Protokoll 300. Verhandlungstag – 20. Juli 2016

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An diesem Prozesstag ist erneut geladen. Er will sich auf sein Aussageverweigerungsrecht bezüglich der Frage, ob er V-Mann für das LfV Thüringen war, berufen. Es entsteht eine längere Diskussion, ob dies überhaupt möglich ist, woraufhin Degner für diesen Tag wieder gehen muss. Danach wird u.a. eine Erklärung von mehreren Vertreter_innen der Nebenklage zur Vernehmung von verlesen.

Zeuge:

  • Marcel Degner (Neonazi-Umfeld, Blood and Honour Thüringen, ehemaliger V-Mann des LfV Thüringen)

Heute ist Fototermin. Die Angeklagten betreten um 09:41 Uhr den Saal. Um 09:44 Uhr betritt auch der Senat den Saal. Anders als üblich darf diesmal auch der Senat fotografiert werden. Erst danach müssen die Kameraleute und Fotograf_innen den Saal verlassen. Nach der Präsenzfeststellung bittet OStA Weingarten um das Wort. Weingarten: „Ich wollte Sie nur in Kenntnis setzen, dass die Bundesanwaltschaft nach dem letzten Termin zur Einvernahme von Marcel Degner die StA München 1 davon unterrichtet hat, dass Sie mitgeteilt haben, der Zeuge sei beim vorletzten Mal nicht entlassen worden. Ich habe den Sachbearbeiter der der StA München 1 gefragt, ob das zu einer Einstellung geführt hat, aber die StA hat mir nur mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sei, man sei bei der vorläufigen Einstellung nach der StPO [phon.] verblieben.“ Götzl: „Dann rufen Sie bitte den Zeugen Degner auf.“ Marcel Degner [u.a. 292. Verhandlungstag] kommt mit seinem Zeugenbeistand RA Rotluff [phon.] in den Saal. Götzl: „Wir setzen heute mit Ihrer Einvernahme fort. Ich habe Sie das letzte Mal belehrt. Ich rufe Ihnen die erteilten Belehrungen in Erinnerung. Ist von Ihrer Seite eine Ergänzung vorzunehmen?“ Degner sagt recht leise: „Nö.“

Götzl: „Haben Sie für den Thüringer Verfassungsschutz gearbeitet?“ Degner: „Die Aussage möchte ich hiermit praktisch revidieren und meine Aussage darüber verweigern.“ [phon.] Götzl: „Können Sie das begründen?“ Degner: „Sicherlich. Nach § 55 StPO möchte ich das dann verweigern.“ OStA Weingarten: „Ich muss nachfragen, ich habe das nicht verstanden. Ich habe gehört: ‚Ich möchte meine Aussage revidieren und von meinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.‘ Das ist in sich widersprüchlich. War das eine Angabe zur Sache? Das müsste der Zeuge klarstellen.“ Degner: „Ja.“ Götzl: „Die Frage ist, ob Sie zu dem Revidieren nähere Angaben machen möchten.“ Degner: „Ich möchte dazu keine Angaben machen.“ [phon.] Götzl: „Also Sie revidieren ihre Aussage, aber wollen keine Angaben im Einzelnen machen?“ [phon.] Degner: „Ja.“ Götzl: „Sind denn von Seiten des Senats Fragen? Keine. Von der Bundesanwaltschaft?“

OStA Weingarten: „Herr Zeuge, ich habe jetzt das, was Sie gesagt haben, nicht verstanden. Wenn Sie sagen ‚Ich will meine Angaben revidieren‘, wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass Sie damit Ihre Angaben beim letzten Mal zum Status als nachrichtendienstlicher Mitarbeiter revidieren wollen?“ Degner: „Ja, und dazu will ich keine Aussagen machen.“ Weingarten: „Sie können keine Aussagen ungeschehen machen. Sie können nur sagen, ‚ich mache keine Angaben‘ oder ‚ich revidiere meine Angaben‘. Das wäre aber eine Angabe zur Sache. Haben Sie jetzt eine Angabe zur Sache gemacht, indem Sie die Angaben zurücknehmen, oder berufen Sie sich auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht?“ Degner: „Ja.“ Götzl: „Ja, ersteres oder letzteres?“ Weingarten: „Herr Zeuge, ich habe zwei Fragen gestellt.“ Degner sagt, er habe das nicht richtig verstanden.

Weingarten: „Dann die beiden Fragen in getrennten Sätzen: Möchten Sie Ihre bisherigen Angaben, sie wären kein Mitarbeiter des Amts gewesen und hätten keine Informationen geliefert, möchten Sie diese Angaben revidieren?“ Degner: „Ja.“ Weingarten: „Kann ich das so verstehen, dass die Angaben unrichtig waren?“ Degner: „Nein.“ Nach kurzem Schweigen sagt Degner: „Ich möchte dazu keine Angaben machen.“ Weingarten: „Oder ist das die Verklausulierung, dass Sie zu diesem Punkt heute keine Angaben machen wollen?“ Degner: „Richtig.“ Weingarten: „Also, so wie ich das verstehe: Sie wollen heute keine Angaben machen zur Frage, ob Sie nebenberuflicher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gewesen sind?“ Degner: „Ja.“

NK-Vertreter RA Hoffmann: „Wollen Sie nur zu dieser Frage keine Angaben machen oder insgesamt?“ Degner: „Ich gebe auch insgesamt keine Angaben.“ RA Scharmer: „Also, ich muss jetzt doch insistieren. Das ist eine Wiederholungsfrage, ich stelle anheim, aber ich muss nochmal die Frage stellen: Haben Sie gegenüber dem Landsamt für Verfassungsschutz Thüringen Angaben gemacht, welche, zu welchem Zeitpunkt, wem gegenüber und was?“ Degner: „Ich wiederhole nochmal: Ich mache dazu keine Angaben.“ Scharmer: „Ich sehe kein Recht der Auskunftsverweigerung und rege die Androhung eines Ordnungsgeldes an.“ Degner: „Nach § 55 StPO werde ich die Auskunft verweigern.“ Scharmer: „Ich sehe keine Möglichkeit, die Auskunft zu verweigern.“ Wohlleben-Verteidiger Klemke: „Ich denke schon, dass er zur Frage nach dem Verfassungsschutz ein Auskunftsverweigerungsrecht hat, aber nicht zu den Fragen, die Herr Hoffmann stellen will. Da sehe ich überhaupt keinen Anlass.“ Götzl: „Wobei keine konkreten Fragen gestellt wurden.“ Klemke: „Herr Hoffmann hat das so klaglos hingenommen.“ Hoffmann: „Ich bitte mir fünf Minuten Zeit zu geben, um zu überlegen, ob ich konkrete Fragen stelle.“ Es folgt eine Pause bis 10:14 Uhr.

