Protokoll 277. Verhandlungstag – 20. April 2016

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Dieser Prozesstag beginnt mit einer Zeugenaussage zum Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz 1999. Danach ist der Tag geprägt von Stellungnahmen und Beschlüssen. Dabei geht es u.a. um und Fotos aus dem Urlaub des NSU-Kerntrios.

Zeuge:

  • Reinhard En. (Überfall Postfililale Limbacher Straße, Chemnitz, 27.10.1999)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Als Zeuge wird Reinhard En. vernommen. Götzl sagt, es gehe um den Überfall auf die Postfiliale in der Limbacher Straße 148 in Chemnitz, 27. Oktober 1999, En. solle zunächst von sich aus berichten. En.: „An dem besagten Tag war ich beruflich mit dem LKW in Chemnitz unterwegs. Ich habe die Limbacher Straße befahren und 20, 30 Meter vor mir, auf der gegenüberliegenden Seite kamen zwei Männer aus einer Postfiliale rausgerannt. Die Angestellte kam auch raus aus der Filiale und hat sich auf die Straße gestellt. Ich habe sie überholt und vorne, hundert Meter, sagen wir mal, habe ich ein Moped stehen sehen, auf der anderen Straßenseite. Ich habe mir gedacht, die haben da, naja, ein krummes Ding gemacht. Ich bin rechts ran gefahren und wollte eigentlich rüber. Aber es war Gegenverkehr. Und die beiden jungen Männer, 18 bis 25 würde ich sagen, 1,75 groß, sind in die Richtung gelaufen, wo ich gefahren bin, sind dann an das Moped gelaufen, der Abstand zwischen ihnen war so in etwa 6, 7 Meter. Der erste, da kann ich mich nicht so genau erinnern, aber der letzte war dunkel angezogen und er hatte die Hand so im Anorak rein und hat hier was festgehalten. Kann ein Beutel gewesen sein. [phon.]“

En. weiter: „Der erste ist aufs Moped gesprungen und der zweite auch gleich. Das Moped war leicht im Rollen. Es war ein S50 mit grünem Tank. Nummernschild habe ich nur, habe ich auch damals bei der Polizei ausgesagt, dass es eine 8 oder 6 war. Es war auch ein anderer Zeuge da, der von der Apotheke, der sagte: Er hatte eine Pistole gehabt. Ich muss sagen, ich habe nichts gesehen, nur den Augenschein von dem einen. [phon.] Dann sind sie in so einen Gartenweg reingefahren mit dem Moped. An mehr kann ich mich nicht so groß dran erinnern.“ Götzl: „Sind Sie bei der Postfiliale geblieben?“ En.: „Ja, ich bin da geblieben und wurde auch noch von der Polizei befragt.“ Götzl: „Zu den Personen: Hatten die eine Maskierung, ist Ihnen was aufgefallen?“ En.: „Nee.“ Götzl: „Was eine Kopfbedeckung anbelangt? Trugen die eine Kopfbedeckung?“ En.: „Ich kann mich nicht dran erinnern, ob der Kapuzenjacke hatte [phon.]. Der letzte hatte dunkle Kleidung auf alle Fälle.“ Götzl: „In welche Richtung fuhren die beiden mit dem Moped?“ En.: „Stadteinwärts, die gleiche Richtung wie ich. Die sind dann in so einen Gartenweg rein. Da stand auch das Moped, die hatten das da abgestellt.“ Vorhalt aus dem Vernehmungsprotokoll von En. vom 27.10.1999: 1. Täter: 1,70 – 1,75 groß, ca. 20 Jahre alt, schlank, bekleidet mit schwarzer Jacke, lang und dunkler Hose; trug auf dem Kopf eine rote Rollstrickmütze. En.: „Da kann ich mich nicht mehr erinnern, aber wenn ich es gesagt habe..“ Vorhalt: 2. Täter: 1,70 – 1,75 groß, ca. 20 Jahre alt, schlank, rot-schwarz kariertes Hemd und dunkle Hose. En. sagt, an das „rotkariert“ könne er sich nicht mehr erinnern. [phon.] Vorhalt: Trug auf Kopf eine schwarze Rollstrickmütze. En.: „An die Kopfbedeckung kann ich mich nicht so erinnern. Aber das kann leicht hinhauen.“ Um 09:59 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Bundesanwalt Diemer kündigt an, dass der GBA eine Stellungnahme zum Antrag der NK zu Ralf Marschner [274. Verhandlungstag] abgeben möchte. Diemer sagt, der Beweisantrag sei abzulehnen. Marschner lebe nach vorliegenden Erkenntnissen in der Schweiz, so dass seine Ladung im Ausland zu veranlassen wäre. Damit sei der Antrag dann abzulehnen, wenn das Gericht die sichere Überzeugung erlange, dass durch die beantragte Einvernahme eine bessere Sachaufklärung nicht zu erwarten sei. Dabei müsse u.a. die bei Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen erhebliche Verzögerung des Verfahrens berücksichtigt werden. Abgesehen davon müsse der Antrag aber auch deshalb abgelehnt werden, weil die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, für die Entscheidung über die Schuld- und Straffrage aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Die unter Beweis gestellten Tatsachen würden selbst im Falle ihrer Bestätigung nicht zu einer anderen Beurteilung der möglichen Beteiligung der Angeklagten an den ihnen vorgeworfenen Taten oder der möglichen Rechtsfolgen führen.

Das treffe auf die inneren Umstände in der Person Marschners zu, weil allein Kennverhältnisse oder das Wissen über bestimmte Sachverhalte selbst im Falle ihrer strafrechtlichen Relevanz keinerlei Schlüsse auf Täterschaft oder Teilnahme von damit im Zusammenhang stehenden Personen ermögliche. Allein diese Umstände ließen auch nicht, schon gar nicht zwingend, auf einen mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit den Angeklagten vorgeworfenen Taten schließen und auch nicht darauf, dass Marschner von diesen Taten auch nur in irgendeiner Weise
Kenntnis gehabt hätte. Solche Zusammenhänge seien auch in der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht erkennbar geworden. Vor diesem Hintergrund sei auch die sonstige mögliche Vernetzung Marschners in der rechtsextremistischen Szene wie auch die ebenfalls als Beweisziel angestrebte mögliche Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen ohne jegliche tatsächliche Bedeutung für dieses Verfahren.

