An diesem Prozesstag sagt ein Zeuge der Polizei zu Kartenausschnitten aus. Danach dreht sich der Tag um Beweisanträge. Zunächst stellen Nebenklagevertreter_innen Anträge u.a. zu Holger Gerlach und seinen Verbindungen in die Neonazi-Szene auch nach seinem angegebenen Ausstieg 2004. Danach lehnt Götzl einige Beweisanträge der Verteidigung und der Nebenklage ab.
Zeuge:
- Lutz Ti. (BKA Meckenheim, Kartenmaterial zu Dassow, Mecklenburg-Vorpommern)
Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Erster Zeuge ist KOK Lutz Ti. Götzl sagt, es gehe um die Auswertung von Kartenmaterial, Ti. solle zunächst zusammenhängend schildern, inwiefern er damit befasst war, was er unternommen hat, welche zusätzlichen Ermittlungen er durchgeführt hat und mit welchen Ergebnissen. Ti.: „Wir haben die Asservate in digitaler Form erhalten, in der Ablage jeweils dem Auffindeort zugeordnet. Auftrag war, die Kartenfragmente nach möglichen handschriftlichen Aufzeichnungen zu untersuchen. Wir haben auch versucht, die Karten einer bestimmten Karte, die käuflich zu erwerben ist, zuzuordnen.“ Ein handschriftlicher Eintrag, „Holmer Berg“, sei zweifelsfrei zu identifizieren gewesen. Und dann sei es darum gegangen, Ermittlungsansätze zu finden und diese an die nachgeordneten Kollegen weiterzugeben für detaillierte Ermittlungen. Götzl fragt, ob Ti. die Asservate vom Aussehen her beschreiben könne. Ti.: „Es war ein Ausschnitt einer gedruckten Straßenkarte. Ich konnte das zuordnen über einen Teil eines Deckblatts. Generalkarte Pocket, dort ein Ausschnitt, der den Raum Dassow betraf und darauf handschriftlicher Eintrag ‚Holmer Berg‘ in Blau.“
Götzl: „Gab es Ansätze oder Kennzeichen, woraus sie ersehen konnten, wann die Karte oder der Ausdruck entstanden sind?“ Ti.: „Nein.“ Es folgt die Inaugenscheinnahme von Kartenfragmenten, dazu geht Ti. nach vorn an den Richtertisch. Auf der Leinwand sind Bilder von an den Rändern her angekokelten Kartenausschnitten zu sehen. Zum Bild eines etwas größeren Ausschnitts sagt Ti: „Es geht letztendlich um diesen Eintrag hier: ‚Holmer Berg‘. Klar zu erkennen.“ Ti. zeigt auf eine Stelle bei Dassow in Mecklenburg-Vorpommern. Auf Frage, was er zu den anderen Bildern sagen könne, antwortet Ti., er habe recherchieren können, dass es sich um die Generalkarte, er meine, Nummer 2, Bereich Rügen [phon.] handelt. Nach der Inaugenscheinnahme nimmt Ti. wieder am Zeugentisch Platz.
Götzl fragt, welche Ermittlungen Ti. noch durchgeführt habe. Ti.: „Als Ansatz stand für mich der Begriff ‚Holmer Berg‘ zur Verfügung. Ich habe dann anfänglich mittels Internetrecherche nach Informationen gesucht und herausfinden können: Keine geographische Besonderheit, die als Ausflugsziel zu finden ist, aber ein Gewerbegebiet in der Gegend, was den Namen führt, mit verschiedenen ansässigen Firmen. Ich habe mir von der Gemeinde eine Liste zuschicken lassen von den Unternehmen, habe versucht Bezüge herzustellen zum Ermittlungsverfahren, um die eigentlichen Ermittler mit Informationen versorgen zu können.“ Götzl fragt nach den Ergebnissen. Ti. sagt, es sei eine [phon.] Firma gelistet gewesen, die Serviceleistungen für Boote anbieten und eine Druckerei, die für das ebenfalls in dem Gebiet ansässige CD-Presswerk die Cover hergestellt habe. Laut Presse im Internet sei die Firma in der Vergangenheit durchsucht worden und es seien Cover beschlagnahmt worden mit dem Hintergrund rechtsextremer Musik. Das sei ihm auch im Hause [im BKA]bestätigt worden, dass die Firma Gegenstand von Ermittlungen war.
Mittels Internetrecherchen habe er rausfinden können, dass die Firma weiter besteht, nach mehreren Besitzerwechseln. Die Firma bestehe noch, aber da das CD-Werk weggefallen sei wegen Geschäftsaufgabe habe sich das bei denen verlagert von Covern zu anderen, ihm nicht bekannten Druckerzeugnissen. Götzl: „Wann war die Durchsuchung?“ Ti. sagt, das müsse im Vermerk stehen, er meine, 2006, 2007. Vorhalt: Durch Recherchen im Internet wurde ein Online-Presseartikel aus Februar 2007 aufgefunden, thematisiert wird ein Verfahren der Berliner StA und des LKA Berlin gegen Hersteller und Vertreiber rechtsextremer Musik; im Rahmen des Verfahrens wurde eine Druckerei im Raum Dassow durchsucht, rund 1.100 CDs und 1.450 Booklets beschlagnahmt. Götzl: „War das das, worauf Sie sich bezogen haben?“ Ti.: „Ja, genau. Ich habe mir lediglich bei uns im Hause bestätigen lassen, dass diese Druckerei betroffen war.“ Der Zeuge wird um 10:07 Uhr entlassen.
Nach der Einvernahme von Ti. sagt Götzl: „Jetzt hatten Sie, Frau von der Behrens, mitgeteilt, dass Sie heute Beweisanträge stellen würden?“ V. d. Behrens sagt, es gehe um insgesamt vier Anträge und beginnt mit dem ersten Antrag: Holger Gerlach hat in seiner Einlassung [vgl. 7. Verhandlungstag] behauptet, der Prozess seiner Loslösung von der Naziszene habe bereits etwa 1999 nach dem Umzug nach Hannover eingesetzt, 2004 sei er endgültig ausgestiegen. Die folgend beantragten Beweismittel werden belegen, dass Gerlach noch mindestens bis 2002 aktiv Kontakte zu hochrangigen Nazifunktionären in Niedersachsen unterhielt. Dies stelle seine behauptete innerliche Loslösung erheblich in Frage. Damit wird auch seine Behauptung, kein Interesse an und keine Kenntnis von den Taten des NSU gehabt zu haben, erheblich in Frage gestellt.
Es wird beantragt: 1) das Briefverzeichnis der JVA Wolfenbüttel zum Inhaftierten Thorsten Heise von Juni 2000 bis Juni 2001 beizuziehen und die BAW zu beauftragen, zu ermitteln, ob noch Ablichtungen der Briefe zwischen Heise und Gerlach vorhanden sind und diese ggf. beizuziehen und zu verlesen, zum Beweis der Tatsache, dass Heise und Gerlach in dieser Zeit Briefkontakt hatten und jeder mindestens fünf Briefe an den jeweils anderen sandte; 2) das Asservat „kleines schwarzes Adressbuch“ aus einem Verfahren der StA Mühlhausen, beizuziehen, in Augenschein zu nehmen und zu verlesen, zum Beweis der Tatsache, dass auf Seite 2 des Adressbuches unter der Überschrift „Haftadressen 03.04.2000“ rund 100 Adressen und Telefonnummern folgen, dabei an erster Stelle „H. Gerlach“ mit Adresse in Hannover; 3) KOK Sch. [zuletzt 25. Verhandlungstag]als Zeugen zu vernehmen , zum Beweis der Tatsache, dass dieses Adressbuch bei einer Durchsuchung bei Heise am 30.10.2007 sichergestellt wurde;
4) den Polizeibeamten Bo., LKA Niedersachsen, als Zeugen zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass Bo. im Rahmen seiner Arbeit bekannt geworden ist, dass Gerlach mindestens zweimal, nämlich am 16.06.2002 und am 20.08.2002, einen KS-Abend bei Heise besucht hat; 5) OStA Heimgärtner als Zeugen zu vernehmen, zum Beweis der Tatsachen: dass Heise ein Multifunktionär der militanten Neonaziszene war und ist und Kontakt zu B&H– und C18-Strukturen in Deutschland und im Ausland hatte; dass zu KS-Abenden bei Heise in der Regel um die 15 Personen eingeladen wurden, und zwar nur Personen, die als überzeugte und zuverlässige Nationalsozialisten galten und einen Inner Circle darstellten, und es dort um die ideologische Schulung durch Vorträge ging; dass Heise aus der Haft heraus nur mit hochrangigen Neonazis brieflichen Kontakt pflegte und er nur mit Personen in regelmäßigem Briefwechsel stand, die er für ideologisch gefestigt und zuverlässig hielt; 6) zu ermitteln, ob es weitere Vernehmungen von Heise im NSU-Komplex gibt und diese ggf. beizuziehen.
