Protokoll 316. Verhandlungstag – 13. Oktober 2016

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An diesem Prozesstag sagt zunächst ein Sachverständiger dazu aus, ob die Unterschrift von auf der Verpflichtungserklärung des Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz echt ist. Er konnte keine Hinweise auf Fälschung feststellen. Degner hatte in der Hauptverhandlung behauptet, kein V-Mann gewesen zu sein. Danach geht es erneut um die Verwendung eines Briefes von Beate Zschäpe an im Verfahren. Die Verteidigung von Ralf Wohlleben stellt einen ihrer umstrittenen Anträge, sie wollen den ehemaligen Pfleger von Rudolf Heß laden, zum Beweis, dass Heß ermordet worden sei. Aufgrund der Ablehnung eines anderen Antrags von ihnen stellt die Verteidigung Wohlleben ein Ablehnungsgesuch gegen die Richter_innen des Senats.

Sachverständiger:

  • Erwin Sadorf (LKA Bayern, Schriftgutachten zur Unterschrift auf der TLfV-Verpflichtungserklärung von Marcel Degner)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Für Eminger-Verteidiger RA Hedrich ist heute eine Vertreterin anwesend. Ansonsten gibt es bei der Präsenz keine Besonderheiten. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl, dass in Ergänzung zu gestern der Beschluss ergeht, dass der gestrige ablehnende Beschluss zum Antrag von RA Reinecke bzgl. des Suzuki-Außenbordmotors wie folgt zu den Gründen neu gefasst wird. Die Passage, dass im Keller kein Kanister beim Außenbordmotor habe festgestellt werden könne, „kommt in Wegfall“. Angefügt werde stattdessen eine Passage, dass im Keller unmittelbar beim Außenbordmotor kein Kanister gefunden worden seien. Vielmehr seien im Keller mehrere Kunststoffkanister festgestellt worden. Die Neufassung der Gründe sei zur Klarstellung erforderlich, da die bisherige Formulierung zum Missverständnis führen könne, der Senat sei davon ausgegangen, im Keller sei überhaupt kein Kanister gefunden worden.

Dann folgt die Befragung des SV Erwin Sadorf. Götzl: „Es geht um ein Schriftgutachten, das in Auftrag gegeben wurde. Ich würde Sie bitten, dass Sie uns Ihr Gutachten erläutern.“ Sadorf: „Gerne. Das Gutachten habe ich am 06.10.2016 erstellt. Ich habe das zunächst Ihnen per Fax übermittelt. Das Original zusammen mit dem Untersuchungsmaterial möchte ich hiermit übergeben.“ Der SV geht nach vorn und übergibt das Gutachten. Dann nimmt er wieder am Zeugentisch Platz.

Sadorf: „Bei diesem Gutachten ging es um die Frage, ob die Unterschrift ‚Marcel Degner‘ unter einer Erklärung vom 07.01.1999 des LfV Thüringen echt ist oder gefälscht, d.h. vom Namenseigner Marcel Degner herrührt oder von einer anderen Person.“ Es gebe bei der Begutachtung einige Einschränkungen, weil die Unterschrift „relativ formbetont“ und relativ kurz sei. Es handele sich aber um keine grundsätzlichen Einschränkungen. Sadorf sagt, er habe Vergleichsmaterial gehabt, 39 [phon.] Vergleichsunterschriften, die Einblick in Degners Unterzeichnungsweise gegeben hätten. Es handele sich um Unterschriften aus den Jahren 2004 bis 2016. Insofern gebe es hier keine „Zeitgerechtigkeit“ [phon.], aber doch die Möglichkeit, mit der Unterzeichnungsweise vertraut zu werden. Die fragliche Unterschrift liege im Original vor, es handele sich um eine primäre Schreibleistung von Hand. Schriftvergleichend ergäben sich weitgehende Übereinstimmungen, lediglich einige wenige Merkmale würden nicht in der Variationsbreite liegen, seien aber erklärbar durch entwicklungsbedingte Veränderungen. Es gebe keine Merkmale, die auf eine Fälschung hinweisen würden. Die Unterschrift sei nicht komplex, deshalb seien die Vergleichsunterschriften nicht fälschungssicher, aber die Art und Wertigkeit der Befunde spreche dafür, dass die fragliche Unterschrift mit überwiegender Wahrscheinlichkeit echt ist. Götzl: „Wenn Sie uns an einzelnen Merkmalen noch erläutern könnten, wo die Übereinstimmungen sind? Ist es sinnvoll, dass Sie das anhand der übergebenen Unterlagen tun?“ Sadorf: „Ja, natürlich, das ist möglich.“

Sadorf geht nach vorn und erläutert das Gutachten. [Das Bild der Unterschrift wird vergrößert an die Leinwände übertragen.] Sadorf sagt, es sei untersucht worden, inwieweit Merkmale vorliegen würden, die auf eine Manipulation hindeuten. Es gebe keine „Vorzeichnungsspuren“. Sowohl der Vorname als auch der Nachname seien außer dem D in einem Zug gefertigt worden. Wichtige Hinweise für eine Unterbrechung seien nicht vorhanden gewesen. Die „Strichsicherheit“ sei nicht sehr hoch gewesen, aber es habe keine Befunde dafür gegeben, dass jemand nachgeahmt habe. [phon.] Es handele sich also um eine relativ natürliche Schrift ohne Merkmale, die für eine Nachahmung sprechen. Grundsätzlich handele es sich um eine zügige Schreibweise. Sadorf sagt, er habe dann zum Vergleich die Unterschriftproben von Degner hinzugezogen. [Auch die Unterschriftproben werden gezeigt.] Dabei hätten sich Übereinstimmungen ergeben, beispielsweise das M mit einem langen Anstrich. Sadorf: „Hier ist zwar keine Vorschwungschleife vorhanden, aber hier ist sie doch einmal vorhanden. Dann schleifenförmige Anführung des A, zügig weiter zum R, das C ist zum Beispiel hier vorhanden. Das E wird sehr verschieden gefertigt vom Namenseigner aber man findet durchaus gleichartige E-s.“ [Sadorf zeigt immer auf die einzelnen Buchstaben.]

Sadorf: „Das L ist geringfügig länger, das ist eine Abweichung von den Vergleichsunterschriften. Beim D hat der Bogen eine frühe Krümmung, bei den Vergleichsunterschriften etwas später, das ist eine Abweichung. Hier das E mit kurzem Anstrich von oben, wie auch hier oder hier. Das G mit einer kleinen Schleife. Man sieht, dass die späteren Unterschriften weniger formbetont sind als in der Unterschrift. ‚E-R‘ sind hinten verschmolzen in einer Ligatur. Dennoch kann man erkennen, das dieses Muster ‚N-E-R‘ in den Vergleichsunterschriften auch angelegt ist. Schließlich der Ausstrich, der ist auch hier vorhanden.“ Insgesamt seien die fraglichen Merkmale also durchaus innerhalb der Variationsbreite. [phon.] Die Abweichungen seien erklärbar als individuelle Auslenkungen [phon.]. Er könne sich vorstellen, so Sadorf weiter, dass die „Befundlücken“ geschlossen werden könnten, wenn man frühere Unterschriften von Degner hätte bspw. von 1995 bis 2000, etwa der frühere Knick beim D [phon.], das seien aber keine Merkmale, die gegen die Echtheit sprechen, sondern die seien erklärbar und plausibel. Es handele sich um eine Grundkonstellation, die durchaus eine Aussage in Richtung Echtheit begründet. Götzl: „Herr Sadorf, ich würde Sie bitten, dass Sie uns noch schildern, wie Ihre Ausbildung erfolgt ist, welche Sachkunde Sie erworben haben.“ Sadorf sagt, er habe in Mannheim Psychologie studiert und in einem Institut für Handschriftenvergleich mitgearbeitet, seit 1994 sei er im Bayerischen LKA, habe mehr als 3.000 [phon.] Gutachten erstellt. Der SV wird um 10:04 Uhr entlassen.