So verhalte es sich auch mit der möglichen Beschäftigung von Uwe Mundlos in einer Zwickauer Baufirma von Marschner in den Jahren 2000 und 2001: „Ein solcher Sachverhalt gäbe auch in Verbindung mit den weiteren Behauptungen in dem Antrag im Fall ihrer Erweislichkeit mangels jeglichen vorgetragenen oder sonst erkennbaren direkten oder indirekten Zusammenhangs mit den angeklagten Taten keinerlei Aufschluss darüber, ob und in welcher Weise die Angeklagten, der Zeuge oder andere Personen daran subjektiv und objektiv beteiligt waren oder ob und welche Rechtsfolgen dafür in Betracht kommen könnten.“ Auch zu den unter Beweis gestellten Tatsachen zu einer möglichen Anmietung und Zurverfügungstellung von Fahrzeugen, zur möglichen Beschäftigung von Zschäpe in einem von Marschners Läden und zum Pink-Panther-Lied auf Marschners PC, sei Marschners Vernehmung nicht geboten. Es handele sich um Beweisermittlungsanträge. Marschner habe im Ermittlungsverfahren als Zeuge angegeben, dass er Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht kenne. Weder aus der bisherigen Beweisaufnahme noch aus den Akten, aus dem Vortrag der Antragsteller oder aus sonstigen Umständen hätten sich, selbst im Falle der Erweislichkeit einer Beschäftigung von Mundlos im Unternehmen Marschners oder der anderen ins Wissen von Marschner gestellten Tatsachen, auch nur die entferntesten Hinweise darauf ergeben, dass Marschner oder Jens Gü. Fahrzeuge angemietet haben, die sie Mundlos oder Böhnhardt zur Verfügung gestellt hätten.

Für eine Beschäftigung Zschäpes würden außer Gerüchten keine belastbaren Hinweise vorliegen. Abgesehen davon wäre, so Diemer, ein solcher Umstand auch bedeutungslos. Die „Aufklärungswünsche der Antragsteller“ im Zusammenhang mit dem Paulchen-Panther-Lied auf dem PC Marschners seien derart allgemein, dass ganz offensichtlich auch für die Antragsteller nicht erkennbar sei, zu welchen Ergebnissen eine solche Befragung führen könnte. Die Frage, ob dem Zeugen das Bekennervideo des NSU vor November 2011 bekannt war, lasse selbst im Falle ihrer Bejahung keinerlei Schlüsse auf Art und Ausmaß der Schuld der Angeklagten oder die möglichen Rechtsfolgen zu: „Vermutungen, Hypothesen und Spekulationen der Antragsteller lösen eine Aufklärungspflicht nicht aus. Umso weniger ist es auch unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten veranlasst, den Zeugen im Ausland zu laden.“

Der Antrag, Unterlagen über weitere Ermittlungen aus anderen Ermittlungsverfahren des GBA beizuziehen, sei ebenfalls abzulehnen. Auch dabei handele es sich um einen Beweisermittlungsantrag. Welche zur weiteren Aufklärung geeigneten Tatsachen sich aus diesen Unterlagen ergeben sollen, sei nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Tatsächlich, so Diemer, würden derzeit auch keine belastbaren Erkenntnisse für eine Beschäftigung von Mundlos oder Zschäpe in Unternehmen Marschners vorliegen. Schon gar nicht existierten auch nur die geringsten Hinweise darauf, dass die von den Antragstellern genannten Personen Kraftfahrzeuge für Mundlos oder Böhnhardt angemietet haben. Die Anträge, KHK St. vom LKA Sachsen, zu hören sowie dessen Schreiben vom 11.12.2001 an das TLKA, z.Hd. Herrn Wießner, beizuziehen und zu verlesen, die Zeugen Marschner und Kaldrack zum Beweis der Tatsache zu hören, dass Marschner als V-Mann seinem V-Mannführer im BfV zu dem Thema berichtet hat, sowie den Lagefilm des Führungs- und Lagezentrums in der PD Zwickau aus der Zeit vom 04. bis zum 11.11.2011 beizuziehen und zu verlesen, seien ebenfalls abzulehnen.

Das von den Antragstellern intendierte Ergebnis, nämlich dass die genannten Erkenntnisse an die genannten Behörden weitergegeben worden sind, dass diese Behörden über das von den Antragstellern vermutete Unterstützerumfeld Bescheid wussten, dass Ralf Marschner als V-Mann des BfV über seine angeblichen Kenntnisse über Böhnhardt und Mundlos berichtet hat und dass Marschner bei der PD Zwickau schon am 11.11.2011 als Spurenkomplex Nr. 85 verzeichnet ist, seien im eingangs dargelegten Sinne für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz, weil sie keinerlei Rückschlüsse auf Art und Umfang der Beteiligung der Angeklagten an den ihnen zur Last gelegten Straftaten sowie für die Rechtsfolgen ermöglichten. An eine „gewisse Relevanz staatlichen Verhaltens zugunsten der Angeklagten“ könne allenfalls dann gedacht werden, wenn „den Behörden die hier angeklagten Straftaten im Vorhinein bekannt gewesen wären und sie diese gewissermaßen unter ihren Augen hätten geschehen lassen“. Hierfür würden allerdings keinerlei Hinweise vorliegen und würden auch nicht behauptet. Allein der Umstand, dass die Behörden, ihre tatsächliche Kenntnis vom Aufenthalt der Personen und dem rechtsextremistischen Umfeld unterstellt, gegen die damals Beschuldigten, die wegen früherer Straftaten verdächtig waren und gesucht wurden, mglw. nicht das Erforderliche veranlasst haben, könne sich hingegen auf die Strafzumessung wegen der hier angeklagten Taten in keinerlei Hinsicht auswirken.

Eine Relevanz für dieses Strafverfahren im Rechtssinne entstehe auch nicht dadurch, dass es „ohne jeden Zweifel legitim und verständlich ist“, wenn Hinterbliebene der Opfer ergründen wollten, ob staatliche Behörden in diesem Zusammenhang versagt haben. Allein dies könne aber im vorliegenden Strafverfahren aus Rechtsgründen nicht zu einer Beweiserhebung führen. Die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung erstrecke sich nur auf die in der Anklage bezeichneten Taten und auf die mit der Anklage beschuldigten Personen. Solange keinerlei Hinweise auf eine strafrechtlich relevante Verstrickung von Angehörigen staatlicher Behörden im soeben beschriebenen Sinne vorliegen würden, berührten ein mögliches Versagen oder mögliche Nachlässigkeiten staatlicher Behörden den Gegenstand der parlamentarischen UA, nicht aber den Gegenstand der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Desgleichen sei eine darüber hinausgehende Aufklärung in Bezug auf etwaige weitere noch unbekannte Mitglieder und Straftaten des NSU oder etwaige weitere noch unbekannte strafbare Unterstützer derselben Gegenstand von Ermittlungsverfahren des GBA und ebenfalls nicht Gegenstand der hiesigen Hauptverhandlung.

