Protokoll 356. Verhandlungstag – 05. April 2017

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An diesem Prozesstag geht es um verschiedene Anträge, zu denen die Verfahrensbeteiligten Stellung nehmen. Darunter der Antrag um die beantragte Bestellung von Prof. Bauer als Sachverständigen. Außerdem wird von den Nebenklage-Vertreter_innen der Familie von Halit Yozgat angekündigt, das Gutachten des Instituts Forensic Architecture zur Anwesenheit des hessischen Verfassungsschützers Andreas Temme beim Mord an Halit Yozgat in den Prozess einzuführen.

Heute ist Fototermin. Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Götzl: „Wir setzen im Verfahren fort.“ Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge von NK-Vertreter RA Reinecke u.a. auf Ladung von Tim St. von der Redaktion des „Kölner Stadtanzeigers“ [351. Verhandlungstag] abgelehnt werden, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Götzl macht die üblichen Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit einer unter Beweis gestellten Tatsache, dann führt er zur konkreten Begründung der Ablehnung aus, dass die im Tenor unter Beweis gestellten Umstände sowohl für eine Haupttatsache als auch zum Beweiswert der Angaben Zschäpes ohne Bedeutung seien. Es sei nicht ersichtlich, welche Haupttatsache berührt sein sollte. Der Umstand, dass bestimmte Zeitungsartikel an einem bestimmten Tag in einer bestimmten Zeitung erschienen sind, habe keinerlei für den Senat erkennbare Auswirkungen auf eine mögliche Schuld- oder Rechstfolgenfrage bei den Angeklagten, insbesondere bei Zschäpe. Es gebe auch keinen Beweiswert bzgl. der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Angeklagten Zschäpe. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers und der Rechtsprechung zum sogenannten Teilschweigen sei ein Beweiswert für den Senat nicht erkennbar.

Es komme nicht darauf an, welche Detaildichte der Antragsteller bei den Einlassungen erwartet. Im vorliegenden Fall könnten aus der fehlenden Erwähnung der Beweistatsachen keine für die Angeklagte Zschäpe nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Es könne nicht einmal ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte diese Umstände nicht erwähnte, weil sie davon keine Kenntnis hatte. Der Antragsteller führe aus, die Angaben seien nicht glaubhaft, weil Zschäpe keine weiteren bei einer Erklärung zu erwartende Details vorgetragen habe. Diese Umstände würden sich auf die Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Angeklagten Zschäpe beziehen. Eine Bedeutung im Sinne des § 244 Absatz 3 Satz 2 [phon.] StPO erlangten die unter Beweis gestellten Tatsachen jedoch nicht. Eine Bedeutung für andere Angeklagte, auch für den Angeklagten Eminger, sei nicht erkennbar.

Götzl: „Mir geht es jetzt noch um Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten. Zunächst würde es mir gehen um den Antrag von der Behrens, Stichwort Gera.“ [354. Verhandlungstag] Bundesanwalt Diemer: „Hoher Senat, die Rechtsanwältin von der Behrens und acht ihrer Kolleginnen und Kollegen haben am 29.03.2017 beantragt, festzustellen, ob Aktenmaterial aus einem Verfahren gegen Unbekannt aus dem Jahr 1995 bei der Staatsanwaltschaft Jena oder Polizeibehörden noch vorhanden ist, es ggf. beizuziehen und Einsicht zu gewähren. Das ist ein Beweisermittlungsantrag, der abzulehnen ist, weil die Aufklärungspflicht diese Ermittlungshandlungen nicht gebietet. Begründet wird das Begehren damit, dass Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Angeklagte sowie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in antisemitische Taten involviert waren. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Beteiligung werden aber weder von den Antragstellern vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.“ Die StA Jena habe das Ermittlungsverfahren damals gegen Unbekannt geführt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass sich daran etwas durch die Beiziehung ändern würde, ergebe sich nicht, so Diemer. Das Gleiche gelte für eine Beteiligung von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Es würde selbst dann die Beiziehung der Akten zu keiner weiteren Aufklärung bzgl. der hier Angeklagten führen, so Diemer weiter. Die Qualität des Umfelds als solches, in dem sich die hier Angeklagten bewegt haben, sei ausreichend deutlich geworden. Der Antrag zeige keine sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung auf.