Götzl: „Dann noch, was zuletzt angesprochen wurde gestern: Es ist so, dass das Gericht seit Eingang der Anklage im Rahmen einer Serviceleistung eine Weitergabe von Akten immer dann macht, wenn wieder eine Reihe Aktenteile neu angefallen ist. [phon.] Am 13.09.2016 wurde allen Beteiligten Akteneinsicht bis SAO 653 gewährt. Rechtsanwalt Grasel beantragte mit Schreiben von 23.09. eine gesonderte Akteneinsicht durch Übersendung der Stellungnahme von Robin Schmiemann. Diesem Antrag wurde durch Übersendung des Schreibens per Fax entsprochen. Rechtsanwalt Heer, Rechtsanwalt Stahl und Rechtsanwältin Sturm haben im Zeitraum vom 23.09. bis 11.10.2016 keine derartige gesonderte Akteneinsicht beantragt. Am 12.10.2016 wurde ihnen dann durch Übergabe eines Datenträgers Akteneinsicht gewährt. [phon.] Die Stellungnahme wurde den Verfahrensbeteiligten daher vom Senat zur Kenntnis gebracht. [phon.] Sie haben natürlich Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Dann zum Organisatorischen: Ist heute vorgesehen, umfangreiche Anträge zu stellen?“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Ja, aber nicht umfangreich.“

Götzl: „Vielleicht vorweg, dass wir das noch klären, Herr Rechtsanwalt Scharmer, Stichwort ‚‘: Da wollten Sie sich überlegen, wie Sie mit dem Beweisantrag verfahren wollen im Hinblick auf die Unterlagen.“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Wir haben jetzt ergänzend die Vermerke bekommen, auf die der GBA Bezug genommen hat. Bevor die Entscheidung fällt, ob der Antrag zurückgenommen oder ergänzt wird, stellt sich mir noch die Frage, ob jetzt alle Unterlagen zu diesem Punkt vorliegen. Aus den Vermerken ergibt sich ein zweiter Vermerk, eine Korrektur des ersten Vermerks. Die Aussage wurde ja erst nach Presseveröffentlichungen relativiert. [phon.] Deshalb die Frage: Gibt es dazu noch mehr?“ OStA Weingarten: „Dazu kann erklärt werden, dass das alle Unterlagen zu diesem Vorgang sind. Das Datum des Schreibens, 07.09.2016, ergibt sich dadurch, dass sich die Bundesanwaltschaft vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Folge von Presseveröffentlichungen hat in Kenntnis setzen lassen zu diesem Punkt.“

Götzl: „Und Frau Rechtsanwältin Schneiders, zum gestrigen Zeugen, soll eine Erklärung abgegeben werden?“ Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Nach der Pause.“ NK-Vertreter RA Hoffmann: „Ich will ja nicht langweilen, aber ich würde ja schon gerne meinen Antrag, den ich angefangen habe, schon noch stellen. Ich sehe eigentlich keine Notwendigkeit, das nach hinten zu stellen.“ Götzl: „Ja, aber ich habe Frau Zschäpe und den Verfahrensbeteiligten noch die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.“ RA Stahl: „Da sich jetzt auch Herr Schmiemann geäußert hat, sehen wir noch, wenn auch kurzen, aber ergänzenden Stellungnahmebedarf.“ Götzl: „Ich nehme an, dass Einverständnis besteht, dass Prof. Dr. Saß sein vorläufiges Gutachten erstattet. Nein nicht erstattet, sondern zu den Akten reicht. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ein rein vorbereitendes, vorläufiges Gutachten. Alle weitere Beweisaufnahme muss dann natürlich noch eingearbeitet werden. Auch die Frage hatte ich angesprochen, ob für das vorläufige Gutachten noch weitere Beweisaufnahmen, Erklärungen gewünscht werden von irgendeiner Seite, betrifft aber natürlich vor allem die Verteidigung der Frau Zschäpe.“ RA Heer: „Wir hatten uns dazu in der letzten oder vorletzten Woche geäußert.“ Götzl: „Ja. Nur der Vollständigkeit halber.“

Hoffmann: „Ich meine schon, dass die Dokumente, die ich angesprochen habe, wichtig sind für dieses Gutachten.“ Götzl sagt, er habe ja schon angesprochen, dass das schriftliche Gutachten zunächst mal der Vorbereitung diene. Hoffmann: „Ich kann auch den Antrag umstellen, den Zeugen Schmiemann zu vernehmen zum Beweis der Tatsache. Und dann alles verlesen, dann haben wir es drin.“ Es sei ihm nur wichtig, so Hoffmann, dass auch schon im vorbereitenden Gutachten darauf abgestellt werden kann. Stahl: „Wenn ich es richtig erinnere, haben Sie zu unserem Antrag vergangenes Jahr, in dem wir gebeten haben, Korrespondenz nicht zum Inhalt seines Gutachtens zu machen, zu Recht auch darauf hingewiesen, dass der Sachverständige sehr erfahren ist und selber weiß, dass er nur das zum Sachverhalt des Gutachtens machen wird, was Gegenstand der Hauptverhandlung war. Und somit erübrigt sich das von Rechtsanwalt Hoffmann Gesagte.“ [phon.]

NK-Vertreterin RAin von der Behrens: „Ich finde den ganzen Komplex 1997 wichtig für das Gutachten und da ist natürlich die Frage, ob Sie dem nachgehen.“ Götzl. „Welche Punkte, wenn Sie es kurz erläutern?“ V. d. Behrens: „Das sagt ja was über Ihr Verhältnis zu Böhnhardt und Mundlos, dass sie dort alleine teilgenommen hat, ohne Mundlos und Böhnhardt, das heißt ihre Entwicklung unabhängig von den beiden.“ Prof. Dr. Saß: „Kurze Nachfrage zu der Bemerkung von Rechtsanwalt Heer, Sie hätten sich letzte Woche dazu verhalten. Ich weiß nicht genau, auf welche Äußerung Sie sich beziehen, könnten Sie das konkretisieren?“ Heer: „Ich hatte gesagt, dass wir dazu nichts erklären.“ Scharmer: „Und noch einmal zur ‚Voice of Zwickau‘-Geschichte. Herr Weingarten hat eben gesagt, der Vermerk 07.09.2016 beruhe auf einer Anfrage an das Bundesamt für Verfassungsschutz. In der mündlichen Stellungnahme hieß es, es gebe kein Gutachten dazu. Im Vermerk steht aber nicht, worauf der Wissensstand des BfV beruht. Insofern erklärt sich mir nicht, wie anhand dieser Papiere klar ist, dass es kein linguistisches Gutachten gibt. Deshalb, vielleicht kann Herr Weingarten was sagen. Wenn es kein linguistisches Gutachten gibt, bestehe ich nicht auf dem Antrag, aber das ergibt sich aus den Vermerken nicht.“ Götzl legt eine Pause ein.

Um 10:47 Uhr geht es weiter. RA Klemke: „Ich möchte zunächst eine Erklärung abgeben zur gestrigen Vernehmung des Zeugen Sch. Auch diese Aussage war ein weiterer Sargnagel in der Geschichte des Carsten Schultze, in dieser sehr phantasievollen, in dieser Phantasiegeschichte des Herrn Schultze. Herr Sch. hat berichtet, dass im Bereich der Wendeschleife zu keinem Zeitpunkt ein Holzhäuschen gestanden hat, das hätte umgeworfen werden können. Soweit Herr Sch. nicht bekundet hat, dass sich auf dem Gebiet zwei Gebäude befinden, werden wir noch Beweisaufnahme beantragen. Im Übrigen nehmen wir erstaunt zur Kenntnis, dass hier Nebenklägervertreter mit Vehemenz der Verteidigung des Herrn Schultze beispringen.“ Dann beantragt Klemke den Zeugen Wolfgang Ri. aus Jena zu vernehmen, dessen Firma das Gelände im Wendekreis der Endhaltestelle genutzt habe, zum Beweis der Tatsache, dass die Firma dort kein Holzhäuschen, wie es von Carsten Schultze beschrieben worden sei, „zu stehen“ gehabt habe. Danach beantragt Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath aus dem gleichen Grund, die Geschäftsführer der Jenaer Verkehrsbetriebe zu vernehmen.