Zur Begründung: Heise ist bisher in diesem Verfahren nur einmal vernommen worden, obwohl er laut Angaben von Brandt und Gerlach und Tonbandaufzeichnungen eines Gesprächs zwischen Brandt und Heise im Jahr 2007 in die Unterstützung des Trios eingebunden war. Die Relevanz des engen Kontakts von Gerlach mit Heise ergibt sich aus dessen herausragender Stellung in der Neonaziszene. Heise ist eine Leitfigur und Multifunktionär der militanten Neonaziszene, bundesweit und international vernetzt und gehört nach Einschätzung des BKA zu den bedeutendsten deutschen Neonazis. Aufgrund seiner Stellung laufen bei ihm Kontakte und Informationen zusammen. Seine vielfältigen Kontakte in die KS– und Skinhead-Szene, zu B&H und C18 sowie seine Affinität zu Waffen erklären, warum die direkten Unterstützer von Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe ihn um Hilfe gebeten haben. Heise war bis zum Verbot der FAP 1995 deren niedersächsischer Landesvorsitzender und unterstützte die sogenannte „Anti-Antifa-Bewegung“. Im Jahr des Verbots gründete er die „Kameradschaft Northeim“ bzw. „Kameradschaft Eichsfeld„, zeitweise als „Sektion Eichsfeld“ im THS organisiert. Damit war Heise sogar organisatorisch mit dem THS und damit auch mit den Angeklagten und den wichtigsten Unterstützern des Trios verbunden.
Um 2000 gründete Heise seine eigene Dachorganisation für Kameradschaften, die „Arische Bruderschaft“, in der sich KSen aus Niedersachsen, Hessen, Thüringen und NRW unter einem Logo, das zwei Handgranaten zierten, zusammengeschlossen haben und die ein noch elitäreres Selbstverständnis als der THS hatte. Heises KS hielt regelmäßig KS-Abende ab, an denen die ideologische Schulung im Vordergrund stand, an denen nur ein kleiner Kreis ausgesuchter Personen teilnehmen konnte. Seit Mitte der 90er hatte Heise stets engen Kontakt zu internationalen und deutschen B&H-Strukturen. Neben Carsten Szczepanski war Heise der zweite deutsche Neonazi mit intensiven Kontakten nach Großbritannien, der auch Ideen und Propaganda von C18 nach Deutschland brachte. Ab 2000 vertrieb Heise über seinen „WB-Versand“ CDs von B&H nahestehenden Bands, von denen viele indiziert wurden. Heise bezeichnete Musik als Einstiegsdroge, bei der auch die unterschwellige Propaganda eine Rolle spiele. Nach eigenen Angaben wolle er sich „mit seinen hochpolitischen Produktionen immer hart an der Grenze positionieren“, wolle provozieren und nehme dabei eine Indizierung in Kauf.
Heise heißt auch die Umsetzung politischer Ziele mit Gewalt gut, wie neben seinen Verbindungen zu C18 auch die Tatsachen zeigen, dass bei einer Durchsuchung 2007 scharfe Schusswaffen bei ihm gefunden wurden, er wegen Gewaltdelikten verurteilt ist, und auf einer vom BfV geführten Liste deutscher Söldner im Jugoslawien-Krieg steht. Heise wurde durch Holger Gerlach in die Unterstützung des Trios eingebunden, was sich aus Gerlachs eigenen Angaben und fünf Meldungen von Tino Brandt aus der Zeit von 22.03.1999 bis 01.02.2000 ergibt. In drei im November 2011 sichergestellten Mobiltelefonen von Holger Gerlach war die Telefonnummer von Heise gespeichert.
Zu den Beweismitteln im Einzelnen: Aus einem Medienbericht geht hervor, dass zwischen Sommer 2000 und Ende Juni 2001 Briefe zwischen dem Gerlach und Heise gewechselt wurden. Bei der Durchsuchung am 30.10.2007 bei Heise in Fretterode im Rahmen eines bei der StA Frankfurt geführten Verfahren wurden neben den Waffen zum einen Tonbänder von Gesprächen Heises mit Brandt über das Trio, zum anderen das oben genannte „kleine schwarze Adressbuch“ sichergestellt. Die Teilnahme von Gerlach an den KS-Abenden bei Heise ergibt sich aus einem Ermittlungsbericht des LKA Niedersachsen vom 20.10.2012, in dem die polizeilichen Erkenntnisse zu Gerlach zusammengefasst werden, unterzeichnet von Bo. OStA Heimgärtner von der StA Göttingen hat mehrfach Ermittlungen gegen Heise geführt, die auch in Anklagen mündeten. Er verfügt über umfassendes Wissen zu Heise und dessen Vernetzung und Stellung in der Naziszene.
Die Beweistatsachen sind verfahrensrelevant: Sie zeigen, dass Gerlach nicht nur, wie er einräumt, zur Unterstützung einer möglichen Auslandsunterbringung des Trios Kontakt mit Heise hatte, sondern dass der Kontakt sehr viel intensiver und länger war, als er behauptet. Aus dem umfangreichen Briefkontakt, der Position Gerlachs an erster Stelle der Adressliste Heises, vor allem aber seiner Teilnahme an den KS-Abenden Heises geht hervor, dass Gerlach sich während der Zeit seiner Unterstützung für das Trio im Umfeld militanter Neonazis bewegt hat, für die jede Form von Gewalt gegen Nichtdeutsche und politische Gegner ein zulässiges Mittel war, und dass er von diesen als zuverlässiger und gefestigter „Kamerad“ wahrgenommen wurde. Dies deutet darauf hin, dass Gerlach sehr viel tiefer und mit größerer Ernsthaftigkeit und Überzeugung in die Naziszene eingebunden war, als er zugibt. Dies ist für die Frage des Motivs für die Unterstützung des Trios und für sein Wissens um dessen Taten relevant. Der Antrag ist unterschrieben von mehreren NK-Vertreter_innen.
Dann verliest RA Elberling den nächsten Antrag: 1) aus einem Ermittlungsverfahren der StA Mühlhausen gegen Heise die Kassetten A und B oder technisch aufbereite Kopien von diesen beizuziehen und in der Hauptverhandlung abzuspielen, zum Beweis der Tatsachen: a) dass auf den Kassetten ein Gespräch von u.a. Heise und Tino Brandt aufgezeichnet ist; b) dass Brandt in dem Gespräch die Annahme äußert, der VS könne in „Richtung damals der … verschwundenen Jenaern“ gedacht haben, der THS könne so etwas wie der legale Arm einer Terrorbewegung werden; c) dass Brandt im Hinblick auf die mögliche Verjährung von vor dem Untertauchen begangener Taten äußert, die Drei hätten „in der Zwischenzeit andere Sachen machen müssen, um sich über Wasser zu halten“, woraufhin Heise antwortet: „Wenn man’s zuordnen kann, ne, wenn man’s zuordnen kann“; d) dass Brandt Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, André Kapke, Wohlleben sowie Holger Gerlach – beschrieben mit den Worten: „da fällt mir jetzt der Name nich ein, der nach Hannover gezogen ist“ – als Mitglieder der KS Jena angibt und diese dahingehend charakterisiert, es sei „eine eingeschworene Gemeinschaft von sechs Personen“ gewesen sowie eine „absolute NS-Kameradschaft … im wahrsten Sinne des Wortes“,
e) dass Heise von einer Sammlung für drei Personen – „Wir sagen jetzt einfach mal nicht, welche drei Personen (lacht) es sind.“ – spricht, bei der Geld bei Kapke aus dem Handschuhfach abhanden gekommen sei, worauf Brandt antwortet, er wisse nur, dass „Unmengen Gelder“ gesammelt worden seien und dass auch Geld angekommen sei; f) dass Brandt die damalige politische Einstellung des Angeklagten Wohlleben als „NS-lastig“ beschreibt. 2) Tino Brandt erneut als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, dass die Stimmen auf den Tonbändern von ihm und Heise stammen; dass das Gespräch am 20.01.2007 stattgefunden hat; dass der weitere Gesprächspartner Kai-Uwe Trinkaus oder Michael Hubeny ist. 3) zu ermitteln, ob es weitere Vernehmungen von Kai-Uwe Trinkaus und Michael Hubeny im NSU-Komplex gibt, und diese ggf. beizuziehen.
