung für ihn hatte, im Gegensatz zu mir.“ Götzl erwidert, dass Turner ja eine Vorstellung haben müsse. Turner: „Eine Märtyrerfunktion, keine Ahnung.“ Götzl: „Inwiefern dann Märtyrer?“ Turner: „So wurde das gesagt immer: Märtyrer für Deutschland.“

Götzl: „Wann sind Sie nach Jena gekommen, nach Winzerla?“ Turner: „’91, glaube ich.“ Vorhalt aus dem Protokoll einer Vernehmung von Turner am 16.04.2013: In unserer Straße, Zielinski-Straße, gab es die Zielinski-Clique, zu der u. a. auch Zschäpe gehörte. Turner: „Ja, das war die Zeit wo ich zum ersten Mal Beate Zschäpe gesehen habe. Das war eine gemischte Clique mit Metallern, Hip-Hoppern, Punkern, und Skinheads halt eben auch.“ Vorhalt: So habe ich sie kennengelernt, wir waren jung, 14, 15 Jahre alt und völlig unpolitisch. Turner: „Ja, sie war damals auch nicht mit Mundlos zusammen.“ Vorhalt: Uwe Mundlos war sporadisch auch dabei. Turner: „Der kam, glaube ich, mit Apel mal vorbei.“ Vorhalt: Erst als der Winzerclub aufmachte, das müsste 1992 gewesen sein, wurde der Kontakt häufiger. Turner: „Genau.“ Vorhalt: Es entwickelte sich eine Freundschaft zu Mundlos und Zschäpe. Turner: „Das war dann auch die Zeit, wo wir mal weggefahren sind. Der Kontakt zwischen Mundlos, Zschäpe und mir und Kapke und Wohlleben [phon.], der war da nicht so eng.“

Vorhalt: Mundlos hatte damals schon einen Führerschein und einen Wartburg, mit dem wir am Wochenende in Diskos und zum Zelten gefahren sind; bei den Konzerten hat es sich um Konzerte der rechten Szene gehandelt, das habe ich durch meine Kontakte mitbekommen und das habe ich Mundlos erzählt, weil ich nicht wusste, wie ich zu den Veranstaltungen komme; so sind wir mit Zschäpe zu den Konzerten gefahren. Turner bestätigt das. Götzl: „Das waren die Konzerte, die Sie angesprochen hatten?“ Turner: „Genau. Und da hat man Leute aus anderen Städten kennengelernt und die dann besucht.“ Götzl: „Waren damals Beate Zschäpe und Uwe Mundlos bereits liiert?“ Turner: „Da waren die zusammen, ja.“ Vorhalt: Die anderen waren eher träge und wollten im Winzerclub trinken, dazu gehörten Stefan Apel, Ronny We. und Roy E. Turner: „Die gehörten zu unserem Freundeskreis, von der KSJ abgesehen, zu unserem Umfeld.“

Götzl fragt, ob zu der Zeit Kapke, Wohlleben, Böhnhardt schon präsent gewesen seien im Winzerclub. Turner: „Ja, und aus der Gruppe im Winzerclub hat sich die KSJ ja gebildet gehabt.“ Vorhalt: Zu dieser Zeit spielten Kapke und Wohlleben bei uns im Winzerclub noch keine Rolle, Gerlach und Böhnhardt kamen auch erst später dazu, ’94 oder eher ’95. Turner: „Dann war das auch so.“ Götzl: „Was haben Sie dazu in Erinnerung?“ Turner: „Mundlos und Zschäpe und ich, wir waren zwar im Winzerclub gewesen, aber die Wochenendsachen, das war nicht in der Gruppe, das ist erst später gewesen, deswegen haben Kapke und Wohlleben nicht so eine große Rolle gespielt für uns.“

Vorhalt: Böhnhardt habe ich, meine ich, 1992 im Kinderheim kennengelernt. Turner: „Ich war im Kinderheim und jemand, der zusammen mit mir im Heim war, der kam mit dem angefahren.“ Das sei sein erster Kontakt gewesen, dadurch habe er Böhnhardt kennengelernt Vorhalt: Böhnhardt war in dem Heim lediglich zu Besuch. Turner: „Der hat meinen Kumpel mal besucht, ja. Und er selber war, glaube ich, zu der Zeit auch irgendwie im Heim.“ Vorhalt: Unsere Gemeinsamkeit war das schwere Schuhwerk und die grüne Bomberjacke. Turner: „Ja, das war so.“ Götzl: „Bezieht sich das auf 1992?“ Turner: „Ja.“ Götzl: „Ist Ihnen bekannt, ob Uwe Böhnhardt Schwierigkeiten mit Polizei und Justiz hatte?“ Turner: „Damals, wo ich den kennengelernt hatte, da hatte er Probleme gehabt, wegen Diebstahl oder irgendwas.“ Götzl: „Sind Ihnen Einzelheiten bekannt geworden?“ Turner: „Nein. Also, der war, glaube ich, auch im Gefängnis, oder?“ Vorhalt: Wiedergesehen habe ich ihn später in der Wohnung von Tibor Re. in Lobeda. Turner: „Da habe ich den mal getroffen, ja. Ich glaube, ich habe den da das erste mal wiedergesehen seit einem längeren Zeitraum.“ Götzl: „Was war das für ein Anlass?“ Turner: „Die Wohnung von Tibor Re., das war so eine Wohnung gewesen, wo man sich getroffen hat. Der war älter, hatte eine Wohnung und da hat man sich halt getroffen zum Biertrinken, Musikhören oder Grillen.“ Das sei so im Zeitraum zwischen 1992 und 1995 gewesen, so Turner auf Frage.

Vorhalt: Mundlos konnte Wohlleben und Kapke nicht riechen, zumindest in der Anfangszeit. Turner: „Ja am Anfang waren die überhaupt nicht so dick. Das ging in der Zeit, wo ich mit Mundlos rumhing, auch bei uns mehr so in die Skinhead-Konzert-Richtung. Und Wohlleben und Kapke waren schon so mehr die politischeren Leute, was sie auch später verfeinert haben. ‚Nicht riechen‘ ist der falsche Ausdruck vielleicht, aber das war ein anderes Verhältnis als dann später. Diese Bekanntschaft, die musste erst wachsen.“ Götzl: „Was ist eine bessere Umschreibung als ’nicht riechen‘?“ Turner: „Also, ich sage es mal so: Kapke und Wohlleben, das waren die Scheitelträger, hat man früher bei uns gesagt. Und wir sind mehr so in die Skinhead-Richtung gegangen. Der Anfang war halt ein bisschen frostig. Mundlos war auch ein Typ, der hat auch nicht jeden gleich in seinem Umfeld akzeptiert, der hat die Leute erst mal abgeklopft. Der ist nicht jedem gleich, nur weil er ein Kamerad war, himmelhochjauchzend um den Hals gefallen. Und dazu gehörten auch Wohlleben und Kapke am Anfang.“

Vorhalt: Für Uwe Mundlos gehörte man nicht automatisch dazu, wenn man die Haare kurz und eine Bomberjacke und Springerstiefel trug. Turner: „Das meine ich.“ Vorhalt: Für ihn war wichtig zu erkennen, dass derjenige eine eigene politische Meinung hatte und auch vertreten konnte. Turner: „Und nicht was nachquatscht, so ne.“ Götzl: „Welche Erwartungen hatte denn jetzt Uwe Mundlos, können Sie das an einem Beispiel schildern?“ Turner: „So geschichtliche Kenntnisse und solche Sachen. Das waren so Sachen, wo er ausgelotet hatte, wie derjenige drauf ist.“ Vorhalt: Deshalb hat es bei Böhnhardt auch am längsten gedauert, bis er akzeptiert wurde. Turner: „Wie gesagt, ich kann mich erinnern, dass es lange gedauert hatte, bis man von einer Freundschaft reden konnte. Das ging dann auch über meine Zeit hinaus.“

Götzl bittet Turner zu beschreiben, wie das Verhältnis zwischen Mundlos und Böhnhardt gewesen sei. Turner: „Zu dem Zeitpunkt, wo ich mit dem zusammenhing, war das Verhältnis nicht so dick mit den beiden. Klar hat man sich gesehen und saß auch zusammen am Tisch. Aber eine Freundschaft sieht anders aus. Das waren so Sachen, an die ich mich so erinnern konnte. Dass das nicht gleich so eine dicke Freundschaft war, wie es dann am Ende geendet ist.“ Vorhalt: Böhnhardt ist bei Diskussionen schnell an seine Grenzen gestoßen und wurde dann unbequem. Turner: „Wenn er das anders gesehen hat, da ist er dann schon ein bisschen zornig geworden, so ne?“ Götzl: „‚An seine Grenzen gestoßen‘?“ Turner: „Die Zeit, wo ich mit denen rumhing, war das auf jeden Fall nicht so derjenige, der in dieser Sache jetzt so ein redegewandter Typ war, der immer gleich eine Antwort hatte. Deswegen war der immer mehr im Hintergrund gewesen. Das haben meistens Wohlleben und Kapke geklärt.“ Götzl fragt, ob es, wenn Böhnhardt zornig gewesen sei, dann auch zu Tätlichkeiten gekommen sei. Turner: „Nee, das nicht, aber verbal halt so. Oder er ist aufgestanden und erst mal eine rauchen gegangen.“