Götzl: „Dann setzen wir fort.“ Hoffmann: „Also, ich habe mit dem Kollegen gesprochen, weil er auf seine Frage noch keine Antwort gekriegt hat. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, bevor das nicht geklärt ist, bevor Herr Scharmer seine Antwort bekommt.“ Götzl: „Das können wir mal zurückstellen und deswegen die grundsätzliche Frage, ob Sie weitere Fragen haben.“ Hoffmann: „Ich kann Folgendes sagen: Geladen ist er zu dem Bereich dieser Deckblattmeldungen. Ich bin der Meinung, er hat keinen 55 auf diese Frage. Das muss geklärt werden. Wenn er dazu nichts sagt, kann ich nicht erwarten, dass ich auf Fragen, die ich ansonsten stelle, ehrliche Antworten bekomme.“ Götzl: „Ja, geht es ebenfalls um diesen Bereich?“ Hoffmann: „Es knüpft daran an, ja.“ Götzl sagt in Richtung Degners und seines Beistands: „Es ist ja auch Ordnungsgeld beantragt, deswegen würde ich bitten, dass Sie draußen Platz nehmen.“ Zeuge und Beistand verlassen den Saal. Scharmer: „Ich hatte nur angeregt. Es ist evtl. sinnvoll, das in Gegenwart des Zeugen zu erörtern, es geht um sein Ordnungsgeld.“ Klemke: „Im Gegenteil, es ist sogar geboten, dass er da anwesend ist, nötigenfalls mit Beistand.“ Götzl: „Dann holen wir ihn wieder rein.“ Zeuge und Beistand kommen wieder in den Saal.

Scharmer: „Es geht im Kern um die Frage, ob Herrn Degner ein Auskunftsverweigerungsrecht nach 55 zusteht. Das ist in der Tat prozessual nicht ganz einfach. Ich bin auch ein großer Freund einer großzügigen Auslegung des 55. Hier ist es aber eine besondere Konstellation. Herr Degner müsste ja sagen, bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung würde er sich der Verfolgung aussetzen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung meiner Frage würde er sich gerade nicht mehr der Gefahr aussetzen müssen. Wenn das der Fall ist, dass wenn man merkt, man hat sich in eine Sackgasse begeben, dass man sich immer dann auf den 55 beruft, dann würde das nicht der Wahrheitsfindung dienen. [phon.] Deswegen meine ich, dass ihm an der Stelle kein 55 zusteht. Und dann wäre der erste Schritt, ihm ein Ordnungsgeld anzudrohen, um eine möglichst ordnungsgemäße und wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen.“ Weingarten: „Auf die Frage, ob die Vernehmung am 20. Mai letzten Jahres beendet wurde oder nicht, kommt es im Moment ja gar nicht an, sondern wir haben ein nur vorläufig eingestelltes Ermittlungsverfahren. Wie die Staatsanwaltschaft eines Tages die Beendigung der Aussage am 20. Mai beurteilt, wissen wir nicht. Es besteht aber jedenfalls die Gefahr einer Strafverfolgung, wenn er heute seine Angaben revidiert und die StA München 1 eines Tages zu dem Ergebnis kommen würde, dass am 20. Mai die Vernehmung beendet wurde und er sie nicht mehr korrigieren konnte. Das bedeutet, dass es aus Sicht der Bundesanwaltschaft ein Auskunftsverweigerungsrecht gibt. Die Frage ist, wie es sich verhält bei Fragen zu anderen Themenkomplexen. Das zu beantworten, ist nicht nötig, weil sich der Ordungsgeldantrag von Rechtsanwalt Scharmer auf eine Frage bezieht zu diesem Themenkomplex.“

Zu anderen Fragen gebe es keinen § 55 mit einer „quantitativ nicht unwichtigen“ Ausnahme, nämlich Themen, die am 20. Mai bereits angesprochen worden seien, so Weingarten. Nur der Zeuge könne wissen, ob er auch zu anderen Komplexen die Unwahrheit gesagt hat, und dann habe man dasselbe wie zur Frage ‚Tätigkeit als V-Mann‘. Mithin sei die Verweigerung der Beantwortung von Fragen also im Rechtssinne nicht unentschuldigt und damit verbiete sich die Androhung von Zwangsmaßnahmen. Klemke: „Maßgeblicher Adressat für die Prüfung, ob dem Zeugen die Gefahr der Verfolgung droht, maßgeblicher Adressat das zu beantworten, ist das Gericht. Und wenn das Gericht der Auffassung ist, dass der Zeuge nicht entlassen ist, die Aussage nicht beendet ist, dann ist die Strafverfolgung in logischer Konsequenz aus der Sicht des erkennenden Gerichts ausgeschlossen. Und es kommt auf den objektiven Tatbestand an und nicht, ob hier noch irgendwo ein Verfahren anhängig ist und was – offensichtlich aufgrund einer irrtümlichen Angabe des GBA – eingeleitet worden ist. Ich rege an, der gerichtlichen Fürsorgepflicht zu entsprechen und den Zeugen im Gegenteil darauf hinzuweisen, dass der Senat meint, dass die Aussage nicht beendet ist, und dass er wenn er nunmehr vor seiner Entlassung wahrheitsgemäße Aussagen macht, er nicht verfolgt werden kann. Im Gegenteil, wenn er hier – wohl nach Auffassung des GBA – weiter wahrheitswidrig angibt, nicht Zuträger des TLfV gewesen zu sein, dass er dann mit Sicherheit wegen eines Aussagedeliktes verfolgt wird. [phon.] Das sollte aufgrund der Fürsorgepflicht das Gericht ihm sagen.“

Scharmer: „Ich würde kurz reagieren wollen. Er ist anwaltlich beraten, die gerichtliche Fürsorgepflicht geht dann nicht so weit, ihn hier umfassend zu belehren, dafür ist der Beistand da. [phon.] Aber worauf ich hinweisen will: Herr Weingarten, es ist natürlich richtig, dass die bloße Möglichkeit der Verfolgung genügt. Wenn Sie sich auf den Standpunkt stellen, die StA München 1 könnte rechtsirrig annehmen, der Zeuge wäre doch entlassen worden, dann wäre das eine sehr fernliegende Möglichkeit, und die genügt nicht mehr den Anforderungen des 55. Dass die StA München 1 sich gegen die Mitteilung des Senats und des Protokolls stellt, diese Möglichkeit halte ich für sehr fernliegend.“ Götzl: „Ja, das Problem ist ja gerade – Sie haben ja gerade nachgefragt, ob sich was geändert hat – der derzeitige Stand ist ja, dass sich nichts geändert hat. Momentan haben wir ja tatsächlich ein Ermittlungsverfahren. Mit der Tatsache müssen wir uns natürlich schon auseinandersetzen.“