Dann verliest OStA Weingarten eine Stellungnahme des GBA zum Beweisantrag von RA Narin [275. Verhandlungstag]. Der Antrag sei abzulehnen. Die behaupteten Beweistatsachen seien sämtlich aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es bestehe keinerlei Sachzusammenhang. Der Antragsteller stelle hinsichtlich des Zeugen L. 15 Einzelbehauptungen auf, bei denen schon zweifelhaft sei, ob es sich um Beweistatsachen handele und nicht um Beweisziele bzw. Wertungen, die einem Beweis nicht zugänglich sind. Insbesondere soweit der Antragsteller Formulierungen verwende, denen zufolge der Zeuge L. bekunden solle, dass die Bande um die E.-Brüder mit osteuropäischen Banden zusammengearbeitet habe, und Termini wie „Geldeintreiber“ und ähnliche Begrifflichkeiten benutze, dürfe die Grenze zulässiger Abstrahierung überschritten sein. Die Aussage des Zeugen L. würden sich aber ohnehin auf die allgemeinkriminelle Gruppe um die E.-Brüder beziehen und sich zu einem nicht näher definierten Zeitraum in den 1990er Jahren verhalten, wobei der Zeuge sich nach Hessen zurückgezogen haben solle. Es sei nicht erkennbar und auch nicht dargelegt, inwieweit die skizzierten Umstände auch nur mittelbar mit dem Gegenstand der Urteilsfindung in einem Zusammenhang stehen sollen.

Dies gelte auch, soweit behauptet werde, die Angeklagten Wohlleben und Gerlach sowie der vestorbene Uwe Böhnhardt seien für die Gruppierung tätig gewesen. Ein solches nicht näher definiertes Tätigwerden stehe, selbst wenn es bewiesen werden könnte, in keinem Zusammenhang zum Gegenstand. Soweit nur ein Kennverhältnis abgeleitet werden könne, sei es ohne eine nähere Konkretisierung nicht möglich weitere Schlussfolgerungen in Bezug auf angeklagte Tat und Straffolgen zu ziehen. Der Senat werde auch keine Schlüsse hinsichtlich der Sozialisation der Angeklagten ziehen wollen. Es sei auch nicht geboten, den Zeugen L. zu laden, um ihn dazu zu befragen, ob er neben Uwe Böhnhardt auch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe kannte, ob er auch nach dem Untertauchen Kontakt zu diesen hielt, ob ein Kennverhältnis zu bestand und ob der Zeuge ggf. einen Kontakt zwischen Mundlos, Böhnhardt und/oder Zschäpe einerseits und Andreas Temme andererseits herstellte oder Informationen über ein mögliches Kennverhältnis der genannten Personen hat, ob er den Onkel der getöteten Michele Kiesewetter kannte, ob er Kenntnisse zu Tätern und Hintergründen des Mordanschlags auf Kiesewetter hat. Insoweit handele sich um einen Beweisermittlungsantrag. Der Verfahrensstoff lege es nicht nahe, dem Antrag nachzukommen.

Es sei kein sinnvoller Teil der Beweisaufnahme, mögliche Kennverhältnisse des Zeugen L., der Familie Kiesewetter oder des Zeugen Temme aufzuklären. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit solche sozialen Beziehungen eine Rolle spielen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beweisaufnahme wie auch die Aktenlage nichts Aufklärungswürdiges im Blick auf den Zeugen L. ergeben habe. Hinsichtlich der beantragten Einvernahme des Zeugen B. erlaube keine der Beweistatsachen eine unmittelbare oder mittelbare Schlussfolgerung: „Erneut gilt: Bloße Kennverhältnisse zwischen den genannten Personen, die sämtlich nicht angeklagte Personen sind, erlauben keine Schlussfolgerungen.“ Diese lege auch der Antragsteller nicht dar. Soweit der Antragssteller Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Temme ableiten wolle, weise dies – angesichts der Tatsache dass der keine be- oder entlastende Umstände angegeben habe – keinerlei Relevanz auf. Die Abklärung des Hinweises des Zeugen B. habe keine belastbaren Hinweise ergeben dass Uwe Mundlos in der Gaststätte „Scharfes Eck“ zu Gast war. Die Bearbeitung sei bis 2014 fortgesetzt worden und es habe sich nichts dafür ergeben, dass Uwe Mundlos in dieser Gaststätte verkehrt haben könnte. Ebenso sei die Beiziehung eines Spurenblatts der „MK Café“ nicht veranlasst.

NK-Vertreter RA Scharmer: „Herr Vorsitzender, vorbehaltlich einer schriftlichen Stellungnahme würde ich gern auf drei Punkte hinweisen bzgl. des Antrags zum Zeugen Marschner. 1. Punkt: Der GBA geht von einem Auslandszeugen aus. Richtig ist, dass Vernehmung im Wege der Rechtshilfe in der Schweiz stattgefunden haben. Ob sich der Zeuge aktuell in der Schweiz aufhält, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Der Presse zufolge sei das nicht so; nicht umsonst habe man die Ladung über das BfV in Köln beantragt. Scharmer weiter: „Also kein Auslandszeuge nach unserer Auffassung. Soweit der GBA ausführt, dass es ohne Bedeutung sei, ob der Zeuge Marschner Kontakt mit den Drei hatte, kann das hier nicht nachvollzogen werden.“ Man habe in der Hauptverhandlung Quartiermacher etc. vernommen, man habe hier eine Angeklagte, die bestreitet, vorher von den Taten gewusst zu haben, und man habe hier einen Anklagevorwurf, der das Aufrechthalten eines normalen Scheins nach außen beinhalte. Scharmer: „Und dann einen Zeugen Marschner, der eine Beschäftigung möglicherweise ermöglicht hat, nicht zu vernehmen, das wäre nicht nachvollziehbar. Was die Beschäftigung bei Marschner angeht, dass die allein auf Gerüchte zurückgehen würde: Das ist nicht richtig.“ Der Zeuge Mü. habe am 03.12.2011 gesagt, er habe Frau Zschäpe wiedererkannt als aufhältig im Laden von Marschner und mit ihr gesprochen. Scharmer: „Das sind keine Gerüchte, sondern ist eine Zeugenaussage.“ Götzl: „Haben Sie konkrete Informationen hinsichtlich der Adresse Marschners?“ Scharmer: „Wenn wir die hätten, hätten wir sie gesagt. Ich gehe aber davon aus, dass der GBA die hat und uns vorenthält.“