Vorhalt: Uwe Mundlos hatte eine sehr gute Allgemeinbildung, war intelligent und ein bisschen zynisch. Turner: „Ja, der war ein bisschen so ein Zyniker, der hat immer so seine Witzchen gemacht.“ Götzl: „Umschreiben Sie, worauf sich ‚zynisch‘ bezieht.“ Turner: „Er hat so Sachen, die er ernst gemeint hat, immer schon so im Spaß verpackt.“ Vorhalt: Dies konnte man an seinen Spitzen z. B. gegenüber Andersdenkenden feststellen. Turner: „Ja, so was zum Beispiel.“ Vorhalt: Er war in der Lage seine Meinung argumentativ zu vertreten, die Sozialarbeiter haben erstmal geschluckt, wenn er Argumente vorgebracht hat. Turner: „Ja.“ Vorhalt: Sie haben es dann auch dran gegeben, mit Mundlos, Kapke, Wohlleben und mir zu diskutieren. Turner: „Die Sozialarbeiter haben uns im Prinzip durch die Blume zu verstehen gegeben, dass wir nicht erwünscht sind. Da kam es zu Diskussionen mit dem Kaktus und dem Torte, da war ich das ein oder andere mal auch dabei. Da ging es drum, wie man das organisiert, dass alles so bleibt, wie es ist, dass wir auch dort bleiben können.“

Vorhalt: Ich kann es mir heute gar nicht vorstellen, dass Mundlos es mit Böhnhardt so lange ausgehalten hat. Turner: „Meines Erachtens, meiner Erfahrung nach, also ich könnte mir das nicht vorstellen, so lange Zeit mit diesem Typen durchs Leben zu gehen. Weil für mich war das keiner, der in die Freundschaftsliste reinkommen würde. [phon.] Weil die eigentlich so unterschiedlich sind.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Turner: „Der eine ist argumentativ gut drauf und der andere bleibt lieber im Hintergrund, und wenn man ihn auf dem falschen Fuß erwischt, wird er gleich zornig. Deswegen konnte ich mir das nicht vorstellen.“ Vorhalt: Ich glaube auch nicht, dass Mundlos diese Morde begangen hat, bei Böhnhardt kann ich es mir schon eher vorstellen, dass der in die Richtung gegangen ist, das passt schon eher zu seiner plumpen Art. Turner: „Weil, wenn er nicht weiter wusste, er immer gleich aggressiv geworden ist. Und bei Mundlos, der ist überhaupt nicht der Typ für so was, vom Aggressionspotenzial her, ist meine Einschätzung, so ne.“

Götzl: „Hatten denn Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt Waffen oder Zugang zu Waffen?“ Turner: „Nein, ich habe auch nie eine Waffe oder irgendwas bei denen gesehen. Um Waffen ging es bei uns auch nie, bei der KSJ, in der Zeit, wo ich da dabei war. Da gab es ja nicht mal eine Schlägerei.“ Vorhalt: Damals war bekannt, dass er einen Waffentick hatte. Götzl sagt: „Das bezieht sich wohl auf Uwe Böhnhardt.“ Turner: „Waffentick ja, aber ich habe nie eine Waffe gesehen. In der Stadt, die Linken haben immer davon geredet, dass der Herr Böhnhardt immer bewaffnet ist. Aber ich habe bei dem nie eine Waffe gesehen gehabt.“ Vorhalt: Von seinem Charakter war es so, dass er zu Gewalt neigte, er unberechenbar war und man ihm am besten keinen Alkohol gab, er hat sich dann nicht unter Kontrolle gehabt. Turner: „Ich hatte mal ein Erlebnis mit ihm. Bei Re. in der Wohnung, da hat er mal zu viel getrunken gehabt.“ Da sei Böhnhardt „aggro“ geworden, da habe er was in den falschen Hals gekriegt und habe gepöbelt. Götzl: „Ja, hat er denn Alkohol getrunken?“ Turner: „Das war das einzigste Mal, ich habe den danach nie wieder Alkohol trinken gesehen. Das war dem am nächsten Tag auch peinlich gewesen.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei, dass Böhnhardt zur Gewalt neigte. Turner: „Wie gesagt, das war halt. Also, bevor diskutiert wird, wurde da lieber erstmal, hat er lieber den Weg eingeschlagen, einen zu bedrohen. Ich habe das mal mitbekommen bei so einer Sache, war in Lobeda gewesen, das hätte man so klären können, war er aber gleich oben auf [phon.] gewesen.“

Götzl fragt, was das für ein Vorfall gewesen sei. Turner: „Die haben sich gestritten um ein paar Winterreifen, da ging es um ein Auto, er war mit dem Preis nicht einverstanden und er ist gleich fuchsig [phon.] geworden und wollte den anderen rumschubsen [phon.].“ Götzl: „Wie sah die Bedrohung aus?“ Turner: „Er sagte: Es kracht gleich.“ Götzl hält vor, dass Turner angegeben habe, dass Böhnhardt „unberechenbar“ gewesen sei. Turner: „So manchmal, da wusste man dann nicht, woran man bei ihm ist. Weil er nicht so derjenige war, der viel gequatscht hat, sondern mehr so der in sich gekehrte Typ.“ Es folgt eine Pause bis 11:37 Uhr.

Danach fragt Götzl: „Wir waren bei Ihrer damaligen Vernehmung durch die Polizei.“ Vorhalt: Wie ging die Gründung der KSJ vonstatten? – Das kam in erster Linie durch die Teilnahme an den Heß-Gedenkmärschen. Turner: „Dadurch, dass wir auf den Heß-Märschen, da wir dort immer die unterschiedlichen Kameradschaften gesehen haben, war das für uns die Animation selbst eine Kameradschaft zu gründen. Da sieht man „Kameradschaft Hessen‘, ‚Kameradschaft Bochum‘, was weiß ich. Ich glaube, dass das so ein Ansporn für uns war.“ Vorhalt: Wir haben dann diskutiert, wie wir uns unsere politische Zukunft vorstellen. Turner: „Ob wir das genauso machen wollen, wie wir das dort auf den Demos gesehen haben.“ Götzl fragt nach der Wendung „politische Zukunft“. Turner: „Ich kann mich dran erinnern, dass wir uns zusammengesetzt haben und uns unterhalten haben, wo wir hin wollen mit den ganzen Aktionen. Und da war das Thema: eigener Jugendclub.“

Götzl: „Hinter ‚politischer Zukunft‘ verbirgt sich ‚rechter Jugendclub‘?“ Turner: „Jugendclub für rechtsorientierte Jugendliche. Die Linken hatten ihre besetzten Häuser bekommen von der Stadt halt und wir hatten den Winzerclub mehr schlecht als recht.“ Sie seien im Winzerclub schlecht angesehen gewesen, und deswegen hätten sie da raus gewollt. Götzl: „Ich kann mir schwer vorstellen, dass das damit gemeint ist.“ Turner: „Habe ich doch gerade erklärt.“ Götzl: „‚Politische Zukunft‘ erschöpft sich darin, dass es nur um Gründung von Jugendclubs ging?“ Turner: „Nicht nur um Jugendclubs. Wir haben die Gruppe gegründet, um als KSJ in unserer Stadt, weiß nicht genau, wie das war. Demonstrationen angemeldet, so ne. Andere Kameradschaften besucht. Was da für genaue Ideen noch dahinter waren, da weiß ich echt nicht mehr.“ Vorhalt: Wir waren keinen Skins, sondern eher Scheitelfaschos, also politische Aktivisten. Turner: „So hat sich die Gruppe gesehen, damals.“ Götzl: „Welche politischen Ziele hatten Sie?“ Turner: „Keine Ahnung mehr, weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Keine Ahnung mehr? Sehr schwer vorstellbar, Herr Turner.“ Turner sagt nichts.

Dann fragt Götzl: „Waren Sie damals eigentlich in einer Band?“ Das bejaht Turner, das sei kurzzeitig so gewesen. Götzl: „Berichten Sie, was Sie damals gemacht haben!“ Turner: „Ich war damals Sänger gewesen von ’ner Band.“ Götzl: „Von welcher Band?“ Turner: „‚Vergeltung‘ nannte die sich.“ Götzl: „Von wann bis wann existierte die Band bzw. waren Sie Sänger?“ Turner: „Ein Jahr vielleicht.“ Götzl: „Sie waren Sänger, es ging also um Texte.“ Turner: „Ja, genau.“ Götzl: „Welche Texte haben Sie gesungen?“ Turner: „Texte, die die Szene halt angesprochen hat, ja.“ Götzl sagt, Turner solle Inhalte, Beispiele wiedergeben. Turner: „Ausländer und Drogenproblem, dann halt Lieder über Skinheads an sich. Also Spaßcharakter mit Boots and Braces. Ja, so. Aber das war nach der KSJ, glaube ich. Oder war es davor? Nee, nee, das war davor gewesen.“ Vorhalt: Ich war der Sänger der Gruppe „Vergeltung“, mit We., E. und „Borstel“, seinen richtigen Namen kenne ich nicht mehr. Wir hatten unseren Proberaum im Winzerclub. Bei der Musik handelte es sich um RAC, Rock against Communism. Die Band bestand ca. 1995 bis 1996. Götzl: „Wollen Sie mir wirklich sagen, Sie wüssten nicht mehr, welche politischen Ziele Sie damals verfolgt haben?“ Turner: „So richtig nicht, ja.“ Götzl. „Das wissen Sie nicht?“ Turner schweigt. Götzl: „Ich denke, da sollten Sie mal drüber nachdenken und sich Mühe geben.“ Turner sagt wieder nichts.

