Der Prozess gegen Franco Albrecht. Die Verhandlungstage 6 bis 11.

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„Das sind jetzt wieder Notizen, die zu Gedanken Anlass geben.“ – 6. Verhandlungstag, 15. Juni 2021

Am sechsten Verhandlungstag im Prozess gegen Franco Albrecht werden einige Notizen von dem Angeklagten gesichtet, die mutmaßlich Ideen für rechtsterroristische Anschläge beschreiben. Albrecht bestreitet dies, seine Erklärungen scheinen aber auch das Gericht nicht zu überzeugen.

Der Prozesstag beginnt um 10:02 Uhr, diesmal wird im kleineren Saal II des OLG Frankfurt verhandelt. Der Vorsitzende Richter Koller sagt, dass man am letzten Tag bei der Einlassung von Franco Albrecht stehen geblieben sei und man sich dabei mit Notizen befasst hätte. Koller fordert den Angeklagten auf, weiter zu machen. Albrecht sagt zunächst bezüglich Annetta Kahane, es liege ihm fern, dass er mit Menschen, die sich politisch links einordnen würden, nicht sprechen würde. Es geht dann um weitere Notizen Albrechts, zu denen er am letzten Verhandlungstag angekündigt hatte, er wolle sie mit einer Skizze erklären. Es handelt sich um das Blatt seiner Notizen, auf denen sich unter anderem untereinander steht „Suzi klein → Offenbach →Schrotflinte Zug Berlin →Motorrad Berlin →Motorrad Straßbourg →Auto Bayreuth → Erding“. Es wird angenommen, dass es sich bei dieser Notiz um den Plan eines Waffentransports handelt.

Albrecht begibt sich zur Inaugenscheinnahme zur Dokumentenkamera, die vor dem Richtertisch steht und beginnt, die erklärende Skizze zu zeichnen, die sich als Deutschlandkarte herausstellt, auf denen er die in der Notiz genannten Städte einzeichnet. Er sagt, es handele sich bei der Notiz um ein „Ablaufdiagramm“, das innerlich nicht stringent sei. „Suzi“ sei seine Suzuki, die stehe normalerweise in Offenbach und das Motorrad sei seine „Honda Africa“ für längere Strecken, die stehe normalerweise in Strasbourg. An diesen Orten seien sie auch jeweils von der Polizei vorgefunden und durchsucht worden. Der Angeklagte führt aus, er sei mit der Honda nach Berlin gefahren, habe eine Panne gehabt und habe das Motorrad in Berlin stehen lassen. Das „Ablaufdiagramm“ diene dem Zweck nach der Reparatur der Honda die Fahrzeuge jeweils so zu überführen, dass nicht in einer Stadt am Ende zwei Fahrzeuge sind und alle am Ende an dem Ort stehen, wo Albrecht sie normalerweise parke.

Albrecht erklärt dann die Notiz „Schrotflinte“: Er habe in seiner Straße auf einem Flohmarkt einmal ein Flobertgewehr gesehen, das habe 200 Euro gekostet. Das sei ihm zu viel gewesen, daher habe er in Berlin auf Flohmärkten, beispielsweise auf dem Boxhagener Platz, nach so einem Gewehr schauen wollen. Das habe er aber zunächst vergessen: „Deswegen habe ich mir aufgeschrieben ‚Schrotflinte‘, damit ich‘s nicht vergesse.“ Er habe außerdem vorgehabt mit dem Auto zu den Bayreuther Festspielen zu fahren, er habe das immer seltsam gefunden, dass Richard Wagner „bei seinem Hintergrund“ als „Gallionsfigur“ gelte. Das habe er aber verworfen und sei direkt nach Erding gefahren: „So ist das zu erklären.“ Albrecht fügt hinzu, es sei in der Presse behauptet worden, er habe einen Komplizen gehabt, gegen diese Artikel sei er rechtlich vorgegangen, dieser Komplize sei einfach erfunden worden, führt der Angeklagte in einem längeren Monolog zur Medienberichterstattung über seinen Fall hinzu. Albrecht kommt noch einmal zurück auf das Motorrad und sagt, er habe die Reparaturquittung noch, die habe seine Freundin [Sophia Ti.] beglichen, die er in Berlin besucht habe. Er habe auch den Abschleppbericht des ADAC vorliegen.

