Protokoll 270. Verhandlungstag – 15. März 2016

0

Am heutigen Prozesstag sagen zwei Polizeibeamt_innen aus, es geht zum Einen um Asservate, deren Auswertung nähere Erkenntnisse zum NSU-Bekennervideo erbrachten. Beispielsweise, wie die Arbeitsschritte am Video wahrscheinlich aussahen und wann diese getätigt wurden. Zum Anderen geht es um das sogenannte NSU-Archiv, eine Zusammenstellung von Artikeln über Morde und Anschläge des NSU, die im Brandschutt der Frühlingsstraße aufgefunden wurden. Danach stellen Nebenklagevertreter_innen Beweisanträge rund um den Themenkomplex LfV Brandenburg und den V-Mann .

Zeug_innen:

  • Harald De. (EKHK; BKA Wiesbaden, Auswertung zu Videodateien auf Festplatte „EDV 11“ mit Bezug zum NSU-Video)
  • Jeanette Ar. (BKA, Auswertung von Asservaten: „NSU-Archiv“, „Drehbuch“ zum Bekennervideo, gelöschte Daten Festplatte Holger Gerlach)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Erster Zeuge ist EKHK Harald De. vom BKA Wiesbaden [zuletzt 257. Verhandlungstag]. Götzl sagt, es gehe um Erkenntnisse zum so genannten NSU-Video, ihn interessiere, wann letztlich bei dem Asservat „EDV 11“ anhand der Zeitstempel, von denen De. bereits berichtet habe, Aktivitäten hätten festgestellt werden können hinsichtlich Bearbeitung, Erstellung, Änderung, Speicherung der Dateien. De. fragt, ob es um das Paulchen-Panther-Video gehe, es gebe ja noch ältere Vorläuferprodukte, aber das Paulchen-Panther-Video fange im Mai 2006 an. Götzl: „Ich hatte Sie zu dem Asservat befragt, Sie hatten zu Zeitstempeln berichtet. Und jetzt geht es darum, ob an den Zeitstempeln Aktivitäten festgemacht werden konnten.“ De.: „Okay. Also, was wir haben, ist als erstes im März 2001 ein so genanntes altes oder sehr altes Video, eine kurze, fast collagenartige Darstellung. Dann der nächste Part Oktober 2001 das zweite Video von 5 Minuten, schon eine filmische Darstellung. [phon.] Sieben einzelne Dateien, die Falldarstellungen und Schnittszenen beinhalten. Im Oktober 2001 sieben Einzeldateien, die zu einem Video zusammengezogen werden. [phon.]“

De. fährt fort: „Dann im August 2004, da wird eine Folge von ‚Paulchen Panther‘ – ich glaube, ‚Der rosarote Fotoschreck‘ – in eine Videodatei überspielt. Dann beginnt es relevant zu werden im Mai 2006. Da beginnt erkennbar ein Erstellungsprozess. Der beruht zunächst darauf, dass altes Material mit eingearbeitet wird und das Dinge, die dazu gehörten, in ähnlichen Dateien und Ordnern abgelegt werden. Anfang 2006 wird zunächst mit der filmischen Aufarbeitung des Komplexes Probsteigasse begonnen. Das ist der erste Punkt, der gemacht wird.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Zeugen anhalten würden, seine Schlussfolgerungsprozesse außen vorlassen könnte, und dass er zunächst darlegt, was er für Wahrnehmungen gemacht hat.“ Götzl sagt in Richtung des Zeugen, dass es ihm darum gehe, welche Zeiträume, Zeitpunkte hinsichtlich einer Speicherung, Bearbeitung festgestellt worden seien, De. solle auf die Zeitstempel abstellen. De.: „Okay. Mai und Juni 2006 als erste Phase, in denen Videodateien für das Paulchen-Panther-Video bearbeitet wurden. Dann Pause, die endet im Februar 2007. Das heißt im Februar und März 2007 wird intensiv am Video gearbeitet, zwei Drittel aller Dateien erstellt [phon.]. Dann bricht das Ganze am 21. März ab, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, und setzt dann im November 2007 wieder an. Dann ein paar kleinere Schritte, dann eine Bearbeitung am 03.12.2007 und endgültige Abspeicherung 14.01.2008. [phon.] Das wären die drei relevanten Bearbeitungszeiträume.“

Götzl: „Ja, gut, dann kommen wir zu dem, was Sie letztlich an Bearbeitungsschritten oder Aktivitäten feststellen konnten.“ De. sagt, im Mai und Juni 2006 beginne die Darstellung der Probsteigasse. Es beginne mit ‚Paulchen Panther‘ vor einem Rekrutierungsschild, Paulchen komme durch die Straße. [phon.] Im Anschluss an die Probsteigasse, werde dann die so genannte Staffeleiszene gemacht. [phon.] Götzl sagt, da müsse er nachfragen, ihn interessiere, welches Material De. gehabt habe, wie er vorgegangen sei. De.: „Wir haben uns die Videodateien angeschaut. Kleine Videodateien, das sind ganz viele Bearbeitungsschritte, Schnippsel, alles Mögliche. Man sieht Entwicklung und Schnitt. Wir habe uns die Inhalte angeguckt. Wir haben gesehen, dass z. B. eine Aktion wie die Probsteigasse, dass sich so was entwickelt: Arbeitsname Köln 1; jetzt laufen die Polizisten durchs Bild, jetzt kommt Paulchen Panther dazu, jetzt kommt die Pistole ins Bild. [phon.] Man sieht wie das entwickelt wurde: Wo sind von Seiten der Ersteller Entscheidungen getroffen worden, die Szene [phon.] zu bearbeiten? Z. B. die Staffeleiszene. Oder etwas, was man vorher reingepackt hat, bspw. eine Gedankenblase, die man später wieder rausgenommen hat. So konnte man das chronologisch sehr schön sehen, wie sich das entwickelt hat.“

Götzl fragt, was mit „chronologisch“ gemeint sei. De.: „Da ging es um das Änderungsdatum. Das lag zeitlich meistens vor dem Erstellungsdatum, was daran liegt, dass diese Dateien auf einem uns nicht bekannten Rechner aufgenommen wurden und später erst auf ‚EDV 11‘, eine externe Festplatte, ausgeleitet wurden. Da ist dann erst das Erstellungsdatum erzeugt worden. Das war alles im Februar 2007. ‚EDV 11‘ wurde im Februar 2007 erzeugt; es ist nicht klar, ob neu gekauft oder neues Betriebssystem. [phon.] Im Februar 2007 ist eine weiträumige Überspielung von Ordnerstruktur und Dateien auf diese ‚EDV 11‘, diese externe Festplatte, erfolgt. In dem Moment sind für die Ordner, nicht die Dateien, Erstellungsdaten erzeugt worden. Da sich aber in den Ordnern Dateien befanden, die vorher bearbeitet wurden, hatten diese Dateien immer noch das letzte Änderungsdatum. Das ist das unbestechliche oder wesentliche Datum: Wann ist das letzte Mal was mit der Datei passiert? Und da man da eine Diskrepanz gesehen hat, konnte man sagen: Die sind vorher bearbeitet worden.“