Götzl: „2013 beschreiben Sie ihre Rolle und sagen: ‚Wir haben dann diskutiert, wie wir uns unsere politische Zukunft vorstellen.‘ Wenn man nicht weiß, wovon man spricht, dann kommt es normalerweise auch nicht zu so einer Aussage. Und jetzt wollen Sie mir erzählen, Sie wüssten nicht, um welche Vorstellungen es gegangen wäre. Und Sie beschreiben es weiter: ‚Wir waren keine Skins, sondern eher Scheitelfaschos, also politische Aktivisten.‘ Das klingt nicht plausibel, was Sie jetzt sagen.“ Turner: „Ja, so ist es aber. Und, wie gesagt, die politischen Aktivitäten, das waren die Flugblattaktionen oder diese Demonstrationen, das meinte ich damit.“ Götzl: „Das ist die Art und Weise, wie Sie politisch tätig werden.“ Turner: „Um mehr ging’s auch nicht.“ Götzl: „Moment, Sie müssen mir schon zuhören! Zum anderen geht es dann um die politischen Inhalte. Und meine Frage war nicht, auf welchem Weg, sondern wie der Inhalt ausgesehen hat.“ Turner schweigt kurz und sagt dann: „Naja, es ging halt um die Bekämpfung von kriminellen Ausländern und Drogenhandel an Schulen und an Jugendliche. Solche Themen. Aber, wie gesagt, an den genauen Ablauf kann ich mich da nicht mehr dran erinnern.“

Götzl: „Haben sich denn im Laufe der Jahre Ihre politischen Ansichten geändert?“ Turner: „Natürlich, habe in der Zwischenzeit nichts mehr damit zu tun.“ Götzl: „Dann würde mich jetzt mal der Unterschied interessieren, auch das setzt rein von der Logik voraus, dass Sie eine Vorstellung haben, wie es früher war.“ Turner: „Ich habe keine Probleme mit Ausländern, das sind Sachen, die sind Geschichte. Ich habe mit solchen Sachen nichts mehr zu tun.“ Götzl: „Womit haben Sie nichts mehr zu tun?“ Turner: „Mit solchen Sachen, mit Ausländerproblematik, dass ich die nicht mag oder so, das ist heutzutage nicht mehr der Fall, dass es für mich Feindbilder sind oder so was.“ Vorhalt: Was war das Ziel der KSJ? – Unser Ziel war die Bekämpfung des Staates bis zum Umsturz, letztlich um eine nationale und sozialistische Gesellschaftsform zu schaffen. Turner: „Dann wird das so gewesen sein.“ Götzl: „Was heißt das?“ Turner sagt, sie hätten ihren politischen Weg, ihre Mittel um Veränderung zu schaffen in den Aktionen gesehen, in Demonstrationen, Informationsveranstaltungen etc.

Vorhalt: Wie sollte der Kampf geführt werden? – Durch Flugblätter und Demonstrationen, es gab hin und wieder mal Diskussionen zur Bildung einer militanten Organisation, wenn man sich Videos aus Skandinavien angeschaut hat. Turner: „Ja, ob wir das gut oder schlecht finden. Aber das ging uns persönlich zu weit.“ Götzl fragt, wen Turner mit „uns“ meine. Turner: „Mit denen ich darüber geredet habe. [phon.] Das hat für uns niemals eine Rolle gespielt, so weit zu gehen wie in den Videos.“ Götzl fragt, wie es in den Videos gezeigt worden sei. Turner: „Mit Waffen, Wehrsportübungen. Wir haben diese Videos gesehen, aber eigentlich einstimmig für uns gab es da keine Zukunft [phon., ggf. „Zustimmung“] in der Hinsicht. Ich sage es mal so: Das war schon eine Spur zu hart dann.“ Er verneint, bei Mitgliedern der KS Jena Waffen gesehen zu haben. Götzl: „Gab es mal Überlegungen, sich Waffen zu kaufen oder zu besorgen?“ Turner: „Zu meiner Zeit nicht. Das war nie ein Thema, Waffen zu besorgen, die Gruppe zu bewaffnen, das war jedenfalls zu meiner Zeit kein Thema.“

Götzl: „Wenn Sie die Personen Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt anschauen, wie war das Verhältnis dieser drei Personen zueinander in der Zeit, in der Sie der Kameradschaft Jena angehörten?“ Turner: „Nicht enger oder dicker wie bei anderen von der Gruppe. Außer zu dem Zeitpunkt, wo Beate Zschäpe noch mit dem Uwe Mundlos zusammen war, da war das natürlich enger. Aber dass sich die Drei als ‚Drei‘ rauskristallisiert haben, das kann ich nicht sagen, zu dem Zeitpunkt.“ Götzl sagt, im Vernehmungsprotokoll stehe, dass Turner angegeben habe, zu der Zeit der Band „Vergeltung“, 1995 bis 1997, weiter Kontakt zu den KSJ-Leuten gehabt zu haben. Turner: „Ja, der Proberaum war ja im Winzerclub. Die haben uns ja auch im Proberaum besucht oder nach der Probe hat man da ein bisschen zusammengesessen im Winzerclub.“ Vorhalt: Hierbei stellte ich fest, dass sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als elitäre Gruppe absonderten. Turner: „Zu der Bandzeit?“ Götzl: „So steht es hier im Protokoll.“ Turner: „Da fing das an, dass man die halt nur noch im Dreierpack gesehen hat.“

Götzl: „Und was ihr Verhalten anbelangt, war da eine Veränderung festzustellen, auch anderen gegenüber?“ Turner: „Nicht was ich jetzt sagen könnte.“ Vorhalt: Sie spielten sich auf wie die SA der Neuzeit. Turner: „Ich meinte das damals so: Mundlos und Böhnhardt, da ging es immer drum: Wenn man halt nicht z. B. jetzt so drauf war wie die, die sich auch so gekleidet haben wie die SA und durch die Stadt spaziert. Und ich hatte dann auch, bei mir ist mal rausgekommen, dass ich mal gekifft hatte, da konnte ich mir Referate anhören. Die haben sich ein bisschen so wie die Szenepolizei aufgespielt: Was bist du denn für einer?“ Götzl: „Wer spielte sich auf?“ Turner: „Mundlos kam zu mir und sagte, wenn ich das sein lasse, dass man dann darüber hinweg guckt.“ Götzl: „Und Böhnhardt?“ Turner: „Der war auch mit dabei.“ Götzl: „Und Zschäpe?“ Turner: „Die hing mit dabei. Aber gesagt hat das zu mir Mundlos. Und das meinte ich, die haben sich aufgeführt wie die Szenepolizei.“

Vorhalt: Wie würden Sie ihre politische Einstellung zur damaligen Zeit beschreiben? – Eine gewisse Radikalität in der Denkweise, aber im Alltag habe ich lieber diskutiert. Mein Sprachrohr wurde dann die Musik, wo ich meinen rechten politischen Standpunkt geäußert habe, aber es war auf jeden Fall nicht so, dass ich bis zum Äußersten gegangen wäre, ich bin auch nicht wahllos auf Ausländer losgegangen. Turner: „Von unserer Gruppe hätte das sowieso keiner gemacht.“ Götzl: „Haben Sie das so gesagt, wie es hier steht?“ Turner: „Ja.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei, dass Turner seinen Standpunkt geäußert habe durch die Musik. Turner: „Aus den Texten hat man die radikale Denkweise schon raushören können.“ Götzl fragt, ob Turner ein Beispiel habe, was er dann zum Ausdruck gebracht habe in den Texten. Turner: „Die Texte, an die kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei, dass Turner „auf jeden Fall nicht bis zum Äußersten gegangen wäre“. Turner: „Dass ich körperliche Gewalt angewendet hätte gegen politische Gegner oder Ausländer.“

Vorhalt: Bei Mundlos war das anders: Wenn es um die politische Einstellung gegangen ist, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Bei ihm gab es null Toleranz und keine Kompromisse. Turner: „Bei ihm hätte es das nicht gegeben wie bei mir, dass ich mit Punks rumsitze und kiffe. Er war schon geradliniger.“ Vorhalt: Er hatte ernste Absichten und mir war klar, dass er nie aufhören würde. Turner: „Er war ein Mann, der von seinen politischen Einstellungen überzeugt war.“ Götzl fragt, was mit „ernste Absichten“ gemeint sei. Turner: „Dass Mundlos, wenn man den in zehn Jahren treffen würde, dass es immer noch so ist. Keine Eintagsfliege oder ein Typ wie ich, der mal ein paar Jahre mitmacht und sich dann verabschiedet.“ Es folgt die Mittagspause bis 13:07 Uhr.