Koller: „Ich versteh ja, dass Sie sich überlegen, mit welchen Fahrzeugen Sie wohin fahren. Da bin ich dabei. Aber dass Sie sagen, ‚Schrotflinte‘ hätte nur damit zu tun, dass Sie mit nach einer Schrotflinte auf dem Flohmarkt schauen. Ich finde das nicht so plausibel, weil es hier um Fahrzeuge und Routen ging.“ Er fragt nach der nächsten Notiz auf dem Zettel: „In der Mitte gibt‘s den Satz ‚Heute kriegst du Leute auf die Straße durch Musik. Und da kommt Xavier ins Spiel‘. Xavier Naidoo meinen Sie?“ Albrecht: „Ja, den Musiker. Da steht nicht: Leute kriegst du auf die Straße, indem du ein Attentat begehst. Sondern eine absolut friedliche Botschaft, keine Tumulte, sondern um zu demonstrieren.“ Koller hakt nach, ob Albrecht Leute auf die Straße habe bekommen wollen und dass Xavier Naidoo auftritt. Albrecht verneint die Frage, es habe keine Planung gegeben, es sei „ein Gedanke“ gewesen.

Koller kommt zur nächsten Notiz: ‚Die Wahrheit ist ja da! Sie muss nicht erst gemacht werden. Nur begreifbar gemacht werden muss sie, sie muss nur begreifbar gemacht werden, in Worte gefasst werden‘. Albrecht entgegnet, da stehe nicht „meine Wahrheit steht da und ist absolut und muss mit Gewalt umgesetzt werden“, es sei hier „überhaupt keine“ Gewaltdimension dabei. Koller: „Man könnte der Auffassung sein, Sie sind im Besitz der Wahrheit und müssen sie nur anderen begreiflich machen.“ Albrecht versucht allgemein zu diskutieren, worum es in dieser Notiz geht – eventuell, dass man Wahrheit so formulieren müsse, dass sie nachvollziehbar sei – sagt aber auf Nachfrage, er könne nur vermuten, worum es ihm gegangen sei, das sei ja fünf Jahre her.

Auf Nachfrage sagt Albrecht, er könne nicht mit Sicherheit sagen, in welchem Zeitraum die Notizen entstanden seien. Koller sagt zu den Notizen: „Man kann es auch so interpretieren: Einer hat die absolute Wahrheit und muss das den anderen begreiflich machen, z. B. durch eine Demo, in dem man Xavier Naidoo einlädt. Naidoo hat eine bestimmte politische Richtung, müsste man diskutieren. Oder anderweitig den Leuten die Wahrheit klar machen. Und komischerweise sind unten zwei Leute aufgeschrieben, die nicht in Ihre politische Richtung passen.“ Und dann sei dort auch die Skizze des Ortes, an dem Annetta Kahane arbeite: „Da könnte man ja auch solche Gedanken haben. Aber Sie sagen: Das hat nix miteinander zu tun.“ Albrecht macht längere Ausführungen, warum es sich bei den Notizen nicht um einen Plan handele und wie man sie einordnen müsse. Danach geht es um die Rückseite des Zettels, auf der eine Art To-Do-Liste zu finden ist, auf der steht, er wolle ein Schloss ausmessen und Schlüssel für seine Motorräder nachmachen lassen, außerdem steht da „Kamin“. Albrecht erklärt alle Punkte aus seiner Sicht, beispielsweise damit, dass er immer wieder Schlüssel verliere. Koller: „Für mich ist komisch, dass das alles auf einem Zettel ist.“ Albrecht: „Weil es eben nicht für einen Anschlag ist.“ Koller diskutiert mit dem Angeklagten, dass er es anders sehe, nennt die Notiz „Schrotflinte Zug Berlin“ und dass zwei Menschen auch auf dem Zettel verzeichnet seien, die nicht auf der politischen Linie des Angeklagten seien.