Zur Begründung: Die zwei Kassetten wurden am 30.10.2007 bei einer Durchsuchung bei Heise beschlagnahmt, bei der auch das „kleine schwarze Adressbuch“ sowie drei scharfe Schusswaffen gefunden wurden. Auf den Kassetten befinden sich Mitschnitte von Gesprächen Heises mit Brandt und einer weiteren Person, mutmaßlich Kai-Uwe Trinkaus. Der Inhalt des Gesprächs ist verfahrensrelevant zum einen im Hinblick auf die Äußerung Brandts, wonach es anscheinend Anlass gab, in Bezug auf die „verschwundenen Jenaer“ den THS als „legalen Arm einer Terrorbewegung“ anzusehen, zum anderen im Hinblick auf die Angabe Brandts zu den „Sachen“, die die Drei hätten machen müssen, die wiederum seine Kenntnis davon belegt, dass das Trio weitere Straftaten zur Finanzierung des Lebens im Untergrund beging. Dies wiederum deckt sich mit dem Inhalt einer Meldung von Tino Brandt vom 10.04.2001, in der er mitteilt, Wohlleben habe eine Spende für die Drei abgelehnt, weil die kein Geld mehr bräuchten, weil sie so viele „Sachen/Aktionen“ gemacht hätten, von denen der Zeuge nichts wissen sollte.
Es ist davon auszugehen, dass das Wissen Brandts darüber, dass die Drei strafbare „andere Sachen“ machten, um sich zu finanzieren, aus dem Gespräch mit Wohlleben stammt. Hierfür spricht schon die gleiche Wortwahl „Sachen“ gemacht. Auch der Gesprächsteil zur ideologischen Einstellung Wohllebens und der KS Jena als damals NS-lastig bzw. als „absolute NS-Kameradschaft“ ist relevant. Der NS-Ideologie ist die Durchsetzung ihrer Ziele mit Gewalt inhärent; damit ist der Versuch von Brandt, in der Hauptverhandlung Wohlleben als Gewaltgegner darzustellen, schon durch diese ideologische Beschreibung widerlegt. Die Frage, wer der dritte Gesprächspartner war, ist wesentlich, weil es sich hierbei mglw. um einen weiteren relevanten Zeugen handelt, da nicht bekannt ist, ob das gesamte Gespräch aufgenommen wurde oder ob es ggf. noch ein Vorgespräch oder eine Nachbesprechung mit verfahrensrelevantem Inhalt gab. Laut einem Medienbericht soll der dritte Gesprächspartner Kai-Uwe Trinkaus gewesen sein.
Auch Hubeny kommt als Teilnehmer in Frage, da er in seiner polizeilichen Vernehmung angab, Brandt zu dem Treffen gefahren zu haben. Die Ermittlung der Identität des dritten Gesprächsteilnehmers ist auch aus dem Umstand relevant, da in dem Fall, dass es sich dabei um den TLfV-V-Mann „Ares“, also Trinkaus, handelte, im TLfV noch weitere Informationen über das Gespräch vorhanden sein müssen. Der Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich des Inhaltes der Kassetten steht auch nicht entgegen, dass diese mglw. rechtswidrig durch Heise erstellt worden sind. Heise hat insofern als Privatperson gehandelt, die Aufnahmen dienen als Beweismittel zur Aufklärung schwerster Straftaten, und der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der anderen Gesprächsteilnehmer ist relativ gering, weil Themen aus dem Bereich der Privatsphäre so gut wie nicht angesprochen werden.
Dann verliest Elberling folgenden Antrag: Aus dem Ermittlungsverfahren der StA Mühlhausen gegen Heise die Kassette 03A oder technisch aufbereite Kopien beizuziehen und in der Hauptverhandlung abzuspielen, zum Beweis der Tatsachen, dass hierauf ein Gespräch Heises mit weiteren Personen aufgezeichnet ist; dass es in dem Gespräch um Streit wegen unterschlagener Konzerteinnahmen geht; dass Heise mitteilt, das Geld sei für einen „ganz besonderen Kampf“ bestimmt gewesen, da seien „ganz andere Leuten mit drin“; dass Heise weiter mitteilt, von dem Geld „sollten Waffen angeschafft werden, noch mehr Waffen“, und seinem Gesprächspartner vorhält: „Wir ham so oft … über Politik diskutiert und Du hast nie gerafft, was wir machen? … “ Sich nie mit Friedhelm unterhalten? Du musst mit den Leuten nicht nur saufen, sondern Dich mit den Leuten auch mal unterhalten“; dass Heise weiter angibt: „Wir haben reichlich, reichlich Gruppen im ganzen Bundesgebiet, wir haben reichlich Leute hier, versorgen sich reichlich mit Waffen“.
Zur Begründung: Die zwei Kassetten wurden ebenfalls bei der Durchsuchung am 30.10.2007 bei Heise beschlagnahmt und zusammen mit den Kassetten, auf denen das Gespräch mit Brandt aufgezeichnet ist, asserviert. Angesichts der im Gespräch erwähnten Konzerte und Personen muss das Gespräch zwischen Herbst 1995 und Frühjahr 1996 stattgefunden haben. Der Gesprächspartner von Heise, der das Geld unterschlagen haben soll, ist Daniel Grossmann von der KS Northeim; die dritte am Gespräch beteiligte Person ist wahrscheinlich Stefan De.. Mit dem erwähnten Friedhelm ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Friedhelm Busse gemeint. Die Beweiserhebung ist relevant, da die Äußerungen von Heise in dem Gespräch eindeutig darauf hindeuten, dass er u.a. mit Einnahmen aus Konzerten bewaffnete, neonazistische Gruppen unterstützen wollte und hat. Dies zeigt, dass die Frage der Bewaffnung der Szene bzw. einzelner Zellen keine Diskussion war, die in kleinen Kreisen und höchst konspirativ geführt wurde, sondern dass ein hochrangiger Neonaziführer und Musikproduzent wie Heise dies in einem Gespräch mit vertrauten, wenn auch anscheinend nicht eingeweihten „Kameraden“ offen anspricht.
Die Ernsthaftigkeit Heises zeigt sich auch an dem Hinweis auf Friedhelm, also Busse, einen zutiefst ideologisch gefestigten Neonaziführer, der bei militanten Aktivitäten der Neonaziszene sehr häufig involviert war, der die NSDAP/AO aufgebaut hatte und Vorsitzender der FAP gewesen war, in der Heise bis zu ihrem Verbot Anfang 1995 Landesvorsitzender gewesen war. Dieser Umstand ist relevant, da die von Heise erwähnte Bewaffnung in die Zeit fällt, als sich der THS und die KS Jena radikalisierten, kurze Zeit später den Puppentorso an der Autobahn aufhängten und zum Zweck der Professionalisierung die Garage anmieteten. Dies bestätigt, dass Mitte der 90er Jahre die Radikalisierung des THS nicht losgelöst von dem Entwicklungen in der übrigen militanten Neonaziszene stattfand, sondern dass es ähnliche Bestrebungen auch in anderen Bundesländern gab. Die von verschiedenen Zeugen und Angeklagten gemachten Angaben zur Gewaltdiskussionen im THS bzw. in der KS Jena werden hierdurch bestätigt werden. Diese im Gespräch mit Vertrauten entstandenen und also unverfälschten Angaben sind von Bedeutung nicht zuletzt für die Frage nach dem Vorsatz der hier wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Beihilfe Angeklagten.