Götzl: „Wir waren bei Ihrer Vernehmung durch das BKA und bei Uwe Mundlos.“ Vorhalt: Woran hat er geglaubt? – Er war davon überzeugt, dass man den Nationalsozialismus wieder einführen könne, Rudolf Heß war sein großes Vorbild, für ihn stand die Reinhaltung der deutschen Rasse im Vordergrund … er hat auch nie einen Döner gegessen. Götzl: „Sie nicken?“ Turner: „Jedenfalls nicht in der Zeit, wo ich mit ihm unterwegs war, ja.“ Vorhalt: Die gleiche Einstellung hatten meiner Meinung nach auch Ralf Wohlleben und André Kapke. Turner: „Wir waren mal abends unterwegs, weil wir noch was essen wollten. Und Wohlleben und Kapke sind da nicht mit in diesen Pita-Griechen rein. Wohlleben und Kapke haben da nicht gegessen.“ Götzl: „Wurde das von denen auch erklärt?“ Turner: „Sie mochten das einfach nicht.“ Götzl: „Was können Sie zur damaligen politischen Einstellung von Ralf Wohlleben sagen?“ Turner schweigt kurz und sagt dann: „Naja, phhh, was kann ich dazu sagen? Also dass er sich in diese Richtung halt engagiert hat.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Turner: „In dieser rechten Szene, in dieser rechten Bewegung, ja. Was wollen Sie von mir hören?“ Götzl: „Was Sie dazu wissen.“ Turner: „Ich habe echt keine Ahnung. Was soll ich dazu sagen, wie er persönlich, innerlich getickt hat.“

Vorhalt: Die gleiche Einstellung hatten meiner Meinung nach auch Ralf Wohlleben und André Kapke. Diese Einstellung hatte Mundlos schon in der Zeit, als ich ihn kennenlernte, Kapke und Wohlleben mussten sich zu dieser Einstellung erst hinentwickeln. Turner sagt, zum ersten Mal habe er so eine Einstellung von Mundlos erlebt, erst später dann von Wohlleben und Kapke. Götzl: „Nochmal zur Person Uwe Mundlos. Sie sagten: redegewandt, und schilderten andere Eigenschaften. Hat er, was seine politischen Ansichten anbelangt, mit anderen diskutiert, hat er versucht andere zu überzeugen?“ Turner: „Nein, überzeugen nicht. Entweder die Leute waren so oder nicht. Er war kein Rattenfänger gewesen. Er hat seinen Standpunkt klargemacht und die anderen Leute konnten es akzeptieren oder nicht.“

Vorhalt: Böhnhardt war meiner Meinung nach der Mann fürs Grobe. Turner: „Wie gesagt, dass er einer Konfrontation nicht aus dem Weg gegangen ist.“ Vorhalt: Wären wir links gewesen, wäre er Linksterrorist geworden. Böhnhardt sei jedenfalls nicht so wie Mundlos gewesen, das habe er damit gemeint, so Turner. Götzl: „Haben Sie sich mit Frau Zschäpe mal über ihre politischen Überzeugungen unterhalten, damals?“ Turner: „Nein, wir haben uns nie über politische Sachen unterhalten, die Frau Zschäpe und ich. Sie ist mir damals nicht so als politische Aktivistin aufgefallen und ich glaube auch nicht, dass sie das damals schon war. Das ist 17 Jahre her und das waren die Anfangszeiten von dieser Gruppe. Wie sich das weiter entwickelt hat, kann schon sein, das sie gefestigter wurde. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt nicht.“ Vorhalt: Zu Beate Zschäpes politischer Einstellung kann ich mich überhaupt nicht äußern. Turner: „Ja.“ Vorhalt: Ich weiß gar nicht, ob sie überhaupt Mitglied war. Dass sie politisch aktiv war, ist mir gar nicht aufgefallen. Wenn sie mal mit diskutiert hatte, waren es Uwe Mundlos seine Worte. Sie war eher ein Kumpel als eine Aktivistin. Turner: „Sie ist mir nicht als jemand aufgefallen, der eine gefestigte Meinung hat.“

Götzl fragt, was Turner der THS sage. Turner: „Damit hatte ich nichts zu tun.“ Götzl: „Was sagt Ihnen der Begriff als solcher und verbinden Sie das mit Personen?“ Turner: „Den Thüringer Heimatschutz? Dazu kann ich nichts sagen. Das war nach meiner Zeit. Ich habe davon gehört und ein paar Spuckis an der Laterne gesehen.“ Auf Frage sagt Turner, er wisse, dass der Kopf gewesen sei vom THS, das sei bekannt gewesen: „Man muss nicht mit den einzelnen Gruppen was zu tun haben, aber das war mir schon geläufig. Aber so mit Tino Brandt und solchen Leuten, hatte ich nichts zu tun.“ Götzl sagt, Turner habe angegeben, bei der KSJ ausgetreten zu sein, und fragt, ob er sagen könne, wann das gewesen sei und wie lange er bei der KSJ gewesen sei. Turner: „Vielleicht ein halbes Jahr.“

Er verneint, Mitglied in anderen Organisationen gewesen zu sein. Götzl fragt nach B&H. Turner: „Nein.“ Götzl fragt, ob Turner mit Personen von B&H zu tun gehabt habe. Turner: „Da hätte ich mich ja ins nächste Regelwerk gestürzt.“ Götzl: „Hatten Sie mit Angehörigen von Blood & Honour zu tun?“ [Turner sagt nichts, mglw. schüttelt er den Kopf.] Götzl: „Kannten Sie sie?“ Turner: „Vom Sehen, so.“Götzl: „Wen?“ Turner: „Degner zum Beispiel.“ Götzl: „Weitere Personen?“ Turner: „Das ist der einzigste, wo mir der Name einfällt.“ Götzl: „Inwiefern hatten Sie mit Degner zu tun?“ Turner: „Ich hatte mit ihm zu tun, bevor der mit seinem Blood & Honour angefangen hatte. Durch Geburtstagsfeiern und so.“ Götzl: „Seit wann kannten Sie ihn?“ Turner: „Das hat sich parallel ergeben zu der Zeit, wo ich diese Band hatte, da habe ich den kennengelernt.“ Götzl: „Also haben Sie Informationen zu Degner und Blood & Honour. Die hätte ich gerne.“ Turner: „Habe ich keine Informationen.“ Götzl: „Haben Sie keine?“ Turner: „Nein.“

Götzl fragt, ob Turner mal mitbekommen habe, dass Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe untergetaucht waren. Turner: „Natürlich hat man das mitbekommen.“ Götzl: „Wann und wie haben Sie davon Kenntnis bekommen?“ Turner: „Aus den Medien.“ Götzl: „Sind Sie sicher, dass es aus den Medien war?“ Turner: „Weiß nicht genau. Was Spektakuläres wird’s ja wohl nicht sein.“ Vorhalt: Ein Freund von mir hatte den gleichen Anwalt wie Böhnhardt. Turner: „Ja, den Thaut, das hat mir mein Kumpel damals erzählt, dass Böhnhardt eine Haftstrafe anzutreten hatte, die aber untergetaucht sind.“ Götzl fragt, ob Turner in den Medien etwas verfolgt habe und ggf. wann. Turner: „Es kann sein, dass ich das danach wahrgenommen hatte, nachdem mir mein Kollege das erzählt hatte von seinem Anwalt.“ Vorhalt: Dann hat man nach einem halben oder Dreivierteljahr erfahren, dass sie immer noch weg waren. Götzl: „Woher hatten Sie die Information?“ Turner sagt, das sei sicherlich auch aus den Medien gewesen oder was man so gelesen habe, denn er habe mit den Leuten ja nichts mehr zu tun gehabt: „Der einzige war ja Herr Sp. Bei ‚Kripo Live‘ zum Beispiel hatten sie nach denen gefahndet. Das gucke ich bis zum heutigen Tag regelmäßig. Ja, ‚Kripo Live‘ war’s.“

Vorhalt: Als die Verjährungsfrist abgelaufen war, haben sich alle gewundert, dass die nicht mehr auftauchen. Turner: „Ja.“ Götzl: „Wer ist denn mit ‚alle‘ gemeint?“ Turner: „Alle, die den Fall kannten, in der Gegend ist es ja auch Gesprächsthema gewesen. Und irgendwann kam mal jemand und sagte: Die Verjährungsfrist ist vorbei, wieso melden die sich nicht, wieso tauchen die nicht wieder auf?“ Götzl sagt, in der Vernehmung sei Turners Einstellung heute angesprochen worden. Vorhalt: Wie ist heute Ihre Einstellung? – Ich habe immer noch eine Kontrahaltung gegenüber dem Staat, aber es ist nicht so, dass ich mit den Rechten durch die Straße ziehen würde. Turner: „Ja, ich habe meine eigene politische Haltung zu diesem Staat, aber die geht nicht in so eine rechte oder linke Haltung.“ Götzl: „Was heißt ‚Kontrahaltung‘?“ Turner: „Dass ich nicht alles glaube, was da kommt, dass ich halt zwischen den Zeilen lese und meine eigenen Resümees ziehe.“

Götzl: „Kennen Sie Jan Werner?“ Turner schweigt lange und sagt dann: „Ja.“ Götzl: „Woher?“ Turner: „Sagt mir was, aber ich weiß nicht, wo ich ihn hinpacken soll.“ Götzl: „Und ?“ Turner: „Den kenne ich.“ Götzl: „Woher?“ Turner: „Aus Chemnitz.“ Götzl: „Wie gut kennen Sie ihn?“ Turner: „Ach, jetzt weiß ich auch wer Werner ist. Das ist ein Kollege vom Starke gewesen.“ Götzl: „Woher kennen Sie Jan Werner und woher Thomas Starke und inwiefern hatten Sie Kontakt?“ Turner: „Den Werner habe ich bloß so gesehen. Aber Starke haben wir mal in Chemnitz besucht und zu Hause Geburtstag gefeiert.“ Götzl: „Woher kannten Sie ihn?“ Turner: „Von Konzerten.“ Götzl: „Hatte er mit der Organisation von Konzerten auch Ihrer Gruppe zu tun?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Hatte Jan Werner mit Konzerten Ihrer Gruppe zu tun?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Wer hat sich um Konzerte gekümmert?“ Turner: „Das haben wir selbst gemacht. Unser erstes Konzert haben wir im Winzerclub gehabt und nochmal bei einem Geburtstag von mir und dann war es langsam auch schon wieder zu Ende.“

Götzl: „Kennen Sie einen ?“ Turner: „Ja, das ist ein Kollege von mir. Er hat mit einem meiner besten Freunde einen Laden gehabt, das ‚‚. Ich kannte ihn schon vorher, aber dadurch hat sich die Freundschaft gefestigt.“ Götzl fragt nach Andreas Schultz. Turner: „Das war mein bester Freund damals, ja.“ Götzl: „Von wann bis wann hatten Sie Kontakt zu ihm? Ist das nach wie vor ein Freund von Ihnen?“ Turner: „Wir haben uns jetzt aus den Augen verloren.“ Götzl fragt, von wann bis wann Turner einen guten Kontakt zu ihm gehabt habe. Turner: „’97 bis, – wann bin ich weg aus Jena? -, 2009. Ja, 2009.“ Götzl fragt, ab wann Turner Liebau gekannt habe. Turner: „Eigentlich da, wo der seinen Laden aufgemacht hat, da ist die Sache persönlich geworden.“ Das sei Mitte, Ende der 90er gewesen. Er bejaht, Schultz vor Liebau gekannt zu haben.