De. weiter: „Soll ich zum Erstellungsprozess noch was sagen? Also der Erstellungsprozess: Am Anfang die erste Phase Mai, Juni, wo der Einstieg gefunden wird, Rekrutierungsplakat [phon.], dann kommt auch schon die Staffeleiszene, wo die einzelnen Taten abgeblättert werden. Dann Übergänge noch [phon.], aber dann ist es im Grunde genommen da erstmal zu Ende. Die filmische Verarbeitung der Keupstraße hat da noch keine Rolle gespielt im Mai, Juni 2006, was die Zeitstempel angeht. Im Mai, Juni 2006 sind aber eine ganze Reihe Elemente drin, die später rausgenommen werden, z. B. das Schild ‚Deutschland den Deutschen‘, die Gedankenblase ‚Der Ali muss weg‘, ‚Mitstreiter gesucht im Kampf gegen die Kanakenflut‘. Daraus wurde im Video dann später ‚Steh zu deinem Vaterland‘ [phon.]. Dann war die Pause bis Februar 2007. Da nahm das ganze an Fahrt auf, da wurde die Staffeleiszene professionalisiert, deutlich bessere Übergänge, sehr viel Sorgfalt z. B. auf die Staffelei, die steht plötzlich in einem leeren Zimmer, das ist im Original nicht so. Am Ende der ‚Deutschlandtour‘, wo Totenköpfe und Runenschrift war, wird jetzt eine pinkfarbene Sternchen-Symbolik gewählt, ‚Sternchen für den NSU‚. [phon.] Als Paulchen in dem U von NSU herumschaukelt, das ist eine Szene, für die einen ganzen Tag gebraucht wurde. [phon.] Im Februar, März bildet den Hauptteil die Arbeit an der filmischen Umsetzung der Keupstraße. Die Fadenszene …“

Götzl unterbricht De. und bittet ihn langsamer zu sprechen. De. „Also die bildet einen wichtigen erzählerischen Rahmen. Die Keupstraße selbst wird sehr, sehr aufwändig vorbereitet.“ Götzl: „Das sind jetzt immer Wertungen. Mir geht's nicht um Ihre Bewertungen. Wir wollen die Fakten wissen, was Sie festgestellt haben, aber diese Bewertungen können Sie sich sparen. Da muss ich jedes Mal nachfragen, das kostet uns Zeit. Also, bitte!“ De.: „Am 25., 28. Februar und am 1. und 2. März werden jetzt sehr viele Dateien erzeugt, die Versuche darstellen, die Keupstraße umzusetzen. Ein Münzwurf. Eine Münze rollt über den Boden …“ Wieder unterbricht Götzl: „Es reicht uns darzustellen, was das Thema war, alles andere kann man sich anschauen. Sie müssen nicht versuchen, uns das anschaulich darzustellen.“ De.: „Ja, okay. Am 25. und 28 Februar und am 1. und 2. März werden eine ganze Reihe Clips bearbeitet, Versuche zur Keupstraße, die werden aber später wieder verworfen, gehen nicht in das endgültige Produkt ein. Dann findet eine zweiwöchige Pause statt und dann wird die filmische Umsetzung der Keupstraße erarbeitet, so wie wir sie kennen. Das läuft dann relativ geschmeidig und im März 2007 ist der Film [phon.] dann mehr oder weniger abgeschlossen.“

Im März 2007 werde dann alles zusammengeschnitten, es würden nur ein paar kleinere Sachen fehlen, es gebe keine Vertonung [phon.], aber im Wesentlichen sei er fertig. Dann gebe es eine Pause. De.: „Im November 2007 noch einige kleinere Veränderungen: Das RAF-Zeichen wird auf den Bauch gemacht, ein Straßenausgangsschild [phon.] wird verändert, und es kommt die Abschlussfolie dazu, wo es um die Tat in Heilbronn geht. Hier findet jetzt auch die komplette Vertonung statt und das komplette Video wird das erste Mal am 03.12. und dann am 14.01.2008 abgespeichert, in einem Ordner der auch auf ‚Stand 14.01.2008‘ lautet. Diese Abspeicherung ist gegenüber dem 03.12.2007 offensichtlich unverändert.“

Götzl fragt, ob das Asservat „Drehbuch“ eine Rolle gespielt habe in De.s Arbeit. De.: „Wir haben versucht, anhand des Drehbuchs Clips zuzuordnen, das war aber schwierig. Es gibt offensichtlich eine Vorlage, ein Vierer-DVD-Set [wohl von „Paulchen Panther“][phon.], das konnten wir anhand der Nummerierungen in diesem Drehbuch nachvollziehen.“ Götzl fragt, ob sich De. mit dem Asservat inhaltlich befasst habe. De.: „Wir haben eine Abschrift gehabt und geschaut, ob es möglich ist, Clips zu identifizieren, die da genannt sind. In 30 Fällen war es möglich, aber insgesamt bezieht es sich offensichtlich auf 50 Clips. Jeder Eintrag in dem Drehbuch ist eine Projektierung [phon.] sich eine Szene genauer anzuschauen. Bei einigen Sachen sind Eignungsprognosen dabei: ‚gutes Schussgeräusch‘. Man erkennt, dass da ein Zusammenhang mit dem Erstellungsprozess bestehen dürfte. Am Ende sind, glaube ich, auch noch Skalierungsangaben, wieviel Pixel man verwenden soll. Das Drehbuch hatte Hinweischarakter, war aber keine abschließende Geschichte. Wir konnten auch nicht sagen, ob das sämtliche konzeptionellen Arbeiten umfasst. [phon.]“

Götzl fragt, ob sich De. mit Zeitstempeln als solches befasst habe. De.: „Das war aufwändig. Zeitstempel sind grundsätzlich manipulierbar, z. B. wenn man die Uhrzeit im Rechner verstellt. Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Wir sind keine IT-Techniker, sondern haben das als Kriminalisten gemacht. Drei Haupterkenntnislinien: Die Videos passen immer zum tatsächlichen Geschehen, sie haben angeschlossen an etwas, was in der realen Welt war.“ Götzl: „Was ist das Geschehen, was ist der Vergleich dann?“ De.: „Wenn wir beim Paulchen-Panther-Video sehen, dass auf dem Flipchart neun Taten abgebildet werden und der Presseausschnitt kommt: ‚Kein 10. Opfer‘, da muss man davon ausgehen, dass die Erstellung nach der letzten Tat in Kassel im April 2006 geschehen sein muss. Solche Anknüpfungspunkte gab es mehrere. Z. B. bis zum März 2007 war überhaupt nichts drin, was mit Heilbronn zu tun hatte. Im November 2007 hingegen ist Heilbronn bereits eingearbeitet. Realweltlich ist das völlig stimmig, kann man sagen. Die zweite Argumentationsschiene war: Fernsehberichterstattung, wo man zumindest die grobe Stimmigkeit der Zeitstempel abgucken [phon.] konnte. Z. B. Aktenzeichen-Sendung, das realweltliche Ereignis geht der EDV-Verarbeitung voraus. [phon.] Diese Regel haben wir ausnahmslos gefunden, die ist kein einziges Mal durchbrochen worden. Ein weiterer Punkt: der Umstand, dass die Dateinamen unglaublich präzise sind, was Bearbeitungsstände betrifft. Die sind ungeheuer hilfreich.“