Dann verliest RAin Luczak folgenden Antrag: 1) KK Pi. vom BKA, als Zeugen zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die Auswertung des bei der Durchsuchung in der Wohnung von Holger Gerlach am 06.11.2011 sichergestellten Mobiltelefon Sony Ericsson und der Speicherkarte ergeben hat: a) dass in dem Adressbuch die Mobiltelefonnummer [nennt eine 0171-Nummer]unter dem Namen „Heisse“ gespeichert ist und diese Nummer laut Auskunft der Bundesnetzagentur auf Thorsten Heise registriert ist; b) dass das Telefon am 01.11.2011 von der Telefonnummer [nennt eine 0174-Nummer]folgende SMS empfangen hat: „hammerskinfest italien 2011 in mailand mit max resist, gesta bellica, bullets 38, malnatt, slapgungs und mehr am samstag 26.11 / hin und rueckflug ab duesseldorf = 40€ + hotel, leihwagen etc./ duessel ab 12 und zuerck in duessel am sonntag 27.11. um 17uhr … lust/zeit? muessen nur genug fuer das auto werden und morgen buchen mfg bassi“, dass diese Telefonnummer in dem Telefonbuch Gerlachs unter „Bassi2“ gespeichert ist und laut Auskunft der Bundesnetzagentur auf Sebastian Wa. registriert ist; c) dass von dem sichergestellten Telefon am 02.11.2011 eine SMS an die Mobiltelefonnummer 0174/3241265 mit folgendem Inhalt gesendet wurde: „Ein weißer mann schrieb einmal an die wand des rathauses in jena. Nur scheiße ist braun, und neger auch:-):-). So urlaub war gut und erholsam jeden tag 10 stunden schlafen usw. Lediglich meine frau hat mich ausgeplündert:-). Wie gehts wie stehts? [….] Lg“; d) dass im Gerätespeicher und auf der Speicherkarte des Telefons u.a. Bilder des Reichsadlers, von Hakenkreuzen und der Reichskriegsflagge gespeichert sind; e) dass in dem Gerätespeicher und auf der Speicherkarte mehrere Audiodateien der Band „Stahlgewitter“, der Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ und diverse Audiodateien mit rechtsextremistischen Sprüchen, Parolen, Witzen etc. gespeichert sind.
2) PHK Schm. als Zeugen zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die Auswertung der Internethistorie der Festplatte des am 06.11.2011 bei Gerlach sichergestellten PC „Tower grau“ ergeben hat, dass unter den mehr als 100 gespeicherten Lesezeichen im Browser Mozilla Firefox eine erhebliche Anzahl Links zu rechten Seiten gespeichert waren, und zwar u.a: Magazin: B&H – Issue 24, rechte Nachrichtenseite „widerstand.info„, Online-Versandhandel „Ostpreußenfront-Versand“, „NMV-Versand“ aus Chemnitz, „Nordsachsenversand“ des „Nationalen-Versandhaus“ aus Gohrich, „Germaniaversand“, Versandhandel „Levensboom“, „Molokoplus“-Versand, „Z-Versand“, „Odin-Versand“, Musikversandhandel „Wewelsburg Records“, Musikmagazinseite „Aryan Music“ und zu den Seiten der Band „Lunikoff-Verschwörung“ und der Band „Kommando Skin“.
3) KOKin Me. als Zeugin zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die Auswertung einer bei Gerlach am 06.11.2011 sichergestellten Festplatte eines PC ergeben hat,: a) dass sich in dem Ordner „Pressefest 2004“ Bilder vom „Pressefest der Deutschen Stimme“ am 07.08.2004 in Mücka finden, auf denen u.a. Gerlach als Festbesucher zu sehen ist; b) dass Gerlach die Bilder des Pressefestes in seinem noch 2011 aktiven „Goolive“-Profil unter dem Titel „Pressefest und die nshc-crew ist bei“ nach dem 07.08.2004 hochgeladen hatte, zusammen mit weiteren persönlichen Bildern.
4) die als Anlagen zum Antrag beigefügten Fotografien in Augenschein zu nehmen und Ermittlungen beim GBA zu Datum, Ort und Anlass bzw. Thema der jeweiligen Demonstration in Auftrag zu geben und dann den ermittelnden Beamten als Zeugen zu vernehmen, hilfsweise die Einsatzleiter der bei den folgenden Demonstrationen eingesetzten Polizeikräften zu hören, zum Beweis der Tatsachen: dass die ersten angehängten Bilder Gerlach auf einem von verschiedenen Neonaziorganisationen, insbesondere „Freien Kameradschaften“, veranstalteten „Trauermarsch“ am 15. Januar 2005 als einen von rund 1.000 Teilnehmern in Magdeburg zeigen; dass weitere Bilder Gerlach auf dem umzäunten Antreteplatz am Fernsehturm im Berlin für die von den JN angemeldeten Demonstration am 08.05.2005 mit dem Titel „60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult“ zusammen mit dem Angeklagten Wohlleben und Marc-Oliver Matuschewski als einen von ca. 2000 Teilnehmern zeigen; dass weitere Bilder Gerlach auf einer Demonstration der NPD und „Freien Kameradschaften“ am 18.06.2005 mit dem Motto „Sozialabbau, Rentenklau, Korruption – nicht mit uns“ als einen von rund 200 Teilnehmern, der zusammen mit Anhängern der KS Weserbergland läuft, in Braunschweig zeigen;
5) KOKin Ar. vom BKA, als Zeugin zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass drei JPG-Dateien mit Bildern der Comicfigur „Paulchen Panther“ von der bei Gerlach am 06.11.2011 sichergestellten Festplatte der Marke Samsung gelöscht wurden, weiter ist die Zeugin zu fragen, wann diese Bilder heruntergeladen worden sind und wann sie gelöscht worden sind; 6) das Schreiben des BfV auf Anfrage des BKA vom 22.11.2011, das Schreiben des VS Niedersachsen vom 09.12.2011 und das Antwortschreiben des MAD vom 06.12.2011, jeweils zu Erkenntnissen zu Holger Gerlach, beizuziehen und Akteneinsicht zu gewähren.
Zur Begründung: Die Beweise werden ergeben, dass Gerlach nie aus der Neonaziszene ausgestiegen ist und weiterhin einer Nazi-Ideologie verhaftet geblieben ist. Gerlach hat in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben, er sei nach einem längeren inneren Ausstiegsprozess und einer Entfremdung von der Szene 2004 endgültig ausgestiegen. Auslöser sei gewesen, dass sein bester Freund ihn mit seiner Freundin betrogen habe. In seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 25.11.2011 hat er diese Ausstiegsgeschichte konkreter dargestellt: „Der 30. Geburtstag war für mich innerlich der Abschluss mit den Leuten. Das war auch der Zeitpunkt, an dem ich mich von der rechten Szene verabschiedet habe, u. a. weil Sebastian Wa. mich mit meiner Freundin betrogen hat“. Den Besuch von zwei Demonstrationen im Jahr 2005 und die Begleitung von Marc-Oliver Matuschewski am 25.10.2011 zu einem Prozess bezeichnete Gerlach in seiner Einlassung lediglich als einen Freundschaftsdienst.
Diesen angeblichen Szeneausstieg hat Gerlach in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung selbst in den Kontext seiner Unterstützungshandlungen gesetzt und behauptet, der behauptete verringerte Kontakt zu dem Trio sei angeblich mit seinem Szeneausstieg verbunden: „Dann habe ich den persönlichen Kontakt abreißen lassen und mich nicht mehr gemeldet, da ich aus der Szene ausgestiegen bin. Dann haben die Drei Kontakt zu mir aufgenommen. Dies war etwa 2005.“ Die bisherige Hauptverhandlung hat bereits ergeben, dass der Kontakt zum Trio nicht im Jahr 2004 abgerissen ist. So ist der Angeklagte Gerlach noch im Jahr 2006 zusammen mit dem Trio in den Urlaub gefahren. Die beantragte Beweiserhebung wird zeigen, dass auch der vermeintliche Ausstieg so nicht stattgefunden hat. Nach Darstellung von Gerlach müssten dann alle drei ihm in der Anklage vorgeworfenen Unterstützungshandlungen in die Zeit nach seinem vermeintlichen „Ausstieg“ fallen: Die Übergabe des Führerscheins und der ADAC-Mitgliedskarte 2004, der AOK-Mitgliedskarte der Zeugin Sch. 2006 und des Reisepasses und der AOK-Mitgliedskarte im Jahr 2011.
Insofern ist es für den in der Anklage angenommenen Eventualvorsatz ein wichtiges Indiz, wenn der Angeklagte in dieser Zeit der Unterstützung nicht ausgestiegen war, er also auch weiterhin die nationalsozialistische Überzeugung mit dem Trio teilte. Wie die unter Beweis gestellten Taten ergeben, ist Gerlach nicht „ausgestiegen“. Vielmehr war er bis zu seiner Festnahme durchgehend der Ideologie und relevanten Personen aus der Nazi-Szene verbunden und nahm nach den bisherigen Erkenntnissen zumindest 2005 und ab 2011 regelmäßig an Szene-Events teil. Dass es bisher zu dem Zeitraum 2006 bis 2010 keine Erkenntnisse zu offen rechten Aktivitäten Gerlachs gibt, kann auf Löschungen von entsprechenden Dateien beruhen oder darauf, dass Gerlach tatsächlich nicht aktiv gewesen ist; dies wäre dann aber kein „Ausstieg“, sondern nur eine Zeit politischer Inaktivität unter gleichzeitiger Beibehaltung der Ideologie und des Kontakts zur Szene.