Götzl: „Weitere Stellungnahmen? Keine. Dann wird es mir um Folgenden um Stellungnahmen zum Antrag von Rechtsanwalt Grasel gehen, Stichwort Sachverständiger Prof. Bauer, Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.“ OStAin Greger nimmt für die BAW Stellung. Der Antrag sei abzulehnen, so Greger. Nach § 244 Absatz 4 Satz 2 StPO könne die Anhörung eines weiteren SV abgelehnt werden, wenn durch ein früheres Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist. Behauptet werde nun, dass die Angeklagte an einem psychisch abnormen Zustand gelitten hätte. Die Frage, ob sie in relevanter Weise von der Norm abweicht oder nicht, sei aber bereits Gegenstand des psychiatrischen SV-Gutachtens von Prof. Saß gewesen, so Greger. Der bereits gehörte SV sei klar, eindeutig und sicher zu dem Ergebnis gekommen, dass keines der Eingangsmerkmale des § 21 StGB bei der Angeklagten vorliegt. Dem Gutachten nach gebe es keine Anhaltspunkte, dass die Angeklagte an einem relevanten Persönlichkeitsdefekt leiden würde. Zweifel an dem SV Saß bestünden nicht; dieser habe eine langjährige forensische Erfahrung und Bildung, habe seine Methoden offengelegt, habe Schlussfolgerungen sicher vertreten, habe der Begutachtung anerkannte wissenschaftliche Kriterien zugrunde gelegt, die er im Übrigen selbst mit entwickelt habe, und habe das Ergebnis im Einzelnen ausgeführt.

Dem SV habe für seine Begutachtung verlässliches und reichhaltiges Beobachtungsmaterial zur Verfügung gestanden, ihm hätten als Anknüpfungstatsachen die Beobachtung des Verhaltens der Angeklagten über mehrere Jahre, Beschreibungen von einer erheblichen Anzahl von Zeugen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten, die Einlassungen der Angeklagten und die Aktenlage zur Verfügung gestanden. Substantiierte Einwände habe die Angeklagte Zschäpe nicht vorgetragen. Diese seien auch vor dem Hintergrund der Methodenkritik durch Prof. Faustmann nicht angebracht. Sämtliche erhobenen methodischen Kritikpunkte seien von Prof. Saß im mündlichen Gutachten entkräftet worden. Dass der gerichtlich beauftragte SV Saß von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen wäre oder dass der neu beantragte SV Prof. Bauer über überlegen erscheinende Forschungsmittel verfügen würde, habe die Antragstellerin ebenfalls nicht dargetan. Die Bereitschaft der Angeklagten, sich Bauer 12 Stunden für eine Exploration zur Verfügung zu stellen, ändere daran nichts. Die Exploration entziehe den Tatsachen, von denen Saß ausgegangen ist, auch nicht die Grundlage.

Daraus folge laut BGH, so Greger, dass die Angeklagte nicht durch die Verweigerung einer Untersuchung einen anderen SV erzwingen und die Auswahl des Vorsitzenden unterlaufen könne. Im Verhältnis zu dem psychiatrischen SV Saß gehöre Bauer auch nicht etwa einer anderen Fachrichtung an. Bauer sei Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Facharzt für Psychosomatik. Die Psychosomatik beschäftige sich mit körperlichen Beschwerden mit psychischer Ursache, dies werde von Saß voll abgedeckt. Die Facharztausbildung für Psychiatrie sehe auch die Berücksichtigung psychosomatischer Bezüge vor. Bauer wäre, so Greger, nach Möglichkeit in Anwesenheit von Saß, als Zeuge zu vernehmen, soweit er von der Schweigepflicht als Zeuge entbunden wurde oder nicht als präsenter Sachverständiger nach § 245 StPO auftritt.