Es folgt ein Antrag, der von Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders verlesen wird. Schneiders verliest, dass der Senat es für erforderlich gehalten habe, auf Antrag von NK-Vertreter_innen am 311. Verhandlungstag Asservate, die während der Durchsuchung der Wohnung von Wohlleben aufgefunden wurden, in Augenschein zu nehmen sowie die Inhalte zu verlesen: „Einer der Aufkleber bezeichnet den Tod von Rudolf Heß als Mord. Offensichtlich erachtet der Senat die Umstände und die Bewertung des Todes von Rudolf Heß als Mord, obwohl zwischen der angeklagten Tat und der Sicherstellung des Aufklebers mehr als 11 Jahre vergangen sind, für die Tat- und Schuldfrage als beweiserheblich. Die Verteidigung besorgt, dass der Senat die Behauptung, Rudolf Heß sei ermordet worden, als vermeintliche Propagandabehauptung ohne Tatsachengrundlage zum Nachteil unseres Mandanten bewertet. Die nachfolgend beantragte Beweiserhebung wird indes ergeben, dass sich der Schluss aufdrängt, dass Rudolf Heß ermordet wurde. Zur Bewertung des Inhalts des in Augenschein genommenen und verlesenen Aufklebers ist dies seitens des Senats aufzuklären.“ Schneiders beantragt aus Berlin zu laden.

[Schneiders verliest im Folgenden umfangreich Melaouhis Darstellung der Todesumstände von Rudolf Heß. Melaouhi war einige Jahre bis zum Suizid von Heß am 17.08.1987 im Kriegsverbrechergefängnis Spandau dessen Pfleger. Melaouhi hat ein Buch veröffentlicht, demzufolge Heß sich nicht selbst umgebracht habe, sondern von den Alliierten ermordet worden sei. Dies versucht Melaouhi mit seinen angeblichen Erlebnissen am 17.08.1987 zu belegen. Zu diesem Thema tritt Melaouhi seit einigen Jahren immer wieder auf neonazistischen Veranstaltungen auf. Die Behauptung, Rudolf Heß sei ermordet worden, erfreut sich in der Neonaziszene großer Beliebtheit. Zur Bedeutung des Heß-Mord-Mythos siehe: https://www.antifainfoblatt.de/artikel/25-jahre-mythos-%C2%BBrudolf-he%C3%9F%C2%AB] Götzl: „Wir werden es kopieren und zur Verfügung stellen.“

RA Hoffmann: „Der Antrag ist zurückzuweisen. Es ist bezeichnend, dass uns die Verteidigung Wohlleben hier Propaganda präsentiert wie sie seit Jahrzehnten, seit dem Tod von Rudolf Heß von den schlimmsten Nazizeitungen verbreitet wird. Es wäre angemessen, den Angeklagten Wohlleben zu fragen, ob er sich inhaltlich anschließt, weil das Rückschlüsse auf seine eigene politische Einstellung zulässt.“

RA Langer: „Mir geht es um die Haltestelle, was die Vehemenz angeht, mit der dem nachgegangen wird. Meine Aufgabe sehe ich auch darin, die Angaben Carsten Schultzes kritisch zu hinterfragen [phon.]. Das ist kein einseitiges Herangehen von mir. Ich wollte objektive Anhaltspunkte dazu finden. Ich wollte noch anregen: Gestern wurde lediglich der Luftplan der Stadt Jena von 1997 in Augenschein genommen. Ich würde noch anregen, den Plan von 2000 in Augenschein zu nehmen, um darzulegen, dass es keine Veränderungen im Innern des Wendekreises gegeben hat. Des weiteren will ich drauf hinweisen, dass man unterscheiden muss, den Bereich im Haltestellenbereich und den Bereich der Wendeschleife. Das liegt durchaus weit auseinander und den Innenbereich kann man gar nicht einsehen. Und im Vorgriff auf den Antrag: Sehr wohl hat es im August 2010 sehr umfangreiche Umbauten gegeben im Haltestellenbereich. Heute stehen dort ganz andere Wartehäuschen, auch die Gleisführung. Der Antrag wird ins Leere gehen.“

NK-Vertreter RA Behnke: „Ich komme zurück auf den Antrag von Rechtsanwältin Schneiders. Ich bin der Auffassung, dass er zurückzuweisen ist, weil er mit der Sache, die hier verhandelt wird, nichts zu tun hat.“ RA Reinecke: „Ich teile das. Da wird ein Aufkleber in Augenschein genommen und – im Rahmen des Beschleunigungsgrundsatz, der gerne zitiert wird – soll jetzt auch noch die Frage geklärt werden, wie Rudolf Heß zu Tode gekommen ist. Die Verknüpfung macht deutlich, dass es nicht um die Sache geht, sondern darum hier Propaganda in das Verfahren zu bringen.“

RA Nahrath: „Es ist schon erstaunlich, denn das Fass ist nicht von der Verteidigung aufgemacht worden, sondern von Vertretern der Nebenklage. Und wenn der Senat das für erforderlich hält, dann gibt es dazu Anträge. Und wenn Rechtsanwalt Hoffmann annimmt, dass das rechtsradikale Propaganda ist: Wir haben keinen Rechtsradikalen beantragt, sondern einen Krankenpfleger, einen Tunesier. Was soll's? Das kann man doch machen.“

RA Stahl: „Kollege Heer und ich haben während des Vortrags von Rechtsanwalt Langer überlegt, ob denn gestern eine Inaugenscheinnahme stattgefunden hat. Das war aber eher eine Art Vorhalt. Wem auch immer, denn der Zeuge konnte es ja nicht sehen.“ Langer: „Gut, dann rege ich an, beide in Augenschein zu nehmen.“ Bundesanwalt Diemer: „Dem steht nichts entgegen.“ Schultzes Verteidiger RA Pausch sagt, die Verteidigung Schultze schließe sich an. Götzl unterbricht die Verhandlung.

Um 11:21 Uhr geht es weiter. Zu den Anträgen der Verteidigung Wohlleben gibt es keine weiteren Stellungnahmen. Götzl: „Dann nochmal zu dem vorbereitenden schriftlichen Gutachten. Sind Sie bis Ende nächster Woche [phon.] in der Lage, Herr Saß, das zu den Akten zu reichen?“ Saß: „So habe ich mich vorbereitet.“

Götzl: „Die Verteidiger Stahl, Sturm und Heer hatten in einem Schriftsatz an den Senat beantragt, den Briefwechsel in einen Sonderband der Akten zu nehmen und anderen Verfahrensbeteiligten Einblick nur bei Nachweis des berechtigten Interesses in der Geschäftsstelle zu gewähren. [phon.] Es geht um den Bereich Brief. Soll dazu etwas erklärt werden? Das Problem, das ja besteht, ist, dass der Brief bei den Akten ist und natürlich die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben müssen Stellung zu nehmen, ihnen rechtliches Gehör gewährt werden muss. Inwiefern sollte das berechtigte Interesse der Verfahrensbeteiligten in Frage stehen?“ RA Stahl: „Das mag schon berechtigt sein. Aber angesichts der in diesem Verfahren stattgefundenen Vielzahl von Indiskretionen, wo Verfahrensbeteiligte Dinge [phon.] eins zu eins an die Medien weitergegeben haben, die dann auch abgedruckt worden sind, halte ich das einfach für sinnvoll und zweckmäßig. Wenn ein so großes Interesse ist, in dieses Schreiben reinzuschauen, dann kann man ja tatsächlich von den Verfahrensbeteiligten verlangen, diese Beschwernisse in diesem Fall auf sich zu nehmen. Die Rechtsgutverletzung von Frau Zschäpe ist ja schon einige Male eingetreten. Man muss ja dem nicht Vorschub leisten, dass man mit den Nachlieferungen eins zu eins Indiskretionen zuführt, ohne dass das jemand vom Senat will. [phon.]“