Es geht dann um die Wegskizze auf dem Notizzettel und Albrecht sagt, er habe damit den Weg von der U-Bahn zum Gebäude finden wollen. Koller hakt nach, ob er kein Handy habe und Albrecht und sein Anwalt Hock sagen, das werde einem in der Bundeswehrausbildung beigebracht, Albrecht: „Als Infanterioffizier geht es einem in Fleisch und Blut über, solche Wegskizzen zu machen.“ Koller: „Wann macht ein Offizier solche Skizzen?“ Albrecht antwortet, beim Einzelkämpferlehrgang sei dies der Fall, „wenn es ums Orientieren ging“. Koller: „Also bei einem Einsatz. Aber da könnte man doch denken: So hat es Herr Albrecht in seiner Ausbildung gelernt und jetzt macht er eine Skizze, weil das ein Einsatz für ihn ist“. Albrecht sagt, man müsse „schon einen Drang haben, das so zu sehen“, aber es sei „logisch nachvollziehbar“.

Nun werden Notizen in einem schwarzen Notizbuch in Augenschein genommen, dazu verliest Richterin Adlhoch die Notizen, Albrecht schaltet sich immer wieder – ungefragt und zum Teil verbessernd – ein und liest selbst Teile vor. Koller: „Nein! Wir verlesen! Das was Sie dazu erklären, wäre eine Einlassung.“ Koller fragt dann, ob Albrecht dazu was erklären wolle, dieser willigt ein und sie gehen die Notizen einzeln durch. Zunächst geht es um eine Art To-Do-Liste. Albrecht geht diese durch erklärt, er habe ein zweites Bankkonto eröffnen wollen, habe mal überlegt, zu Kellnern und habe sich die russische NGO „Institut de Democratie et de la Cooperation“ notiert. Zur Notiz „justieren“ könne er nichts genaues mehr sagen, so Albrecht. Der Angeklagte fügt hinzu, er habe sich statt eines Fernsehers eine Anlage mit dem Pico-projektor von Philipps bauen wollen: „So ein handgroßer Projektor“. Albrecht zeigt den Projektor und Koller unterbricht: „Wir verhandeln öfters gegen Islamisten. Hat man sich das bei der Einlasskontrolle angeguckt?“ Albrecht: „Nein, das haben meine Anwälte mit rein genommen. Den gab es in verschiedenen Ausführungen, einmal mit, einmal ohne W-Lan. Wir sind gerichtlich vorgegangen gegen das RND, wo es hieß, wir wollten das Ding umbauen und wie der Christchurch-Mörder die Taten filmen. Hat leider viele nicht gehindert, diese Botschaft weiterzuverbreiten.“ Er wisse gar nicht, wie oder ob man diesen Projektor so umbauen könne.

Albrecht gibt im Verlaufe des Verhandlungstages an, dass er viele der Namen oder Organisationen notiert habe, um zu ihnen zu recherchieren, nicht um Anschläge zu begehen: „Da wollte ich mal ein bisschen recherchieren […] da wollte ich mir Hintergrundinformationen beschaffen“. Bei der Notiz Wien, „da müsste es um den Sommer gehen“. Er sei vor „der Sache mit dem Ball“ schon einmal in Wien gewesen, weil sie eine Freundin besucht hätten. Albrecht sagt zu der Notiz „Wenn wir noch länger warten, dann haben Sie Roboter und dann ist es egal, ob wir die Menschen für uns gewinnen können oder nicht“, dass er da einen einen Film geguckt haben werde, Star Wars oder Matrix und dann habe er selbst „einen Film geschoben“, aber dahinter stehe nichts gewalttätiges. Albrecht spekuliert zu weiteren Notizen, wie sie gemeint sein könnten, ohne aber auf Aufforderung des Senats konkrete Erinnerungen dazu zu benennen.

