Déjà-vu – Bericht aus dem BT-UA

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Details gegen Verschwörungstheorien und wieder black out im des Bundestages, Bericht vom 18.Februar 2016

Die beiden Zeugen vor Beginn der Sitzung. (c) Chr.Ditsch

Unterschiedlicher konnten zwei Zeugen kaum sein. Während der Brandursachenermittler Frank Lenk in einer Powerpointpräsentation dem Ausschuss akribisch jedes noch so kleinste Detail zu der Brandlegung (durch mutmaßlich ) erläutern konnte und wollte, war die dann folgende Befragung des BKAler Thomas Werle ein déjà-vu für alle, die sich öfter in Untersuchungsauschüssen bewegen: „Damit war ich nicht befasst“ war sein häufigster Satz.

Zeugen:

  • Frank Lenk (Brandursachenermittler zur 26)
  • Thomas Werle (BKA,  Leiter des regionalen Ermittlungsabschnittes Sachsen der BAO Trio)

Am Donnerstag, den 18.2. 2016 begann der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU in seiner 8. Sitzung mit den öffentlichen Zeugenvernehmungen. Geladen war der Brandursachenermittler Frank Lenk von der Polizeidirektion Zwickau sowie der Leiter des regionalen Ermittlungsabschnittes Sachsen des BKA der BAO Trio, Thomas Werle, der ab dem 11.11.2011 in Zwickau ermittelte.

Details gegen Verschwörungstheorien

Frank Lenk ist offensichtlich Experte seines Faches. Seine detaillierte Präsentation, die sich über 50 Folien und ca. 2 Stunden erstreckte, bezog sich ausschließlich auf das (mutmaßlich) von Zschäpe am 4.11.2011 in Brand gesetzte Objekt in der Frühlingsstraße inklusive aller darin befindlichen 1.880 Asservate. Wie durch die Abgeordneten teilweise explizit formuliert wurde, wurde Lenk vor dem UA des Bundestages in erster Linie als Zeuge befragt, um kursierenden Verschwörungstheorien die trockenen Fakten gegenüber zu stellen. Frank Lenk schienen diese Verschwörungsfantasien durchaus inzwischen bekannt zu sein: Er betonte mehrere Male und erklärte geduldig, warum das einsturzgefährdete Objekt so schnell (ab 23 Uhr des 4.11.) zum Teil eingerissen wurde und zu welchem Zeitpunkt und warum das Objekt „besenrein“ übergeben wurde – ein verbreiteter Vorwurf behauptet, dass die akribische Arbeit von Lenk und seinen Kolleg_innen Spuren vernichtet hätte und sie sogar die Waffen dort platziert hätten. Auch erläuterte er das Wirken des ausgeschütteten Benzins, das zu drei Zündungen und Druckwellen geführt habe und so zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Schäden in der Wohnung erklärt.[1] Er ordnete die wichtigen Fundstücke – Waffen, Handschellen, Schwarzpulver, Benzinkanister, Computer, Kartenmaterial, Ausweise und das Zeitungsausschnittsarchiv des NSU – Auffindezeitpunkten und Fundorten zu. Zu einer Waffe sagte er: „Ich muss davon ausgehen, dass sie griffbereit gelegen hat.“ Eine andere habe in dem offenen Wandtresor gelegen, andere im Brandschutt, so dass sie erst nach Stunden oder Tagen während des langsamen Abtragen des Brandschutts gefunden wurden. Auf Nachfragen der Abgeordneten versicherte Lenk auch die durchgängige Überwachung der beschlagnahmten Häuser 26 und 26a bis zum 28.11.2011. Lenks ausführlichen Aussagen vor dem OLG München können hier nachgelesen werden: 15. Verhandlungstag – 25. Juni 2013, 24. Verhandlungstag – 17. Juli 2013, 25. Verhandlungstag – 18. Juli 2013, 38. Verhandlungstag – 24. Sept 2013

Verschleierung oder Amnesie?

Der zweite Zeuge Thomas Werle ist seit 1980 beim BKA, inzwischen v.a. für schwere organisierte Kriminalität zuständig. Er war ab dem 11.11.2011 nach dem Fund der Ceska 83 im Brandschutt der Frühlingsstraße zuständig für den Ermittlungsbereich Sachsen der dann gegründeten BAO Trio.
Werle konnte in seinem Eingangsstatement berichten, wie sehr es ihn beeindruckt hatte, dass die IT-Ausstattung vor Ort hervorragend war und wie schnell „Betriebsfähigkeit hergestellt“ wurde. „Es war eine intensive Zeit“, schnell habe es ein „unglaubliches Informationsaufkommen“ gegeben und die Ermittlungen seien „sehr engagiert“ und „mit großer Vehemenz“ durch im Höchststand 400 Leute geführt worden.