So sei z. B. „Ali9 aktuell“ neuer als „Ali9″, so De. Die Ersteller des Videos hätten das unglaublich präzise benannt, so dass man nie den Überblick verliere und immer wisse, was neu ist. De. :“Wenn man ein so komplexes Projekt macht wie dieses Video, braucht man eine gewisse Ordnung und das spiegelt sich in den Ordnernamen wider. Ganz interessant: ‚Stand 11/2007‘, da sind tatsächlich nur diese Kleinigkeiten drin, wie das Ortsausgangsschild, das verändert wurde. Das ist also auch absolut stimmig. Und im Ordner ‚14.1.‘ ist dann auch tatsächlich eine Datei drin, die den Zeitstempel 14.1. hat. Es befinden sich da auch noch Videos drin, Aufnahmen von Aufmärschen in Salem, die den Zeitstempel 2005 haben, vereinzelt 2006, und die tragen teilweise den Namen ‚Salem 05‘. [phon.] So wird auch eine absolute Schlüssigkeit zum Zeitstempel hergestellt.“

RA Stahl: „Nur zum Verständnis: Ihre Aussage: ‚Wenn Paulchen in dem NSU-Zeichen schaukelt‘, Sie haben gesagt, dafür habe man über einen Tag gebraucht. Wie kommen Sie zu der Äußerung?“
De.: „Man sieht, dass sich das über mehrere Stunden, über die Datumsgrenze hinweg zieht. Dass Bearbeitungsvorgänge sind, die einen ganzen Tag umfassen. Man kann nicht darauf schließen, dass ununterbrochen war [phon.], aber es kommt immer wieder zu Abspeicherungen. Tatsächlich über einen ganzen Tag.“ Stahl: „Also Sie haben mehrere Dateien gefunden, die verschiedene Abspeicherungsdaten tragen?“ De.: „Ja, und verschiedene Bearbeitungsstempel [phon.].“ Stahl: „Nochmal allgemein: Sie haben das Asservat angeschaut, die einzelnen Szenen, und das was Sie vorgetragen haben beruht auf Ihren Wahrnehmungen, wie die einzelnen Speicherstände dokumentiert waren?“ [phon.] De.: „Ja.“

Stahl: „Sie erwähnten aber ein Umkopieren der gesamten Speicherstruktur. Haben Sie nochmal auf Plausibilität kontrolliert, ob diese Schlussfolgerungen der Bearbeitungsstände an objektivierbaren Umständen gemessen werden können, außer das Realleben der Nachrichtenberichtersttatung?“ [phon.] De.: „Es ging, wie gesagt, um Nachrichtenberichterstattungen und tatsächliche Taten. Das realweltliche Ereignis ging chronologisch der bearbeiteten Datei voraus, das war immer so. Was man sieht, ist, dass alles in sich vollständig plausibel ist, wie es zusammengeschnitten wird, wie es sich verbessert, wie es vollständiger wird.“ Stahl: „Habe ich auch verstanden. Sie sagten: Es gibt drei Bearbeitungszeiträume, das machten Sie fest an den Änderungsdaten bzw. Speicherungen?“ De.: „An den Änderungsdaten der Videodateien.“ Stahl: „Sind die Dateien nochmal untersucht worden, ob es in den Dateien zeitliche Markierungspunkte gibt?“ De.: „Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind die durch unsere IT-Forensik schon so aufbereitet worden, dass man sämtliche Änderungszeitpunkte sehen konnte. Ich persönlich vermag nicht zu beurteilen, ob es noch was IT-technisch Tieferes in den Dateien gibt. Ich kann nur sagen: Uns hat die letzte Veränderung die chronologische Einordnung ermöglicht.“

NK-Vertreterin RAin Lunnebach fragt nach der Einfügung der Schusshand im Zusammenhang mit der Probsteigasse. De.: „Da zieht ein Bereitschaftspolizeizug offensichtlich aus der Fernsehberichterstattung vorbei kurz nach dem Anschlag Probsteigasse. Umfasst Polizisten, die durchs Bild gehen. Und am 5. Juno 2006 gehen die Polizisten noch unbeschadet durchs Bild. Am 7. Juno erscheint die Hand und schießt einem der Polizisten in den Kopf. Das war am 5. noch nicht und ist jetzt am 7. Juni 2006 da. Und ist auch beibehalten worden.“ Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt die Vernehmung der Zeugin Jeanette Ar. [180. Verhandlungstag]. Götzl sagt, es gehe um Asservatenauswertungen, nennt Asservatennummern und fragt: „Wissen Sie, worum es dabei geht?“ Ar.: „Das erste Asservat betrifft das NSU-Archiv, das zweite das so genannte Drehbuch zum Bekennervideo. Dann das elektronische Asservat ist die Wiederherstellung gelöschter Dateien.“ Götzl bittet Ar., auf das erste Asservat einzugehen. Ar.: „Dieses so genannte NSU-Archiv, da habe ich eine Zusammenfassung verfasst, es ging um die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung. Grundlage waren Gutachten und Untersuchungsberichte. Ich habe da auch nochmal auf die inhaltliche Beschreibung des Asservats durch andere Kollegen zurückgegriffen. Das NSU-Archiv ist eine Sammlung diverser Zeitungsartikel, in Teilen [phon.] Zeitungsausschnitten, 75 Einzelnummern, insgesamt 68 Zeitungsartikel sowie 7 Notizzettel. Die Artikel stammen aus 14 Tageszeitungen. Bei vier Artikeln war es nicht möglich, eine Zuordnung zu Zeitungen zu treffen. Die inhaltliche Auswertung wurde durch andere Kollegen verfasst; darauf ist dann verwiesen im Vermerk. Die Hälfte davon, 36 Artikel, haben sich mit den so genannten Ceska-Morden befasst. Aber es gibt nicht Artikel zu sämtlichen Morden, der fünfte und der neunte Mord wurden nicht thematisiert. Dann gab es drei Artikel zum Bombenanschlag Köln Probsteigasse, weitere [phon.] Artikel zur Keupstraße und 9 Artikel waren verfahrensunrelevant. Auffallend war, dass sich kein Artikel mit dem Tötungsdelikt zum Nachteil von Frau Kiesewetter befasst hat.“

Auffällig sei gewesen, so Ar., dass auf den Artikeln und Notizzetteln handschriftliche Notizen vorhanden gewesen seien. Es würden sich insgesamt sieben Notizzettel mit den Zahlen 2 bis 9 darauf finden, mit Ausnahme der Nummer 5, die habe gefehlt. Auf sieben Artikeln würden sich Ziffern finden, aber es sei nicht auszuschließen, dass es sich um Abdruckspuren der Notizzettel handelt aufgrund von Löschwasser oder dergleichen. Die Artikel mit Ziffern hätten jeweils immer die Ceska-Morde thematisiert. Wenn die Ziffer 1 vorhanden gewesen sei, dann habe das auch mit dem ersten Tötungsdelikt zusammengepasst. Dann gebe es einen Artikel einer Kölner Tageszeitung zum Anschlag Probsteigasse, da sei das Datum 19.01.2001 notiert, das Anschlagsdatum. Auf einem Artikel sei die Bezeichnung ‚Tern‘ notiert, die Kollegen hätten recherchiert, dass das ein Fahrradhersteller sein könne oder der Seepark Tern [phon.], Nähe Dortmund, der über ganzjährige Stellplätze für Wohnmobile verfüge. Die Zeitungsartikel seien auf Fingerabdruckspuren untersucht worden, 11 seien gefunden worden, davon hätten zwei Zschäpe zugeordnet werden, ein Artikel zum Anschlag Keupstraße bzw. zum vierten Tötungsdelikt der Serie. Alle übrigen Spuren hätten nicht zugeordnet werden können oder seien nicht zur Auswertung geeignet gewesen. Sechzehnmal seien DNA-Spuren auf Artikeln gefunden worden. Auf einem Artikel zur Keupstraße gebe es eine Mischspur, es sei nicht auszuschließen, dass ein Teil Beate Zschäpe zuzuordnen ist. Auf einem anderen Artikel zum ersten Tötungsdelikt sei ein Teilmuster von Uwe Mundlos gefunden worden.