Götzl: „Stellungnahmen? Keine. Dann ist beabsichtigt, den Vermerk vom 31.03.2017 zu verlesen, gefertigt durch Dr. Lang betreffend ein Telefonat. Sie haben diesen Vermerk heute zu Beginn verteilt bekommen. Der soll nach § 251 Absatz 3 StPO verlesen werden. Bestehen dagegen Einwände [phon.]?“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Wir bitten um eine Unterbrechung von 5 Minuten.“ Götzl: „Dann setzen wir fort um 10:20 Uhr.“

Um 10:23 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind noch Stellungnahmen? Keine? Dann kommt zur Verlesung der Vermerk vom 31.03.2017.“ Götzl verliest den Vermerk von Richter Dr. Lang, demzufolge nach der Rückkehr vom Mittagessen auf seinem Telefon die linke Taste mit den entgangenen Anrufen geblinkt habe, er, Lang, habe auf Rückruf gedrückt, das Telefon habe eine Nummer gewählt. Götzl verliest die Nummer und fährt fort, es habe sich eine weibliche Person mit RAin Lang gemeldet und gefragt, ob es zutreffe, dass sie im Verfahren als Zeugin geladen sei. Er, Richter Lang, habe gesagt, dass er am Telefon keine Auskünfte gebe und dass sie sich schriftlich ans Gericht wenden müsse. Sie habe gesagt: „Gut, dann haben wir nicht telefoniert“, sie habe gesagt, sie werde keine Auskünfte geben können, habe aber eine wichtige Mitteilung: Sie wolle nicht als Zeugin auftreten und werde es zu verhindern wissen, dass sie als Zeugin auftritt, sie hoffe, dass es abgelehnt wird.

Götzl: „Erklärungen?“ Klemke: „Der Vermerk, der soeben eingeführt worden ist, ist m.E. nicht geeignet, die Entscheidung des Senats vorzubereiten, wie über unseren Antrag auf Vernehmung der Zeugin Rechtsanwältin Lang entschieden werden kann. Zum einen ist nicht mal erwiesen, ob es sich bei der Anruferin um Rechtsanwältin Ricarda Lang aus München gehandelt habe, zumindest ist nicht bekannt, dass Feststellungen getroffen worden sind, wem die Mobilnummer zuzuordnen ist. Und zum anderen ergibt sich aus dem Telefonat lediglich eine Unwilligkeit der Zeugin Lang, ggf. als Zeugin auszusagen. Die Äußerungen der angeblichen Ricarda Lang geben keinen Aufschluss darüber, ob evtl. ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen könnte. Der Inhalt des Vermerks ist letztlich für die Entscheidung völlig unbehelflich.“

Götzl: „Sind denn für heute Anträge zu stellen? Keine? Ja, eins steht noch aus: Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten zum Antrag der Verteidigung Wohlleben, Stichwort Heilbronn, erweiterte Antragstellung.“ OStAin Greger nimmt für den GBA Stellung: „Herr Vorsitzender, hoher Senat, die neuerlichen Anträge vom 20.03.17 ergänzen den Beweisermittlungsantrag vom 09.03.17. Auch die zusätzlichen Anträge sind abzulehnen. Ich verweise zunächst auf meine Stellungnahme vom 29.03.2017.“ Soweit die Antragsteller nunmehr beantragten, die Zeugin RAin Ricarda Lang zu laden, sei unklar, ob die Antragsteller einen Beweisantrag oder einen Beweisermittlungsantrag stellen, so Greger. Zugunsten der Antragsteller sei von einem Beweisantrag auszugehen. Dieser Antrag sei jedoch abzulehnen. Denn die Äußerung der Kontaktperson sei aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es komme ihr hier weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Bedeutung zu. Das Zeugnis der RAin Lang würde nämlich, so Greger, im Fall des Erwiesenseins nur besagen, dass die Kontaktperson, deren Identität die Zeugin nicht offenlegen will und aus Rechtsgründen auch nicht preisgeben muss, die Aussage ihr gegenüber getroffen habe.