Götzl fragt, ob sich Turner erinnere, dass er 1997 mal vernommen worden sei. Turner: „Ja.“ Götzl: „Das war eine Beschuldigtenvernehmung, wissen Sie, worum es da ging?“ Turner: „Um irgendwelche Fotos.“ Götzl: „Da spielte auch die Person Brandts eine Rolle, können Sie sich erinnern inwiefern?“ Turner sagt nichts. Götzl: „Stichwort Brandt und Verfassungsschutz, haben Sie dazu Informationen?“ Turner: „Was ich aus dem Fernsehen habe.“ Götzl fragt, ob Turner unabhängig von der Medienberichterstattung Informationen dazu habe. Eine Antwort von Turner ist nicht zu vernehmen, Götzl: „Keine?“ Dann sagt Götzl, dass sich das Protokoll in Akten der StA Gera finde. Vorhalt aus dem Protokoll: Zu Brandt muss ich sagen, habe ich und viele Kameraden kein Vertrauen mehr. Brandt arbeitet mit staatlichen Organen zusammen. Turner: „Dann wird das damals so die Runde gemacht haben. Aber genauere Hinweise habe ich nicht gehabt. Weiß auch gar nicht, warum ich darauf gekommen bin, 1997.“

Vorhalt: Er versucht den Boss zu spielen und dann steht der Verfassungsschutz im Konzert, wie 1996 in Ebersdorf bei Coburg. Turner: „Wo?“ Götzl: „Ebersdorf.“ Vorhalt: Brandt hat das Konzert mit Chaoskrieger und Midgards Söner für den Verfassungsschutz organisiert und lässt die Kameraden ins offene Messer laufen. Der Verfassungsschutz hat der Band sogar erlaubt, eine halbe Stunde länger zu spielen … Von Frank Liebau weiß ich, dass man Brandt nicht trauen kann, Brandt arbeitet für den Verfassungsschutz. Liebau weiß das aus gewissen Quellen. Götzl: „Haben Sie da eine Erinnerung dran?“ Turner: „Nee.“ Vorhalt: Brandt hängt sich jetzt in Konzertsachen mit rein, will mit Aufnahmen und CDs Knete machen, zum anderen bietet er sich für den Verfassungsschutz an. Turner: „Keine Ahnung.“

Götzl: „Nochmal aus der jüngeren Vernehmung 2013 zu diesem Thema, da wurde das ebenfalls angesprochen.“ Vorhalt: Dass er ein Zuträger war, war damals schon bekannt. Turner: „Ja, es gab solche Gerüchte. Aber es gab nichts Hieb- und Stichfestes. Bloß manche Sachen haben sich mit diesen Vermutungen halt gedeckt. Aber Liebau, der hätte mich doch da mal angequatscht, diese Aussage würde doch rumgereicht. Komisch, da höre ich das erste mal was.“ Götzl: „Können Sie sich an die Vernehmungssituation 1997 noch erinnern?“ Turner: „Nee, nicht so richtig.“ Götzl: „War mal die Rede von Seiten Liebaus, dass er Waffen besorgen könne?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Oder Sprengstoff?“ Turner: „Nein. Die einzigsten Waffen waren die, die auf seinen T-Shirts abgedruckt waren.“ Götzl: „Und mit Herrn Schultz, haben Sie sich mal mit dem über Waffen unterhalten?“ Turner: „Nein.“ Götzl: „Ob er Waffen besorgen könne oder hätte?“ Turner: „Nein, gab es keine Anlässe dazu.“

Götzl: „Diese Vernehmung vom 21.01.1997 nochmal. Da geht es nach dem Protokoll auch um die Kameradschaft Jena.“ Vorhalt: Dass ich 1995 an der KS Jena beteiligt war. Wir wollten einen Verein unter gleichgesinnten Rechten gründen. Götzl: „1995? Ist das so richtig?“ Turner: „Ja.“ Vorhalt: Bei der Gründung waren Kapke, Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach, Mundlos und andere dabei. Götzl sagt, dass „Mundlos“ ausgestrichen sei im Protokoll. Vorhalt: Am Anfang ging es demokratisch zu, dann wurde es militärisch streng und ordentlich … Ich hatte auch Stress mit Böhnhardt. Götzl: „Kommt da eine Erinnerung an die Vernehmung?“ Turner: „Das ist ja im Prinzip das, was ich vorher gesagt habe.“ Götzl: „Mir geht’s drum, ob Sie sich an die Vernehmung erinnern.“ Turner: „An Details jetzt nicht mehr.“ Vorhalt: Wollten von jedem 20 DM monatlich als Beitrag für die KSJ haben, um zu Konzerten zu fahren und Veranstaltungen zu finanzieren. Turner: „Damals war das nicht lange her, wenn ich mich damals an 20 DM erinnern konnte.“

Vorhalt: Ich war für das Kassieren der 20 DM verantwortlich. Turner: „Ich?“ Vorhalt: Und führte Beitragslisten. Turner: „Das stimmt auf keinen Fall. Da war das Vertrauen der anderen mir gegenüber gar nicht da.“ Götzl: „Aber dass Sie damals vernommen wurden, daran erinnern Sie sich schon?“ Turner: „Ja.“ Götzl: „Können Sie sich erinnern, ob Sie bei dieser Vernehmung Korrekturen, Streichungen, vorgenommen haben?“ Turner: „Das weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Können Sie sich erinnern, ob Sie es durchgelesen haben? Ob Sie es unterschrieben haben?“ Turner sagt nichts. Götzl: „Rechts unten, ist das Ihre Unterschrift?“ Turner: „Das ist meine Unterschrift, ja.“ Götzl: „Wurden die Streichungen von Ihnen unternommen und aus welchem Grund?“ Turner: „Das kann ich Ihnen nicht mehr sagen.“ Vorhalt: Ich bin dann ausgetreten. Es war mir zu bekloppt. Heute zähle ich mich zu der Blood & Honour-Bewegung. Turner: „Das war ich aber nie. Vielleicht vom Lebensgefühl her, was weiß ich. Ich war auf jeden Fall nie Blood & Honour-Mitglied.“ Vorhalt zur rechten Szene in Jena: Die würde ich heute als gespalten sehen, die einen sind die Parteilichen wie Brandt und Böhnhardt und die anderen die Skinheads wie Schultz, …, …und ich. Turner: „Ja, die waren doch gar nicht aus Jena, sondern aus Gera.“

Götzl: „Jetzt nochmal zu Degner: Von wann bis wann hatten Sie Kontakt zu ihm?“ Turner schweigt zunächst und sagt dann: „So vielleicht von ’95 bis vielleicht 2000. Kontakt ist aber zu viel gesagt, ich habe ihn mal auf einem Geburtstag getroffen oder wenn Leute zu uns gekommen sind, aus Gera zu uns nach Kahla zum Feiern, da war der Degner auch immer mit.“ Götzl: „Wie sah Degner damals aus, in der Zeit?“ Turner: „Heute würde man sagen: Wie ein Nerd. Dünn, blass, mal Scheitel, mal ein bisschen kürzer, die Bomberjacke immer zu groß.“ Turner nimmt Lichtbilder einer Wahllichtbildvorlage in Augenschein und sagt dann: „6, das ist der Degner.“ Götzl: „Und sonst, kennen Sie sonst jemanden?“ Turner: „Nein.“ Götzl sagt, dass man eine Pause einlege. Turner fragt, wie lange es noch dauere. Darauf sagt Götzl, das hänge von den Fragen der anderen Verfahrensbeteiligten ab. Es folgt eine Pause bis 14:33 Uhr. Danach sagt Götzl, dass man Turners Einvernahme unterbreche und Turner und auch die für heute vorgesehene Zeugin D. dann am 07.10. höre. Turner verlässt den Saal.

Götzl: „Herr Rechtsanwalt Scharmer, Sie wollten einen Antrag stellen, der Bezug hat zum Programm nächster Woche?“ NK-Vertreterin RAin Basay beginnt mit der Verlesung des Antrags. Es wird beantragt beim Innenministerium Brandenburg im Rahmen einer Gegenvorstellung darauf hinzuwirken, dass die Sperrerklärung [bzgl. der Akte, die V-Mann-Führer Görlitz bei seiner Aussage am 222. Verhandlungstag bei sich hatte] vollständig oder hilfsweise teilweise aufgehoben wird. Die Sperrerklärung sei rechtswidrig, weil sie offensichtlich willkürlich erfolgt sei. Die Begründung sei floskelhaft. Der Anspruch auf Einsicht liege im Recht auf ein faires Verfahren begründet und wurzele im Rechtsstaatsprinzip. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehe davon aus, dass, wenn Menschen durch Gewalt zu Tode gekommen sind, eine effektive offizielle Untersuchung durchgeführt werden muss. Demnach sei jede Unzulänglichkeit der Ermittlung, derer die Möglichkeit verringert wird, die Ursache für den Tod oder die Verantwortlichen festzustellen, ein Verstoß gegen die Vorgaben der EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention].