Zu den Schriftvergleichen sagt Ar., bei dem Artikel mit dem Datum 19.01.2001, damals habe nur das Ergebnis vorgelegen, seien die Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass Uwe Mundlos mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit der Schrifturheber war. Ar.: „Dann weiter Untersuchungen betreffend das NSU-Bekennervideo. Da wurde untersucht, inwieweit Artikel aus Zwickau eingeblendet sind.“ In der ersten Vorgängerversion seien, so Ar., zwei Zeitungsartikel eingeblendet, ihrer Erinnerung nach ein Artikel zum ersten Mord und einer zum Anschlag Probsteigasse. Im zweiten Vorgängervideo seien acht Artikel eingeblendet zur Ceska Mordserie und zum Anschlag Probsteigasse. Und in der „Endversion“ des Bekennervideos seien ebenfalls acht Artikel, auch großteils zu den Ceska-Morden und zum Anschlag Probsteigasse. Auffallend sei gewesen, dass in der Endversion nur zwei Artikel verwendet worden seien, die auch in der zweiten Vorgängerversion eingeblendet gewesen seien. Ar.: „Von den 68 Artikeln sind also 18 Artikel wichtig aufgrund der KT-Erkenntnisse oder weil sie im Bekennervideo verwandt wurden.“

Götzl sagt, ihm gehe es jetzt um das nächste Asservat. Ar.: „Das war das so genannte Drehbuch zum Paulchen-Panther-Video. Der Fokus meines Vermerks lag insbesondere auf der Darstellung der KT-Ergebnisse. Und ich habe vorangestellt, um was es sich bei dem Asservat handelt: Insgesamt 49 karierte [phon.] Seiten, vermutlich aus einem Spiralblock, deutlich löschwasser- und hitzegeschädigt. 30 Seiten mit handschriftlichen Notizen.“ Inhalte seien, so Ar., u.a. Notizen zu den Trickfilmfolgen, zu Clips, welche Geschehnisse passieren [phon.], dann Hinweise, wie man diese Darstellungen verwenden könnte, zum Beispiel wenn ein Schuss gefallen ist. Des weiteren gebe es Aufzeichnungen zu den Tatorten, Opferdaten [phon.] der Ceska-Mordserie und zu den Anschlägen in Köln. Technische Hinweise zu Skalierungen, Farbschemata. [phon.] Auf fünf Seiten -, im Vermerk stehe fälschlicherweise vier – seien acht Fingerabdruckspuren gefunden worden. Die seien teilweise nicht zu Untersuchungen geeignet gewesen oder hätten nicht zugeordnet werden können.

Es sei DNA-Material eines Berechtigten [eine so genannte berechtigte Person ist bspw. ein_e Kriminaltechniker_in oder ein_e Polizist_in]gefunden worden, die anderen genetischen Spuren seien leider nicht zuzuordnen bzw. nicht verwertbar gewesen. Es gebe drei Gutachten zu Schriftvergleichen. Wegen Löschwasser und Brand seien nicht alle Seiten geeignet gewesen zur Untersuchung. Untersucht worden sei die Schreibschrift auf dem Asservat und die Druckschrift „Raffgier“ bzw. „RAF“. Es gebe Schreibleistungen in zwei Komplexen, Komplex 1 und 2. Im ersten Gutachten sei man zum Ergebnis gekommen, dass die Komplexe mit hoher Wahrscheinlichkeit vom selben Urheber stammen. Man habe das auch mit vorliegendem Vergleichsmaterial von Böhnhardt und Mundlos verglichen. Ergebnis sei gewesen, dass mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit Komplex 1 Uwe Mundlos ist, der Komplex 2 habe nicht zugeordnet werden können, genauso nicht die Druckschrift. Das zweite Gutachten sei ebenfalls zum Ergebnis gekommen, dass Komplex 1 von Uwe Mundlos sei. Da sei nochmal der Fokus drauf gelegt worden, welche übrigen Asservaten mit den Handschriften 1 und 2 korrespondieren. Es besteht Schrifturheberidentität bei Komplex 1 zu anderen Asservaten, Stadtplänen bzw. Geburtsurkundenteilen von Herrn Bu. Bei Komplex 2 bestehe Identität zu Stadtplänen und zum Lebenslauf Fiedler. Im dritten Gutachten habe man Vergleichsmaterial von Böhnhardt vorliegen gehabt. Mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit seien die Schreibleistungen aus Komplex 2 Uwe Böhnhardt als Urheber zuzuordnen.

Dann fragt Götzl nach der Auswertung der Festplatte. Ar. sagt, es gehe um eine Samsung-Festplatte, da habe sie sich mit den so genannten Filecarving-Daten beschäftigt, gelöschte Daten, die wiederhergestellt worden seien. [Es handelt sich um eine bei Holger Gerlach sichergestellte Festplatte.] Das habe eine technische Serviceeinheit gemacht und sie selbst habe sich mit den Daten beschäftigt. Es seien 100.000 [phon.] Dateien in drei Partitionen, aber das lasse keinen Schluss zu, wie die Daten ursprünglich gespeichert waren. In Partition 1 würden sich ca. 98.000 Daten finden, sehr viele Bilddateien, Filmszenen, Szenen aus Musikvideos [phon.], pornografisches Material, Bildmaterial von Einrichtungsgegenständen, evtl. aus dem Bereich Online-Einkauf, Hinweise auf „Amazon“ und „Sport Scheck“, selbstgefertigte Fotoaufnahmen von Kleidungsstücken, Hinweise auf „Ebay“, Profilbilder aus sozialen Netzwerken, „ICQ“ und „Stayfriends“, private Aufnahmen und Daten der Familie von Gerlach, diverse Kartenausschnitte von Mittel- und Norddeutschland und dem europäischen Ausland, Großbritannien, Italien usw. Das könne in Zusammenhang stehen mit Navigation, denn es hätten Hinweise auf Software wie „Meridian“ und „Navteq“ festgestellt werden können. In „Google-Maps“ seien Cuxhaven und Lauenau vorhanden gewesen. Bei Lauenau die Magirusstraße, da gebe es, so Ar., ein Bowlingcenter, ein Autohaus und ein Wachscenter.