Von seiner konkreten Arbeit erzählte Werle nur wenig. Er nannte als Beispiel die von ihnen verfolgte Hypothese, der NSU könnte ein zweites Versteck in Glauchau gehabt haben – wegen dem niedrigen Wasserverbrauch [2] in der Frühlingsstraße – darum habe sich seine Einheit gekümmert. Jedoch konnte er weder erläutern, warum ausgerechnet Glauchau eine Vermutung gewesen sei, noch welche Schritte sie zur Verifizierung oder Negierung der These getroffen hätten. Jedenfalls sei das Ergebnis negativ gewesen, fasst er zusammen. Nach der anfänglichen positiven Selbstpräsentation und einigen ähnlichen ins Leere laufenden Nachfragen begannen dann bei den Parlamentarier_innen Unguld und Zweifel zu wachsen: Werle verneinte, derjenige zu sein, der die Puzzleteile aus Sachsen zusammengefügt und Hypothesen gebildet habe. Betreffend konkreter gesammelter Informationen oder in die Wege geleiteter Ermittlungsmaßnahmen konnte er auf keine Frage oder Nachfrage antworten. Wer war bei der Besprechung am 11.11. dabei, der VS? Nein, er glaube nicht. Was wurde aus der Spur ins Innenministerium? Was aus den nicht bekannten Verbindungen auf dem Handy, das Zschäpe zugeordnet wurde? Das wisse er nicht mehr, antwortete Werle, aber er meine, das wäre abgeklärt. Nein, er sei dafür nicht zuständig gewesen. Wer wisse er auch nicht. Eigentlich gehe er davon aus, dass sich „die Sachsen“ darum schon gekümmert hatten. Nein, da müsse man besser den Leiter des zentralen Einsatzabschnittes fragen.

Es wirkt als hätte Werle bewusst nicht das übliche „das ist mir nicht erinnerlich“ gebraucht, sondern die Floskel „damit war ich nicht befasst“ – die Botschaft war aber die selbe und das Ergebnis ist aus dem vorherigen Untersuchungsausschuss bekannt: Das Mauern der zuständigen Leute in Behörden, die gegenseitigen Schuldzuweisungen verwischen die Spuren und verhindern die Aufklärung. Um 19 Uhr wurde die Befragung beendet.

Fazit und Ausblick

So war diese erste öffentliche Zeugenvernehmung nur bedingt erfolgsversprechend für die weitere Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundestages: Gemessen an dem selbst gesetzten Anspruch, Verschwörungstheorien zu widerlegen, war die Anhörung des Zeugen Lenk sinnvoll. Doch warum ist das nötig, wenn dieser schon vier Mal in München befragt wurde und das Thema und Zwickau bei sehr erfolgreich arbeitendem UA in Thüringen in guten Händen ist?
Die Befragung des BKAler Werle hingegen ist eine Fortführung der Hinhaltetaktik vor allem der Bundesbehörden. Sollte Werle tatsächlich nicht der richtige Zeuge für den Auftrag des UA gewesen sein, so hätte er oder sein Amt mehr Akten liefern und zuständige Personen benennen müssen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Werle sein Wissen und seine Arbeitsbereiche nicht der Öffentlichkeit preis geben wollte. Der Untersuchungsausschuss wird sich fragen müssen, ob und wie er die Strategie des Mauern, des Herumschieben von Verantwortlichkeiten durchbrechen will.

Dafür ist aber auch der Druck der Öffentlichkeit notwendig, will man den UA nicht abschreiben. Insofern ist es erfreulich, dass an diesem Tag die Besucher_innen-Tribüne des Europasaales zumindest bis zur Mittagspause sehr gut gefüllt war – Journalist_innen, Student_innen, mindestens ein Vertreter des TBB, Antirassist_innen, interessierte Bürger_innen waren da, insgesamt zu Beginn gut 50 Zuhörer_innen.

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Fußnoten:
[1]    Hier geht es um ein kursierendes Foto, das das zunächst unbeschädigte Sportzimmer zeigt, während von der (ersten) Zündung des Benzins die Wand schon rausgesprengt ist. Spätere Fots zeigen das Innere des stark verkohltes Sportzimmer.
[2]    Diese Hypothese bezieht sich darauf, dass die Verbrauchswerte der Wasserzähler in der Wohnung, die angeblich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Vollzeit gemeinsam nutzten, für einen Drei-Personen-Haushalt zu niedrig erscheinen.

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Wer den Untersuchungsausschuss besuchen will, findet hier www.nsu-watch.info/2015/12/dem-untersuchungsausschuss-auf-die-finger-schauen/ mehr Informationen.

Bericht der Anhörung der Sachverständigen am 17.12.2015 www.nsu-watch.info/2016/01/wo-ansetzen-bericht-aus-dem-bt-ua/