NK-Vertreter RA Hoffmann: „Die Stellungnahme von Bundesanwalt Dr. Diemer ist empörend. Wir haben mehrfach mitbekommen, dass der GBA hier blockt und offensichtlich den VS schützen will. Ich frage mich immer: Was wissen Sie? Was wollen Sie schützen? Was wollen Sie? Das ist eine Aufkündigung des Aufklärungsversprechens an unsere Mandanten! Wir drehen in diesem Verfahren jeden Stein um: Wie waren die Lebensverhältnisse, von was haben die gelebt? Das BKA nimmt komplizierte Berechnungen vor: Wie lang haben die Gelder gereicht, wovon haben sie gelebt? Ob der Wasserverbrauch in den Wohnungen ausgereicht hat und und und. Und jetzt haben wir Hinweise und Zeugenaussagen, dass ganz normal gearbeitet wurde, wo man aufhältig war, wo man mit Menschen zu tun hatte, dass man Fahrzeuge zur Verfügung hatte. Und das in einer Situation, in der wesentliche Fragen ungeklärt sind. Es ist immer noch ungeklärt: Wie kam es zur Auswahl der Mordopfer? Es ist immer noch ungeklärt: Mit welchen Fahrzeugen haben sich die Mörder zu bestimmten Orten begeben? Und jetzt haben wir eine reelle Chance dem näher zu kommen. Und das wird abgeblockt! Es soll keine Rolle spielen, mit wem man Kontakt hatte, mit wem man diskutiert hat. Das kann ich wirklich nicht fassen. Wenn es dabei bleiben würde, dass solchen Beweisen nicht nachgegangen wird, dann wäre das das Ende des Aufklärungsversprechens.“

Diemer: „Ich muss dann auch hier was dazu sagen: Ich möchte auf das Schärfste zurückweisen dass der Generalbundesanwalt blockt oder jemanden schützt. Wir werden auch weiterhin alle verfahrensrelevanten Erkenntnisse dem Senat vorlegen. So war es und so bleibt es auch.“ NK-Vertreter RA Reinecke: „Wir haben eine neue Prozesssituation durch die Einlassung der Angeklagten Zschäpe. Was heißt das für die Einlassung Zschäpe? Wenn sie dort oder wenn Mundlos dort gearbeitet hat, dann haben wir in der Einlassung davon nichts gehört. Dann stimmt ihre Aussage nicht. Wenn der Zeuge Marschner das Paulchen-Panther-Video kannte, dann ist die Einlassung auch in dem Punkt nicht richtig, weil es ausgeschlossen ist, dass ein Außenstehender das Video kennt und die Angeklagte nicht. Dann ist die Aussage der Angeklagten nochmal widerlegt.“ NK-Vertreter RA Narin: „Ich möchte mir eine ausführliche Stellungnahme zum Vortrag von OStA Weingarten vorbehalten. Wenn Diemer vorträgt, dass uns alles vorgelegt worden sei, dann widerspricht das schon der eben getätigten Aussage, dass zum Zeugen B. bis 2014 ermittelt wurde. [phon.] Wir haben davon nichts in unseren Akten.“ Es folgt eine Pause bis 10:59 Uhr.

Danach verliest Götzl den Beschluss, dass die Anträge auf Inaugenscheinnahme von Lichtbildern, die Holger Gerlach auf Neonazi-Demonstrationen zeigen, sowie die Einvernahme von Beamten dazu [242.Verhandlungstag], abgelehnt sind. Die Beweisanträge auf Einnahme eines Augenscheins bzw. die gestellten Beweisanträge auf Vernehmung von Zeugen hätten abgelehnt werden können, weil der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Die Tatsachen, die durch die beantragte Zeugenvernehmung im Hauptantrag und im Hilfsantrag bewiesen werden sollten, seien für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung.

Die unter Beweis gestellten Tatsachen belegen, schlagwortartig zusammengefasst, dass Gerlach im ersten Halbjahr des Jahres 2005 an drei Demonstrationen rechtsgerichteter Veranstalter teilgenommen hat. Dies werten die Antragsteller als Anzeichen dafür, dass Gerlach entgegen seinen Beteuerungen nie aus der Neonaziszene ausgestiegen ist und weiterhin einer Nazi-Ideologie verhaftet geblieben ist. Dieser Umstand wiederum sei ein wichtiges Indiz für den von der Anklage angenommenen Eventualvorsatz hinsichtlich der dem Angeklagten Gerlach vorgeworfenen Taten. Diese unter Beweis gestellten Umstände haben aber im Hinblick auf die Tat- und Schuldfrage bei den Angeklagten keinen Einfluss. Gerlach hat eingeräumt, im Jahr 2005 an zwei „rechten“ Demonstrationen teilgenommen zu haben. Durch die Anträge wird, ihre Erweislichkeit unterstellt, lediglich bewiesen, dass Gerlach im Jahr 2005 noch an einer weiteren, also einer dritten, Demonstration in Braunschweig teilgenommen hat. Aus dem Umstand der Teilnahme an einer weiteren, bislang von Gerlach nicht erwähnten, Demonstration und den Details zu den damit drei Demonstrationen zieht der Senat keinen weitergehenden Schluss, als aus dem Umstand, dass Gerlach, wie eingeräumt, an zwei Demonstrationen im Jahr 2005 teilgenommen hat.

Der Senat hat sodann nochmals in einer zusammenfassenden Betrachtung alle in diesem Beweisantrag unter Beweis gestellten Tatsachen gemeinsam gewürdigt. Die gehörten Zeugen Pippig, Meyer und Schmid bestätigten jeweils, dass bei Auswertungen von Datenträgern des Angeklagten Gerlach im Jahr 2011 Daten mit, schlagwortartig verkürzt,“rechten Inhalten“ aufgefunden wurden. Die Zeugin Ar. bestätigte, dass von der beim Angeklagten Gerlach am 06.11.2011 sichergestellten Festplatte Bilder mit der Comicfigur „Paulchen Panther“ gelöscht worden waren. Auch bei dieser Gesamtbetrachtung ergeben sich unter Berücksichtigung des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme keine Umstände, die die Qualifizierung der unter Beweis gestellten Tatsache „Teilnahme an drei statt an den eingeräumten zwei Demonstrationen“ als für die Entscheidung ohne Bedeutung in Frage stellen. Auch die Anträge auf Einvernahme eines noch mit Ermittlungen zu beauftragenden Beamten bzw. die hilfsweise beantragte Einvernahme der bei den Demonstrationen eingesetzten polizeilichen Einsatzleiter konnte abgelehnt werden, weil der Umstand der Teilnahme des Angeklagten Gerlach an einer von ihm bislang verschwiegenen Demonstration im Jahr 2005 sowie diverse Details zu Demonstrationen für die Entscheidung, wie oben dargelegt, ohne Bedeutung sind.

Dann verkündet Götzl einen weiteren Beschluss. Nicht nachgekommen wird demnach den Anträgen, aus dem Ermittlungsverfahren der StA Mühlhausen gegen Kassetten oder technisch aufbereitete Kopien von diesen beizuziehen und durch Abspielen in Augenschein zu nehmen, Zeugen, u.a. , dazu zu vernehmen und ggf. weitere Akten beizuziehen [242. Verhandlungstag]. Der Augenschein sei nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Bei der Vernehmung des Zeugen Tino Brandt seien die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. Die weiteren Anträge hätten abgelehnt werden können, weil die Aufklärungspflicht zu diesen Ermittlungen nicht dränge. Götzl macht die üblichen juristischen Ausführungen und führt dann zur konkreten Begründung aus.