Bis 2011 lassen sich fast durchgehend Aktivitäten bzw. Kontakte Gerlachs zur rechten Szene finden: a) Im Jahr seines angeblichen Ausstiegs, 2004, war Gerlach auch nach den sich in der Akte befindlichen Erkenntnissen noch sehr aktiv in der Szene. So gehörte er am 25.01.2004 zu einer 30-köpfigen Personengruppe, die nach einem Konzert rechtsextremistische Parolen skandierte. Am 08.05.2004 nahm er als einer von ca. 50 Teilnehmern, von denen die meisten aus dem KS-Spektrum stammten, an einer Kranzniederlegung in Essel teil. Im Mai 2004 feiert er außerdem seinen 30. Geburtstag im „Braunen Haus“ in Jena, zu dem u.a. Wohlleben und Alexander Sch. eingeladen waren. Obwohl laut seiner Darstellung sein Geburtstag ein Schlusspunkt gewesen sein soll, nahm er am 07.08.2004, also ca. drei Monate später, am Pressefest der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ teil, bei es sich laut BKA um ein Fest der Nationalisten mit Reden, Vorträgen und musikalischen Beiträgen handelt, und präsentierte die dazugehörigen Bilder noch im Jahr 2011 auf seinem „Goolive“-Profil. Am 18.12.2004 nahm er mit 100 weiteren Personen an einem Konzert in Neustadt teil, auf dem führende Neonazi-Bands aus Niedersachsen spielten.
b) Auch 2005 ließen die Szeneaktivitäten Gerlachs nicht nach. In seiner Einlassung sprach er von der Teilnahme an zwei Demonstrationen, die er als Freundschaftsdienste bezeichnete. Es ist schon nicht plausibel, inwiefern die Teilnahme an einer Demonstration einen Freundschaftsdienst darstellen soll. Augenfällig an dieser Version ist aber insbesondere, dass über genau zwei Demonstrationsbesuche Gerlachs vor seiner Einlassung öffentlichkeitswirksam in „Frontal 21“ bereits im November 2011 berichtet wurde. Dies sind die unter Beweis gestellten Demonstrationen in Magdeburg und in Berlin, auf der er auch den Angeklagten Wohlleben traf. Verschwiegen hat Gerlach zumindest die Teilnahme an einer dritten Veranstaltung, nämlich an der Demonstration am 18.06.2005 in Braunschweig. Außerdem soll Gerlach nach einem Medienbericht noch an einer Gegenkundgebung zu einer linken Demonstration in Garbsen am 10.12.2005 teilgenommen haben. Der Angeklagte war also 2005, nur einige Monate nach seinem angeblichen Ausstiegsjahr weiterhin aktiv in der Naziszene. Was seine Aktivitäten im Jahr 2005 von denen im Jahr 2004 unterscheiden soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere auch deshalb nicht, weil er nicht mit der neonazistischen Ideologie gebrochen hat.
c) 2011 besuchte Gerlach dann noch ein Neonazikonzert. Es wird sich dabei um das Konzert „Transatlantik-Linie“ in Nienhagen am 16.07. gehandelt haben, bei dem u.a. B&H zugehörige bzw. nahe stehende Bands auftraten. Gerlach hat in seiner Einlassung dazu nur gesagt: „Ich meine, ich habe 2011 auch noch ein Konzert besucht“. Auch hier zeigt sich deutlich, dass Gerlach in Bezug auf seine Szenezugehörigkeit nur zugibt, was bereits bekannt ist. Denn aus der Akte ergibt sich, dass bei dem fraglichen Konzert der Wagen seiner Lebensgefährtin am Austragungsort festgestellt wurde. d) Für die weitere Einbindung in die Szene spricht auch die SMS vom 01.11.2011, die Gerlach von Sebastian Wa. bekommen hat. In dieser Nachricht stellt Wa. die Frage, ob Gerlach an einem Hammerskin-Konzert in Italien teilnehmen möchte. Da Wa. offensichtlich versuchte, ein Auto voll zu bekommen, ist davon auszugehen, dass er nur solche Personen anschrieb, bei denen er ernsthaft davon ausging, sie könnten mitkommen. Wäre aber Gerlach tatsächlich seit sieben Jahren ausgestiegen und auch quasi nur zufällig auf das Konzert in Nienhagen gekommen, wäre er von Wa. nicht zu diesem Konzert explizit eingeladen worden.
e) Außerdem hielt Gerlach über die gesamten Jahre, also auch seinem „Ausstieg“ die Freundschaft zu hochrangigen Neonazis aufrecht. Hierzu gehört Mark Oliver Matuschewski, dem ehemaligen KS-Führer der im Jahr 2012 verbotenen KS „Besseres Hannover“. „Besseres Hannover“ war die „aktivste niedersächsische Gruppierung“, VS-Bericht Niedersachsen 2012. Der Kern ihrer Propaganda und Aktivitäten war rassistisch und antidemokratisch. Weiter gehört dazu Manuel Be. aus Lauenau, ebenfalls ein enger und langjähriger Freund Gerlachs, der 2006 auf einer Demonstration in Bad Nenndorf ein C18-Shirt trug. In seiner Einlassung gesteht Gerlach allgemein Kontakte zu Szeneangehörigen ein, versucht allerdings diese Kontakte als Freundschaften herunter zu spielen, die trotz seines Ausstiegs noch wegen ihres Freundschaftscharakters bestehen geblieben seien. Dabei übersieht Gerlach, dass es sich hierbei nicht nur einfach um Rechte handelt, sondern um zum Teil hochorganisierte und ideologisch radikal eingestellte Personen, die nicht mit einem echten „Aussteiger“ befreundet wären. So zeigt sich beispielhaft an der Einladungs-SMS von Wa., der ebenfalls Mitglied bei „Besseres Hannover“ war, zum Hammerskin-Festival, dass er und der Angeklagte auch noch die Ideologie geteilt haben.
f) Die Einlassung Gerlachs zu seinen Aktivitäten in der rechten Szene und seinem angeblichen „Ausstieg“ zeigt sich also angepasst an den Akteninhalt und an Medienberichte. Auch ideologisch hat sich der Anklage nie von seiner rassistischen und neonazistischen Einstellung gelöst. Deshalb ist insbesondere der Teil der Einlassung, in der es heißt, er hätte sich nicht nur von der Szene gelöst, sondern auch von deren Ansichten, weil er seit 1999 „ausländische“ Kollegen habe, sogar eine Fahrgemeinschaft mit einem türkischen und zwei russischen Kollegen gebildet habe, was für ihn völlig normal und gut gewesen sei, nicht zutreffend. Insofern ist schon die eigene Einlassung widersprüchlich, da er auf der einen Seite, den „Ausstieg“ auf 2004 datiert, und auf der anderen Seite bereits seit fünf Jahren gute Erfahrungen mit „ausländischen“ Kollegen machte. Die Einlassung Gerlachs, dass er aufgrund des Kontakts zu Kollegen seine „bisherigen politischen Ansichten und Vorurteile Ausländern gegenüber überdenken musste“, wird durch die Verlesung der von ihm 2011 verfassten und verschickten SMS mit der Aussage „Ein weißer mann schrieb einmal an die wand des rathauses in jena. Nur scheiße ist braun, und neger auch:-):-)…“, wodurch Gerlach eine rassistische Grundhaltung manifestiert, widerlegt.