Götzl: „Der Brief steht den Verfahrensbeteiligten doch sowieso zur Verfügung. Es geht ja nur darum, dass sie sich darin mit dem Brief auseinandersetzen.“ Stahl: „Die Verteidigung nimmt den Brief zum Anlass, Inhalte dieses Schreibens Bewertungen zuzuführen und diese Bewertungen lassen Schlüsse zu, die die Verteidigung meint ziehen zu können. [phon.] Und ich denke, dass das nicht zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung dient. Ich denke, dass man das zum Schutz des Persönlichkeitsrechts von Frau Zschäpe tun muss.“ Diemer: „Also ich meine, dass man das Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nicht über das gesetzliche Maß hinaus einschränken kann. Die andere Frage ist, ob man es digitalisiert und versendet. Das ist eine andere Frage.“ Stahl: „Sie haben heute Vormittag bei anderer Gelegenheit gesagt, so wie Sie das handhaben, Digitalisierung und Weiterreichung, das ist ja ein Serviceangebot. Akteneinsicht findet aber im Regelfall in der Behörde statt, im Gericht statt. Ich sehe in dem Fall keine Einschränkung des Einsichtsrechts. Dann soll halt der Verfahrensbeteiligte, der so brennendes Interesse hat, bei der Geschäftsstelle aufschlagen.“

Reinecke: „Wenn ich das richtig sehe, ist das ein Schreiben, wo drin stehen soll, warum man den Brief nicht beschlagnahmt. Wenn man sagt, man soll auf die Geschäftsstelle gehen, ist das okay. Ich kann ja auch den Fotoapparat nehmen und das dort fotografieren.“ Und wenn über „Durchstechen“ geredet werde, müsse man darauf hinweisen, so Reinecke, dass bei der Vernehmung der Zeugin E. nur BAW und Verteidiger anwesend gewesen seien, und schon bevor das Protokoll beim Gericht gewesen sei, seien Informationen in den Medien gekommen. Das könne nicht von der NK gekommen sein: „Ich weise das zurück, dass hier versucht wird, Stimmung zu machen.“ Scharmer: „Es geht um eine Stellungnahme, deren Inhalt wir nicht kennen. Deshalb kann man dazu keine Stellung nehmen. Das ganze basiert auf dem Versuch des Kollegen Hoffmann, einen Antrag zu stellen, was nicht funktioniert weil immer wieder Störfeuer kommen.“ Scharmer sagt, es sei nicht mit dem Beschleunigungsgebot vereinbar, wenn jeder auf der Geschäftsstelle Einsicht nehme in ein Schriftstück, das nicht eingestuft sei oder Geheimhaltungsinteressen [phon.] unterliege. Scharmer: „Das ist schlichtweg Störfeuer, was zur Verfahrensverzögerung führt.“

Hoffmann: „Wir brauchen ja keine große Aufgeregtheit. Das Interesse besteht und ich bitte den Senat, dass ich in der nächsten Unterbrechung hier Einblick nehmen kann und dann hat sich das ganze erledigt.“ Stahl: „Wenn Herr Reinecke das hier so anspricht: Ich empfinde das als ziemliche Unverschämtheit. Zwei Punkte: Der eine ist die, Herr Reinecke, dass Sie hier ziemlich unverhohlen zum Ausdruck bringen, dass die Verteidigung Zschäpe, die seinerzeit bei der Vernehmung der verstorbenen Zeugin E. anwesend war, augenscheinlich Inhalte der Vernehmung an die Presse durchgestochen hat. Es sei ja sonst nur eine Vertreterin der BAW zugegen gewesen. Es war aber auch ein Richter dabei und es waren Heimangestellte dabei. Das empfinde ich, abermals in diesem Verfahren, als nicht korrekt, nicht sehr sachlich. Das andere, das weiß jeder: In der Zeitung ‚Welt‘ und, glaube ich, auch in der Bildzeitung waren im Wege einer strafbaren Indiskretion Teile einer Kopie des Briefes von Frau Zschäpe in den Medien abgedruckt worden, insbesondere waren auch Zeichnungen zu sehen. Und gehen Sie mal davon aus: die Verteidigung hat das nicht an die Presse geschickt. Und in der Tat gibt es in einer Vielzahl von Verfahren das Bedürfnis, dass zum Schutz des Persönlichkeitsrechts von Betroffenen, Angeklagten, Zeugen, die Öffentlichkeit für Teile der Verhandlung ausgeschlossen wird oder auch die Akteneinsicht zu beschränken. Und ich finde, das ist hier geboten.“

Langer: „Ich wollte nur fragen, wie das dann weitergeht: Wenn wir das eingesehen haben und Stellung genommen wurde, soll das auch wieder in den Sonderband? Und dann müssen wir da wieder reingucken? Das wird nicht mit dem Beschleunigungsgrundsatz zu vereinbaren sein.“ Stahl: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass alle Nebenklagevertreter das Bedürfnis hatten, sich mit dem Schreiben zu befassen, sondern im Wesentlichen Rechtsanwalt Hoffmann.“ Es gehe darum, dass dass man diesen Gegenstand nicht zum öffentlichen Teil der Hauptverhandlung macht, und dass der Senat Maßnahmen trifft, dass es nicht sofort in die Öffentlichkeit getragen wird. Stahl: „Man kann doch den Verfahrensbeteiligten, ohne das in die digitalisierte Akte einfließen zu lassen, weitere Stellungnahmen zukommen lassen.“ Götzl: „Sind jetzt zu diesem Punkt Erklärungen oder Stellungnahmen? Haben sich weitere Anträge oder Erklärungen ergeben für heute?“ Hoffmann: „Ich will nachfragen, ob der Senat gewillt ist, nachher so zu verfahren. Wenn Sie es da haben, kann ich das ja machen in der nächsten Pause. Ich will nur planen für später.“ Götzl: „Wir sind noch nicht fertig für heute.“

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass den Anträgen, sämtliche beim GBA geführten Verfahrensakten zu Ermittlungen gegen mutmaßliche NSU-Unterstützer beizuziehen etc. [298. Verhandlungstag] nicht nachgekommen wird. Zunächst führt Götzl aus, dass es sich nicht um Beweisanträge handele, sondern um Beweisermittlungsanträge. Dann macht er die üblichen rechtlichen Ausführungen dazu, unter welchen Umständen solchen Beweisermittlungsanträgen nachgekommen werden muss bzw. nicht nachgekommen werden muss. Dann sagt er, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die beantragten Akten beizuziehen. Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze sei nicht erkennbar, dass der Inhalt der Akten im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage zu einem Aufklärungsgewinn führen könnte. Götzl führt aus, dass die Antragsteller die Beiziehung aller vom GBA geführten Verfahrensakten gegen „namentlich bekannte und unbekannte Unterstützer des sogenannten NSU“ und insbesondere die gegen sowie gegen Unbekannt beantragt hätten.