Klemke: „Da möchte ich ausnahmsweise dem Herrn Scharmer mal beispringen. Ich habe bereits darauf hingewiesen: Das Verfahren ist ja nur deshalb in Gang gesetzt worden, weil der GBA – genau wie ich übrigens – irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die Vernehmung des Zeugen beendet gewesen ist. Und bei dieser Sachlage kommt es einzig und allein auf die Einschätzung des erkennenden Gerichts an. Und nicht, ob irgendjemand aus abstrusen Gründen ein Verfahren eingeleitet hat. Dem Verfahren ist von vornherein der Boden entzogen. Von daher: Die reine Möglichkeit der Strafverfolgung genügt im vorliegenden Fall ausnahmsweise gerade nicht.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Ich möchte auf eines hinweisen: Ob das Recht des Zeugen einzelne Fragen nach 55 nicht beantworten zu müssen, ob dieses Recht so klaglos zu einem so umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht erstarkt, da bin ich sehr skeptisch. [phon.] Das geht in Richtung von Herrn Hoffmann, das schiene mir sehr einfach zu sein.“

Götzl: „Es sind alle möglichen Fragen gestellt worden. Gegenstand ist die Vernehmung und die prozessuale Tat, um die es letztlich geht. Was Sie ansprechen wollen, ist mir nicht klar, Herr Stahl, ich denke, über den Punkt sind wir hinaus. [phon.] Wir haben hier ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage, das eingeleitet wurde, vorläufig eingestellt wurde und den 55. Sie nehmen jetzt noch ergänzend Stellung, mir ist nur nicht ganz klar, auf welchen Punkt Sie sich letztendlich beziehen. [phon.]“ Stahl: „Habe ich doch gesagt. Ich sehe es so wie Herr Klemke, dass das Recht, einzelne Fragen nicht zu beantworten, nicht besteht, und ergänzend, dass bei Fragen, die wohl Herr Hoffmann zu stellen beabsichtigte, dass ein konkretes Aussageverweigerungsrecht nicht so einfach zu einem umfassenden wird. [phon.] Nicht zuletzt deswegen, weil Zeugen in der Vergangenheit vom 55 Gebrauch machen wollten und es gab großen Streit.“ Götzl: „Ja, es geht aber um etwas anderes, hier ist jetzt der Bezugspunkt Falschaussage, das haben Herr Scharmer, Herr Klemke und Herr Weingarten gemeint. Und Herr Hoffmann hat klargestellt, dass seine Fragen das Thema berühren, das wir gerade diskutieren.“

NK-Vertreter RA Reinecke: „Ich bin der Meinung, dass, wenn es dieses Verfahren gibt, man nicht mehr darüber diskutieren kann. Aber jeder Zeuge hat ja die freie Entscheidung. Und er ist sich doch über die Alternativen gar nicht im Klaren, trotz Zeugenbeistand. Denn wenn er heute entlassen wird, dann wird er verfolgt wegen Falschaussage. Dann ist ‚ich revidiere es‘ keine ausreichende Grundlage. Und die andere Alternative ist, dass er es inhaltlich korrigiert, dann hat er eine relativ große Chance, um ein Verfahren wegen eines Aussagedeliktes herumzukommen. Mich wundert, dass der Zeugenbeistand nicht darauf hinweist, dass er vor diesen Alternativen steht, dafür muss doch ein Beistand da sein. [phon.] Und ich würde anregen, dass der Zeugenbeistand das ganz ernsthaft mit seinem Mandanten diskutiert.“ Götzl: „Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund, ich wollte dem Zeugenbeistand selbst Gelegenheit geben, das zu diskutieren. Wollen Sie Stellung nehmen oder brauchen Sie eine Pause?“ Degners Zeugenbeistand: „Herr Degner hat sich heute im Rahmen seiner nicht abgeschlossenen Vernehmung in seiner diesbezüglichen Aussage berichtigt, indem er gesagt hat, er äußert sich dazu nicht.“ [phon.]

Götzl: „Dann muss ich das so eindeutig sagen: Sie haben das rechtlich nicht verstanden. Herr Degner hat auf die Frage, ob das eine Aussage zur Sache sein soll, deutlich Nein gesagt. Und er will die Aussage auf diese Frage ausdrücklich verweigern.“ [phon.] Rotluff [phon.]: „Deswegen wollte ich es klargestellt haben.“ Götzl: „Aber Herr Rotluff [phon.], Sie können als Zeugenbeistand den Herrn Degner nicht vertreten bei der Beantwortung von Fragen, es geht immer nur um das was der Zeuge sagt, nicht was Sie sagen.“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Ich rege an, die Beiordnung des Beistands aufzuheben und einen anderen Zeugenbeistand beizuordnen, weil dem Zweck der Beiordnung offensichtlich nicht entsprochen werden kann.“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Die Verteidigung Wohlleben schließt sich an, es ist offensichtlich hier.“ Stahl: „Welche Beratung dem Zeugen zuteil geworden ist, das wissen wir nicht. Aber nachdem, was der Rechtsanwalt gesagt hat, scheint es schon so zu sein: Der Zweck der Beiordnung wird nicht erfüllt. Das geht ja vollkommen an dem Zeugen vorbei, was hier passiert.“

Bundesanwalt Diemer: „Also wir nehmen die Anregung von Rechtsanwalt Heer auf.“ Klemke: „Ich wollte nochmal bekräftigen, was Herr Heer und Frau Schneiders ausgeführt haben. Auch ich denke, dass hier mit der Aufrechterhaltung der Beiordnung der Zweck der Beiordnung nicht mehr erfüllt werden kann. Es liegt ein wichtiger Grund vor, einen sachkundigen Zeugenbeistand zu bestellen.“ Degner: „Ja also, das lehne ich ab.“ Rotluff [phon.]: „Es ist vom Kollegen ja zutreffend erwähnt worden: Wie die Beratung des Zeugen stattfindet, das ist hier nicht bekannt. Das habe ich auch nicht offenzulegen. Ich weise darauf hin, Herr Degner hat mich als Zeugenbeistand gewählt.“ Götzl: „Der Anknüpfungspunkt war, ich muss das klar stellen, dass Sie gesagt haben, Ihr Mandant hätte sich in der Sache korrigiert. Und ich habe Sie drauf hingewiesen, dass Sie ihn nicht bei der Aussage vertreten können. Und es wurde ja geklärt durch die Befragung durch Oberstaatsanwalt Weingarten, dass es der Herr Degner gerade nicht als Aussage zur Sache sehen will. Und Sie aber berufen sich gerade darauf beim 55. Das hat die Anträge von Rechtsanwalt Heer und der anderen Verfahrensbeteiligten bedingt.“ Degner: „Ich habe doch gesagt: Ich korrigiere meine Aussage in dieser Hinsicht.“ Götzl: „Wir müssen mal schauen, wie wir weiter verfahren. Dann legen wir eine Pause bis 11 Uhr ein.“