Dem Umstand, dass an dem aufgenommenen Gespräch u.a. Thorsten Heise und Tino Brandt teilgenommen haben, kommt für sich genommen keine Bedeutung zu. Aus diesem Umstand können keine für die Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage relevanten Schlüsse gezogen werden. Brandt äußerte die Annahme, „der Verfassungsschutz könne in Richtung damals der … verschwundenen Jenaern gedacht haben, der könne so etwas wie der legale Arm einer Terrorbewegung werden“. Bei diesem Umstand handelt es sich um eine bloße Einschätzung Brandts, wie der VS seinerseits einen bestimmten Sachverhalt eingeschätzt haben könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Einschätzung Brandts oder der möglichen Einschätzung des VS für die Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage im Hinblick auf die Angeklagten eine Bedeutung zukommen könnte. Brandt bezeichnete verschiedene Personen als Mitglieder der KS Jena, charakterisierte die KS und äußerte sich zur politischen Einstellung des Angeklagten Wohlleben. Der Zeuge verbalisierte hier aber lediglich seine subjektiven Einschätzungen zu den Mitgliedern der KS Jena und wertete diese als „eingeschworene Gemeinschaft“ und „absolute NS-Kameradschaft“.

Die damalige politische Einstellung Wohllebens beschrieb er als „NS-lastig“. Aus diesen Einschätzungen und Wertungen, die ohne jeglichen Tatsachenhintergrund vom Zeugen Brandt in den Raum gestellt wurden, zieht der Senat keinerlei Schlüsse. Es ist schon nicht umrissen, was Brandt unter den jeweiligen Begriffen versteht und aufgrund welcher Umstände er zu den von ihm getroffenen Wertungen gekommen ist. Schlüsse, die für die Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten Relevanz gewinnen können, zieht der Senat auf einer derart vagen Grundlage nicht. Dem Umstand, dass an dem aufgenommenen Gespräch Thorsten Heise und weiter nicht namentlich benannte Personen teilgenommen haben, kommt für sich genommen keine Bedeutung zu. Aus diesem Umstand können keine für die Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage relevanten Schlüsse gezogen werden. Thorsten Heise führte in dem aufgenommenen Gespräch aus, dass es zu einem Streit wegen unterschlagener Konzerteinnahmen gekommen ist, dass diese Einnahmen für einen „besonderen Kampf bestimmt gewesen seien, dass mit dem Geld Waffen beschafft werden sollten und dass sie „reichlich Gruppen“ hätten, die sie mit „reichlich“ Waffen versorgen würden. Ein unmittelbarer oder auch nur mittelbarer Zusammenhang der unter Beweis gestellten Tatsachen mit den hier angeklagten Personen oder den angeklagten Taten ist nicht erkennbar. Konkrete Verbindungen zu den Gegenständen des hiesigen Verfahrens liegen nicht vor.

Die Antragsteller führen aus, das Geld sei von Daniel Gr. unterschlagen worden. Somit ist auch kein Zusammenhang mit der Geldsumme erkennbar, die von André Kapke unterschlagen worden sein soll. Aus den militanten Äußerungen des Sprechers Heise schließt der Senat nicht, dass dadurch die Angaben von verschiedenen Zeugen und Angeklagten zur Gewaltdiskussion im THS bzw. der KS Jena bestätigt werden. Zwischen Heise und den Thüringer Gruppen ist keine derartig enge örtliche, persönliche und organisatorische Verbindungen erkennbar, dass dieser Schluss gezogen werden könnte. Auch für den Vorsatz der hier angeklagten Personen haben die Äußerungen Heises keinen indiziellen Charakter, da der Senat aus dessen Überzeugungen nicht auf das subjektive Wissen und Wollen der Angeklagten schließen kann. Unter Beweis gestellt ist der Umstand, dass Tino Brandt in dem Gespräch äußere, die „Drei“ hätten „in der Zwischenzeit andere Sachen machen müssen, um sich über Wasser zu halten“. Die Aufklärungspflicht drängt nicht dazu, diesen Umstand durch Inaugenscheinnahme des auf Kassette aufgezeichneten Gesprächs in die Hauptverhandlung einzuführen.

Die Antragsteller tragen vor, diese Äußerung würde belegen, dass Brandt Kenntnis von der Begehung von Straftaten durch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zur Finanzierung des Lebens im Untergrund hatte. In diesem Zusammenhang tragen die Antragsteller allerdings nicht vollständig vor. Aus der wörtlichen Verschriftung des Gesprächs ergibt sich vielmehr, dass Brandt lediglich glaubt „die“ hätten in der Zwischenzeit andere Sachen machen müssen. Eine bloße Vermutung des Zeugen Brandt im Jahr 2007 hat allerdings keinen Einfluss auf die Beurteilung einer möglichen Schuld- und Straffrage hin sichtlich der angeklagten Personen. Der Umstand, dass Brandt derartige Aktivitäten der untergetauchten Personen lediglich vermutet, lässt keinen Schluss darauf zu, dass er in diese Richtung vom Angeklagten Wohlleben bereits im Jahr 2001 informiert worden sein soll. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass Wohlleben im Jahr 2001 ebenfalls den Ausdruck „Sachen“ benutzt haben soll. Unter Beweis gestellt ist, dass Thorsten Heise von einer Sammlung für drei Personen spricht, bei der Geld bei Kapke abhandengekommen sei.

Tino Brandt antwortet hierauf, er wisse nur, dass „Unmengen Gelder“ gesammelt worden seien und dass auch Geld angekommen sei. Der Umstand, dass Geld für die drei Personen gesammelt worden sei, wurde in der Hauptverhandlung überein stimmend bestätigt von Brandt und André Kapke. Der Umstand, dass Geld bei Kapke abhandengekommen sei, wurde von Brandt und der Zeugin Brigitte Böhnhardt übereinstimmend bestätigt. Bei dieser Beweislage erfordert es die Aufklärungspflicht nicht, bereits bekannte Umstände erneut in die Hauptverhandlung einzuführen. Soweit unter Beweis gestellt ist, dass der Zeuge Brandt angab, er wisse nur, dass „Unmengen Gelder“ gesammelt worden seien, erfordert die Aufklärungspflicht hinsichtlich dieses Umstands keine Inaugenscheinnahme der Gesprächsaufzeichnung. „Unmengen Gelder“ ist eine Wertung ohne jeglichen Tatsachenhintergrund. Es ist anhand dieses Begriffes nicht möglich, einzuordnen, in welchem Summen-Bereich Geld gesammelt wurde. Die Inaugenscheinnahme des Gespräches würde daher in diesem Zusammenhang zu keinem Aufklärungsgewinn führen.