Es habe auch Daten rechtsgerichteten Inhalts gegeben, Musikcover von den Bands „“, „“ und „“. Dann Dateien mit Darstellungen von „Paulchen Panther“ als Trickfilmfigur. Auf der Partition 2 seien 430 Daten gewesen, verschiedenes Unrelevantes, Bild- und Audiodateien. Aber auch Fotoaufnahmen, die vermutlich mit Digitalkamera gefertigt worden seien: u.a. Holger Gerlach mit unbekannten Personen sowie das Ehepaar Sch. [72. Verhandlungstag]. Es seien Aufnahmen, die vermutlich mit einer Festival- oder Musikveranstaltung in Zusammenhang stehen. Auf der Partition 3 seien 1.600 Daten, die alle als unrelevant einzustufen seien, PC-Gaming und ihrer Erinnerung nach auch Bilder von Einrichtungsgegenständen und Bekleidungsstücken. Götzl: „Die Paulchen-Panther-Bilder, wann wurden diese Bilder heruntergeladen, wann gelöscht?“ Ar.: „Das konnten wir nicht feststellen, das hätte die technische Einheit feststellen müssen. Allerdings ist bei den Zeitstempeln zu sagen, dass das kein verlässlicher Hinweis ist. Das ist abhängig davon, welches Datum am PC eingestellt ist.“

RA Stahl: „Das von Ihnen so bezeichnete ‚NSU-Archiv‘: Sie haben mehrere Quellen der Ermittlungen ausgewertet und zusammengefasst?“ Ar.: „Richtig, um die KT-Ergebnisse zusammenzustellen.“ Stahl: „Haben Sie Kenntnis darüber, ob das alle Ergebnisse der Ermittlungen sind, die auch angefallen sind?“ Ar.: „Habe ich leider nicht. Vorrangige Quellen waren die Auswerteergebnisse der Asservate. Ob da noch weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, da habe ich leider keinen Einblick.“ Stahl: „Ist anhand der Ihnen vorliegenden KT-Ergebnisse nachvollziehbar gewesen, in welcher Form diese Zeitungsbestandteile aufgefunden wurden und wo?“ Ar.: „Kann ich aus der Erinnerung nicht wiedergeben. In der Regel hatten wir Fotos der Asservate vorliegen und haben daran die Auswertung gemacht. Man konnte die Asservate aber auch anfordern, wenn die Fotos nicht ausreichend waren. Wo aufgefunden, habe ich für meine Beschreibung nicht herangezogen, kann ich nicht sagen. [phon.]“ Stahl: „Sie sprachen von einem Archiv, der Generalbundesanwalt spricht auch von einem 'systematischen Archiv‘.“ Stahl sagt, es sei für ihn von Interesse, ob es sich um lose Blätter oder ein Ringbuch gehandelt hat, ob es gebunden gewesen seien. Ar. sagt, bei den ihr bekannten Aufnahmen habe es ausgesehen wie eine lose Sammlung, aber zusammengehörend [phon.]: „Wie die tatsächliche Auffindesituation in Zwickau war, kann ich nicht sagen.“

Stahl: „Wieso sagen Sie dann ‚Archiv‘?“ Ar.: „Die Bezeichnung ist in anderen Vermerken verwandt worden, die hab ich übernommen.“ Stahl: „Was stand denn da dazu?“ Ar.: „Worum es sich beim Asservat handelt, im Detail kann ich das jetzt nicht wiedergeben, müsste ich in die Vermerke reinschauen.“ Stahl: „Habe ich das richtig verstanden: Sie haben einzelne Lichtbilder von Zeitungsartikeln gesehen? Oder war das ein großes Lichtbild?“ Ar.: „Jeder Artikel wurde einzeln aufgenommen, aber es gab auch Aufnahmen, wo die Zeitungsartikel gesammelt drauf waren, sowohl als auch.“ Stahl: „Wurden die für die Fotoaufnahmen drapiert oder waren die geheftet oder verbunden?“ Ar.: „Die wurden erstmal gesammelt aufgefunden, dann wurden Asservatennummern vergeben und im Rahmen der Asservierung wurden die einzeln fotografiert.“ Stahl: „Also, die wurden zusammen aufgefunden?“ Ar.: „So stellte es sich für mich im Vermerk dar. Aber das müssen Sie dem Vermerk entnehmen“ [phon.] Stahl: „Anhand welches Vermerks hat es sich so dargestellt, als ob sie zusammen aufgefunden wurden?“ Ar.: „Anhand der Fotoaufnahmen.“ Stahl: „Und wo befanden die sich?“ Ar.: „Da war ein Maßstab, wie groß die Artikel sind und die Artikel wurden zusammen fotografiert.“ [phon.]

Stahl: „Sie sagten ja: Zusammen aufgefunden.“ Ar.: „Für mich hat es sich so dargestellt, habe ich gesagt. Wie sie aufgefunden wurden, dazu kann ich nichts sagen.“ Stahl: „Deswegen frage ich ja. Der GBA spricht von Ausschnitten, dass Artikel ausgeschnitten wurden aus Zeitungen.“ Ar.: „So sieht das aus, ja.“ Stahl: „Wir haben auch Teile in Augenschein genommen. Ich habe nur ganze Zeitungsseiten gesehen.“ Ar.: „Ich habe auch ganze Seiten gesehen, aber auch Artikel, die komplett ausgeschnitten waren.“ Bei manchen sei aber noch ersichtlich gewesen, aus welcher Zeitung die stammen, so Ar. Stahl: „Haben Sie auch Hinweise darauf gefunden, außer den daktyloskopischen Spuren von Frau Zschäpe, dass Frau Zschäpe an dieser vermeintlichen Zusammenstellung mitgewirkt hat?“ Ar.: „Außer den geschilderten Spuren habe ich keine weiteren Feststellungen getroffen, meine Aufgabe bestand darin, die KT-Ergebnisse darzustellen.“ Stahl: „Die Fingerabdruckspuren von Frau Zschäpe an den Asservaten, waren die auf ausgeschnittenen Artikeln oder Zeitungsseiten?“ Ar.: “ Kann ich so nicht sagen. In meinem Vermerk ist das aufgelistet, da müsste man nochmal gucken, welcher Artikel dahinter steht.“

Wohlleben-Verteidiger Klemke: „Die drei Schriftgutachten, die Sie ansprachen, lagen Ihnen diese Gutachten vor?“ Ar.: „Ja.“ Klemke: „Wissen Sie, in welcher Form die zu begutachtenden Schriftleistungen den jeweiligen Sachverständigen vorlagen?“ Ar.: „Da kann ich nichts zu sagen, weil ich die Gutachten nicht gefertigt habe. Da müssten Sie die Gutachter dazu befragen.“ Klemke sagt, ihm gehe es darum, ob es dahingehend Ausführungen in den Gutachten gegeben habe. Ar.: „Kann ich mich leider nicht erinnern.“ Klemke: „Ihnen lagen die Asservaten nur als Fotos vor?“ Ar.: „Das ist richtig.“ Klemke: „Haben Sie Originale angefordert?“ Ar.: „Da mein Fokus ja auf der Auswertung der KT-Gutachten lag, habe ich das nicht gemacht.“ NK-Vertreter RA Narin: „Der Vorsitzende hat Sie bereits gefragt zur zeitlichen Einordnung des Materials ‚Paulchen Panther‘ und Sie sagten, es könne anhand der Zeitstempel nicht verlässlich zugeordnet werden. Gab es Hinweise drauf, dass die Systemzeit unzutreffend eingestellt war?“ Ar.: „Dazu kann ich leider nichts sagen. Das müssten die Kollegen, die die technische Aufbereitung gemacht haben, sagen.“ Narin: „Können Sie sagen, welches Betriebssystem sich auf dem Rechner befand?“ Ar.: „Kann ich leider auch nicht sagen.“ OStA Weingarten fragt, ob Ar. zu der ausgewerteten Festplatte in Erinnerung sei, wann dieses Asservat zuletzt benutzt wurde. Ar.: „Kann ich auch nichts dazu sagen, meine Auswertung beschränkte sich auf gelöschte und wiederhergestellte Dateien.“ Die Zeugin wird entlassen.