Um 11:02 Uhr geht es weiter. Götzl: „Sind zur Frage des Widerrufs der Zeugenbeistandsbestellung noch irgendwelche Stellungnahmen? Keine. Also, Herr Zeuge, Sie müssen nochmal kommen, über die Frage einer Bestellung eines neuen Zeugenbeistands wird außerhalb der Hauptverhandlung entschieden werden. Dann wird Ihre Einvernahme unterbrochen.“ Zeuge und Beistand verlassen den Saal.

Götzl: „Ich hätte noch eine Frage an die Bundesanwaltschaft zum Zeugen Frank Wu. Uns wurde kein Zeugenvernehmungsprotokoll zugeliefert. Gibt es eines oder gibt es Gründe, warum keine zugeliefert wurden?“ Weingarten: „Ich wollte die schweigende Nichtzureichung eines weiteren Protokolls Wu.s nur so verstanden wissen, dass es nur das Protokoll, das in der Sachakte enthalten ist, gibt.“

RA Hoffmann verliest für mehrere NK-Vertreter_innen eine Erklärung zum Zeugen Petereit [297. Verhandlungstag]: 
Der Zeuge Petereit hat in der Hauptverhandlung sein bereits in der polizeilichen Vernehmung aufgezeigtes Aussageverhalten fortgesetzt: Er räumt insbesondere nur das ein, was nicht zu leugnen war, so zum Beispiel die Tatsache, dass der so genannte NSU-Brief bei ihm persönlich gefunden wurde, er ihn also offensichtlich erhalten hatte. In Bezug auf alle weiteren Tatsachen und Umstände, wie z.B. die konkrete Erstellung des Heftes, den Erhalt des Briefes und des Geldes sowie die Veröffentlichung des Grußes täuschte der Zeuge in so großem Umfang Erinnerungslücken vor, dass diese trotz des langen Zeitablaufes völlig unglaubhaft sind. Dass diese Erinnerungslücken nur vorgetäuscht waren – wie diejenige, er könne sich nicht daran erinnern, den Dankesgruß an den NSU geschrieben zu haben -, zeigte sich an der theatralischen Art des Zeugen, diese zu präsentieren und sie zu korrigieren, wenn ihm entsprechende Nachweise vorgehalten wurden wie die von ihm verfasste persönliche Presseerklärung und daran, dass er sich, wenn es ihm nützlich erschien, sehr wohl an Einzelheiten der Erstellung des Heftes erinnern konnte.

So konnte er auf die Frage, ob er schon einmal einen erhaltenen Beitrag nicht abgedruckt hatte, sofort das Beispiel eines Artikels über Runen angeben, den er abgelehnt hatte. Auch wusste er noch, dass ein Autor Namens „Max“ bei ihm Beiträge verfasst hatte und, nach Veröffentlichungen zu C18 gefragt, konnte er sofort erwidern, dass er ein Interview mit einem C18-Aussteiger veröffentlicht hatte. Die dem Interview nachfolgend ebenfalls abgedruckte offizielle Stellungnahme von C18 zu dem Interview verschwieg er allerdings. Ebenfalls konnte er sich spontan an einen Text zu dem Konzept des erinnern. Die Angaben des Zeugen, er habe keine größere Geldspende erhalten, denn wenn dies der Fall gewesen wäre, dann würde er sich noch daran erinnern, sind ebenfalls nicht glaubhaft.

Nach den eingeführten Behördenzeugnissen des VS Mecklenburg-Vorpommern, hat ein V-Mann des Amtes am 9. April 2002 wie folgt berichtet: „Bei der Zeitschrift ‚Weisser Wolf‘ aus Neustrelitz soll eine anonyme Spende in Höhe von 2.500 Euro eingegangen sein. Dieser Spende sei ein Brief gefolgt mit sinngemäß folgendem Wortlaut: 'Macht weiter so, das Geld ist bei Euch gut aufgehoben!'“ Diese Meldung passt auch zu dem bei Petereit sichergestellten NSU-Brief in dem es am Schluss heißt: „Beachte: Beiliegende Unterstützungen ziehen keinerlei Verpflichtungen nach sich.“ Damit liegt ein klarer Hinweis dafür vor, dass auch dem Brief an den Weissen Wolf Geld beigefügt war. Davon abgesehen übernimmt der Zeuge die vollständige Verantwortung für die Erstellung und den Versand des „Weissen Wolfes“. Es ist offensichtlich, dass der Zeuge in erster Linie weitere an der Erstellung und Herausgabe beteiligte Personen und seine heutige Partei, die NPD, medial und vor weiteren unangenehmen Fragen schützen will. 
Nach der Vernehmung des Zeugen Petereit können jedenfalls die nachfolgend aufgeführten Beweisergebnisse festgehalten werden: Fest steht zum einen, dass der sogenannte NSU-Brief dem Zeugen als Inhaber des Postfaches des „Weissen Wolfes“ irgendwann vor Herausgabe der Ausgabe 18 im Jahr 2002 zuging. Dieser Brief stellt eine eindeutige Selbstbekennung mit klaren Hinweisen auf eine terroristische Zielrichtung dar und wirbt um Unterstützung.