Götzl: Der Inhalt von Verfahrensakten gegen Personen, die im Verdacht stehen, den „NSU“ unterstützt zu haben, ist aber nicht aufgrund des bestehenden Verdachts von vornherein für hiesiges Verfahren im genannten Sinn von Bedeutung. Eine derartige Relevanz ergibt sich auch nicht aus dem hier vorliegenden Akteninhalt und aus der bisher durchgeführten Beweisaufnahme. Die Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung deuten im Gesamtzusammenhang betrachtet ebenfalls nicht in diese Richtung. Dies gelte, so Götzl, auch hinsichtlich des Verfahrens gegen Unbekannt, dort sei noch nicht einmal bekannt, wer z.B. möglicher Unterstützungshandlungen verdächtig ist. Bezogen auf die Akten des Verfahrens gegen Jan Werner gelte zusätzlich, dass der Senat Werner als Zeugen vernommen habe. Werner habe von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Vernehmung der Polizeibeamten G. und St. [beide 168. Verhandlungstag]zu den Angaben Werners ihnen ggü. im Ermittlungsverfahren habe keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit den im vorliegenden Verfahren relevanten Umständen zur möglichen Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den angeklagten Personen ergeben. Gleiches gelte auch für die Angaben des ebenfalls in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen Mü., des Sachbearbeiters im Verfahren gegen Werner [158. Verhandlungstag]. Dieser habe umfassend zu den im Verfahren gegen Werner ermittelten Erkenntnissen ausgesagt.

Götzl weiter: Die Angeklagte Zschäpe ließ zwar über ihren Verteidiger in der Hauptverhandlung am 21.1.2016 vortragen, sie habe von Uwe Böhnhardt erfahren, dass „eine weitere Pistole über Jan Werner“ geliefert worden sei. Sie „meine“, sich daran zu erinnern, dass in diesem Zusammenhang auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen sei. „Beschwören“ könne sie „dies aber heute nicht mehr“. Bei der gebotenen vorläufigen Betrachtung sind diese Angaben sowohl zu vage als auch zu unsicher, um die Schlüsse zu rechtfertigen, dass eine Lieferung durch Jan Werner überhaupt erfolgt ist und dass es sich bei der genannten Waffe um die hier relevante Waffe Ceska 83 gehandelt hat. Zusammengefasst ergaben sich demnach keinerlei Umstände, welche den Schluss rechtfertigen würden, der Akteninhalt des Verfahrens gegen Werner würde Bedeutung im Hinblick auf die Beschaffung der in diesem Verfahren interessierenden Pistole Ceska 83 haben.

Götzl sagt, dass die Antragsteller nicht ausführten, woraus sich die Relevanz der beizuziehenden Akten im vorliegenden Verfahren ergeben solle, würden aber darauf hinweisen, dass die Sichtung der vom GBA am 12.07.2016 zur Akte gereichten Vernehmungsniederschriften des Sven Kl. vom 20.06.2013 und des Mirko Sz. vom 21.06.2013 und vom 11.07.2013 ergeben hätte, dass diese Vernehmungen die angeklagte Tat betreffen und Wohlleben entlasten würden. Vernehmungsniederschriften des Frank Wu. hätten sich laut den Antragstellern nicht bei den zu den Akten gereichten Unterlagen befunden. Götzl: Die „selektive Aktenvorlage“ des Generalbundesanwalts lasse die Verteidigung „begründet vermuten“, dass die Bundesanwaltschaft weitere verfahrensgegenständliche und den Angeklagten Wohlleben entlastende Aktenbestandteile zurückhalte. Hieraus, so legt der Senat den Vortrag der Antragsteller aus, ergebe sich die Aufklärungspflicht des Senats, die beantragten Akten beizuziehen.

1. Diesem Hinweis der Antragsteller liegt folgender Sachverhalt zugrunde: a. Am 11.6.2013, dem 8. Hauptverhandlungstag, führte der Angeklagte Schultze in der Hauptverhandlung u.a. sinngemäß aus, es sei an der Straßenbahnendhaltestelle in Jena-Winzerla einmal zu einer Schlägerei gekommen, an der auch der Angeklagte Wohlleben, Sven Kl. und eine Person namens „Schmaler“ beteiligt gewesen seien. Wohlleben sei einer Person nachgerannt, die weggelaufen sei. Später habe der Angeklagte Wohlleben berichtet, er sei dem Flüchtenden „auf dem Gesicht rumgesprungen“. b. Am 20.6.2013 wurde Sven Kl. vom Bundeskriminalamt im Verfahren gegen Unbekannt u.a. zu dem Vorfall vernommen. Der Zeuge führte laut Protokoll aus, er könne sich an den Vorfall „überhaupt nicht“ erinnern. Auf die Frage, ob es in der rechten Szene früher des öfteren Schlägereien mit der linksextremen Szene gegeben habe, führte er laut Protokoll aus, man habe schon öfters von Schlägereien mit Linken gehört. Die rechte Szene, wie auch (die) linke Szene (sei) damals in Jena sehr gewaltbereit gewesen. Er habe sich nie an so einer Schlägerei beteiligt. Diese Vernehmung wurde zunächst nicht zu hiesiger Akte geleitet.

c. Am 21.6.2013 wurde Mirko Sz. vom Bundeskriminalamt im Verfahren gegen Unbekannt u.a. zu dem Vorfall vernommen. Er gab laut Protokoll zusammengefasst an, er könne sich wirklich nicht erinnern. Er habe sich früher oft geprügelt und auch viel getrunken. Er könne sich deshalb nicht mehr an einzelne Sachverhalte erinnern. Mit „Linken“ hätten sie sich schon ab und zu geprügelt. Aber bei solchen Schlägereien sei er eigentlich nie dabei gewesen. Er könne sich auch nicht erinnern, dass er mit Schultze und Wohlleben irgendwohin habe fahren wollen. Es könne sein, dass es die Haltestelle am Winzerclub gewesen sei. Das sei eine Endhaltestelle gewesen. Vielleicht sei da eine Probe oder eine Feier gewesen. Vielleicht sei da mal was gewesen. Aber er könne sich nicht daran erinnern. Diese Vernehmung wurde zunächst nicht zu hiesiger Akte geleitet. d. Am 2.7.2013 wurde der Angeklagten Schultze durch das Bundeskriminalamt im Verfahren gegen Unbekannt u.a. zu dem Vorfall vernommen. Seine damaligen Angaben wurden durch die Vernehmung des Vernehmungsbeamten KOK Ko. in die Hauptverhandlung eingeführt.

Der Angeklagte Schultze gab, soweit hier relevant, zusammengefasst an, „sie“ seien von einer Kirmes mit zwei Autos nachts nach Winzerla zurückgekommen. Als sie aus den Autos ausgestiegen seien, sei ein „Jimmy“ auf sie zugekommen und habe ihnen berichtet, er sei an der nahegelegenen Haltestelle der Tram als „Scheißnazi“ beschimpft worden. Sie seien alle zur Haltestelle gerannt. Der Zeuge Kl. habe angefangen auf einen einzuschlagen. Der „Andere“ sei losgerannt und dem sei der Angeklagte Wohlleben hinterhergerannt. Er wisse, dass der „Schmaler“ einen am Arm gepackt habe und in den Mittelpunkt des Wendekreises der Tram gezogen habe und dort sei er, also der Angeklagte Schultze, einem in den Rücken gesprungen. „Schmaler“ habe ihn deswegen zurechtgewiesen. Sie hätten den „Anderen“ dann noch in ein Holzhäuschen gesteckt und alle hätten in Richtung des Eingangs geschlagen und getreten. Dann seien sie weggelaufen und hätten sich im Außengelände eines Kindergartens versteckt. Als sie ein Blaulicht gesehen hätten, seien er und noch jemand zur Haltestelle zurückgeschlichen.