Dann sagt Götzl, dass der am 17.02.2016 verkündete Beschluss des Senats mit dem die Beweisanträge zu „Lothar Lingen“ etc. abgelehnt wurden, in den Gründen korrigiert wird. Neu gefasst wird die Passage, in der die Formulierung „nach der letzten Straftat der angeklagten Personen“ auftaucht, der für die Verteidigung Wohlleben Anlass für einen Befangenheitsantrag war. Aus der Formulierung wird nun: „nach der letzten angeklagten Tat“. Außerdem verkündet Götzl den Beschluss, dass der Anregung, den Zeugen Hartwig J. aus Eisenach zu vernehmen, nicht entsprochen wird. Dieser habe zwar bei seiner Vernehmung im November 2011 angegeben, er habe in der 44. Kalenderwoche 2011 in der Straße Am Stadtweg drei junge Leute gesehen, eine Person sei weiblich gewesen, habe aber Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auf dem Fahndungsblatt nicht erkennen können. Daher verspreche der Zeuge keinen Erkenntnisgewinn.

Danach verliest NK-Vertreter RA Reinecke einen Beweisantrag. Er beantragt die Inaugenscheinnahme und Verlesung eines Überweisungsbeleges betreffend die Vorschusszahlung für die Anmietung eines Wohnwagens, die Vernehmung von Kunibert W., von KHK Mo., von KHK Er. und die Inaugenscheinnahme diverser auf der CD mit dem Titel „Urlaub 2004“ gespeicherter Lichtbilder. Zur Begründung führt er aus: Die Augenscheinseinnahme und Verlesung des Überweisungsbelegs wird ergeben, dass von Seiten des Trios bereits im März für Juli 2004 ein Urlaub in der Holsteinischen Schweiz geplant war und eine Anzahlung für einen Wohnwagen bei der Ehefrau des Zeugen W. erfolgte. Die Vernehmung von Kunibert W. wird ergeben, dass dort am 20. Juli 2004 auf seinem Campingplatz „Musbergwiese“ in Ascheberg drei Personen mit sächsischem Akzent erschienen sind (zwei Männer und eine Frau) um den Wohnwagen zu beziehen, für den im März eine Anzahlung geleistet wurde, dass allerdings den dreien der Wohnwagen zu alt war und sie deswegen am selben Abend weiter fuhren. Die Vernehmung des KHK Mo. wird ergeben, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass vom Trio oder einem ihrer Mitglieder im Zeitraum zwischen dem 09.06.2004 und dem 09.07.2004 irgendein Fahrzeug angemietet wurde.

Die Vernehmung des Zeugen Er. wird ergeben, dass sich bei der bundesweiten Überprüfung von Campingplätzen kein Hinweis darauf ergeben hat, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich alleine zwischen dem 09.06. und 20.07.2004 auf einem Campingplatz aufgehalten haben. Die Augenscheinseinnahme der Lichtbilder auf der CD „Urlaub 2004“ wird ergeben, dass die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nur 6 Wochen nach dem Anschlag in der Keupstraße einen unbeschwerten, fröhlichen und freundschaftlichen – nicht von Misstrauen geprägten – Urlaub verbracht haben, in dem sie sich ohne jede Angst, entdeckt zu werden in der Öffentlichkeit zeigten und auf engsten Raum zusammen wohnten. Aus der Augenscheinseinnahme der Fotos 3, 21, 033, 034 wird sich darüber hinaus ergeben, dass auf diesen Fotos alle drei (Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos) abgebildet sind, ohne dass es sich um typische Selbstauslöserfotos handelt oder solche, bei denen man eine unbekannte Person ums Fotografieren bittet.

Im Einzelnen wird sich aus der Augenscheinseinnahme der Fotos folgendes ergeben:
Die Bilder 001 – 003 zeigen am 20.07.2004 um ca. 10:30 eine erste Rast nach dem Aufbruch in Zwickau auf einem Autobahnrastplatz, wobei erkennbar ist, dass die Angeklagte Zschäpe auf dem Beifahrersitz sitzt (also nicht abgesetzt von den beiden Bombenlegern auf dem Rücksitz), auf Bild 002 ist zu sehen, wie die Angeklagte fröhlich in die Kamera winkt. Das Bild 004 am Morgen des 22.07. zeigt auf dem Campingplatz in Bornhöved im Inneren eines Wohnwagens ein Doppelbett, auf dem Uwe Böhnhardt zu erkennen ist, neben ihm unter einer gemeinsamen Decke liegt eine weitere Person. Das Bild 007 am Morgen des 22.07. zeigt die Angeklagte Zschäpe und Böhnhardt wie sie auf der zum Wohnwagen gehörenden Terrasse nebeneinander in Stühlen sitzen und den Sonnenschein genießen. Das Bild 009 zeigt am 22.07. um 18:17 das zum Wohnwagen gehörende Vorzelt mit Küche, in der die Angeklagte Zschäpe einträchtig mit Uwe Böhnhardt an der Spüle steht.

Das Bild 014 zeigt die Angeklagte am 22.07. abends gegen 21.00 Uhr wiederum auf Sonnenliege im Freien. Während Uwe Böhnhardt etwas über Kopfhörer hört, sieht die Angeklagte ihn bewundernd an. Das Foto 019 zeigt die Angeklagte und Uwe Böhnhardt am Nachmittag des 23.07.2004 mit Fahrrädern im Ort „Bornhöved“ vor einer Karte stehend. Die Bilder 020 und 021 zeigen die Angeklagte Zschäpe sowie Mundlos und Böhnhardt beim gemeinsamen Frühstück am Morgen des 24.07.2004. Die Bilder 028 und 029 belegen eine weitere Radtour der Angeklagten und Herrn Böhnhardts am Nachmittag des 24.07.2004, die hier interessiert die Speisekarte an einem Restaurant mit Außengastronomie studieren. Das Bild 030 zeigt am 25.7.2004 das Innere eines anderen Campingwagens im neuen Standort Behrensdorf im Hintergrund mit zwei Stockwerksbetten und im Vordergrund links ein Einzelbett. Die Bilder 033 und 034 zeigen die Angeklagte Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Abend des 25.07.2004 in der Sitzecke des Wohnwagens. Die Bilder 053 und 054 zeigen Zschäpe und Böhnhardt am Nachmittag des 26.07.2004 bei einem Stadtbummel in dem Ort Schönberg (ca. 20 km vom damaligen Standort Behrensdorf entfernt).