In dem Brief heißt es unter anderem:
„DIE AUFGABEN DES NSU BESTEHEN IN DER ENERGISCHEN BEKÄMPFUNG DER FEINDE DES DEUTSCHEN VOLKES UND DER BESTMÖGLICHEN UNTERSTÜTZUNG VON KAMERADEN UND NATIONALEN ORGANISATIONEN. SOLANGE SICH KEINE GRUNDLEGENDEN ÄNDERUNGEN IN DER POLITIK, PRESSE UND MEINUNGSFREIHEIT VOLLZIEHEN, WERDEN DIE AKTIVITÄTEN WEITERGEFÜHRT. GETREU DEM MOTTO: „SIEG ODER TOD“ WIRD ES KEIN ZURÜCK GEBEN.
ENTSCHLOSSENES, BEDINGUNGSLOSES HANDELN SOLL DER GARANT DAFÜR SEIN, DAS DER MORGIGE TAG DEM DEUTSCHEN VOLKE GEHÖRT. JEDER KAMERAD IST GEFRAGT! AUCH DU ! ! ! GIB DEIN BESTES. WORTE SIND GENUG GEWECHSELT, NUR MIT TATEN KANN IHNEN NACHDRUCK VERLIEHEN WERDEN.“

Es kann also davon ausgegangen werden, dass im Kreis der Empfänger, hier bei dem Zeugen Petereit und seinem politischen Umfeld, ab dem Jahr 2002 Kenntnis über die Existenz einer Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ mit einer terroristischen Ausrichtung bestand. Zum anderen steht fest, dass dem Brief ein hoher Geldbetrag als Spende beigefügt war. Dies musste den Gesamtvorgang für den oder die Empfänger besonders eindrucksvoll und damit einerseits deutlich machen, dass der Brief nicht von bloßen „Spinnern“ verschickt wurde, sondern von Personen, die über erhebliche Geldbeträge verfügten und es sehr ernst meinen. Andererseits musste die Beifügung eines solchen Geldbetrages die Ernsthaftigkeit der in dem Brief angekündigten Handlungen verdeutlichen. Dem entspricht auch die in der Ausgabe Weisser Wolf Nr. 18 im Jahr 2002 abgedruckte Danksagung an den NSU, für die der Zeuge grundsätzlich die Verantwortung übernommen hat, indem er andere Mitwirkende an der Ausgabe ausgeschlossen hat sowie das inhaltlich passende Vorwort mit dem Aufruf zur Netzwerkbildung und dazu, dass der Kampf härter werden und die gleichzeitig veröffentlichten Artikel mit ideologischer Nähe zum NSU, nämlich zu Combat 18 und zu dem Konzept des leaderless resistance.

Die Behauptung des Zeugen, das Wort Kampf im Vorwort sei völlig harmlos, auch die SPD benutze dies, wird konterkariert durch Artikel zu Terrororganisationen und Konzepten. Umso bedeutsamer wäre es daher, den V-Mann und den/ die V-Mannführer, von denen die hier angesprochene Deckblattmeldung stammt, als Zeugen zu vernehmen, die Angaben dazu machen können, ob und wie weit die Information über den Eingang des Briefes und des Geldbetrages weitergegeben wurde und ob es eine Rückmeldung der NSU-Mitglieder nach der Veröffentlichung des Grußwortes in der Nummer 18 gab.

Dann gibt RA Klemke eine Stellungnahme zum NK-Beweisantrag von gestern ab. Klemke sagt, es sei ja beantragt worden, einen beigefügten Artikel von der Homepage des THS zu verlesen und zum anderen den Zeugen Schrader vom TLfV zu vernehmen. Der Antrag auf Verlesen der Urkunde sei insofern zurückzuweisen, als der Passus „Die nordische Seele ist in uns verhaftet und führt uns der Sonne entgegen“ in dem Text nicht zu finden sei, der stamme wohl aus der TLfV-Mitteilung [phon.]. Hinsichtlich des Antrags, den Zeugen Schrader zu vernehmen, habe er Zweifel, so Klemke ob es sich um einen Beweisantrag handelt: „Ich vermisse jegliche Angaben zur Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweisperson.“ Die Antragsteller hätten dem Senat schon mitteilen müssen, ob und auf welchem Wege Schrader überhaupt Kenntnis von der Homepage des THS genommen hat, die reine Möglichkeit reiche wohl nicht aus. Klemke: „Im Übrigen halte ich den Zeugen für ein ungeeignetes Beweismittel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nach 16 Jahren noch eine Erinnerung haben sollte, an einem für ihn wohl marginalen Vorgang wie die Homepage oder Kenntnis einiger Fotos, die im Übrigen sehr tendenziös zusammengestellt wurden.“ Der Beweiswert dürfe gegen null tendieren, so Klemke. Bundesanwalt Diemer: „Wir treten der Beweiserhebung nicht entgegen, würden es jedoch für zweckmäßig erachten, wenn man ein Behördenzeugnis einholt mit Ausdruck der Internetseite.“ Götzl: „Soll denn zu den Anträgen der Verteidigung Wohlleben Stellung genommen werden?“

Weingarten nimmt Stellung zum Antrag vom 298. Verhandlungstag zu TÜ-Protokollen aus dem Landser-Verfahren etc. Die Beiziehung der TÜ-Protokolle sei abzulehnen, so Weingarten. Es handele sich lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Die Antragsteller würden keine Beweismittel angeben, mit denen die behaupteten Beweistatsachen bewiesen werden könnten. Durch die Beiziehung werde weder der Inhalt zur Beweisaufnahme gemacht noch und schon gar nicht könne der beantragte Inhalt der Sache nach durch TÜ-Protokolle bewiesen werden. Weingarten macht dann allgemeine Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen und zur Aufklärungspflicht. Es handele sich bei der beantragten Beiziehung schon nicht um einen sinnvollen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung. Die Antragsteller, so Weingarten, hielten die Beweiserhebung für relevant, da diese der Entlastung Wohllebens dienen könne, weil angesichts des Inhalts nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Tatwaffe Ceska über Jan Werner zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangt ist.

Die von den Antragstellern aufgestellten Behauptungen stellten jedoch keinen förderlichen Aufklärungsbeitrag dazu dar. Sie seien weder mittelbar noch unmittelbar geeignet Ermittlungen zu den historischen Besitzverhältnissen der Ceska zu ermöglichen oder sonst relevante Schlussfolgerungen zu ziehen. [phon.] Selbst wenn erweislich wäre, so Weingarten, dass Werner und Marschner den Auftrag hatten, für Böhnhardt und Mundlos eine Schusswaffe zu beschaffen und dazu mit An. in Kontakt standen und Gelder von Blood & Honour hatten, wäre keine der Tatsachen geeignet, die konkreten Besitzverhältnisse der Ceska in irgendeine Richtung zu beeinflussen. [phon.] Dies würden, so Weingarten weiter, augenscheinlich auch die Antragsteller so sehen, denn sie würden ausdrücklich ganz allgemein, ohne konkrete Bezugnahme auf Beweiserhebungen die Möglichkeit in den Raum stellen, dass es sich bei der vom Angeklagten Schultze überbrachten Waffe nicht um die Tatwaffe handeln könnte. Dieses Anliegen werde mit untauglichen Mitteln verfolgt, denn ein ganz allgemeiner Auftrag an andere im Umfeld von Böhnhardt und Mundlos sei nicht geeignet, die in 300 Verhandlungstagen konkretisierte und validierte Beweisaufnahme zu den Besitzverhältnissen der Ceska zu beeinflussen. [phon.]