Diese SMS widerlegt auch die Angaben des Zeugen Alexander Sch., der in der Hauptverhandlung zwar offen angegeben hatte, dass der Rassismus und die „Fremdenfeindlichkeit“ ein wesentliches Element der Ideologie Gerlachs waren, dass er aber mit entsprechenden Äußerungen irgendwann aufgehört habe. Die ideologische Positionierung des Angeklagten ergibt sich weiterhin aus den gespeicherten Lesezeichen zu Presseerzeugnissen und Musik mit rechten Inhalten, sowie zu Onlinehändlern, die die neonazistische Szene bedienen. Ebenso zeigt sich die Einstellung des Angeklagten in den auf seinem Handy gespeicherten Bildern mit NS-Symbolen und der Musik, z.B. von „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, die 2010 das sogenannte „Dönerkillerlied“ gemacht haben. Die über 2004 hinausreichende Einbindung Gerlachs in die aktive Neonaziszene wird auch durch die Speicherung der Telefonnummer von Thorsten Heise in sein Mobiltelefon belegt. Derselbe Eintrag findet sich außerdem bei den am 13.11.2011 sichergestellten Mobiltelefonen Nokia E66 und Nokia 1600. Die gespeicherte Nummer ist zwar kein Beweis für ein über das Jahr 2002 hinausreichendes permanentes Kontaktverhältnis zwischen Heise und Gerlach. Allerdings ist der Umstand, dass Gerlach über neun Jahre hinweg die Nummer von Heise in den Adressspeicher jedes neuen Handy übertrug, ein Hinweis darauf, dass er seine Kontakte zu einem der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Neonazis nach seinem angeblichen „Ausstieg“ aus der Szene nicht abbrach und auch nicht abbrechen wollte.
Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind beispielhaft für die im Tatzeitraum bestehende rechtsextremistische Einstellung Gerlachs. In den bei dem Angeklagten sichergestellten Asservaten gibt es noch viele weitere Hinweise, z.B. die auf der bei Gerlach am 06.11.2011 sichergestellten Festplatte gespeicherten Plattencover u.a. der Bands „Eisregen“, „Stahlgewitter“, „Sturmtrupp“, „Commando Pernod“, „Race War“ oder die in seinem „Goolive“-Profil geposteten Postkartenvorlagen mit rassistischem Inhalt. Das Ergebnis der durchgehenden aktiven und zumindest ideologischen Verbundenheit mit der Szene widerlegt einen zentralen Punkt der Einlassung des Angeklagten und belegt, dass er zum Zeitpunkt seiner Unterstützungsleistungen die Einstellung des Trios geteilt hat. Dies wiederum ist für die Frage des Motivs für die Unterstützung des Trios und für sein Wissen um dessen Taten relevant. Die beantragten Beweiserhebungen sind somit auch von zentraler Bedeutung für die Bewertung seines gesamten Aussageverhaltens. Während seine Aussagen zu den Tatbeiträgen von Wohlleben und Zschäpe durch die bisherige Beweisaufnahme bestätigt worden sind und somit als glaubhaft eingestuft werden können, ist sein Aussageverhalten zu seinem eigenen Wissen und Wollen eindeutig taktisch geprägt.
Die Beweistatsache, dass drei Bilder von der Comicfigur „Paulchen Panther“ gelöscht worden sind, ist relevant, da das Speichern und vor allem das Löschen dieser Bilder, sollte dies nach dem 04.11.2011 erfolgt sein, ein Indiz dafür ist, dass Gerlach sich bereits vor Veröffentlichung des Bekennervideos mit der für den NSU so zentralen Figur beschäftigte. Wenn die Beweisermittlung ergibt, dass die Speicherung zeitlich im Zusammenhang zum Beispiel mit einem der Treffen mit dem Trio steht und die Löschung unmittelbar nach der ersten polizeilichen Konfrontation des Angeklagten Gerlach mit der Nutzung seiner Personalien durch die Bankräuber von Eisenach steht, ist nachgewiesen, dass ihm viel mehr über den NSU bekannt war, als er heute zugibt. Der Anspruch auf Beiziehung der beantragen Dokumente ergibt sich aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit. Das beantragte Antwortschreiben des BfV auf die BKA-Anfrage findet sich, soweit ersichtlich, auch nicht in einer Zusammenfassung in der Akte. Von den mitgeteilten Erkenntnisse des VS Niedersachsen vom 09.12.2011 und des MAD vom 06.12.2011 sind nur Zusammenfassungen des BKA in der Akte, die Originale nicht.
Angesichts der bereits benannten Erkenntnisse ist zu erwarten, dass sich hierin weitere Anzeichen für eine andauernde Einbindung Gerlachs in die Neonazi-Szene ergeben. Dieser Erwartung steht auch nicht entgegen, dass Unterlagen beim niedersächsischen VS zu Gerlach bereits im Jahr 2010 vernichtet worden sind. Hierzu hat das niedersächsische Innenministerium erklärt, dass alle in Dateien zu Holger Gerlach gespeicherten Erkenntnisse gelöscht wurden. Dabei übersieht das Ministerium anscheinend, dass es bereits am 09.12.2011 dem BKA Erkenntnisse zu Gerlach mitgeteilt hat, die dann das BKA nur zusammengefasst zur Akte gegeben hat und auf der die Demonstrationsteilnahmen 2005 fehlen. Wie sehr der VS Gerlach im Blick hatte, zeigt sich nicht nur an der Observation im Auftrag des TLfV im August 1999 von Gerlach und Wohlleben, als dieser zu Besuch in Hannover bei Gerlach war, sondern auch daran, dass die Ex-Freundin von Gerlach, Besuch von einem „Herrn Volkmann“ vom VS erhalten hat, der sie zu Gerlach befragte. Danach sagt Götzl; „Wir werden das wie immer kopieren.“ Gerlachs Verteidiger RA Hachmeister sagt, die Verteidigung benötige Zeit für eine Stellungnahme. Dann setzt Götzl eine Pause bis 11:15 Uhr an, die jedoch verlängert wird. Um 11:45 Uhr geht es weiter.
NK-Vertreter RA Scharmer stellt den Beweisantrag vom 18.03.2014 (vgl. 94. Verhandlungstag) zu Michael See (heute: Doleisch von Dolsperg) wie folgt um: Soweit die Tatsache unter Beweis gestellt wurde, dass André Kapke Dolsperg im Laufe des Jahres 1998 fragte, ob er Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unterbringen könne, er dies jedoch nach Rücksprache mit seinem V-Mann-Führer „Alex“ absprachegemäß verneinte, wird der Antrag insofern geändert, als dass nunmehr stattdessen die Tatsache unter Beweis gestellt wird, dass Kapke Dolsperg im Laufe des Jahres 1998 fragte, ob er Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt unterbringen könnte bzw. einen Platz wüsste, wo die Drei hin könnten und Dolsperg hierauf entgegnete, aus dem Stegreif wüsste er nichts, er melde sich aber, wenn ihm etwas einfiele. Er habe diesen Gesprächsinhalt „Alex“ im Anschluss telefonisch mitgeteilt. Dieser gab ihm die Anweisung für den Fall eines Rückrufs zu sagen, dass er nichts für die Drei habe. Aufgrund dieser Anweisung habe er sich auch nicht von sich aus bei Kapke gemeldet. Zudem wird Dolsperg bekunden, dass er von „Alex“ eineinhalb Jahre später noch einmal darum gebeten wurde, Infos über die drei Untergetauchten zu beschaffen. Er habe daraufhin noch einmal bei Wieschke nachgefragt und könne auch nicht ausschließen, dass er Kapke noch einmal darauf angesprochen habe.
Soweit außerdem der Beweisermittlungsantrag gestellt wurde, Dolsperg zu der Frage zu vernehmen, ob er zwei schwedische Telefonnummern im November 2011 genutzt hat und ihm bekannt ist, welche Person diese Nummern genutzt haben soll, wird dieser Antrag zurückgenommen. Ferner wird beantragt, zur Vorbereitung über die Entscheidung des Antrags vom 18.03.2014 ergänzend im Freibeweisverfahren neben der bereits verlesenen Vernehmung des Zeugen beim GBA vom 10.03.2014 [vgl. 238. Verhandlungstag] den beigefügten Artikel aus dem Spiegel, Ausgabe 9/2014, verfasst von Hubert Gude, Titel: „Unter Reißwölfen“ sowie die Erkenntnismitteilung des BfV vom 13.02.2013 zu verlesen.
Zur Begründung: Am 20.10.2015 hat der Senat bereits die Vernehmung von Dolsperg beim GBA verlesen. Eine Begründung, warum diese Verlesung im Freibeweisverfahren erfolgt, wurde nicht abgegeben. Insofern ist anzunehmen, dass die Verlesung die Bescheidung des Antrags vom 18.03.2014 vorbereiten soll. Die Zielrichtung dieser Vorbereitung lässt sich nur vermuten. Um aber ggf. einer ungerechtfertigten Ablehnung des Antrages vorzubeugen, wird beantragt, zumindest ergänzend auch die benannten Unterlagen vor einer Entscheidung über den Beweisantrag im Wege des Freibeweisverfahrens zu verlesen.