Grundsätzlich seien nach der StPO alle Behörden verpflichtet, ihre Akten dem Gericht auf dessen Ersuchen vorzulegen bzw. erbetene Auskünfte zu erteilen. Diese Verpflichtung werde allein durch die Möglichkeit der Sperrerklärung eingeschränkt. Die Verfahrensbeteiligten hätten jedoch den Anspruch, die Wirkungen einer solchen Erklärung durch eine Anweisung der obersten Dienstbehörde zu beseitigen, falls die Sperrerklärung rechtswidrig ist. Zwar sei es richtig, dass das Vorlegen von Akten durch die Behörde nicht gefordert werden darf, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Durch den Senat sei jedoch zu überprüfen, ob die Sperrerklärung formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist, ob die oberste Dienstbehörde einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und alle erheblichen Umstände berücksichtigt hat. Außerdem sei zu klären, ob die Sperrerklärung auch im Übrigen angesichts der Umstände des Einzelfalls den Anforderungen der StPO genügt. Ob die Sperrerklärung rechtswidrig ist, sei daher nach den Umständen des Einzelfalls und unter Abwägung der im Spannungsfeld stehenden Rechtsgüter und entsprechender Würdigung des gesamten Sachverhalts zu entscheiden.

Hierbei komme es darauf an, ob Gründe geltend gemacht werden und belegt sind, die die Feststellung zulassen, dass die Verweigerung der Aktenvorlage aus einem der in der StPO aufgeführten Grund unumgänglich ist. Die oberste Dienstbehörde müsse dabei ihre Wertung der Tatsachen als geheimhaltungspflichtig so einleuchtend darlegen, dass das Gericht diese Wertung anerkennen kann. Nach diesen Maßstäben sei die Sperrerklärung des Landes Brandenburg rechtswidrig. Die von ihr getroffenen Wertungen seien weder nachvollziehbar noch belegt. Sie sei nicht einzelfallbezogen und setze sich mit dem relevanten Sachverhalt nicht ausreichend auseinander. Zudem stelle sie nicht alle erheblichen Belange ohne erkennbare Fehlgewichtung in die Abwägung ein. Das Geheimhaltungsinteresse des Landes überwiege nicht, weil die sichergestellten Akten im vorliegenden Strafverfahren ein Beweismittel von erhöhtem Stellenwert darstellten und die dem Land vermeintlich drohenden Nachteile nicht ins Gewicht fielen.

Das Innenministerium führe u.a. aus, dass sich in der Akte Deckblattmeldungen und andere Unterlagen des VS Brandenburg zu vielfältigen Sachverhalten fänden, die mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun hätten. Das Innenministerium führe auch aus, es handele sich um Dokumente, die im Zusammenhang mit der Ladung gefertigt wurden. Außerdem seien Dokumente enthalten, die das Mandatsverhältnis des Zeugen zu seinem RA betreffen. Alle diese Unterlagen befänden sich laut Innenministerium in amtlicher Verwahrung, weil sie sich in einer Akte des VS befinden würden. Dagegen spreche, so Basay, dass sowohl der Zeuge, als auch sein RA in der Hauptverhandlung erklärt hätten, dass es sich um Unterlagen handele, die der Zeuge zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung gefertigt habe, sowohl Dokumente des VS als auch eigene Aufzeichnungen, in jedem Fall aber Dokumente, die das Beweisthema betreffen. Die Behörde erkläre, dass die Schriftstücke der Seiten 67 bis 99 Aufschluss über Informations- und Beobachtungsschwerpunkte des VS geben würden und so bei Veröffentlichung die Gefahr bestehe, die Arbeit der Nachrichtendienste nachhaltig zu erschweren.

Auch diese Argumentation könne nicht überzeugen. Zwar würden die Unterzeichner des Antrags nicht verkennen, dass der Schutz VS-dienstlicher Informationen, Quellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung die Geheimhaltung grundsätzlich rechtfertigen könnten. Das bedeute jedoch nicht, dass Akten des VS schon aufgrund ihres Wesens geheimhaltungsbedürftig seien. Das Innenministerium ignoriere, dass in der Hauptverhandlung und bei Vernehmungen vor den UAen bereits eine Vielzahl von Deckblattmitteilungen, Observations- und TKÜ-Maßnahmen, also eine Vielzahl von Informationserhebungen mittels nachrichtendienstlicher Quellen, auch aus dem Land Brandenburg, Gegenstand gewesen seien, und dass Szczepanski als V-Person und seine V-Mann-Führer längst enttarnt seien. Daher würde durch die Offenbarung der sichergestellten Unterlagen keine Nachteile für den Bund oder das Land entstehen, es würden keine Arbeitsweisen und Methoden des VS offenbart, die nicht ohnehin schon bekannt sind.

Außerdem hätte, so Basay weiter, das Innenministerium erwägen müssen, die Passagen, die in diesem Sinne geheim bleiben müssen, unleserlich zu machen und die übrigen Passagen zu offenbaren. Es sei außerdem in diesem Verfahren möglich, dass auch eingestufte Akten dem Senat vorgelegt werden. Alle Verfahrensbeteiligten hätten eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Ggf. könne auch die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Dies alles habe das Innenministerium nicht in Betracht gezogen. Es habe zudem die Gründe, die angeblich für die Geheimhaltung sprechen, nicht ansatzweise mit den Interessen der Verfahrensbeteiligten abgewogen. Gegenstand des Verfahrens seien u.a. zehn Morde sowie zwei Sprengstoffanschläge mit Schwerverletzten und einer konkreten Lebensbedrohung für eine große Zahl weiterer potentieller Opfer. Neun der Morde sowie beide Sprengstoffattentate seien aus rassistischen Motiven verübt worden und insgesamt über elf Jahre unentdeckt geblieben. Die Aussage von Görlitz sei zur Aufklärung der in der Anklage genannten Taten von nicht unerheblicher Bedeutung.

Es gehe u.a. um die 1998 erfolgte Mitteilung von Szczepanski an Görlitz über drei untergetauchte „sächsische Skinheads“, die sich zur Begehung von Straftaten bewaffnen würden. Dieser Aussage komme ein nicht unwesentlicher Beweiswert zu. Nicht davon zu trennen sei das Interesse der Nebenkläger_innen, aufzuklären, ob durch insbesondere den VS Brandenburg bei entsprechender
Bearbeitung dieser Informationen die Mordserie und die Anschläge hätten verhindert werden können. Dies sei ein Umstand, der auch für die vorzunehmende bestmögliche Sachverhaltsaufklärung von erheblichem Gewicht sei. Görlitz habe sich in der bisherigen Beweisaufnahme weder durch nachvollziehbare Erinnerungen, noch durch den Willen, sich darum zu bemühen, ausgezeichnet. Ohne sinnvolle Vorhalte aus den Akten, die er nach eigenen Angaben selbst zur Vorbereitung auf die Einvernahme zusammengestellt hat, werde die weitere Vernehmung wenig ergiebig bleiben.

Die Aufklärungspflicht des Staates und damit auch der Anspruch auf ein faires Verfahren für alle Beteiligten würden eine Interessenabwägung zugunsten der Verfahrensbeteiligten ergeben und das Geheimhaltungsinteresse der Behörde überwiegen. Es sei insoweit anmaßend, wenn seitens der Behörde pauschal vorgetragen werde, dass die Geheimbedürftigkeit aller Unterlagen unter Berücksichtigung des Verfahrenszwecks und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwingend sei und kein Interesse ersichtlich sei, um das Geheimhaltungsinteresse zurücktreten zu lassen: „Damit wird das Aufklärungsinteresse des Senats, aber auch und gerade das der Nebenklägerinnen und Nebenkläger als bedeutungslos gegenüber Informationen des Brandenburger Verfassungsschutzes degradiert.“ Das Innenministerium, so Basay weiter, habe unzulässig und willkürlich ein Konvolut aus unterschiedlichen Dokumenten, nur weil sie in einer Akte zusammengefasst wurden, einer gemeinsamen Sperrerklärung unterstellt. Es sei aber die Geheimhaltungsbedürftigkeit der einzelnen Dokumente in Abwägung mit dem Aufklärungsinteresse zu bewerten.

Dann führt Basay aus, dass laut Sperrerklärung in den Dokumenten Angaben zu vielfältigen Sachverhalten aus der rechtsextremistischen Szene enthalten, die zu 90 Prozent mit dem Gegenstand der Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren nichts zu tun hätten, es stünden dort Dutzende Namen von Personen aus der rechtsextremistischen Szene und es lasse sich eine Art der Anbahnung einer Informationserhebung in groben Zügen nachvollziehen. Daher befürchte das Ministerium, dass Dritte dies als Leitfaden verstehen könnten, zum Schein eine Informationsbeziehung mit dem VS einzugehen, um diesen mglw. auszuspionieren. Es erschließe sich aber nicht, argumentiert Basay, warum gerade die Anwerbung von Szczepanski, um den es in dem Aktenkonvolut gehe, geheimhaltungsbedürftig sein solle. In der Hauptverhandlung sei neben den Anwerbungen von Brandt und Dalek bereits mehrfach explizit die von Szczepanski öffentlich erörtert worden. Sofern die Anwerbung nicht tatsächlich in anderer Form erfolgt sei, als von Szczepanski selbst und dem Zeugen Meyer-Plath berichtet, gebe es zum jetzigen Zeitpunkt keinen ersichtlichen Grund für eine Geheimhaltung.