„Vom Gefühl her“ sei das gewesen. Er habe aber kein Gesicht mehr vor Augen. Ansonsten habe er den Christian Kapke bei diesem Vorfall nicht im Kopf. Er erinnere sich, dass Mirko Sz. dabei war. Der Angeklagte Schultze wurde vom vernehmenden Polizeibeamten sodann vorgehalten, dass sowohl Sz. als auch Kl. vernommen worden seien und sich beide weder an das Ereignis noch an die Personenkonstellation erinnern könnten. Der Angeklagte Schultze wurde nach diesem Vorhalt gefragt, wie sicher er sich mit seinen Ausführungen sei. Der Angeklagte Schultze gab darauf auf, er sei sich sicher. Auf der Kirmes sei Sz. dabei gewesen und „vom Gefühl her bei der Schlägerei auch hundertprozentig“. Er habe aber von der Schlägerei kein Bild mehr vor Augen, anders als bei Sven Kl., der die Schlägerei ja angefangen habe. Diese Vernehmung ist seit 2.10.2013 Bestandteil der hiesigen Akten.

e. Am 11.7.2013 wurde der Zeuge Sz. vom Bundeskriminalamt erneut u.a. zu dem Vorfall vernommen. Der Zeuge führte laut Protokoll zunächst aus, er habe seit seiner letzten Vernehmung nochmals über das Vernehmungsthema nachgedacht. Ihm sei aber wirklich nichts weiter eingefallen. Sodann wurde ihm die Schilderung des Angeklagten Schultze des Vorfalls aus dessen Vernehmung vom 2.7.2013 vorgehalten. Auch danach führte der Zeuge zusammengefasst laut Protokoll aus, er könne sich an den vorgehaltenen Sachverhalt beim besten Willen nicht erinnern. Diese Vernehmung wurde zunächst nicht zu hiesiger Akte geleitet. f. Am 26.7.2013 wurde der Zeuge Wu. vom Generalbundesanwalt u.a. zu dem Vorfall vernommen. Der Zeuge führte in dieser Vernehmung laut Protokoll zusammengefasst aus, er habe den Spitznamen „Schmaler“ gehabt. Auf Vorhalt der Angaben des Angeklagten Schultze gab er an, er könne sich an die geschilderte Schlägerei mit den bestimmten Details nicht erinnern, er könne sie aber auch nicht ausschließen. Bei der Passage mit dem „Rückensprung“ klingele etwas bei ihm. Er bringe sie aber nicht in Verbindung mit Schultze. Diese Vernehmung befindet sich seit dem 18.10.2013 bei den hiesigen Akten. g. Am 28.10.2013 wurde der Zeuge Kl. im Verfahren gegen Unbekannt erneut vernommen. Der Zeuge wurde vom Vernehmungsbeamten laut Protokoll darauf hingewiesen, dass es wie bereits bei seiner letzten Vernehmung um die Schlägerei in Jena-Winzerla gehe. Sodann wurde dem Zeugen die Schilderung des Vorfalls durch den Angeklagten Schultze in dessen Vernehmung vom 2.7.2013 vorgehalten. Der Zeuge führte daraufhin laut Protokoll zusammengefasst aus, es könne schon sein, dass das damals so gewesen sei. Er könne sich jetzt natürlich nicht an Details erinnern. Es dämmere ein bisschen mit einer Schlägerei da an der Endhaltestelle. Er könne sich aber nicht genau erinnern, wahrscheinlich verdrängt oder so. Auch das Verstecken auf dem Spielplatz des Kindergartens sei ihm nicht mehr in Erinnerung. Er schließe nicht aus, dass so was damals gewesen sei, er könne sich aber nicht an den genauen Sachverhalt erinnern. Diese Vernehmung befindet sich seit dem 4.11.2013 bei den hiesigen Akten.

h. Der Zeuge Christian Mü. (früher: Kapke) wurde am 18.7.2013 u.a. zu dem Vorfall vernommen. Er führte laut Protokoll aus, er sei bei dem Vorfall nicht dabei gewesen. Er habe davon erstmals aus der Presse erfahren. Dies sei etwas, woran man sich erinnern würde. Er würde es auch wissen, wenn er erst nach der geschilderten Schlägerei hinzugekommen wäre. Diese Vernehmung befindet sich seit dem 18.2.2015 bei den hiesigen Akten. i. Am 6.7.2016 beantragte die Verteidigung des Angeklagten Wohlleben, den Zeugen Christian Kapke erneut zu dem Vorfall „Endhaltestelle Winzerla“ zu vernehmen. Zugleich beantragte die Verteidigung die Beiziehung der Vernehmungsniederschriften des Zeugen Frank Wu. („Schmaler“) und des Zeugen Sz. j. Mit Verfügung vom 11.7.2016 zog der Vorsitzende, falls existent, weitere Vernehmungsprotokolle der Zeugen Wu., Sz. und Kl. bei. k. Mit der Verfügung des Generalbundesanwalts vom 12.7.2016 wurden die Vernehmung des Zeugen Kl. vom 20.6.2013 und die Vernehmungen des Zeugen Sz. vom 21.6.2013 und vom 11.7.2013 zur hiesigen Akte gereicht. l. Am 20.7.2016 erklärte der Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung sinngemäß, dass sich die Vernehmung des Zeugen Wu. vom 26.7.2013 bereits bei der Verfahrensakte befindet. Weitere Vernehmungen wären nicht durchgeführt worden.

Aus der Vorgehensweise des GBA, so Götzl weiter, lasse sich kein Anhaltspunkt gewinnen, dass von Seiten der Anklagebehörde relevante, Wohlleben entlastende Vernehmungsniederschriften zurückgehalten worden sind: a. Der Vortrag der Antragsteller, die Sichtung der Vernehmungsniederschriften von Sven Kl. und Mirko Sz. hätte ergeben, dass diese Vernehmungen die angeklagte Tat betreffen, verfängt nicht. Schilderungen von konkreten und sicher erinnerten Wahrnehmungen eines und/oder beider Zeugen im Zusammenhang mit der Tat, die dem Angeklagten Wohlleben in der Anklageschrift vorgeworfen wird, finden sich in den Vernehmungsniederschriften des Zeugen Kl. vom 20.6.2013 und denen des Zeugen Sz. vom 21.6.2013 und vom 11.7.2013 nicht. b. Die vom Angeklagten Schultze geschilderte Schlägerei war dem Zeugen Kl. in der Vernehmung vom 20.6.2013 zusammengefasst laut Protokoll „überhaupt nicht“ erinnerlich. Er habe sich „nie an so einer Schlägerei beteiligt“. Der Zeuge Sz. konnte sich laut Protokoll in den Vernehmungen vom 21.6.2013 „wirklich nicht erinnern“ bzw. am 11.7.2013 hatte er „beim besten Willen keine Erinnerung mehr an diesen Sachverhalt“.

Im Hinblick auf die Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten Schultze war mangels Erinnerung der Zeugen an den Vorfall die Zuleitung dieser Vernehmungsniederschriften durch den Generalbundesanwalt eigeninitiativ nicht veranlasst. Wenn sich der Zeuge Kl. an den von Schultze geschilderten Vorfall nicht erinnert, kann daraus, weil ihm eben die Erinnerung fehlte, auch seine Behauptung folgen, er habe sich an so einer Schlägerei nie beteiligt. c. Die von der Verteidigung am 6.7.2016 zusätzlich beantragte Zuleitung der Vernehmungen des Zeugen Wu. ging ins Leere. Die einzige im Verfahrenskomplex durchgeführte Vernehmung dieses Zeugen befindet sich bereits seit dem 18.10.2013 bei den Akten.

Dem Hilfsantrag, dem GBA aufzugeben, der Verteidigung Wohlleben eine Übersicht über sämtliche im sogenannten NSU-Komplexes eingeleiteten Ermittlungsverfahren sowie die in ihnen durchgeführten Vernehmungen unter Nennung des jeweiligen Vernehmungsgegenstandes mitzuteilen, könne nicht entsprochen werden, so Götzl, weil dem Gericht keine Rechtsgrundlage zur Verfügung stehe, den GBA wie beantragt anzuweisen. Götzl legt mit Bezug auf die StPO dar, warum keine Rechtsgrundlage dafür vorliege, dann sagt er, dass der GBA zur Wahrung des von der Verteidigung vorgetragenen Interesses auf Informationen aus diesem Aktenbestand in seiner Stellungnahme vom 20.7.2016 aufgezeigt habe, welche Möglichkeiten für die Verteidigung Wohlleben bestehen würden, Kenntnis vom Inhalt dieser Akten zu erhalten.