Albrecht gibt an, einige Notizen auf der in Augenschein genommenen Notizbuchseite bezögen sich auf seine Pläne für den Zeitpunkt, an dem er die offenbar erwartete Beförderung zum „Zugführer“ in der Infanterie bekommen hätte. Meditieren sei wichtig, um eine mentale Ausbildung zu haben. Dann geht er auf eine Notiz ein, zu der Albrecht angibt, dies hätte er als „Wahlspruch“ seines Zuges ausgesucht, es wäre dann gerufen worden: „Wenn nicht wir – wer dann? Wenn nicht hier – wo dann? Wenn nicht jetzt – wann dann?“ Albrecht: „Weil viele ganz oft dran scheitern, dass man Ausflüchte sucht, die mit wo, wer und wann begründet werden.“ Mit diesem Spruch wäre der Zug aber einsatzbereit gewesen, das sei aus einer jüdischen Schrift inspiriert. In den Notizen geht es außerdem um MMA Nahkampf, damit habe er gemeint, dass er diese Kampfsporttechnik mit seinen Soldaten forciert hätte. Auch die Notizen „ich bin der Boss“, „beim ersten Versuch Platz einnehmen, gleich klarmachen und Leine kurz“ und „ich bin der Vater, ja ich bin 27, aber ich bin der Vater“ seien in diesem Kontext zu sehen, man müsse als Zugführer Disziplin walten lassen, sagt Albrecht und macht weitere Ausführungen zu Führungsphilosophien bei der Bundeswehr. Albrecht: „Das war Zukunftsplanung. Meinen Zug hätte ich erst übernehmen können nach dem Lehrgang, bei dem ich festgenommen wurde.“

Koller: „Ich hab ganz viele Fragen. Was ist damit gemeint ‚wir sind an einem Punkt, an dem wir noch nicht handeln können‘?“ Albrecht: „Ich kann mich nicht erinnern. Es könnte sich auch auf einen Zug beziehen.“ Koller: „Sie erinnern sich nicht? Man könnte auch sagen: Ich bin der Führer Deutschlands, da ist man noch nicht, es muss noch was passieren?“ Albrecht: „Aber da müsste man ja ich sagen und nicht wir.“ Richterin Adlhoch fragt allgemeiner zu Albrechts Ausführungen: „Sind das Ihre heutigen Interpretationen oder haben Sie das damals gedacht?“ Albrecht: „Ich versuche das so darzustellen, wie ich damals gedacht haben könnte.“ Koller fragt nach der „Wenn nicht wir, wer dann, wenn nicht jetzt, wann dann“- Notiz und Albrecht wiederholt, jede Kompanie habe so einen Wahlspruch. Koller sagt, es gäbe ein Sprachmemo, in dem sich Albrecht auch mit dem Satz befasse, dieses würde er jetzt abspielen. Albrecht: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das nicht machen würden, meine Ansicht ist, dass das zu weit geht, wenn man diese Pforte öffnet. Ich hätte das sehr ungerne. Das ist wie Tagebuchcharakter. Das fühlt sich für mich sehr unangenehm an.“ Koller antwortet, man habe auch noch nicht geprüft, ob man es verwerten könne, aber „es passt aber hier haargenau, weil es sich auf den Spruch bezieht, aber einen anderen Kontext hätte und erbringt, wie damals Ihre Gedankenwelt war“. Koller legt eine kurze Pause ein, danach sagt er, man habe es noch nicht beraten, ob Albrecht und seine Verteidigung dazu mitbestimmen könnten.

Koller sagt, er wolle zum Kalenderblatt 11. September kommen aber Albrecht unterbricht, er wolle ein Dokument vorlegen. Koller: „Das ist dann formal eine Beweismittelanregung und ich entscheide, ob wir das in Augenschein nehmen, wenn ich eine Fundstelle aus der Akte kriege.“ Albrechts Verteidiger Hock sagt, er habe eine ergänzende Erklärung zu diesem Zettel. Er sagt zu der Wegskizze, dass beim Militär „in Fleisch und Blut übergeht“ wie man von A nach B ohne Elektrik komme. Daher sei das nicht so „lebensfremd“. Ein „militärischer Führer vom Rang des Angeklagten“ mache sich selbstverständlich solche Skizzen macht, ohne dass man irgendwelche Anschlagspläne hineininterpretiere.