Es könne nicht davon abhängen, ob sich neben den dafür angeklagten Personen auch andere Personen um scharfe Schusswaffen für Böhnhardt und Mundlos bemüht haben, sondern werde konkret davon abhängen, ob die Beweismittel den Schluss ziehen ließen, dass Wohlleben und Schultze in die Waffenbeschaffung verstrickt waren oder ob Zweifel an der Identität bestehen. [phon.] Dass Böhnhardt und Mundlos über mehrere Waffenbezugsquellen verfügten, liege auf der Hand. Dass konkret andere Personen außer Wohlleben und Schultze in die Beschaffung der Tatwaffe Ceska verstrickt waren, ergebe sich jedoch aus der Beweisaufnahme nicht. Aus denselben Gründen sei die Vernehmung der Zeugen An. und Marschner und die Beiziehung von Akten nicht geboten. Der erkennende Senat sei gerade nicht verpflichtet, mögliche weitere Quellen, die Böhnhardt und Mundlos mit Waffen versorgt haben, aufzuklären, weil außer Spekulationen eben nichts dafür spreche, dass solche weiteren Bezugsquellen auch die spätere Tatwaffe beschafft haben. [phon.]

Dann nimmt OStAin Greger Stellung zum Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben vom 298. Verhandlungstag auf Beiziehung sämtlicher Verfahrensakten des GBA im NSU-Komplex, dem sich die Verteidigung Zschäpe angeschlossen hatte. Die Beiziehung sei nicht geboten, so Greger. Es folgen allgemeine Ausführungen zur Aufklärungspflicht und zum Beschleunigungsgebot in Haftsachen. Nach diesen Maßstäben bestehe, so Greger weiter, kein Anlass, sämtliche Akten zu Ermittlungsverfahren des GBA, die mögliche Unterstützer des NSU betreffen, beizuziehen. Der GBA führe ein Verfahren gegen Unbekannt und mehrere Verfahren gegen einzelne Personen. Es handele sich dabei um laufende Verfahren, die noch nicht abgeschlossen seien. Allein der Umstand, dass Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten in diesem Verfahren vernommen worden seien, stelle für sich genommen keinen ausreichenden Grund für eine Beiziehung dar. Die Antragsteller würden nicht darlegen, wie mit einem Aufklärungsgewinn zu rechnen sei. Ein konkreter Bezug zu dem Anklagevorwurf der Beschaffung der Schalldämpferwaffe Ceska 83 sei von den Antragstellern nicht dargetan und erschließe sich auch nicht aus den Einlassungen von Wohlleben, Schultze und Zschäpe und der Aussage des Andreas Schultz. Soweit Akten aus diesen Verfahren im hiesigen Verfahren relevant seien, würden sie weiterhin hier zugeleitet. Der Vorwurf, der GBA habe Aktenstücke nur selektiv vorgelegt, sei nicht geeignet, den Beweisantrag zu stützen. [phon.] Den Antragstellern sei es weiterhin nicht verwehrt, für die Prüfung, ob jemand als Zeuge in Frage kommt oder ob sich möglicherweise entlastende Gesichtspunkte ergeben, beim GBA unter Substantiierung eines berechtigen Interesses einen konkretisierten Antrag auf Akteneinsicht in die Zeugenvernehmungen zu stellen. [phon.]

Dann stellt NK-Vertreter RA Reinecke den Beweisantrag, den Polizeibeamten Ah. zu seiner Auswertung des Computers „Revoltec“ des Angeklagten Wohlleben zu vernehmen: Der Zeuge wird darlegen, ggf. nach ergänzender Auswertung des Asservates, dass sich auf dem Asservat mehr als 650.000 Dateien befinden und darunter auch ein Vielzahl, die Rückschlüsse auf die ausländerfeindliche Haltung des Angeklagten Wohlleben zulassen. Der Zeuge wird bestätigen, dass im Verzeichnis \24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\alte IDE\40GB-Pladde\Sicherung\ die Dateien mit den Namen „Durchsicht 1 – 20.pdf“ sowie „Durchsicht 21 – 40.pdf“ gespeichert sind und dass der Inhalt dieser Dateien ein Text mit dem Titel „Zukunft statt Globalisierung – Kapitalismuskritik von rechts“ ist. Der Zeuge wird bestätigen, dass der Nutzer des Rechners diesen Text tatsächlich durchgesehen und an verschiedenen Stellen gelbe Markierungen angebracht hat, und dass es zum Thema Ausländer im Rahmen dieses Textes u.a. heißt: Auf Seite 30: „Die Politik einer volksgemeinschaftlich ausgerichteten Rechten ist geprägt von der Sorge um die Gesamtexistenz eines Volkes und nicht von der Interessenwahrnehmung für einzelne Klassen der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere heute für das deutsche Volk, dessen Existenz durch die gezielte Masseneinschleusung Millionen Fremder auf eine nie gekannte Weise gefährdet ist. Mit dieser Bedrohung seiner nationalen Existenz erfolgt zugleich eine Aushöhlung seines sozialen Lebensstandards durch die kapitalistische Globalisierung.“