Nach der Sperrerklärung seien diese Teile zu sperren, weil sie Erkenntnisse des VS wiedergäben, die durch nachrichtendienstliche Mittel erlangt wurden. Allerdings, so Basay, beinhalteten auch die jährlichen Berichte der VS-Ämter Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt wurden und dennoch veröffentlicht werden. An einer nachvollziehbaren Differenzierung fehle es in der Sperrerklärung. Allein in Bezug auf die als Dokumente aus dem Mandatsverhältnis bezeichneten Unterlagen sei tatsächlich davon auszugehen, dass sie dem Beratungsgeheimnis unterfallen. Dies hindere die Beschlagnahme der Unterlagen grundsätzlich im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht, weil sich die Unterlagen im Gewahrsam des Zeugen und nicht des Zeugnisverweigerungsberechtigten befanden. Entscheidend sei aber, dass das Beratungsgeheimnis zwischen Zeuge und Zeugenbeistand nicht das Wohl des Bundes oder eines Landes betreffe ist und sich daher nicht eigne, eine Sperrerklärung zu begründen.

In Bezug auf die öffentlich zugänglichen Dokumente sei kein rechtlicher Grund denkbar, weshalb man sie sperren könnte. Wenn die Veröffentlichung dieser Dokumente einen Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines Landes hervorrufen könnte, wäre dieser bereits eingetreten, so Basay. In Bezug auf die Internetauszüge werde in der Sperrerklärung wiederum nicht belegt, wieso eine Veröffentlichung dieser Auszüge heute noch Nachteile in der weiteren nachrichtendienstlichen Forschung erbringen sollten. Falls in den Internetausdrucken auch einzelne Punkte enthalten sein sollten, die weder in diesem Verfahrens, noch durch Veröffentlichungen des VS über seine Arbeit jemals der Öffentlichkeit zur Kenntnis gelangt sein sollten, könnten die entsprechenden Stellen geschwärzt werden. Die Sperrerklärung sei rechtswidrig erfolgt. Zumindest mit einer Gegenvorstellung sei darauf hinzuwirken, dass das Brandenburger Innenministerium seine unzutreffende Rechts- und Tatsachenvorstellung aufgibt.

RA Scharmer fährt fort und beantragt zur Förderung einer wahrheitsgemäßen Aussage von Görlitz. und zur Bewertung der Aussagen von Görlitz, Meyer-Plath und Szczepanski: 1) die acht Ordner umfassenden Akten, die Görlitz zur Vorbereitung auf seine Vernehmung im Bundestags-UA und in der Hauptverhandlungen am 01.07. und 29.07.2015 bzw. Meyer-Plath zur Vorbereitung seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 22.04.2015 im Innenministerium Brandenburg zur Verfügung standen, beizuziehen, hilfsweise die vier Aktenordner, die nach Angaben von Görlitz ausschließlich Treffberichte und Deckblattmeldungen von Szczepanski beinhalten, beizuziehen, hilfsweise aus diesen vier Ordnern sämtliche Treffberichte und Deckblattmeldungen aus der Zeit vom 26.01.1998 bis zu Szczepanskis Enttarnung im Juli 2001 beizuziehen; 2) dem Brandenburgischen Innenministerium eine Frist von drei Wochen zur Übersendung der beantragten Akten zu setzen und im Falle eines Fristablaufs ohne Übersendung bzw. ohne Abgabe einer, dies rechtfertigenden Sperrerklärung, die Durchsuchung der Abteilung VS des Brandenburger Innenministeriums zur Beschlagnahme der benannten Aktenbestandteile anzuordnen.

Scharmer: „Es bestehen erhebliche Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen Görlitz in den Hauptverhandlungen am 01. und 29.07.2015 und an dem Umstand, dass der Zeuge ernsthaft sein Erinnerungsvermögen bemühte, um wahrheitsgemäße Angaben zu tätigen.“ Daher seien ihm, so Scharmer, weitere Fragen zu stellen. Diese könnten ohne die Beiziehung der genannten Akten, anhand derer der Zeuge sich vorbereitet habe, nicht gestellt werden. Görlitz habe in der Hauptverhandlung nicht nur angeblich sein Gedächtnis im Stich gelassen, sondern es sei davon auszugehen, dass er absichtlich nicht alles sagte, was er wusste. So habe er vorgegeben, Umstände völlig vergessen zu haben, die er noch beim Bundestags-UA erinnert habe. Auch das Aussageverhalten von Görlitz in der Verhandlung spreche dafür, dass er nicht alles gesagt habe, was er weiß.

Görlitz habe stets einsilbig mit Ja, Nein oder mit wenigen Worten geantwortet, um Nachfragen von Verfahrensbeteiligten zu vermeiden. Görlitz habe auch nicht im Zusammenhang geantwortet, sondern der Senat habe kleinteilig fragen müssen. Görlitz habe auf Fragen regelmäßig mit Nein geantwortet, wenn er dies für günstiger gehalten habe und sei erst auf Nachfrage, warum er trotz seiner schlechten Erinnerung gerade den nachgefragten Umstand ausschließen könne, dazu um, er könne sich nicht mehr erinnern. Diese Art der willkürlichen Beantwortung habe sich bis zur Groteske wiederholt: „Der Zeuge nahm es offensichtlich in Kauf, lieber vergesslich und dilettantisch zu wirken, als sein anscheinend von ihm als problematisch eingestuftes Wissen preiszugeben und so möglicherweise im Widerspruch zu Meyer-Plath auszusagen.“ Dass es im Zusammenhang mit Szczepanski problematisches Wissen geben kann, zeigten, so Scharmer, verschiedene Ungereimtheiten bzgl. der von Szczepanski erlangten Informationen über das Trio und den Umgang mit diesen Informationen.

Meyer-Plath habe während seiner Vernehmung häufig auf die von ihm im Brandenburgischen Innenministerium zur Vorbereitung gelesenen Akten Bezug genommen und gesagt, seine Kenntnis zu der jeweiligen Frage beruhe auf diesem Aktenstudium. Auch Görlitz habe am 29.07. zur Beantwortung von Fragen Bezug auf ihm vorliegende Akten aus dem Ministerium genommen. Görlitz habe angeblich trotz der Vorbereitung auf seine Vernehmungen im UA und in der Verhandlung bestenfalls bruchstückhafte Erinnerungen. Das Aussageverhalten von Görlitz am 29.7. bestätige, dass es nicht ausreicht, dass der Zeuge sich anhand der beantragten Akten vorbereitet. Görlitz habe auch trotz erneuter Vorbereitung auf konkrete Frage geantwortet, dass er sich an bekannte Rechtsextreme, mit denen Szczepanski Kontakte gehabt habe, etwa , oder Vorgänge wie den Kauf eines Gewehres durch Menzel, nicht erinnere. Nur auf ganz konkrete Nachfragen und Vorhalte habe Görlitz weitergehende Angaben gemacht.

Da zur Gerichtsakte bisher nur fünf Deckblattmeldungen von Szczepanski mit Meldungen zum Trio gehörten, sei die Möglichkeit dem Zeugen Vorhalte zu machen, sehr eingeschränkt. Laut Görlitz beinhalteten die beantragten Akten auch die den Deckblattmeldungen zugrundeliegenden Treffberichte und weitere Treffberichte aus der fraglichen Zeit. Bei Vorhalten aus diesen Treffberichten könne Görlitz nicht länger an seinem verweigernden Aussageverhalten festhalten. Es gebe zudem Anhaltspunkte dafür, dass die zur Gerichtsakte gelangten Deckblattmeldungen nicht den gesamten Umfang der zum Trio durch Szczepanski erlangten Informationen umfassen. Die Berichte zum Trio würden abrupt im Oktober 1998 mit dem Weggang von Meyer-Plath aus dem VS enden, obwohl Meyer-Plath Szczepanski noch beim letzten Treffen am 17.10.1998 erneut den Auftrag erteilt habe, Informationen über das Trio zu besorgen. Eine der Wahrheitsfindung und der Aufklärung des Sachverhaltes dienende Befragung von Görlitz zum weiteren Umgang mit den bisher bekannten Meldungen Szczepanskis zum Trio, zur geplanten Waffenbeschaffung und dem geplanten Überfall sei auf dieser Grundlage nicht möglich. Daher und zur Beschleunigung des Verfahrens sei eine Frist von drei Wochen für die Bereitstellung bzw. eine nachvollziehbare Begründung für die Sperrung sachgerecht. Danach komme eine Durchsuchung und Beschlagnahme in Betracht. Der Antrag ist unterschrieben von diversen NK-Vertreter_innen.

Bundesanwalt Diemer sagt, der GBA habe zur Sperrerklärung schriftlich Stellung genommen und sei zum Ergebnis gekommen, dass die Sperrerklärung an der Sache und Rechtslage vorbeigeht, dass sie aber mit Blick auf die gerichtliche Untersuchung, auf die angeklagten Taten und Personen eine weitere Bemühungen um Freigabe von Akten nicht für erforderlich halten würden: „Zu weiteren Akten und der Durchsuchung, da müssten wir noch lesen und werden dann Stellung nehmen.“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Wir schließen uns den Anträgen vollumfänglich an.“ RA Scharmer sagt in Richtung der BAW, dass man zur Aufklärungspflicht und zur Konnexität umfassend Stellung genommen habe.