Danach gibt RA Stahl eine Erklärung ab: „Die Zeugin Ar., die bekundet hat, was Sie zu dem vom Generalbundesanwalt so bezeichneten NSU-Zeitungsarchiv an Feststellungen hat treffen können, ist ein weiterer Baustein, den wir hier in der Hauptverhandlung eingeführt haben, wir haben ja dazu bereits Artikel in Augenschein genommen. Ich muss allerdings sagen, dass für uns aus Sicht der Verteidigung der Schluss schwierig nachzuvollziehen ist, den der GBA zieht, nämlich dass Frau Zschäpe an der Erstellung dieses Archivs mitgewirkt haben soll. Was ja ein erhebliches Indiz für die Vorwürfe der Anklage sein soll. Das ist schwer nachzuvollziehen anhand dessen, was wir bisher in der Hauptverhandlung gehört haben. Ich rege an, festzustellen, auf welche Art und Weise diese Zeitungsseiten im Brandschutt gefunden worden sind, von wem, wie es dazu gekommen ist, dass sie zusammengeführt worden sind. Es spricht einiges dafür, wenn Frau Zschäpe an der Zusammenstellung eines Archivs, gebundene Form [phon.], mitgewirkt hätte und es in den Händen gehalten, sich an mehreren Seiten daktyloskopische Spuren befunden hätten und nicht nur an zwei Zeitungsseiten.“ Es folgt eine Pause bis 11:18 Uhr.

Danach trägt NK-Vertreterin RAin Dierbach einen Beweisantrag vor:

In der Strafsache gegen Beate Zschäpe u.a. beantragen wir Beweis zu erheben wie folgt:

Das LfV Brandenburg hat im September 1998 die Ergreifung der per Haftbefehl gesuchten flüchtigen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos vereitelt, indem die für eine Ergreifung erforderlichen Informationen dem TLKA nicht zur Verfügung gestellt worden sind und somit das TLKA, obwohl dies beabsichtigt war, bei dem zuständigen Amtsgericht weder Anträge auf Telefonüberwachung noch auf sonstige strafprozessuale Maßnahmen beantragen konnte, sowie über den Umstand, dass durch dieses Verhalten des LfV Brandenburg die Ergreifung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos verhindert wurde, weil das LfV Brandenburg den Quellenschutz über die Ergreifung der per Haftbefehl gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gestellt hat, und im Falle eines anderen Verhaltens die per Haftbefehl gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos hätten festgenommen werden können, so dass die vom NSU begangenen Morde, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge nicht stattgefunden hätten, durch zeugenschaftliche Vernehmung der Teilnehmer an den Besprechungen vom 16.09.1998 und 17.09.1998 zwischen dem Innenministerium Brandenburg, dem LfV Thüringen, LfV Sachsen gemäß Teilnehmerliste aus den Unterlagen des Zeugen Görlitz.

Es wird beantragt, die dort aufgeführten Teilnehmer zu ermitteln, die Schwärzung in dem Gesprächsvermerk aufzuheben und die zeugenschaftliche Vernehmung der Teilnehmer zu veranlassen, sowie insbesondere Beweis zu erheben durch die Vernehmung des Zeugen Tüshaus (ungeschwärzter Name aus dem in Bezug genommenen Vermerk).

Die Vernehmung der Zeugen wird folgenden Sachverhalt ergeben: „Am 14.09.1998 wurde dem Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen durch einen Quellenbericht des Innenministeriums Brandenburg folgender Sachverhalt bekannt: soll zur Zeit den Auftrag haben, für die drei flüchtigen sächsischen (Anmerkung: Gemeint sind aller Wahrscheinlichkeit nach die gesuchten Rechtsextremisten aus Thüringen, die im Zusammenhang mit selbstgebauten Sprengkörpern gesucht wurden) Skinheads, Waffen zu beschaffen. Gelder für diese soll die B&H Sektion Sachsen bereit gestellt haben. Nach Entgegennahme der Waffen, noch vor der beabsichtigten Flucht nach Südafrika soll das Trio soll einen weiteren Überfall planen, um damit dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können. wolle der weiblichen Person des Trios ihren Pass zur Verfügung stellen. Probst und Werner sollen unabhängig voneinander und ohne Wissen des anderen für die drei tätig sein.“

Alarmiert durch diesen Quellenbericht setzte sich das LfV Thüringen sofort, noch am 16.09.1998, mit dem TLKA in Verbindung, um dort operative Maßnahmen anzuregen. Dies erfolgte offensichtlich angesichts des Umstandes, dass nicht der Aufenthaltsort der drei per Haftbefehl gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nunmehr offenkundig war, sondern eine weitere Straftat von erheblicher Bedeutung, ein Raubüberfall, unmittelbar bevorstand. Das TLfV hat das TLKA informiert mit der Maßgabe, nunmehr strafprozessuale Maßnahmen einleiten zu wollen. Infolge dieser Information hat der Präsident des TLKA verlangt, es müsse hierfür eine Schriftlage geschaffen werden, um sodann polizeiliche Maßnahmen in die Wege zu leiten Es heißt in dem entsprechenden Vermerk diesbezüglich: „Am 16.09.1998 abends gab es eine Besprechung mit dem Präsidenten des LKA Thüringen. Daher forderte dieser für die Umsetzung zu polizeilichen Maßnahmen einen schriftlichen Bericht, um beim Amtsrichter Beschlüsse für Telefonüberwachungen und Observationen zu beantragen.“ Infolge dieses Ersuchens des Präsidenten des TLKA sind die VS-Ämter Thüringens und Brandenburgs in Erörterung darüber eingetreten, in welcher Weise man diesem Ansinnen nachkommen könnte. Das Innenministerium Brandenburg war dabei nicht bereit, die Quellenmeldung als solche für die Polizei „freizugeben“. Gegebenenfalls war in Erwägung gezogen worden ein Behördenzeugnis durch das BfV herstellen zu lassen. Von dort aus war Unterstützung zugesagt worden. Die benannten Zeugen werden aussagen, dass dieser Weg gewählt wurde, um die Offenlegung der Quelle, also Szczepanskis, zu verhindern. Zu diesem Zweck sollte das TLfV ohne Nennung der Herkunft der Information das TLKA über den Sachverhalt informieren.

Es heißt in dem entsprechenden Vermerk, Unterlagen des Zeugen Görlitz: „Behandlung der Hinweise mit hoher Sensibilität wird vorausgesetzt.“ Zu dieser Verfahrensweise kam es dann nicht mehr. Nachdem das TLfV mit dem Innenministerium Brandenburg nochmals Rücksprache gehalten hatte, war das Innenministerium nicht mehr bereit, die Zustimmung zur Erstellung des Behördenzeugnisses zu geben. Das Behördenzeugnis war aber Voraussetzung für die Beantragung von polizeilichen Maßnahmen zur Überwachung, Ermittlung des Aufenthalts und Ergreifung der drei gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Weil das LfV Brandenburg nicht mehr bereit war, das Behördenzeugnis zu erteilen, war das TLKA gehindert, entsprechende strafprozessuale Maßnahmen in die Wege zu leiten. Dies führte im Ergebnis dazu, dass zwar eine Observation von Probst durchgeführt wurde, aber effektive Maßnahmen zur Ergreifung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos vereitelt wurden.