RA Klemke: „Wir beantragen die Unterbrechung der Hauptverhandlung für 90 Minuten. Es ist ein umfangreicher Beschluss, wir wollen den Beschluss mit unserem Mandanten besprechen und etwaige weitere prozessuale Schritte überlegen.“ Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Wir setzen fort um 13:30 Uhr.“ Um 13:40 kommt die Durchsage, dass die Hauptverhandlung erst um 16 Uhr fortgesetzt werden soll. [Die Verlängerung der Unterbrechung hängt vermutlich damit zusammen, dass für die Eminger-Verteidigung nur noch die Vertreterin für RA Hedrich anwesend ist. Götzl hält Eminger daher wohl aktuell nicht für ordnungsgemäß verteidigt und lässt wohl RA Kaiser vom Flughafen zurückholen.]

Danach verliest Klemke ein Ablehnungsgesuch Wohllebens gegen den gesamten Senat. Gegenstand des Ablehnungsgesuches sei der heute verkündete ablehnende Beschluss zum Antrag auf Beiziehung sämtlicher Verfahrensakten etc. Dann schildert Klemke kurz den weiteren prozessualen Hergang, bevor er zur „Rechtlichen Würdigung“ kommt. Wohlleben müsse, so Klemke, aufgrund des Beratungsgeheimnisses davon ausgehen, dass der gesamte Senat dafür gestimmt haben, dem Antrag nicht nachzukommen. Die abgelehnten Richter hätten in dem Beschluss die Aktenlage nur „selektiv und bruchstückhaft“berücksichtigt und hätten aus Sicht Wohllebens „rein ergebnisorientiert und zumindest objektiv willkürlich“ entschieden. Soweit die abgelehnten Richter ausführten, dass sich aus der Vorgehensweise des GBA kein Anhaltspunkt dafür gewinnen lasse, dass von Seiten der Anklagebehörde relevante, Wohlleben entlastende Vernehmungsniederschriften zurückgehalten worden sind, sei dies auch für einen verständigen Angeklagten nicht mehr nachvollziehbar. Klemke wiederholt den diesbezüglichen Teil „b.“ aus dem Beschluss [„Die vom Angeklagten Schultze geschilderte Schlägerei war dem Zeugen Kl. in der Vernehmung vom 20.6.2013“ usw.].

Dann sagt er, dass die abgelehnten Richter die Aussage des Zeugen Kl. vom 20.6.2013 „selektiv und ergebnisorientiert“ würdigten. Sie ließen folgende Angaben Kl.s in ihrer Würdigung „unter den Tisch fallen“: „Ja, man hat schon öfters von Schlägereien mit Linken gehört. Die rechte Szene wie auch die linke Szene damals in Jena war sehr gewaltbereit. Ich habe mich nie an so einer Schlägerei beteiligt.“ Diese erste Aussage Kl. sei umso bedeutsamer gewesen, als er hier unverhohlen seine Abneigung gegen Wohlleben zum Ausdruck gebracht habe, indem er ausgesagt habe, Wohlleben sei ihm als Mensch sehr unangenehm gewesen. Eine Gefälligkeitsaussage des Zeugen Vorteil von Wohlleben sei damit eher auszuschließen gewesen. Die abgelehnten Richter meinten, so Klemke weiter, der GBA habe der Verteidigung die Niederschrift der Vernehmung Kl.s vom 20.06.2013 deshalb vorenthalten dürfen, weil daraus, dass dieser keine Erinnerung an den von Schultze geschilderten Vorfall habe, seine Behauptung folgen könne, er habe sich nie an so einer Schlägerei beteiligt. Damit ließen sie die „naheliegende Schlussfolgerung völlig willkürlich außer Acht“, dass Kl., wenn er sich nie an so einer Schlägerei beteiligt hat, sich zwangsläufig auch nicht an so einen Sachverhalt erinnern kann. In diesem Zusammenhang würden die abgelehnten Richter mit keiner Silbe auf den Umstand abstellen, dass der GBA die ggü. der vorangegangenen Aussage relativierende Bekundung Kl.s vom 28.10.2013 sehr wohl zu den Akten gereicht habe.

Der Umstand, dass sich Kl. für die Verteidigung Wohlleben am 20.06.2013 viel günstiger äußerte, der GBA jedoch gerade diese Aussage nicht zu den Verfahrensakten gereicht habe, sondern erst nach einem Antrag der Verteidigung Wohlleben auf Veranlassung des Vorsitzenden, erhelle „schlaglichtartig“, dass der GBA Wohlleben entlastendes Aktenmaterial zurückgehalten habe. Bereits dies hätte, so Klemke, die abgelehnten Richter veranlassen müssen, dem Antrag der Verteidigung auf vollständige Beiziehung der Verfahrensakten gegen Unbekannt und der Gewährung von Akteneinsicht nachzukommen. Dies gelte umso mehr, als dass Schultze Wohlleben
schwer belastet und die „Schlägerei-Geschichte“ wesentlich für die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben Schultzes und dessen Glaubwürdigkeit ist. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sich für die abgelehnten Richter die Möglichkeit aufdrängen müsse, dass sich Schultze „auf Kosten einer unwahren Belastung unseres Mandanten zu entlasten sucht“.

Weiter führten die abgelehnten Richter aus, dass auch eine Übermittlung der Vernehmungsprotokolle Sz. im Hinblick auf die Überprüfung der Glaubhaftigkeit Schultzes durch den GBA eigeninitiativ nicht veranlasst gewesen sei. Der Senat meine, so Klemke, diesen Schluss daraus ziehen zu können, dass Sz. am 21.06.2013 „wirklich nicht erinnern konnte“ bzw. am 11.07.2013 „beim besten Willen keine Erinnerung mehr an diesen Sachverhalt“ gehabt habe. Auch
hier würdigten die abgelehnten Richter die Angaben des Zeugen Sz. „selektiv und rein ergebnisorientiert“. Klemke gibt einen Teil der Aussage vom 21.06.2013 wieder. Dann sagt er: „Der Zeuge Sz. hat danach nicht nur angegeben sich wirklich nicht zu erinnern, sondern hat angegeben, dass er an Gruppenschlägereien mit Linken in Jena nie beteiligt gewesen sei. Er habe sich nur auf Dorffesten oder alleine in der Stadt geprügelt. Auch konnte er sich nicht daran erinnern, dass er zusammen mit Schultze und Wohlleben irgendwo hinfahren wollte.“ Auch hier ließen die abgelehnten Richter, so Klemke, völlig die Möglichkeit außer Acht, dass sich Sz. deshalb nicht an die vorgehaltene „angebliche Schlägerei“ habe erinnern können, weil Sz. an einer solchen Schlägerei, „wenn es denn überhaupt eine solche gegeben“ habe, überhaupt nicht beteiligt war.