Adlhoch verliest aus dem Taschenkalender die Eintragung zum 11. September: „Roth: Leute wie Ihr saugen uns unser Volk aus, das müsst Ihr bezahlen. Ihr seid römische Verderbtheit“, „lokalisieren wo sie ist“, „instagram, facebook“ [phon.] und „Gruppe Antifa Granate Asylant werfen lassen filmen“. Außerdem steht auf der Seite „Granate Tschechien Geld Raub“, „Polizeifunk abhören René“, „secret relationship between blacks and jews. Wahrheit verhindern.“ Albrecht sagt, Roth habe sich mit dem Ausspruch „Deutschland verrecke du mieses Stück Scheiße“ „bezichtigt“ und für „jedem normalen Menschen“ sei fragwürdig, wie so jemand für Deutschland Politik machen könne. Instagram habe er nicht gehabt, er habe schauen wollen, „was da alles noch für Dinge geäußert werden“. Albrecht: „Ich kann das nicht nachvollziehen, wie man dann Politik im Sinne des Deutschen Volkes machen kann.“ Koller: „Darüber kann man ja diskutieren, aber wieso ‚lokalisieren wo sie ist‘“? Albrecht: „Ja, auf den Plattformen.“ Koller: „Man könnte auch sagen: Wo sie sich körperlich aufhält.“ Albrecht: „Dann würde der Strich für Berlin stehen.“

Koller: „Und ‚Gruppe Antifa Granate‘?“ Albrecht: „Nein, es geht weiter mit ‚Tschechien Raub‘“. Dazu sagt der Angeklagte, er habe sich öfter überlegt, wie man etwas „filmisch-theatralisch“ darstellen könne. „Aber das erschließt sich mir jetzt auch nicht mehr genau.“ Koller hakt nach „Granate Asylant werfen lassen“ sei ein Plan für einen fiktiven Film gewesen? Albrecht: „Wäre meine einzige Erklärung. Wenn das mehr als Ideen wären, wär‘s ja umgesetzt worden.“ Koller fragt, was das mit „Gruppe Antifa“ zu tun habe. Albrecht sagt, er habe damals gehört, dass Hakenkreuzschmierereien auf jüdischen Friedhöfen inszeniert seien, um ein schlechtes Bild zu erzeugen: „Mehr kann ich dazu nicht sagen, dass wäre Kaffeesatzleserei.“ Auf die Frage, ob er sich mit Film beschäftigt habe, sagt Albrecht in der Schule habe er mit Filmschneidesoftware gearbeitet, er habe einen Dokumentarfilm von der Abschlussfahrt nach Istanbul gemacht. Seitdem habe er nicht mehr gefilmt. Koller: „Herr Albrecht, wir machen uns ja auch unsere Gedanken, und man könnte zu der Würdigung kommen, jemand will auf eine Gruppe von Antifa-Leuten eine Granate werfen lassen und es wird gefilmt, dass ein Asylbewerber das gemacht hat. Ganz plakativ sind die Linken flüchtlingsfreundlich und wenn ein Asylbewerber eine Granate auf eine Gruppe Antifas wirft, dass die Linken nicht mehr ganz so flüchtlingsfreundlich sind. Das ist nicht meine Interpretation, aber eine Interpretationsmöglichkeit. Ich finde das mit dem Film – also warum soll jetzt ein Film gemacht werden? Ich verstehs nicht!“ Albrecht: „Ich verstehe es auch nicht oder nicht mehr.“

Zu der Notiz „Polizeifunk abhören“ sagt Albrecht, die benannte Person kenne sich mit Tontechnik aus. Koller: „Also das hat auch mit einem Filmprojekt zu tun?“ Albrecht: „So würde ich mir das erklären, weil ich mir das nicht anders erklären kann.“ Koller: „Wenn ich einen Anschlag vorhabe und lokalisiert hab wo die Frau Roth ist, da muss ich auch den Polizeifunk abhören.“ Albrecht sagt, der benannte Renè sei ein Ruderfreund. Koller fragt, ob das alles auf einmal geschrieben worden sei. Albrecht sagt, er glaube nicht: „Auch die Tatsache, dass das am 11. September steht, war der Tatsache geschuldet, dass da noch Platz war.“ Koller: „Da könnte jemand sagen: da plant einer einen deutschen 11. September.“ Albrecht: „Nein, es kommt mir überhaupt nicht in den Sinn, was zu inszenieren. Der Tatvorwurf aus der Anklage liegt mir komplett fern. Ich poche auf Liebe, Gemeinsamkeit.“