Es wird beantragt, die Vermerke aus den Unterlagen des Zeugen Görlitz als Urkunden in der Hauptverhandlung zu verlesen und in Augenschein zu nehmen. Die beantragte Beweiserhebung wird ergeben, dass das LfV Brandenburg den Schutz seiner Quelle für wichtiger gehalten hat als die Ergreifung per Haftbefehl gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Die Beweiserhebung wird ergeben, dass es verlässliche belastbare Hinweise darauf gab, dass eine weitere Straftat von erheblicher Bedeutung, ein Raubüberfall, begangen werden sollte und eine Flucht der per Haftbefehl gesuchten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos unmittelbar bevorstand. Gleichwohl hat das LfV Brandenburg vereitelt, dass das TLKA die entsprechenden Maßnahmen in die Wege leiten konnte. Bei entsprechender Beantragung strafprozessualer Maßnahmen wäre die Ergreifung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos hochwahrscheinlich erfolgt. Die Beweisaufnahme ist geboten, um aufzuklären, inwieweit staatliche Stellen durch ihr Verhalten die Mordserie des NSU erst möglich gemacht haben. Wir weisen darauf hin, dass in diesem Zusammenhang der Senat richtigerweise schon umfangreich Beweis erhoben hat über eine Verstrickung von VS-Behörden in die Gründung des THS, Finanzierung durch den Zeugen und vieles mehr. Die Aufklärung des Verhaltens des LfV Brandenburg ist deshalb für die Straf- und Schuldfrage von Bedeutung. Die vom Zeugen Görlitz überreichten Unterlagen sind bislang nicht Bestandteil der Akte gewesen und geben Anlass zu der vorstehenden Beweiserhebung.
Danach verliest NK-Vertreter RA Kienzle den folgenden Beweisantrag:

In der Strafsache gegen Beate Zschäpe u.a. hat der Zeuge Görlitz in der Hauptverhandlung falsch ausgesagt, um zu verschleiern, dass das LfV Brandenburg die Morde des NSU mit ermöglichte. Das LfV in Brandenburg hat 1998 die Ergreifung der drei untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe allein aus Gründen des Quellenschutzes vereitelt. Man hat von der Polizei beabsichtigte strafprozessuale Maßnahmen gegen die bereits per Haftbefehl Gesuchten vereitelt, indem maßgebliche Informationen nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das LfV in Brandenburg hat damit die Mordserie des NSU mitermöglicht. Dies alles ist soeben unter Beweis gestellt worden. Der Zeuge Görlitz versuchte im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung durch falsche Angaben das Landesamt zu schützen. Er versuchte den Eindruck zu erwecken, das LfV Brandenburg oder dessen Quelle Carsten Szczepanski habe weitergehende Informationen zu einer möglichen Waffenbeschaffung für die Untergetauchten durch den Zeugen Werner nicht erhalten.

Dass der Zeuge Werner die Quelle am 25.8.1998 per SMS nach der beabsichtigten Waffenbeschaffung durch die Quelle des Landesamtes fragte („Was ist mit den Bumms?“) hätten – so bekundete der Zeuge in der Hauptverhandlung – die Quelle Szczepanski und das Landesamt nicht mehr zur Kenntnis nehmen können. Das Diensthandy mit der Rufnummer 0172-3922834, auf dem die SMS um 19.21 Uhr einging, sei bereits um 16 Uhr von ihm, dem V-Mann-Führer Görlitz, eingezogen und dann ausgeschaltet worden. Weder die Quelle noch das Landesamt hätten damit von der beabsichtigten Waffenbeschaffung des Werner über die Quelle Kenntnis erlangen können. Dies habe er in Vorbereitung auf die Hauptverhandlung in den dem Landesamt zur Verfügung stehenden Unterlagen, namentlich dem Treffbericht zum 25.8.1998, entnehmen können. Diese Angaben des Zeugen Görlitz sind mit Blick auf die ihm selbst zur Verfügung stehenden Unterlagen falsch.

Wir beantragen insofern mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz die Beiziehung des Treffberichts zu dem Treffen des Zeugen Görlitz mit der von ihm geführten Quelle Szczepanski vom 25.8.1998 zum Beweis folgender Tatsachen: Aus dem Treffbericht wird sich ergeben, dass ein Treffen zwischen dem Zeugen Görlitz und der Quelle Szczepanski am 25.8.1998 zwischen 15 und 20 Uhr stattfand. Im Rahmen des Treffens wurde ausweislich des Treffberichts für die Quelle Szczepanski ein neues dienstliches Mobiltelefon gekauft und diesem von dem Zeugen Görlitz übergeben. Der Kauf fand in einem Geschäft mit dem Namen Fritsche in Potsdam statt. Aus dem Treffbericht wird sich sodann entgegen den Angaben des Zeugen Görlitz ergeben, dass der Zeuge Szczepanski das alte dienstliche Mobiltelefon mit der Rufnummer 0172-3922834, auf dem um 19.21 Uhr die SMS-Anfrage nach der Waffenbeschaffung einging, auf dem um 19.21 die SMS zur Waffenbeschaffung über die Quelle einging, behalten hat. Eine Einziehung des Mobilfunkgeräts durch den Zeugen Görlitz wird sich gerade nicht ergeben.

Sodann wird beantragt, die Verlesung und Inaugenscheinnahme des von dem Zeugen Görlitz in die Hauptverhandlung mitgebrachten und bis dahin nicht zum hiesigen Aktenbestand gehörenden Schreibens SAO644, Bl. 19190 ff. zum Beweis der Tatsachen: Aus dem Schreiben ergibt sich, dass Abrechnungen zum dienstlichen Mobiltelefon des Zeugen Szczepanski nach wie vor existieren. Aus den Abrechnungen, so wird sich durch die Verlesung ergeben, geht hervor, dass am 15.8.1998 noch um 16.25 Uhr – und damit deutlich nach dem Zeitpunkt der behaupteten Abschaltung des Telefons – ein Telefonat mit dem Telefon geführt wurde. Darüber hinaus wird sich auch aus der Verlesung dieses Schreibens ergeben, dass in dem Treffbericht des Zeugen Görlitz zwar der Kauf eines weiteren dienstlichen Mobiltelefons für die Quelle Szczepanski dokumentiert ist, das der Quelle ausgehändigt wurde. Nicht dokumentiert ist in dem Treffbericht die Rückgabe des der Quelle bis zu diesem Zeitpunkt dienstlich zur Verfügung gestellten Mobiltelefons.

Aus den vorstehenden Beweiserhebungen wird sich ergeben, dass die Angaben des Zeugen Görlitz zu einer angeblichen Einziehung des Mobiltelefons mit der Rufnummer 0172-3922834 falsch sind. Es handelt sich bei den Angaben des Zeugen Görlitz um den Versuch, eine Unkenntnis des LfV Brandenburg und dessen Quelle von einer beabsichtigten Waffenbeschaffung für einen Raubüberfall des Trios zu dokumentieren. Es soll offenbar bis in die hiesige Hauptverhandlung hinein der Eindruck aufrecht erhalten werden, das LfV habe keine Möglichkeit gehabt, stichhaltige Informationen zum Aufenthalt des Trios, dessen Unterstützern, Waffenbeschaffung und bevorstehenden Straftaten zu beschaffen. Das Gegenteil war der Fall. Das dienstliche Telefon stand der Quelle auch über 16 Uhr hinaus zur Verfügung. Die Angaben des Zeugen Görlitz stehen im offenen Widerspruch zu den hier genannten und ihm für die Vorbereitung seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Unterlagen. Dies wird die Beweiserhebung ergeben, die mit Blick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz auch erheblich ist.