Das Bild 055 zeigt die Angeklagte am 27.06.2004 mittags mit Ihrem Fahrrad am Ostseestrand wohin sie wohl mit einer weiteren Person (deren Fahrrad im Gras liegt) einen Ausflug gemacht hat.
Die Bilder 065, 066 zeigen dann Böhnhardt oder Mundlos am 28.07.2004 vormittags beim Laufen in der Nähe eines gut frequentierten Yachthafens. Bild 067 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Böhnhardt bei einem Einkaufsbummel am Abend des 28.07.2004. Das Bild 071 zeigt am 29.7. eine strahlende Frau Zschäpe in Großaufnahme beim Verlassen des Wohnwagens. Die Bilder 074, 078, 080 zeigen die Angeklagte Zschäpe auf dem in Fehmarn gemieteten Boot mit Außenmotor am 30.07.2004 gegen 10:30. Das Bild 083 zeigt ebenfalls am 30.07.2004 gegen 14:00 das Boot von innen. Während die Angeklagte Zschäpe auf einer Bank liegt und ihr Buch liest, hat sich Uwe Böhnhardt zum Schlafen an sie angelehnt. Das Bild 094 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt am Abend des 31.07.2004 beim gemeinsamen Federballspielen auf dem Campingplatz.
Die Bilder 099 und 100 zeigen eine Radtour am 01.08.2004 gegen Mittag. Aufgrund der erkennbaren Straßenkreuzung mit der Straße „Im Mühlenberg“ handelt es sich um eine Radtour auf der K26 zwischen Behrensdorf und Lütjenburg.

Das Bild 102 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt Eis essend öffentlich in Plastikstühlen sitzend. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um die „Eisdiele Manuela“ in Lütjenburg. Das Foto 103 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt einen Tag später am 02.08.2004 nachmittags noch einmal an derselben Stelle Eis essend. Das Foto 105 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Böhnhardt vor einer Kirche stehend (wahrscheinlich St. Michaelis-Kirche in Lütjenburg), wobei Uwe Böhnhardt die Angeklagte Zschäpe in den Arm nimmt und seinen Kopf auf sie legt. Die Fotos 106 und 108 zeigt die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt am 03.08.2004 mittags Hand in Hand an der Hafenanlage in Kiel. Die Bilder 110 und 112 zeigen die Angeklagte Zschäpe und Uwe Böhnhardt in der Kieler Innenstadt. Das Bild 113 zeigt die Angeklagte im Rahmen des Karstadt-Schlussverkaufes bei einem demonstrativen Anprobieren eines neuen Hutes. Die Fotos 124, 126, 127 zeigen zunächst den Eingang zum Labyrinthgarten Petershagen mit Uwe Böhnhardt (124), sodann eine freudestrahlende Frau Zschäpe (126) die mit ausgestreckten Armen Herrn Böhnhardt auffordert, in den Garten zu kommen, 127 zeigt dann die Angeklagte Zschäpe eng mit Herrn Böhnhardt in einer Sackgasse im Labyrinthgarten.

Mit der beantragten Beweiserhebung kann die Einlassung der Angeklagten Zschäpe in wesentlichen Punkten widerlegt bzw. erschüttert werden. Es wird sich daraus insbesondere ergeben, dass es keinerlei Anhaltspunkte für die von der Angeklagten behauptete Ablehnung der Mord und Sprengstofftaten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gab und nichts dafür spricht, dass es zumindest bis zum Sommer 2004 irgendeine Selbstmorddrohung gab. Um ihre Distanz zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos darzustellen, hatte die Angeklagte zur Art des Zusammenlebens in ihrer Einlassung ausgeführt: „Zum 01. Mai 2001 zogen wir in eine Vier-Zimmer-Wohnung in die Polenzstraße 2 in Zwickau um. Jeder hatte sein eigenes, abschließbares Zimmer, um ungestört sein zu können. Wir hatten vereinbart, dass jeder für Sauberkeit und Ordnung im eigenen Zimmer zu sorgen hatte. Acht Monate in einem Zimmer‘ hausen‘, wie in der Altchemnitzer Straße 12 in Chemnitz, war in unguter Erinnerung, so dass wir über die Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnung in der Wolgograder Allee 76 in Chemnitz und in der Heisenbergstraße 6 in Zwickau nun so viel Platz fanden, dass sich jeder in seinem eigenen Zimmer ungestört aufhalten konnte. So kam es immer häufiger vor, dass wir uns nur zum Essen sahen und sich ansonsten jeder in seinem Zimmer aufhielt. Ich verbrachte die Zeit zum größten Teil mit Computerspielen.“

Die Angeklagte hat in ihrer Einlassung zur Sache zum Bombenanschlag in der Keupstraße unter anderem Folgendes ausgeführt: „Nach ihrer Rückkehr berichteten sie mir davon, dass sie in Köln einen Bombenanschlag auf Türken verübt hatten. Sie berichteten keine Details, nur dass sie eine Nagelbombe zur Explosion gebracht hatten. Ich war einfach nur entsetzt und konnte diese Aktion nicht nachvollziehen. Ich verstand ihr Handeln auch deshalb nicht, weil es absolut sinnlos war. Beide begründeten ihr Tun damit, die türkische Bevölkerung in Köln in Angst und Schrecken versetzen zu wollen und – zum wiederholten Male – dass sie ihr ‚Leben verkackt‘ hätten. Des weiteren wurde im Fernsehen vom Anschlag berichtet und die mutmaßlichen Täter anhand von Bildern gezeigt. Ich war überzeugt, dass die beiden erkannt würden und unsere Verhaftung bevor stünde. Deshalb fuhren die beiden auf irgendeinen Campingplatz. Ich wollte nicht mitfahren. Ich wollte auf keinen Fall dabei sein, wenn sie sich töten, sollte die Polizei sie entdecken. Es passierte aber nichts. Ab diesem Zeitpunkt vertraute ich den beiden nicht mehr, dass sie mir die Wahrheit über ihre Vorhaben berichteten.“

Mit den hier beantragten Beweiserhebungen wird diese Darstellung widerlegt werden. So wird sich zunächst ergeben, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach Veröffentlichung ihrer Bilder auf einem Campingplatz verschwanden. Weder haben die Überprüfungen von Fahrzeuganmietungen noch die Überprüfung bundesweiter Campingplätze Anhaltspunkte ergeben, dass vor dem 09.07.2004 ein Fahrzeug angemietet wurde oder eine Übernachtung auf einem Campingplatz stattfand. Belegt und durch Urkunde im Selbstleseverfahren bereits eingeführt ist hingegen die Anmietung eines Pkw Golf Variant (Z-YP 34) für den Zeitraum vom 09.07. bis 09.08.2004. Durch die Beweiserhebung wird sich vielmehr ergeben, dass das Trio bereits im März einen Urlaub in Schleswig-Holstein plante und diesen – trotz des Bombenanschlags in der Keupstraße, – auch durchführte. Trotz ihres angeblichen Entsetzens über die Tat in Köln ist der Angeklagten Zschäpe offenbar nie der Gedanke gekommen, an diesem Urlaub nicht teilzunehmen.