Auf S. 38: „Das massengesellschaftliche Konfliktpotential verstärkt sich enorm durch ethnische Mobilität (Migration). Das ökonomische Gegeneinander von Klassen und Schichten wird durch den ethnischen Gegensatz von Einheimischen und Fremden weiter verschärft: Zugewanderte Minderheiten importieren ihre eigenen Probleme und Konflikte, die sie nun ungeniert auf dem Boden des Einwanderungslandes austragen. Um sich einen Platz in der neuen Gesellschaft zu erkämpfen, greifen die Zuwanderer zur Waffe des Verdrängungswettbewerbs. Sie besetzen das Einwanderungsland nicht mit Panzerwagen, sondern mit Kinderwagen. Die Einwanderer verwandeln sich aus ‚Schutzflehenden‘ und ‚Bittstellern‘ in Zivilokkupanten. Indem sie ‚gleiche Rechte‘ fordern, bestreiten sie den Einheimischen ihr Hausrecht und begehen eine in Menschenrechts-Formen gekleidete Aggression. Wo Einwanderer den beruflichen Anforderungen der Industriegesellschaft nicht gewachsen sind, erobern sie ihren Anteil am Sozialprodukt mit kriminellen Methoden. Große Mengen von Einwanderern sind Raumstörer und Raumschmarotzer. Als kinderreiche Arbeitslose belasten sie die Sozialversicherungssysteme. Als Billigarbeiter zerstören sie den sozialen Standard der Einheimischen im Interesse des Kapitals. Das traurige Endergebnis der ethnischen Mobilität sind bedauernswerte Mischlinge, die beziehungslos zwischen allen Völkern, ‚Rassen‘ und Kulturen stehen. Das fehlende Identitätsgefühl führt zum sogenannten ‚Borderline-Syndrom‘. Mit diesem Begriff beschreibt die Psychologie gravierende Persönlichkeitsstörungen durch Identitätsverlust. Als Merkmale gelten: Unberechenbarkeit des Verhaltens, unkontrollierte Wutausbrüche, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, Charakter – und Hemmungslosigkeit, Willensschwäche, Zerstörungswut bis hin zur Selbstzerstörung durch Drogen und/oder Selbstmord.“ Es wird weiter beantragt, diese Passagen, die als Anlage zu dem Antrag beigefügt sind, zu verlesen.
Die Vernehmung wird darüber hinaus ergeben, dass sich im Ordner
\24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\alte IDE\40GB-Pladde\Alles\ ein Ordner mit der Bezeichnung: „Blodsfana_de Mein digitales Profil im Weltnetz“ befindet mit dem Unterordner „\blodsfana-Dateien“. In diesem Ordner gibt es nur wenige rudimentäre Dateien für den Aufbau einer „Heimatseite“ darunter allerdings die Datei „national.htm“, in der es heißt: „Bin ich etwa ein Nationalist oder Skinhead? Viele Leute und Besucher dieser netten Heimatseite stellen sich die Frage ob ich etwa ein Skinhead bin. Vielleicht bin ich ja auch in einer verbotenen Organisation.
Ich kann euch alle beruhigen. So schlimm ist es sicherlich nicht. Ich bin jemand, der National denkt und handelt. Ich bin in einer Gruppierung tätig, in meinem Heimatverein. Ich höre nur gute deutsche Musik. Hip Hop kotzt mich an. ….. Ich hoffe das die paar Punkte erst einmal reichen. Es soll zumindest eine Stellungnahme sein für die Besucher die wie immer einen falschen Eindruck haben, wenn Sie Heimatseiten sehen, die wie meine aufgebaut sind. Aber ein wenig Provokation muß eben mal sein.“ Diese Datei ist ausgedruckt beigefügt (Anlage), es wird insoweit Verlesung beantragt.

Die Vernehmung wird weiter ergeben, dass in dem Ordner 24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\Hektik\ z.B. folgende Unterordner mit Musik der rechten Szene gespeichert sind: B&H Thüringen; Bollwerk – Unsere Stunde; Brutale Haie – Doitschtum; Kommando Pernot – Es gibt nur ein Land; Endstufe; Oigenik – Demo-CD; Faustrecht – Blut, Schweiß und Tränen; Foierstoß – Vorwärts im Sturm; Frank Rennicke (11 Alben); Freikorps Raritäten; – Wir bekennen uns; HKL – Der unbekannte Soldat; Kommando Freisler; Kraftschlag – Die wilden Jahre; Landser – Republik der Strolche; Landser – Rock gegen oben; Legion auf Thor – The 4. Crusade; Legion Ost – Ohne Worte; (5 Alben); Lunikoff-Verschwörung – niemals auf Knien; life; Noie Werte – Kraft für Deutschland; NPD Schulhof-CD; Oithanasie – Jetzt oder nie; Spreegeschwader – Gefangene im System; Stahlgewitter – Das eiserne Gebet; Steiner – Schütze dein Land; Steiner – Für Volk und Vaterland; – Mann für Mann; Stuka – Zeit zum Handeln; – Die letzten Patrioten; Volkszorn – Stiefel auf Asphalt.

Der Zeuge wird bestätigen dass sich in dem Ordner \24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\WIN 7\Eigene Dateien\Music\ ein Unterordner mit der Bezeichnung RAC (= ) mit u. a. folgenden weiteren Unterordnern befindet: Afrikakorps – Knallharte Volksmusik; Arische Jugend – Von Trotz und Treue; Blood and Honour – Voices of Solidarity – Volume 2; Blutstahl – Volk wach auf; Blutzeugen – Bound of Glory (diverse Alben); – Land ohne Freiheit; Gigi und die braunen Stadtmusikanten – Braun ist Trumpf; Hassgesang – Generation die sich wehrt; Indiziert – Das riecht nach Ärger; Jungsturm – Bis der Schatten ist verbrannt; Lunikoff – Heilfroh; Onkelz\Mülla-Milch; Noie Werte – Unplugged; Skrewdriver – History vol.1 bis vol.9; Skrewdriver – Songs to remember.
Die Vernehmung wird ergeben, dass sich in dem Ordner \4.1.3.1\untere_HD\Partition_2\Hektik\Landser – Republik Der Strolche u.a. das „Afrika-Lied“ befindet, im Verzeichnis 24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\Hektik\Das Reich kommt wieder das Stück „Nigger“ gespeichert ist, im Verzeichnis \24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\WIN 7\Eigene Dateien\Music\RAC\Afrikakorps – Knallharte Volksmusik u.a. die ausländerfeindlichen Stücke „Ohne die Türken…“, „Schreie nach Hiebe“, „Türkennutte“, „Islamisten Vieh“, „Vertreiben, verbrennen, fertig“ gespeichert sind, im Verzeichnis \24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\Hektik\Kommando Freisler -Geheime Reichssache Titel wie z.B.:“Der Ku-Klux-Klan“, und „Judenschwein“ gespeichert sind, im Verzeichnis \24.1.3.1\untere_HD\Partition_2\WIN 7\Eigene Dateien\Music\Onkelz\Mülla Milch das Stück „Türken raus“ gespeichert ist. Es wird weiter beantragt dieses Stück „Türken raus“ in Augenschein zu nehmen (vorspielen). Das wird ergeben, dass das Stück in extrem schlechter Tonqualität gespeichert ist.