RA Daimagüler gibt eine Erklärung nach § 257 zur Vernehmung des Zeugen Kay St. im April, Juni und September 2015 ab. Der nicht vom GBA benannte, sondern eigeninitiativ geladene Zeuge St. sei, so Daimagüler, glaubwürdig und habe mit seinen Angaben erheblich zur Aufklärung und Bestätigung der Anklagepunkte beigetragen. Die Puppentorso-Tat und die Spendenakquise seien wichtige Indizien für die Nähe Wohllebens zur terroristischen Vereinigung und ein professionelles Vorgehen. St. sei einer der wenigen aus der damaligen rechten Szene, der die Wahrheit gesagt habe, er habe seine persönlichen Interessen und seine Angst zurückgestellt: „Damit hat er gezeigt, was es heißt, tatsächlich aus der Szene auszusteigen und dass die Fähigkeit, sich zu erinnern, auch eine Frage der Einstellung ist.“ St. habe keine Erinnerungslücken in Bezug auf das Kerngeschehen gehabt. Die wichtigste Erkenntnis sei gewesen, dass Böhnhardt, Wohlleben und Zschäpe für das Aufhängen der Puppe mit Bombenattrappe zuständig gewesen seien und die Tat von langer Hand geplant gewesen sei. Wohlleben und St. sei die Aufgabe zugekommen, mitgebrachte Kegel aufzustellen. Auch die Angeklagte Zschäpe sei die ganze Zeit vor Ort gewesen. Bei der Polizei und im Gerichtsverfahren hätte er entsprechend der Übereinkunft ein falsches Alibi gegeben.

Diese Angaben seien glaubhaft. St. habe sicher differenziert zwischen Erinnerung und Medienwissen. Dadurch stehe durch die Bekundung eines Augenzeugen fest, wovon EKHK Dressler aufgrund der Ermittlungen ausgegangen sei: Dass Wohlleben und das Trio für die erste Attrappe verantwortlich waren. Die vom Zeugen beschriebene Art der Vorbereitung und das Verhalten nach der Einleitung des Strafverfahrens zeige, wie mit hoher krimineller Energie vorgegangen worden sei. Gleichzeitig sei der Schritt zu gezielter Gesetzesverletzung vollzogen. Die Gründungs- und Aufbauphase der KS Jena hätten sie hinter sich gelassen. Der Zeuge St. habe zudem angegeben, dass Mundlos schon 1996 oder 1997 angegeben habe, dass es möglich sei, über Kameraden aus den alten Bundesländern Sprengstoff zu besorgen. Damit sei St. der dritte Zeuge, der angibt, dass über die Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen offen gesprochen wurde. Die Angabe, dass Wohlleben bereits 1996 in Taten eingebunden war und zudem offen über Sprengstoff gesprochen wurde, bestätige die Angaben des Angeklagten Gerlach, Wohlleben habe gewusst, was in der Garage war. Und Wohlleben wusste, warum er eine Waffe mit Schalldämpfer liefern ließ. Der Zeuge hat die Radikalisierung mitbekommen. Die Erklärung ist auch unterschrieben von den NK-Vertreterinnen Basay und von der Behrens.

Dann sagt OStAin Greger, die folgende Stellungnahme werde nur mündlich abgegeben, sie beziehe sich auf den Antrag vom 03.08.2015, die Erkenntnisse des BfV aus der „“ und Quelle „Tarif“ zu erkunden. Den Anträgen trete der GBA entgegen. Die allgemeine Aufklärungspflicht gebiete die Beiziehung der 1717 Deckblattmeldungen des BfV zu den Berichten der Quellen „Tarif“, „Tinte“, „Treppe“,“Tonfarbe“, „Tusche“, „Tacho“, „Tobago“ und „Tarif“ nicht. Das gelte auch unter der vorgetragenen EMRK-gerechten Auslegung der Vorschrift. Auch die Ladung des Mitarbeiters „Lingen“ sei abzulehnen, weil sie für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei. Die Einholung einer dienstlichen Erklärung des Präsidenten des BfV sei ein Beweisermittlungsantrag und abzulehnen. In den Anträgen werde vielerlei vermengt: Die Schutzpflicht des Staates, die Rechtsprechung zur Tatprovokation, eine Ermessensreduzierung auf Null und die Konnexität, die eine Sichtung in einem umfangreichen Aktenbestand begründen solle. Weder das Grundgesetz, noch die Europäische Menschenrechtskonvention, noch die StPO sehe eine ausufernden Strafprozess, basierend auf reinen Spekulationen, vor.

Das Gericht habe die Beweisaufnahme nur auf Sachverhalte zu erstrecken, wenn sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Dem Nebenkläger würden Fragerecht und Beweisantragsrecht im selben Umfang wie den weiteren Verfahrensbeteiligten zustehen. Die EMRK gebiete eine amtliche Untersuchung von Tötungsdelikten, eine eigene Ermittlungsbefugnis der NK sei aus der EMRK nicht ableitbar. Der Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht erstrecke sich auf alle rechtlich erheblichen Tatsachen, das bedeute aber nicht, jedes Detail der Vorgeschichte oder des Nebengeschehens zu ermitteln. Es komme darauf an, ob die Aufklärung den Schuldvorwurf widerlegt, in Frage stellt oder bestätigt. Zu einer überschießenden Aufklärung sei das Gericht nicht verpflichtet. Danach müsse sich der Senat zu der begehrten Beiziehung der Akten des BfV nicht gedrängt sehen. Denn Tatsachen, die sich in den Akten finden könnten, seien nicht vorgetragen. Das Vorbringen beschränke sich auf Spekulationen zu den Quellen der VS-Behörden, die aber von den bisherigen Erkenntnissen der UAe, des Sonderermittlers Engelke zu den hier erfolgten Ermittlungen und den Urteilen des OVG nicht gestützt würden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Vernehmung von „Tarif“ und die Beiziehung der Akten etwas Erhellendes bringen könnten. Nach den bisherigen Ermittlungen habe „Tarif“ die drei Untergetauchten und die weiteren Angeklagten nicht gekannt und verfüge auch nicht über Hintergrundwissen zum NSU.

Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus den Angaben des BfV oder aus den Verlautbarungen der Quelle gegenüber den Medien. Die Frage, ob „Tarif“ einmal wegen Wohnungsbeschaffung durch Kapke angesprochen worden sei, sei für die angeklagten Tatvorwürfe ohne Bedeutung, denn die Beweisaufnahme habe bereits ergeben, dass in der rechten Szene nach einer Unterkunft für die Untergetauchten gesucht wurde. Soweit sich die Antragsteller allgemeine Erkenntnisse erhoffen zu bundesweiten Kontakten, Diskussionen im THS, Bewaffnung und zur Taktik des VS seien diese Fragen im Blick auf die angeklagten Taten nicht beweiswürdig, denn ihnen komme auch nicht mittelbar eine Bedeutung zu. Die politisch-ideologische Einstellung der Angeklagten, die Straftaten vor dem Untertauchen und die Bewaffnungsdiskussionen der drei Untergetauchten mit Gerlach und Wohlleben seien bereits wiederholt zum Beweisthema des Strafverfahrens gemacht worden. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gründung und das Bestehen der Vereinigung NSU einem größeren Kreis von Unterstützern bekannt gewesen wären.

Aus den genannten Gründen sei auch die Einholung einer dienstlichen Erklärung des Präsidenten des BfV nicht geboten. Die Ladung von „Lothar Lingen“ sei abzulehnen. Die beantragte Beweiserhebung sei aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Welches konkrete Wissen „Lingen“ zu den Taten und angeklagten Personen haben soll, dazu würden sich die Antragssteller nicht verhalten.

NK-Vertreterin RAin Lunnebach: „Ich finde das im Interesse einer Auseinandersetzung für respektlos, wenn nichts schriftlich vorliegt.“ Götzl bittet darum, die Stellungnahme zu übergeben. Nachdem sich Greger darüber beschwert, sagt Götzl: „Schon klar, es geht ja nicht um jetzt in dem Moment.“ RAin v. d. Behrens: „Es ist unterschlagen worden, dass die Akte erst rekonstruiert wurde, nachdem der Sonderermittler das geprüft hatte. Also dürfte noch gar niemand das eingesehen haben. Und deswegen kann niemand bestimmen, ob sich ein verfahrensrelevanter Akteninhalt darin befindet. Wir haben dargelegt, dass durch die rechtswidrige Vernichtung das BfV die Verbindung selber hergestellt hat.“ RA Daimagüler: „Das ist ein beachtlicher Zirkelschluss, wenn hier Rekurs genommen wird auf die Untersuchungen der StA Köln. Es würde Sinn machen, sich die mal näher anzuschauen. Meine Mandantschaft hat selber Strafanzeige gestellt. Die Untersuchungen waren von einer bemerkenswerten Oberflächlichkeit gekennzeichnet.“ Der Verhandlungstag endet um 15:53 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage„: „Turner hatte schon bei der Polizei recht ausführlich zu den ideologischen Grundlagen der Kameradschaft Jena ausgesagt. Demzufolge war Mundlos ein überzeugter und unerbittlicher Nationalsozialist, der bei politischen Themen kein Einlenken kannte, Böhnhardt hatte einen ‚Waffentick‘ und neigte schon damals zu Gewalttätigkeiten. Auch Beate Zschäpe war ’natürlich‘ von Anfang an dabei, auch wenn sie sich damals nicht mit inhaltlichen Statements hervortat. Wohlleben und Kapke teilten Mundlos‘ politische Auffassung, auch Gerlach war von Anfang an vollwertiges Mitglied der Kameradschaft. Turner hatte auch berichtet, dass die Kameradschaft sich Videos von militanten Nazi-Strukturen aus Skandinavien angeschaut und danach Diskussion über Gewalt geführt hatte […]. All das bestätigte Turner heute im Grundsatz, versuchte aber hier und dort, einen relativierenden Halbsatz einzuflechten – möglicherweise hat er, der nicht mehr in Nazi-Strukturen aktiv ist, Angst vor Racheakten seiner früheren ‚Kameraden‘, wenn er Zschäpe mit seiner Aussage belastet.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/09/16/16-09-2015/

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