Zu einer weiteren Liste mit Namen, die in Augenschein genommen wird, sagt Albrecht erneut, er habe „weiterrecherchieren“ wollen. Er sei auf die Personen gestoßen, weil er „öffentlichkeitsinteressiert“ sei. Es wird eine weitere Personenliste in Augenschein genommen, das Blatt trägt die Überschrift „Politik und Medien“. Auf Frage sagt Albrecht, er habe den Zettel erst in Akten gesehen, vorher habe er ihn nicht gekannt. Richterin Adlhoch sagt, der Zettel sei bei Maximilian Tischer gefunden worden, sie fügt hinzu, dass es Überschneidungen zu dem Personen auf den beim Angeklagten gefundenen Listen gebe. Albrecht sagt auf Nachfrage, er schließe nicht aus, dass er im Smalltalk mit Tischer über die Personen gesprochen habe, „und ich für meinen Teil auch mal recherchiert hab. Könnte sein. Aber das sage ich nicht aus einem Wissen raus.“ Adlhoch: „Tischer ist ein Freund von Ihnen“? Albrecht: „War mal ein Kamerad“, sie seien gemeinsam in Hammelburg ausgebildet worden, „waren am gleichen Standort. Da kannte man sich näher, als nur irgendein Kamerad“. Adlhoch sagt, Tischer sei der Bruder von Albrechts Lebensgefährtin. Albrecht: „Richtig, ja.“ Adlhoch: „Haben Sie mit ihm auch politische Gespräche geführt?“ Albrecht: „Sicherlich über tagesaktuelle Dinge.“ Auf Nachfrage sagt der Angeklagte, sie seien oft unterschiedlicher Meinung gewesen, das sei aber interessant, „dass wir konstruktiv unterschiedliche Sichtweisen sachlich eruieren konnten“. Adlhoch: „Haben Sie generell über Personen und Politiker gesprochen?“ Albrecht: „Mit Sicherheit. Über Flüchtlingspolitik, über amerikanische Präsidenten. Sicher werden wir über Menschen gesprochen haben, die für die jeweilige politische Entscheidung stehen.“ Auf Nachfrage sagt der Angeklagte, er habe mit Tischer nicht mehr gesprochen, seit er, Albrecht, im Gefängnis gewesen sei. Nach einer Pause hakt Koller nach: „Herr Albrecht, ich will da nochmal nachfragen, was ihre Beziehung zu Herrn Maximilian Tischer angeht. Sie haben betroffen geschaut, als Sie gesagt haben, Sie haben keinen Kontakt mehr. Gibt‘s dazu was zu sagen?“ Albrecht: „Ich will mich nicht zu irgendwelchen Interna äußern.“ Dass Tischer für die AfD arbeite, sein ein Grund: „Solange das Verfahren nicht zu Ende ist, sollte erst mal keine Verbindung bestehen, das war der Grund, warum das erstmal abgebrochen wurde.“ Koller: „Und das leben Sie auch so?“ Albrecht bejaht, es gäbe keine Überschneidungspunkte.