Für die Frage, ob und wie die Angeklagten zu bestrafen sind, sei die Aussage bedeutungslos. Denn sie verhalte sich nicht zu den Tätern und den Tatumständen. Es wäre nicht zu entnehmen, so Greger, dass andere oder weitere Täter für die Tat in Betracht kämen. Aufgrund des beschränkten und kryptischen Inhalts „Türke in Heilbronn vor Ort, es sei auf der Theresienwiese um Waffengeschäfte gegangen, Mevlüt Ka. sei in Waffengeschäfte verwickelt“ und des wegen Nichtaufklärbarkeit der Quelle nicht belastbaren Charakters sei sie schon dem Grunde nach nicht geeignet, die Angaben des Rechtsattchés Stuart P. Wirtz und der deutschen Verfassungsschutzbehörden zu entkräften. Auch aus Aufklärungsgesichtspunkten komme der Vernehmung kein Erkenntnisgewinn zu, der Amtsaufklärungsgrundsatz gebiete die beantragte Beweiserhebung nicht. Nach dem Vortrag der Antragsteller werde das „Mysterium der angeblichen Kontaktperson“ von der Zeugin bewusst weiterhin im Dunklen gelassen. Inhaltlich sei die Angabe viel zu vage. Relevant könne sie nur sein, wenn aufgrund der Aussage ein Augenzeuge der Tat festgestellt werden könnte. [phon.] Der behaupteten Äußerung sei jedoch gerade nicht zu entnehmen, dass die genannte Person hier relevante Wahrnehmungen der Tat getätigt hätte.

Greger: „Das behaupten auch die Antragsteller nicht. Sie sprechen zwar angebliche Waffengeschäfte an, aber ein konkreter Bezug ist nicht zu entnehmen. Bereits der genaue Aufenthaltsort der Person zum Zeitpunkt der Tat wird offengehalten: Einmal sprechen die Antragsteller von Heilbronn, einmal von der Theresienwiese, einmal von ‚vor Ort‘.“ Dass die Kontaktperson wiederum irgendwelche Wahrnehmungen gemacht haben müsste, ergebe sich nicht, so Greger weiter. Es hätten sich viele Personen in der Nähe des Tatorts befunden, es handele sich um eine hochfrequentierte Örtlichkeit; Schausteller, Fahrradfahrer, Fußgänger und Autofahrer hätten den Platz passiert. Sämtliche Ermittlungen zu Augenzeugen und auch zu Mevlüt Ka. seien bisher ergebnislos verlaufen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Zeugin Lang irgendetwas Sachdienliches zum Tatgeschehen mitteilen könnte. Dass eine Kontaktperson ihr, RAin Lang, gegenüber die seit 2011 bekannte Spekulation angeblich wieder aufgefrischt haben solle, gebiete die Beweiserhebung nach alledem nicht.