Begründung: Der Angeklagte Wohlleben hatte beantragt, zwei auf der bei ihm sichergestellten Festplatte gespeicherten Dateien (Asservat 24.1.3.1) zu verlesen. Der Angeklagte meint damit beweisen zu können, dass er nicht ausländerfeindlich war und ist. Allerdings befinden sich insgesamt mehr als 650.000 Dateien auf diesem Datenträger. Wenn der Angeklagte Wohlleben selbst die dort gespeicherten Dateien für authentisch hält, so ist es allerdings nicht ausreichend, wenn lediglich zwei ausgesuchte Dateien zur Kenntnis genommen werden. Mindestens genauso wichtig sind dann weitere auf dem Rechner gespeicherte Dateien, aus denen sich dann ein anderes Bild des Angeklagten Wohlleben ergibt. Der Zeuge [Ah.] hatte im Rahmen der bisherigen Auswertung lediglich festgehalten: „Auf die rechtsextremistische Gesinnung, auf die NPD-Aktivitäten und die Homepageerstellung des Ralf Wohlleben wird nicht weiter eingegangen, da diese hinlänglich bekannt sind.“

Die Berufung des Angeklagten Wohlleben auf Dateien auf diesem Asservat zwingen aber zu einer genaueren Auseinandersetzung mit der „rechtsextremistischen Gesinnung“. Dabei geht es zum einen um umfangreichere theoretische Ausarbeitungen, in denen deutlich wird, dass der angebliche Respekt vor anderen Nationen nur existiert, wenn die Angehörigen anderer Nationen und ihre Nachkommen sich nicht in Deutschland aufhalten. Es handelt sich dabei um dieselben Theorien, die sich in dem Bekenntnis des Thüringer Heimatschutzes, das der Kollege Elberling gestern zitiert hat, niedergeschlagen hat. Die tiefe Verwurzelung des Angeklagten in rechtsradikalem Gedankengut machen auch die rudimentären Dateien für eine offenbar geplante Webseite „Blodsfana“ deutlich. Es handelt sich dabei um das schwedische Wort für „Blutsfahne“. Die Blutsfahne war bei den Nazis die Fahne, in der das Blut der angeblichen „Märtyrer“ vom 9.11.1923 aufgefangen war und die der Weihe aller anderen Fahnen der NSDAP diente. Der Angeklagte Wohlleben hat erkennbar diese Webseite zwar nicht umgesetzt, hatte aber bereits – offenbar als erste Datei – den Text zu seiner eigenen Vorstellung fertig, in dem er sich dazu bekannte, „gute deutsche Musik“ zu hören.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergeben sich schon aus den aufgeführten Verzeichnissen, was der Angeklagte Wohleben im Gegensatz zum Hip-Hop unter „guter deutscher Musik“ versteht. Gerade bei der vorhandenen Sammlung von Rechtsrockliedern handelt es sich um eine Vielzahl ausländerfeindlicher und türkenfeindlicher Texte, von denen wir in unserem Antrag nur einige hervorgehoben haben. Zum „Afrikalied“ und dem Lied „Nigger“ der Band Landser, die beispielhaft für viele aufgeführt sind, hat das Kammergericht im Verfahren (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02) entschieden: „In dem Lied Nr. 9 ‚Nigger‘ werden dunkelhäutige Menschen als Untermenschen, als 'negrides Gesocks und stinkende Kaffer‘ u.ä. diskriminiert. Die Zuhörer werden zur Gewaltanwendung ermuntert. ‚Aber nicht mehr lange, dann seid Ihr dran. Dann gibt's auch hier den Ku-Klux-Klan. Wenn in der Nacht die Kreuze brennen, dann könnt Ihr stinkenden Kaffer um euer Leben rennen. Nigger, Nigger, raus aus unserem Land (§§ 111 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB). In Titel Nr. 11 ‚Afrika-Lied‘ greift die Band den bereits in dem Lied ‚Nigger‘ dargebotenen Haß gegen Afrikaner auf und hetzt in einer lustig sein sollenden Geschichte über ein mit schwarzen Menschen besetztes, untergehendes Boot gegen diese und bestreitet ihnen so ihr Lebensrecht (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB).“ Weitere Titel sprechen für sich. Bemerkenswert ist, dass der Angeklagte sich auch Tonträger wie „Mülla-Milch“ auf seinen Rechner herunterlädt, obwohl dieser von der Band (Böhse Onkelz) nicht autorisiert ist. Nach Anhörung der Datei „Türken raus“ aus diesem Album wird deutlich, dass diese nicht als Musik heruntergeladen und gespeichert wird, sondern vor allen Dingen als Bekenntnis zu dem Text.

Klemke sagt, der Antrag sei unzulässig, da Reinecke bezüglich der Wohlleben vorgeworfenen Tat nicht zur Nebenklage zugelassen sei: „Ich weise auch gleich darauf hin, dass ein Anschluss an einen unzulässigen Antrag ein prozessrechtliches Nullum wäre.“ RAin Başay: „Das sehe ich nicht so, schließe mich dem Antrag ausdrücklich an.“ Weitere NK-Vertreter_innen schließen sich an, u.a. für die NK Yaşar, Özüdoğru und Yozgat, wobei mehrere ausdrücklich ausführen, dass sie sich den Antrag zu eigen machen. Der GBA behält sich eine Stellungnahme vor. Auf Frage verzichten die NK-Vertreter RA Narin und RA Daimagüler auf die vorbehaltenen Erklärungen zu den gestern verlesenen Dateien. Götzl teilt mit, dass der Zeuge Sz. morgen nicht erscheinen werde. Der Verhandlungstag endet um 11:54 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage„: „Degner teilte heute mit, er wolle seine bisherige Aussage zur V-Mann-Tätigkeit „revidieren“ und zu dieser Frage die Auskunft verweigern. Dabei blieb er auch, nachdem ihm mehrfach mitgeteilt worden war, dass er nur entweder seine bisherigen Angaben inhaltlich korrigieren, also eine inhaltliche Aussage machen könne (etwa: ‚ich war doch V-Mann‘) oder aber alternativ die Aussage verweigern könne, aber eben nicht beides. Auch der Zeugenbeistand nahm entsprechende Hinweise zur Kenntnis, ohne irgendetwas an der Strategie zu ändern. Dies führte zu einem Antrag der Verteidigung, den Zeugenbeistand durch einen fähigeren Kollegen zu ersetzen, dem sich die Generalbundesanwaltschaft anschloss. Bei diesem Sachstand wurde Degner für heute nach Hause geschickt, er wird noch einmal geladen werden, dann wieder mit einem Zeugenbeistand – ob dem heutigen oder einem anderen, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert ist, dass die Generalbundesanwaltschaft sogar vertrat, Degner könne auch zu allen anderen Fragen, die in seinen bisherigen Aussagen angesprochen wurden, die Auskunft verweigern, weil er ja auch insoweit eine Falschaussage gemacht haben könnte – eine Rechtsauffassung, die natürlich jeden Versuch der Sachaufklärung in diesem Verfahren erneut weiter erschweren würde. Aus den Reihen der Nebenklage wurde schließlich ein weiterer Beweisantrag zu den rassistischen und fremdenfeindlichen Auffassungen des Ralf Wohlleben gestellt, diesmal bezogen auf diverse Dokumente und auf zahlreiche Rechtsrock-Titel mit menschenverachtenden Inhalten betreffend u.a. türkische, schwarze und jüdische Menschen, die auf seinem Rechner gefunden wurden.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/07/20/20-07-2016/

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