Hierdurch wird gezeigt werden, dass eine reale Grundlage für die Annahme besteht, dass Dolsperg
die in sein Wissen gestellten Beweistatsachen bestätigen wird. Richtig ist, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung am 18.03.2014 die am 10.03.2014 geführte Vernehmung durch den GBA noch nicht Aktenbestandteil beim OLG war, den Antragstellern also nicht bekannt sein konnte. Insofern beziehen sich die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen insbesondere auf Äußerungen, die aus „Unter Reißwölfen“ im Spiegel 9/2014 bekannt geworden sind sowie ergänzend auf die bis zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Mitteilungen des BfV vom 13.02.2013, soweit ihnen im Rahmen des Kontextes des Spiegel-Artikels gefolgt werden konnte. Dolsperg hat in seiner Vernehmung beim GBA im Wesentlichen die unter Beweis gestellten Tatsachen bekundet. Er ist ausweislich der Vernehmungsniederschrift in Teilen davon abgewichen, wobei unklar ist, ob und inwieweit sich derartige Ausführungen auch bei einer ggf. konfrontativen Zeugenbefragung im Rahmen des Prozesses erklären bzw. ausräumen lassen.
Es kann im Rahmen der Erheblichkeit der unter Beweistatsachen nicht darauf ankommen, ob nach dem Versuch Kapkes, über Dolsperg eine Unterbringungsmöglichkeit für die drei Untergetauchten im Jahr 1998 zu besorgen und eine Rücksprache von Dolsperg mit seinem V-Mann-Führer erfolgte noch ein weiteres Telefonat mit Kapke zu diesem Thema stattgefunden hat. Denn entscheidend ist einerseits, dass der Zeuge Kapke sich noch im Jahr 1998 um eine Unterbringungsmöglichkeit für die Drei bemühte und deswegen einschlägige Szeneangehörige mit weitreichender Vernetzung, wie damals Dolsperg, versuchte einzubinden. Insofern ist die Aussage von Dolsperg auch deswegen von Bedeutung, weil er die Angaben Kapkes widerlegt, der bestritten hatte, besagten Anruf bei Dolsperg getätigt zu haben. Trifft die Beweistatsache zu, sind die Angaben Kapkes noch weniger glaubhaft, als sie es ohnehin schon sind. Zum anderen ist die unter Beweistatsache aber auch von unmittelbarer Bedeutung für die Frage, ob staatliche Behörden die hier angeklagten Taten hätten verhindern können. Aus Sicht der Antragsteller ist diese Frage schon für sich genommen im Hinblick auf die legitimen Aufklärungsinteressen der hier vertretenen Nebenklägerinnen und Nebenkläger verfahrensrelevant.
Sie kann sich darüber hinaus insbesondere auch auf die Schuldfrage hinsichtlich der Angeklagten Zschäpe auswirken. Denn sollte die unter Beweis gestellte Tatsache bewiesen werden, ist der Schluss zu ziehen, dass das BfV 1998, nachdem Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos aus Jena geflüchtet waren, über die Anfrage von Kapke an Dolsperg informiert gewesen ist. Hätte Dolsperg dann bei gegenteiliger Weisung seines V-Mann-Führers eine Unterbringungsmöglichkeit angeboten und wären diese Informationen an die Ermittlungsbehörden weitergegeben worden, so hätten die drei Personen festgenommen werden können. Eine derartige Festnahme vor der ersten hier angeklagten Tat hätte zehn Morde, mindestens zwei Sprengstoffanschläge sowie dreizehn Banküberfälle verhindern können. Zudem wäre die weitere Entwicklung der terroristischen Vereinigung NSU zumindest unterbrochen worden. Diese Frage ist tat- und schuldrelevant – selbst im Sinne des äußerst engen Verständnisses des GBA. Denn bei einer Verurteilung u.a. wegen zehnfachen mittäterschaftlichen Mordes ist die Tatsache, dass die Ermittlungsbehörden eine naheliegende Möglichkeit zur Verhinderung der Taten nicht genutzt haben, jedenfalls als ein für die Prüfung der besonderen Schwere der Schuld relevanter Umstand zu berücksichtigen. Der Antrag ist von mehreren NK-Vertreter_innen unterschrieben, weitere NK-Vertreter_innen und auch die Verteidigung Wohlleben schließen sich an.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Beweisantrag [vgl. 210. Verhandlungstag] der Verteidigung Wohlleben auf Ladung von Norbert Wießner [zuletzt 199. Verhandlungstag] abgelehnt wird. Die Beweistatsachen seien „für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung“. Götzl macht wie üblich Ausführungen zur „prognostischen Prüfung“ [vgl. z. B. 232. Verhandlungstag]. Dann sagt er, dass der Umstand, dass von Juliane Walther und Tino Brandt Mitteilungen ggü. Wießner gemacht worden seien, ohne Bedeutung sei. Der Inhalt der Mitteilungen, dass die genannten Personen „jobben“ würden, belege, dass die Personen eine Arbeit verrichten bzw. verrichten wollen, für die sie bezahlt werden. Im Beweisantrag vom 09.06.1205 [vgl. 208. Verhandlungstag] hätten die Antragsteller behauptet, „Jobben“ sei ein szeneinterner Code für Raubüberfälle. Tatsachen, die diese „Code-Eigenschaft“ des Wortes „Jobben“ belegen würden, seien nicht vorgetragen worden.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Beweisantrag von RA Langer zu einer im Wohnmobil in Eisenach gefundenen Tankquittung [vgl. 213. Verhandlungstag] abgelehnt ist. Zunächst sagt Götzl, dass die im Antrag unter Beweis gestellten Tatsachen letztlich das Beweisziel beschreiben würden. Die beantragte Beweiserhebung solle die Grundlage dafür liefern, dass das Gericht folgenden Schluss zieht: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hätten 15,98 Liter Superbenzin ohne Verwendungsmöglichkeit in einem KFZ gekauft, dabei handele es sich um das beim Brand in der Frühlingsstraße von Zschäpe eingesetzte Brandmittel. Götzl legt dann die Beweistatsachen aus dem Antrag in diesem Sinne aus. Nach den Ausführungen zur prognostischen Prüfung führt er zur Begründung der Ablehnung des Antrags aus, dass nach den glaubhaften Angaben der Zeugin Ar. [217. Verhandlungstag] der Mieter des Wohnmobils, den die Zeugin als Böhnhardt identifiziert habe, am 14.10.2011 und am 25.10.2011 mit einem PKW zum Firmengelände der Wohnmobilvermietung in Schreiersgrün gebracht worden. Schreiersgrün liege ca. 35 km von Zwickau entfernt. Vor diesem Hintergrund sehe der Senat die naheliegende Möglichkeit, dass der Benzinerwerb als „Treibstoffersatz“ für die Person erfolgte, die den Mieter des Wohnmobils zweimal von Zwickau nach Schreiersgrün chauffierte. Es bestehe damit eine plausible anderweitige Verwendungsmöglichkeit für das Benzin. Im in Brand gesetzten Gebäude Frühlingsstraße 26 sei zudem auch nur ein 10-Liter-Kanister aufgefunden worden. Es gebe keine Hinweise auf ein oder mehrere Behältnisse zur Aufbewahrung der übrigen 5,98 Liter Benzin.
Dann verkündet Götzl, dass aus einem Asservatenverzeichnis vier Teile zur Verlesung kommen und verliest die Fundstellen. Götzl: „Es geht um den Antrag von Ihnen, Herr Klemke. Sie nicken, Sie wissen, um was es geht.“ Danach verliest Richter Lang zunächst den Kopf des Verzeichnisses, dann vier Asservatennummern jeweils mit der Beschreibung, dass es sich bei den jeweiligen Asservaten um Hülsen des Kalibers „6,35 B S&B“ [phon.] handele, und die Namen der asservierenden Beamten, Ca. und Hi. Zuletzt verliest Lang den Unterschriftenblock des Verzeichnisses. Danach fragt Götzl die Verteidigung Wohlleben, ob insoweit der Antrag auf Vernehmung von Ca. und Hi. [vgl. 174. Verhandlungstag] zurückgenommen wird. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders verneint das.
Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Antrag der Verteidigung Wohlleben auf Vernehmung von Mitarbeitern der Firma Sellier & Bellot zum Beweis der Tatsache, dass Sellier & Bellot nur scharfe Patronen, nie Schreckschusspatronen des Kalibers 6,35 mm erstellt hat [vgl. 174. Verhandlungstag], abgelehnt ist. Ein Beweisantrag auf Vernehmung von Auslandszeugen könne abgelehnt werden, wenn deren Anhörung nach Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Dies richte sich nach der Aufklärungspflicht des Gerichts. Im Beweisantrag werde lediglich die Tatsachenbehauptung aufgestellt, dass die Firma Sellier & Bellot ausschließlich scharfe Patronen, aber keine Schreckschusspatronen des Kalibers 6,35 mm Browning herstellte und noch immer herstellt. Begründet werde diese Behauptung nicht. Zu dieser Frage sei der Waffen-SV Manthei gehört worden [vgl. 208. Verhandlungstag]. Dieser habe überzeugend dargelegt, dass die aktuellen Produktkataloge von Sellier & Bellot keine Platzpatronen des Kalibers 6,35 mm führen würden. Allerdings habe eine Durchsicht des Katalogs von 1957 ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt Platzpatronen des Kalibers 6,35 mm im Sortiment von Sellier & Bellot gewesen seien. Vor dem Hintergrund der Ausführungen von Manthei prognostiziere der Senat, dass die beiden beantragten Zeugen die Beweisbehauptungen nicht bestätigen würden, wenn sie vor Gericht aussagen würden. Es stehe aufgrund der überzeugenden Angaben von Manthei fest, dass Sellier & Bellot in der Vergangenheit Platzpatronen des Kalibers 6,35 mm herstellte.
Schließlich verkündet Götzl den Beschluss, dass der Antrag der NK auf Beiziehung der von Jürgen Zweigert [zuletzt 227. Verhandlungstag]zur Vorbereitung seiner Aussage eingesehenen Deckblattmeldungen von Zweigert, Neisen und Wießner [vgl. 229. Verhandlungstag] abgelehnt ist. Es handele sich um Beweisermittlungsanträge. Nach den üblichen Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen und der Zusammenfassung des Antrags sagt Götzl, dass Zweigert in der Hauptverhandlung auf die gestellten Fragen umfassend und detailreich ausgesagt habe. Zweigert habe ausgeführt, dass seine Erinnerung durch das inzwischen erfolgte Aktenstudium aufgefrischt worden sei; er erinnere sich nun wieder an viele Einzelheiten, auch an solche, die schriftlich gar nicht niedergelegt worden seien. Zweigert habe ausgeführt, sich z. B. wieder daran zu erinnern, dass er den V-Mann Degner auf die Untergetauchten angesprochen habe. Degner habe die Drei zwar nicht gekannt, er habe Degner aber dennoch nach den Personen gefragt, weil die allgemeine Weisung an alle V-Mann-Führer des TLfV ergangen sei, ausnahmslos alle Quellen nach diesen Personen zu befragen. Diese Weisung finde sich nicht in den von ihm eingesehenen Akten, er könne sich aber nach dem Aktenstudium nun wieder an die Weisung erinnern.
Daran habe er sich beim UA Thüringen nicht mehr erinnern können, was er sich damit erkläre, dass er vor dem UA Thüringen nicht so intensiv mit den Sachverhalten beschäftigt habe und damals kaum eine detaillierte Erinnerung gehabt habe. Zweigert habe so das Abweichen seiner Aussage in einem Detail von den Angaben im UA Thüringen ausreichend und überzeugend erklärt. Anhaltspunkte, dass Zweigert in seiner gerichtlichen Vernehmung die Unwahrheit gesagt hätte, seien nicht vorhanden. Dass die beantragten Deckblattmeldungen Sachverhalte beschreiben, die zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit Zweigerts von Bedeutung sind, sei nicht erkennbar. Zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Degner sei die Beiziehung ebenfalls nicht erforderlich. Degner sei am 191. und 207. Verhandlungstag gehört worden, der Senat habe sich vom ihm einen persönlichen Eindruck verschafft. Der Inhalt der Vernehmung Degners durch das BKA sei größtenteils eingeführt. Die Zeugen Wießner und Zweigert vom TLfV seien zur Person Degner und seinen Mitteilungen umfänglich vernommen worden. In Bezug auf die Beurteilung der Schuld- und Rechtsfolgenfrage erfordere die Aufklärungspflicht die Beiziehung ebenfalls nicht. Anhaltspunkte, dass in den Meldungen Sachverhalte beschrieben werden, die für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage von Bedeutung sein können, seien nicht vorhanden.
Zweigert habe ausgeführt, die von ihm zur Vorbereitung gelesenen Deckblattmeldungen hätten sich nicht mit Umständen im Zusammenhang mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe befasst. Nicht von Bedeutung für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage seien insbesondere die im Antrag konkret aufgeworfenen Fragenkomplexe: Höhe von Beiträgen der B&H-Sektionen an die B&H-Division Deutschland; Feststellung der Daten von zwei von Degner mit organisierten Konzerten in Heilsberg; Namen von Mitglieder von B&H Thüringen, sofern sie nicht ohnehin durch die Beweisaufnahme hinlänglich bekannt seien; Strategietreffen am 10.10.1998 in Wilsdruff (hierzu würden die Antragsteller reine Vermutungen anstellen, indem sie in den Raum stellen würden, dass dort Mundlos und Böhnhardt mglw. teilgenommen haben; für diesen Schluss gebe es allerdings – abgesehen von der Tatsache, dass Mundlos und Böhnhardt aus Thüringen kamen – keine Anhaltspunkte; auch die unterstellte Teilnahme von Mundlos und Böhnhardt führe zu keinem für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage relevanten Aufklärungsgewinn) ;
Anhaltspunkte, dass die Meldungen Informationen zu einer Autorenschaft von Mundlos in „White Supremacy“ enthalten, seien nicht vorhanden; bloßes Kennverhältnis zwischen Degner und den Mitgliedern der Band „Vergeltung“; dass die Meldungen Informationen zur Frage enthielten, wer aus B&H Thüringen und B&H Sachsen wann und wie über C18 diskutierte, sei eine reine Vermutung; die Feststellung, ob sich die Namen Eminger und Gerlach in Degners Adressbuch befanden, sei nicht erforderlich (selbst wenn sich ergeben würde, dass Degner die Namen Eminger und Gerlach in sein Adressbuch eingetragen hat, führe dies zu keinem Aufklärungsgewinn; die umfangreiche Beweisaufnahme habe zahlreiche Hinweise erbracht, dass es innerhalb der rechten Szene zu Kennverhältnissen gekommen sei, die lediglich auf gemeinsamen Besuchen von Konzerten oder der gemeinsamen Teilnahme an Demonstrationen beruhten und nichts über eine freundschaftliche oder vertraute Beziehung zwischen den Personen aussagten; die Relevanz eines mgl. Kennverhältnisses Degners zu einem oder mehreren Angeklagten sei für die Beurteilung der angeklagten Taten nicht erkennbar).
Die Aufklärungspflicht erfordere es auch nicht, so Götzl weiter, die von den weiteren Mitarbeitern des TLfV Wießner und Neisen erstellten Deckblattmeldungen über Treffen mit Degner beizuziehen. Dass die Unterlagen Auskunft zu den im Antrag dargestellten Themenkomplexen gäben, sei erneut lediglich eine Vermutung der Antragsteller ohne Tatsachengrundlage. In diesem Zusammenhang würden sich, so Götzl, aufgrund der Angaben von Wießner und Zweigert keine Anhaltspunkte ergeben, dass im TLfV über die bereits zur Akte genommenen Informationen hinaus weitere Sachverhalte über Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe bekannt waren. Das Argument, die Akte Degner sei im TLfV vernichtet worden, verfange nicht. Ob es zu einer derartigen Vernichtung kam, könne dahinstehen. Jedenfalls folge aus dem Vorgang „Drilling“, dass die Erkenntnisse betreffend Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, zu diesem Vorgang genommen worden seien. Der Vorgang „Drilling“ sei Bestandteil der Verfahrensakte. Anhaltspunkte, dass der Vorgang unvollständig ist, seien nicht vorhanden. Der Verhandlungstag endet um 12:47 Uhr.
Das Blog „nsu-nebenklage“:
„Das Gericht verlas sodann weitere Beschlüsse, mit denen Beweisanträge abgelehnt wurden. Eine nähere Auflistung der abgelehnten Anträge ersparen wir uns an dieser Stelle, da das derzeitige Vorgehen des Gerichtes mit einem Satz zusammengefasst werden kann: alles wird abgelehnt, das Gericht verweigert schlicht die weitere Aufklärung des Sachverhaltes.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/10/28/28-10-2015/