Auch die Vernehmung der Zeugen Br., Co. und Wirtz sei nicht geboten. Die Antragsteller verfolgten auch insoweit die Spur zu einem angeblichen FBI-Einsatz in Heilbronn. Die Auskunft von Wirtz sei jedoch eindeutig, sie stehe auch im Einklang mit den Auskünften der deutschen Behörden und mit den Ermittlungen zur Spur FBI. Dass die Auskunft der amerikanischen Behörden auch nicht durch die Aussage der RAin Lang in Frage gestellt werden könne, habe sie bereits dargelegt, so Greger. Soweit die Antragsteller aus einem Schreiben des BND zitierten und dazu weitere Aufklärung begehrten, übersähen sie die zeitlichen Abläufe. Sowohl in den deutschen, als auch in den amerikanischen Geheimdiensten seien nach der Berichterstattung des Stern umfangreiche Abklärungen gelaufen. Diese seien vom GBA und vom BKA geprüft worden. Dazu gehöre auch der Hinweis des BND vom 05.12.2011. Dass sie der Geheimhaltung unterliegen, bedeute nicht, dass sie nicht erfolgt wären. Greger verweist auf Vernehmungen eines Zeugen Peter Li. in den Verschlussakten [phon.] und verweist außerdem auf einen Vermerk in der Sachakte. Nach den getätigten Ermittlungen seien bis zum heutigen Tage keine belastbaren Anhaltspunkte festgestellt worden, dass Mitarbeiter amerikanischer Geheimdienste, deutscher Geheimdienste oder die Person Mevlüt Ka. Wahrnehmungen gemacht haben könnten, die zur Aufklärung der angeklagten Tat beitragen könnten. Die Beweisaufnahme sei aus Aufklärungsgesichtspunkten nicht veranlasst. Den Antragsstellern sei es aber unbenommen, bei berechtigtem Interesse in derartige Abklärungen Einsicht zu nehmen.

Klemke: „Nur ad hoc zu einem Punkt, im Übrigen werden wir vermutlich in Kürze ausführlich Stellung nehmen. Hier wird vorgebracht, dass die Zeugin die Identität der Kontaktperson nicht offenlegen müsse. Wie der GBA zu dieser Auffassung kommt, ist mir nicht erklärlich, wir wissen ja gar nicht, inwiefern da ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Da habe ich jeden Sachvortrag vermisst.“ Götzl: „Herr Rechtsanwalt Klemke, wie viel Zeit bräuchten Sie, um Stellung nehmen zu können?“ Klemke: „Zwei Stunden.“ Götzl: „Dann werden wir unterbrechen und setzen dann fort, aber vielleicht vorab: Jetzt wäre noch Gelegenheit, weitere Anträge, Stellungnahmen oder Erklärungen abzugeben.“

NK-Vertreter RA Bliwier: „Eine Ankündigung, die ich machen möchte. Und zwar beschäftigt sie sich mit dem, was z. T. in den Medien veröffentlicht worden ist an Ergebnissen des renommierten Instituts Forensic Architecture. Dieses Institut hat anhand der Tatrekonstruktion im Video Temme versucht, wissenschaftlich nachzuvollziehen, welchen Blickwinkel Herr Temme gehabt haben und welche Wahrnehmungen er gemacht haben kann. Das ist in Form eines Videos und in Schriftstücken dargelegt. Das Institut ist wissenschaftlich unabhängig. Der Nebenklägerfamilie Yozgat liegen die Ergebnisse vor, aber sie sind nicht selbsterklärend. Es geht maßgeblich um das Sichtfeld von Herrn Temme, Wahrnehmungen, Schussgeräusche, Schmauchentwicklungen und ähnliches. Wir haben deshalb, weil wir es für zwingend halten, dem Senat diese Dinge zugänglich zu machen, uns an das Institut gewandt und geklärt, ob dort Bereitschaft besteht, als Sachverständiger aufzutreten [phon.]. Und deswegen mache ich die Ankündigung: Wir beabsichtigen und bitten um eine entsprechende Terminierung, den Leiter Prof. Weizman am 10. Mai oder 16. Mai hier als präsenten Sachverständiger zu hören. Wir beabsichtigen eine Verfahrensweise nach 245. Die Ergebnisse, die uns gezeigt worden sind, sind so eindrucksvoll, dass ich denke, dass der Senat seine Ansicht möglicherweise ändert, auch zur Glaubwürdigkeit Temme. Ursprünglich hat der Sachverständige gesagt, dass er am 4. Mai bereit sei zu kommen, das kollidiert jetzt mit der Verteidigung Zschäpe, deswegen würden wir drum bitten, dafür den 10. Mai zu reservieren.“ Götzl: „Unterbrechen wir bis 12:45 Uhr.“