Deshalb sei die Aussage Sz.s sehr wohl verfahrensrelevant und auch für die Verteidigung Wohlleben von größtem Interesse. Zudem hätten die abgelehnten Richter den Umstand ignoriert, dass sich die Niederschriften der Vernehmungen von Kl. und Sz. schwerpunktmäßig mit der Überprüfung der „Schlägerei-Geschichte“ Schultzes befassen würden und dennoch, obwohl diese Vernehmungen zumindest mittelbar bei der Bewertung der Schuldfrage einzustellen seien, von der BAW unter Verstoß gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit in den Akten eines Verfahrens gegen unbekannte Unterstützer des NSU versteckt worden seien und erst auf Initiative der Verteidigung Wohlleben auf Anforderung des Vorsitzenden zu den Akten gereicht worden seien. Die abgelehnten Richter hätten, so Klemke weiter, in ihrer Beschlussbegründung auch nicht die Ergebnisse der bisherigen Beweiserhebungen zu dem Schlägerei-Komplex in der Hauptverhandlung eingestellt. So hätten sie die Aussage des Zeugen Sch. völlig außer Acht gelassen, der ausgeschlossen habe, dass es im Bereich von Endhaltestelle und Wendeschleife in Jena-Winzerla ein Holzhäuschen gegeben habe, das von Größe und Bauweise geeignet gewesen wäre, umgestoßen zu werden. Weiter habe der Senat außer Acht gelassen, dass die BAW mit Schreiben vom 30.09.2016 umfangreiche Auszüge aus der Verfahrensakte gegen Unbekannt zu den Gerichtsakten gereicht habe, die den Vorfall der „angeblichen Schlägerei“ an der Endhaltestelle Jena-Winzerla beträfen und in denen sich mehrere Anhaltspunkte für Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben befänden.

Dazu gehöre z. B. ein Vermerk des BKA vom 20.5.2014, aus diesem ergebe, dass die Einsicht in die Notarzteinsatzprotokolle der Feuerwehr Jena keinen Hinweis auf das „von Schultze behauptete“ Ereignis enthielten. Ferner gebe es noch einen weiteren Vermerk, den die abgelehnten Richter „völlig willkürlich“ außer Acht ließen. Klemke zitiert aus dem Vermerk: dass Herr Ri. am 18.11.2013 telefonisch erreicht worden sei und angegeben habe, dass seine Firma niemals ein Holzhäuschen oder etwas ähnliches am Wendekreis stehen gehabt habe; sofern es Sachbeschädigungen gegeben habe, sei jeweils die Polizei informiert und der Vorfall zur Anzeige gebracht worden; Unterlagen aus der Zeit besitze er nicht mehr; weiterhin habe sich Ri. an keinen Vorfall erinnern könne, der zu dem von Schultze geschilderten Sachverhalt passen könnte. Klemke zitiert aus einem weiteren Vermerk bzgl. zweier Ansprechpartner bei der Jenaer Nahverkehr GmbH: dass Herr M. angegeben habe, dass Sachbeschädigungen grundsätzlich vom Unternehmen zur Anzeige gebracht würden; an ein Holzhäuschen, das im Rahmen einer Schlägerei zu Schaden gekommen sei, könne er sich nicht erinnern; in der Nähe der Wendeschleife stehe allerdings ein Imbiss, der sich in einem Holzhaus befinde.

Im Anschluss an die Befragung der beiden Mitarbeiter der Jenaer Nahverkehr GmbH sei die Straßenbahnendhaltestelle in Jena-Winzerla durch KHKin Ga. und KK Fr. aufgesucht worden, der von M. erwähnte Imbiss befinde sich in direkter Nähe zur Endhaltestelle; allerdings sei der Imbiss neben den Gleisen positioniert und nicht inmitten der Wendeschleife; zudem ließen das äußere Erscheinungsbild sowie die Größe des Imbisses darauf schließen, dass dieser auch von mehreren Personen nicht umgeschmissen werden kann. Aus diesen Umständen habe der Senat zwingend schließen müssen, dass der GBA verfahrensrelevante und „potentiell unseren Mandanten entlastende Aktenbestandteile prozessrechtswidrig den Akten des hiesigen Verfahrens fernhielte“. Dass dies nicht berücksichtigt worden sei, könne aus Sicht Wohllebens nur bedeuten, dass der Senat „objektiv willkürlich und rein ergebnisorientiert“ entscheide. Soweit die abgelehnten Richter auch dem Antrag auf Beiziehung der Verfahrensakte gegen Jan Werner nicht nachgekommen sei, gelte Entsprechendes. Die Angaben der Angeklagten Zschäpe in Bezug auf die Mitteilung von Uwe Böhnhardt, seien „ähnlich vage und unsicher wie viele Angaben des Angeklagten Carsten Schultze, sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung. Auf diese vagen Angaben des Angeklagten Schultze stützen die abgelehnten Richter die gegen unseren Mandanten nach wie vor angeordnete Untersuchungshaft.“ Aus alledem müsse Wohlleben besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm und seiner Sache gegenüber nicht mit der erforderlichen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber stehen.

Götzl: „Dann wird den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt.“ Bundesanwalt Diemer: „Wir nehmen nach der schriftlichen Ausfertigung der dienstlichen Erklärungen schriftlich Stellung.“ Hoffmann: „Ich bitte nur um eine Kopie heute noch.“ Götzl: „Sind dann für heute noch Erklärungen? Keine. Dann setzen wir fort am Dienstag, 25.10., 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 16:20 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Die Verteidigung Wohlleben betreibt Nazi-Propaganda im Gericht […] Ein Sachverständiger vom Bayerischen Landeskriminalamt benötigte eine knappe Viertelstunde, um sehr anschaulich zu begründen, dass die Unterschrift auf der Verpflichtungserklärung Marcel Degners als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ von diesem selbst stammt, es insbesondere keinerlei Anzeichen für eine Fälschung gibt. Warum das Gericht den Sachverständigen überhaupt beauftragt hatte, wird wohl sein Geheimnis bleiben – denn Degner hat wenig bis nichts für den Prozess Relevantes ausgesagt, die heutige Beweisaufnahme dürfte letztlich nur für das Falschaussageverfahren gegen Degner relevant sein […] Die Verteidigung Wohlleben stellte mehrere Beweisanträge. Einer davon lässt sich nur als ein Versuch beschreiben, revisionistische Nazi-Propaganda im Gerichtssaal zu betreiben: vor einigen Wochen waren einige bei Wohlleben beschlagnahmte Aufkleber in Augenschein genommen worden, die seine neonationalsozialistische Ideologie belegten. Einer davon enthielt die Behauptung, Führer-Stellvertreter sei von den Alliierten ermordet worden. Die Verteidigung will nun unter Beweis stellen, dass Hess tatsächlich ermordet worden sei, und benennt als Zeugen Hess‘ damaligen Krankenpfleger im Alliierten Gefängnis in Berlin-Spandau. Dieser hat vor einigen Jahren ein Buch veröffentlicht (aus dem Französischen übersetzt von dem NPD-‚Historiker‘ Rose), in dem er die Mord-These aufstellt, und tingelt mit diesem Buch seit einigen Jahren von NPD-Veranstaltung zu NPD-Veranstaltung. Die Verteidigung zeigt mit dem Antrag endgültig, dass sie sich nicht mehr auf eine tatsächliche Verteidigung Wohllebens gegen die Tatvorwürfe konzentriert – zu erdrückend anscheinend die Beweislage -, und stattdessen nunmehr anscheinend Propaganda für die ‚Kameraden‘ außerhalb des Gerichtssaals machen will. […] Am Nachmittag nahm die Hauptverhandlung fast Züge einer Komödie an. Die Verteidigung Wohlleben kündigte gegenüber dem Gericht an, wegen des ablehnenden Beschlusses einen Befangenheitsantrag stellen zu wollen. Das Gericht musste feststellen, dass von der Verteidigung des Angeklagten Eminger nur noch eine Vertreterin anwesend war, der zweite Verteidiger hatte sich bereits in Richtung Flughafen aufgemacht. Anstatt den Verhandlungstag nur zu beenden, ordnete der Vorsitzende Richter Götzl nun an, der Verteidiger müsse vom Flughafen zurückbeordert werden, die Verhandlung würde um 16 Uhr fortgesetzt. Mehr als zwei Stunden später waren alle wieder versammelt, die Verteidigung verlas ihren Befangenheitsantrag und alles war vorbei.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/10/13/13-10-2016/

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