Die Augenscheinseinnahme der auf der CD „Urlaub 2004″ gespeicherten Fotos wird sodann
einen Einblick in die Gemütshaltung des Trios geben. Man wird dort einen normalen, entspannten Urlaub sehen, der weder von der Angst geprägt war, durch die Veröffentlichung in Zeitungen entdeckt zu werden, noch geprägt von Entfremdung und Misstrauen, das angeblich nach der Einlassung der Angeklagten Zschäpe nach dem Anschlag in der Keupstraße eingetreten ist. Die Fotos belegen vielmehr das besonders innige Verhältnis der Angeklagten zu Uwe Böhnhardt bis hin zum Paarfoto vor der Kirche. Auch die angeblich so wichtige Wohnsituation, bei der man sich aus dem Weg ging und jeder sein eigenes Zimmer hatte, gab es in dem Urlaub nicht. Die Art des Zusammenlebens in den Wohnwagen macht deutlich, dass es das Entsetzen der Angeklagten über den Anschlag in der Keupstraße nicht gegeben hat, eine emotionale Ablehnung des Bombenanschlages nicht existierte. Die Behauptung der Angeklagten, sie wäre davon überzeugt gewesen, dass aufgrund der Fahndungsaufrufe Mundlos und/oder Böhnhardt gefasst werden, wird durch diese Urlaubsfotos widerlegt. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass das im Urlaub bestehende erhöhte Risiko (wegen diverser Anmeldungen etc.) in eine Polizeikontrolle zu kommen, sich im Verhalten des Trios niedergeschlagen hätte.

Die Angeklagte hätte Situationen meiden müssen, in denen es – wie sie angeblich befürchtete – zu einem Feuergefecht und/oder Selbstmord hätte kommen können (bei einer Polizeikontrolle im Urlaub). Stattdessen bewegt sich das Trio völlig frei in der Öffentlichkeit, macht fast täglich Ausflüge und Stadtbummel. Dies legt nahe, dass es zum damaligen Zeitpunkt – entgegen der Behauptung der Angeklagten – gar keine Selbstmorddrohung von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegeben hat. Dass die Angeklagte diesen Urlaub im Jahre 2004 nur sechs Wochen nach dem Bombenanschlag in der Keupstraße, den sie angeblich mit großem Entsetzen quittiert hat, als besonders gelungen und glücklich empfunden hat, wird auch daran deutlich, dass sie Fotos aus diesem Urlaub in die bereits in anderem Zusammenhang wiederholt erörterte „Wette“ eingebaut hat. Insbesondere das Ziel dieser „Wette“ macht den Gleichklang der Angeklagten mit Uwe Böhnhardt deutlich. Uwe Böhnhardt formulierte in der „Wette“, dass sein Gewicht am 01. Mai maximal 85 Kilo betragen wird, die Angeklagte Zschäpe formulierte: „Ich bin mir sicher, dass meine tolle Figur zum 01. Mai mit schlanken 62 Kilogramm absolut sommer- und strandtauglich sein wird.“ Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass sich aus verschiedenen Fotos ergibt, dass diese von einer weiteren Person gefertigt wurden.

In Frage kommt hier insbesondere der Angeklagte Gerlach, der dann einen weiteren und zusätzlichen Urlaub mit dem Trio verbracht hätte. In seiner Vernehmung vom 17.01.2012 schildert der Angeklagte Gerlach, dass er im Jahre 2004 mit dem Trio Urlaub gemacht habe. Das ursprüngliche Datum 2005 hat er auf 2004 geändert, weil er sich genau daran erinnern kann, dass er in diesem Jahr „Alex und Silvia“ kennengelernt habe. Zwar verbindet der Angeklagte Gerlach diesen in seiner Vernehmung geschilderten Urlaub mit einem Urlaub in Lübeck, von dem es im Jahre 2006 aufgenommene Bilder gibt, angesichts der präzisen Erinnerung an ein konkretes Jahr spricht aber einiges dafür, dass der Angeklagte Gerlach dann auch im Jahre 2004 einen Urlaub mit dem Trio gemacht hat. Die Beschränkung auf nur einen Teil der Fotos auf der CD erfolgt unter Gesichtspunkten des Umfangs der Beweisaufnahme. Natürlich wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn sämtliche sich auf der CD befindlichen Bilder in Augenschein genommen werden.Im Wesentlichen folgt die Einordnung der Orte, an denen der Urlaub stattfand, der bereits erörterten Auswertung des KHK Ze. [215. Verhandlungstag].

Soweit im vorliegenden Beweisantritt weitere Orte als in der Auswertung des KHK Ze. mitgeteilt werden, können diese durch Internetrecherchen relativ rasch überprüft werden. Zu korrigieren an der Auswertung des BKA ist allerdings, dass die Gemeinde Schönberg nicht am Plöner See liegt und die Postleitzahl 24217 (nicht 21247) hat, der im Vermerk erwähnte Campingplatz „Musbergwiese“ war der Campingplatz des Zeugen W. in Ascheberg, den die Angeklagte Zschäpe und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am Abend des 20.07.2004 angesteuert hatten und kein Campingplatz in Schönberg.

Diverse NK-Vertreter_innen schließen sich dem Antrag an. Der Verhandlungstag endet um 11:52 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage„: „Bundesanwalt Diemer verkündete, der Beweisantrag zu Marschner sei insgesamt abzulehnen, weil, selbst wenn alle Beweisbehauptungen als wahr unterstellt würden, diese für die Tat- und Schuldfrage keine Bedeutung hätten. Wenn behauptet wird, diese Fragen hätten für die Tat- und Schuldfrage im Strafverfahren keine Bedeutung, dann hätte der Senat 70% der Zeugenbefragungen unterlassen können. Es wird erneut deutlich, dass die Bundesanwaltschaft die weitere Aufklärung blockiert und damit offensichtlich den Verfassungsschutz schützt. Am Ende des Verhandlungstages wurde von der Nebenklage noch ein Antrag gestellt, zahlreiche Fotos aus dem Urlaub von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Sommer 2004, also kurz nach dem Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße, in Augenschein zu nehmen. Zschäpe hatte in ihrer verlesenen Einlassung behauptet, ihr sei von diesem Anschlag berichtet worden, sie habe entsetzt reagiert und ihr Verhältnis zu Böhnhardt sei frostig geworden. Die Bilder zeigen ein unbeschwertes, fröhliches Paar, und widerlegen diese Angaben leicht.“

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