Um 12:46 Uhr geht es weiter. Götzl wendet sich an den GBA: „Herr Rechtsanwalt Klemke hat mich angesprochen, dass er Schwierigkeiten hat, die Fundstellen, die Sie angegeben hatten, zuzuordnen. Deswegen hatte ich Ihnen gesagt, die Fundstellen ggf. noch zu überprüfen. Hat sich da noch was ergeben?“ Greger: „Die Fundstelle, die ich angegeben habe, ist die Sachakte. Ich habe jetzt recherchiert: Die Vernehmung ist in der Sachakte bei den Verschlussstücken, die sich beim Senat befindet. [phon.]“ Klemke: „Ich hatte keine Probleme mit der Zuordnung, die Frau Greger genannt hat.“ Klemke nennt zwei Fundstellen und sagt dann: „Da wird Bezug genommen auf eine VS [Verschlusssache]-Akte. Da hatte ich telefoniert mit der Geschäftsstelle und da wurde gesagt, diese VS-Akte existiere nicht. Und da habe ich gesagt, wir müssen das offensichtlich suchen.“ Greger: „Das ist möglicherweise beim Senat dann neu bezeichnet worden. Ich kann nur verwenden, was das BKA verwendet in ihrer Verschlusssachenverordnung [phon.].“ Götzl: „Na gut. Wir verfahren jetzt folgendermaßen: Sie haben Gelegenheit, in diese Akten Einsicht zu nehmen. So dass wir heute nicht fortsetzen werden. Wir werden morgen fortsetzen, Sie haben ja auch angekündigt dass Sie morgen Beweisanträge stellen wollen. Wir würden heute unterbrechen. Ein Hinweis an Sie, Herr Rechtsanwalt Bliwier, 10.05. wäre die Reservierung, dass Sie ggf. von Ihrem Selbstladerecht Gebrauch machen. Sie müssten natürlich dafür sorgen, für alles, was damit in Zusammenhang steht, ggf. auch wenn es um sprachliche Aspekte geht. Ich denke, das ist klar. Sind für heute noch Erklärungen? Keine? Dann wird für heute unterbrochen und wir setzen morgen um 09:30 Uhr wie terminiert fort.“ Der Verhandlungstag endet um 12:50.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Das Befangenheitsgesuch der Verteidigung Wohlleben wurde erwartungsgemäß als unbegründet zurückgewiesen. Die ursprünglich für morgen geladenen Prof. Bauer (als Zeuge zu dem, was ihm Zschäpe in den Explorationsgesprächen berichtet hatte) und Prof. Saß (als Sachverständiger hierzu) wurden wieder abgeladen: Zschäpe-Verteidiger Grasel hatte mitgeteilt, für eine Zeugenvernehmung werde Bauer nicht von der Schweigepflicht entbunden. Die Verteidigung hat Bauer nun für den 03. und 04.05. selbst als Sachverständigen geladen – nach den Regeln der Strafprozessordnung wird das Gericht ihn dann wohl auch als solchen hören müssen. Die Nebenklage Yozgat kündigte an, dass sie einen Forscher des Teams ‚Forensic Architecture‘ der University of London ebenfalls selbst als Sachverständigen laden wird – dieses Team hat eine aufwändige Rekonstruktion zum Tatort des Mordes an Halit Yozgat in Kassel vorgelegt, die die Aussage des VS-Mannes Andreas Temme widerlegt, er sei zwar am Tatort gewesen, habe aber weder die Schüsse gehört noch die Leiche Yozgats gesehen […] Die Nebenklage greift ebenfalls zum Mittel der Selbstladung, weil das Gericht bereits deutlich gemacht hat, dass es Temmes Aussage in vollem Umfang glauben will […].“
https://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/04/05/05-04-2017/

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