Schließlich wird beantragt, die Abrechnungsunterlagen zu dem dienstlichen Mobiltelefon des Zeugen Szczepanski vom 08.09.1998 beizuziehen und zu verlesen sowie die Zeugin Dr. Wagner, zu laden über das Innenministerium Brandenburg, zum Beweis folgender Tatsachen zu vernehmen: a. Die Zeugin wird bekunden, dass sich in den Unterlagen des LfV Brandenburg eine Abrechnung zu dem dienstlichen Mobiltelefon der Quelle Szczepanski vom 8.9.1998 befindet. Aus der Abrechnung, so wird die Zeugin weiter bekunden, ergebe sich, dass mit dem angeblich um 16 Uhr eingezogenen Mobiltelefon am 25.8.1998 noch um 16.25 Uhr ein abgehendes Telefonat geführt wurde. Dies wird sich auch aus der Verlesung der beigezogenen Abrechnung ergeben. b. Die Zeugin wird weiter bekunden, dass sie den Treffbericht des Zeugen Görlitz zu dem Treffen mit der Quelle Szczepanski eingesehen habe. Aus dem Treffbericht ergebe sich eine Einziehung des dienstlichen Mobiltelefons des Zeugen Szczepanski am 25.8.1998 um 16 Uhr nicht. Es sei dort lediglich die Ausgabe eines neuen Mobiltelefons an die Quelle in Potsdam vermerkt. Die Quelle Szczepanski habe demnach das alte dienstliche Telefon, auf dem um 19.21 die Anfrage des Zeugen Werner einging, ob Szczepanski die Waffenbeschaffung für das Trio habe unternehmen können („Was ist mit dem Bumms“), am 25.8.1998 behalten.

c. Die Zeugin wird schließlich bekunden, dass die mögliche Waffenbeschaffung der Quelle des Landesamts Brandenburg für das Trio auch Gegenstand eines Krisentreffens am 28.1.2013 beim GBA in Karlsruhe gewesen sei. Weitere Teilnehmer des Treffens seien die Herren Griesbaum, Dr. Diemer, Dr. Bruns (alle GBA), StA Schmidt sowie Vertreter des BfV und des BKA gewesen. Es sei bei dem Gespräch um den Verdacht gegangen, dass die Quelle Szczepanski in die Waffenbeschaffung für das Trio eingebunden gewesen sei. Es sei um eine „gegenseitige Abstimmung und Unterrichtung“ der genannten Behörden zur Anhörung bzw. Vernehmung der ehemaligen Quelle Szczepanski gegangen, um den Verdacht einer Involvierung des LfV Brandenburg ausräumen zu können. Sie habe zu diesem Zweck – so wird die Zeugin weiter bekunden – in dem Gespräch die Auffassung vertreten, dass die SMS des Jan Werner mit dem Inhalt „Was ist mit dem Bums?“ vom 25.8.1998 die Quelle nicht habe erreichen können, weil diesem am 25.8.1998 um 19.21 Uhr ausweislich der ihr zur Verfügung stehenden Treffberichte des Zeugen Görlitz bereits ein neues dienstliches Mobiltelefon zur Verfügung gestanden hätte. Zu einer Rückgabe des alten dienstlichen Mobiltelefons an den Zeugen Görlitz habe sie indes dem Treffbericht auch seinerzeit nichts entnehmen können.

Die Beweiserhebung ist ebenfalls erheblich, weil sich auch aus der Vernehmung der Zeugin Dr. Wagner aus dem LfV Brandenburg ergeben wird, dass der Zeuge Görlitz in der Hauptverhandlung falsch ausgesagt hat. Der für das Landesamt entlastende Umstand, dass das Mobiltelefon am 25.8.1998 um 16 Uhr eingezogen worden sei, über das die Quelle eine Waffenbeschaffung für das Trio mit organisieren sollte, ergibt sich entgegen den Angaben des Zeugen Görlitz aus dem Treffbericht gerade nicht. Es spricht daher alles dafür, dass die Quelle Szczepanski auch um 19.21 beim Eingang der Nachricht von Werner noch über das Mobiltelefon verfügte. Hierfür spricht auch, dass um 16.25 Uhr und damit knapp eine halbe Stunde nach der behaupteten Einziehung des Handys noch mit diesem telefoniert wurde.

Die Tatsache, dass hinsichtlich dieser Umstände ein Krisentreffen beim GBA stattfand, an dem hochrangige Vertreter des GBA teilnahmen und „Vorbereitung und Abstimmung“ der Vernehmung der Quelle zeigt, dass die Beteiligten sich über die Brisanz der hier in Rede stehenden Tatsachen sich auch im Klaren waren. Aus den genannten Gründen ist die Beweiserhebung erheblich. Es wird zur Vorbereitung der Entscheidungen beantragt, nach § 251 Abs. 3 StPO den in die Hauptverhandlung mitgebrachten Vermerk des Zeugen Görlitz zu verlesen, in dem dieser die wahrheitswidrige Behauptung aufstellt, aus dem Treffbericht zum 25.8.1998 ergebe sich die Einziehung des Handys. Ausdrücklich und in Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen hier in der Hauptverhandlung heißt es dort: „Zusammengefasst, wie sich mir der Sachverhalt an Hand des Treffberichtes darstellt hat ‚Piatto‘ mir das Handy am 25.8.1998 gegen 16:00 Uhr übergeben. Dann habe ich es abgeschaltet – wenn es nicht schon ausgeschaltet war – und am nächsten Tag der Verwaltung übergeben. Das heißt, die Nachricht am 25.8.1998 um 19:21 Uhr „Was ist mit dem Bumms?‘ hat ‚Piatto‘ nicht mehr erreicht, weil er das alte Handy an mich übergeben hat und das Handy ausgetauscht war. Das alles habe ich anhand des Treffberichts rekonstruiert.“ Diese Angaben sind falsch. Dies wird die Beweisaufnahme ergeben.

Den Anträgen schließen sich viele NK-Vertreter_innen und auch die Verteidigung Wohlleben an. Der Verhandlungstag endet um 11:42 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Der erste Beamte konnte – trotz zahlreicher Störfeuer der Verteidigung und fahriger Befragung durch den Vorsitzenden – gut darstellen, dass das Video in mehreren Arbeitsschritten zwischen Mai 2006 und November 2007 erstellt wurde. U.a. wurde wohl im Juni 2006, also deutlich vor dem Mord an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen, eine Hand in das Video eingefügt, die einen Schuss auf einen Polizisten abgibt. […] Die Beamtin hatte weiter wiederhergestellte gelöschte Daten vom Rechner des Holger Gerlach ausgewertet – u.a. fanden sich darin diverse Dateien mit neonazistischem Inhalt sowie drei Bilder/Videos, die „Paulchen Panther“ zeigen. Ob dies einen Hinweis darauf darstellt, dass Gerlach von dem NSU-Video wusste, oder ob die Übereinstimmung zufällig ist, ließ sich nicht feststellen. […] Die NebenklagevertreterInnen der Familie Yozgat stellten zwei Anträge auf Vernehmung von ZeugInnen und Verlesung von Dokumenten, die zeigen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg im Jahr 1998 die Ergreifung der drei Flüchtigen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos vereitelt hat […].“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/03/15/15-03-2016/

    » «