Erneut werden Unterlagen in Augenschein genommen, die bei Albrecht gefunden wurden, wieder eine Liste, die wie eine Art To-Do-Liste wirkt. Unter anderem verliest der Senat die Punkte: „Blackphone“, „Darknet“, „Handgranaten“, „Einrichten der GPS-Tracker“, „Zentralrat der Juden“, „Zentralrat der Muslime“, „Molotowcocktails herstellen“, „Sprengung des Rothschildsteins FFM“, „Wenn Frau Haverbeck ins Gefängnis dann Befreiungsaktion“, „Bekämpfung Osmanen Germania“, „Antifa-Area in Dietzenbach“ sowie „Feuerzeug Explosion ausprobieren“. Koller: „Das sind jetzt wieder Notizen, die zu Gedanken Anlass geben. Möchten Sie dazu was sagen?“ Albrecht bejaht und sagt, er könne „überhaupt nicht“ sagen, wann er diese Notizen angelegt habe. Er geht dann die Punkte durch. Bei „Blackphone“ handele es sich um einen Blackberry, „Darknet“ habe er aufgeschrieben, weil er habe gucken wollen, „was ist das Darknet“, „‘Handgranaten‘, das weiß ich auch nicht, Übungshandgranaten oder sonstwas, dass ich mir die Funktionsweise angucke“. „‘www staatenlos.info‘, ist so ein Flyer, den ich mal gesehen hab, wo ich sehen wollte, worum es sich handelt“; „Einrichten des Trackers“ und „Abhörwanze“ habe ihn interessiert. „‘Zentralrat‘, da wollte ich gucken, was gibt‘s alles an Zentralräten“; „‘Molotowcocktail‘, da wollte ich eine Anleitung suchen“, „‘Sprengung Rothschildstein FFM‘, da kann ich nichts dazu sagen.“

Richterin Adlhoch fragt nochmal zu der Notiz „Molotowcocktail“. Albrecht: „Da wollte ich recherchieren, wie man einen Molotowcocktail herstellen kann. Zur Sprengung Rothschildstein kann ich nicht sagen, was gemeint ist.“ Albrecht fährt fort: „‘Frau Haverbeck ins Gefängnis dann Befreiungsaktion‘, das ist eine alte Frau, die zum Holocaust eine eigene Ansicht hat“. Koller: „Und wer soll sie befreien?“ Albrecht: „Weiß nicht, wo ich das mal aufgenomnen habe, ob das wer gesagt hat.“ Koller: „Aber das sind doch Ihre eigenen Gedanken, da könnte man meinen: Sie denken, sie müsste befreit werden“. Albrecht: „Könnte man denken.“ Koller: „Haben Sie das denn gedacht?“ Albrecht: „Kann ich nicht mehr genau sagen.“ Koller: „‘Eine eigene Meinung zum Holocaust‘?“ Albrecht: „Eine abweichende Meinung.“ Koller: „Na, sie ist Holocaustleugnerin!“ Albrecht: „Ja.“ Koller: „Das nennen Sie eine abweichende Meinung?“ Albrecht: „Ja sicherlich, ganz neutral, ohne eine Wertung.“ Koller: „Das Problem ist doch, ob man zu einer historischen Tatsache eine Meinung haben kann.“ Albrecht: „Sicherlich, aber bei jedem Thema, ob Napoleon jetzt so rum oder so rum angegriffen hat, wie auch immer, selbst bei Tatsachen kann man doch sagen: ich sehe es trotzdem anders. Das hat gar nichts mit dem Holocaust zu tun. Grundsätzlich sollte eine Diskussion offen führbar sein.“ Koller: „Wer sollte jetzt eine Befreiungsaktion machen für Frau Haverbeck?“ Albrecht: Das weiß ich nicht, ob das nicht wer geschwafelt hat.“ Koller: „Sie nicht?“ Albrecht: „Ich nicht, ich habe auch nicht die Mittel.“ Koller: „Wieso schreiben Sie es dann auf, finden Sie es gut?“ Albrecht: „Selbstverständlich nicht, wenn man Exekutivmaßnahmen unterbindet, ist es nicht gut.“

Auf die Frage nach der Notiz „Sprengung Rothschildstein“ sagt der Angeklagte, in Frankfurt gäbe es „mehrere solche Sachen, die zur Erinnerung an diese Familie dastehen“, einige könnten so bezeichnet werden. Auf Nachfrage sagt Albrecht, „was die Person die das gesagt hat, damit gemeint hat“, könnte zwei Orte bezeichnen. Einmal gäbe es „die Wand mit den Steinen drauf, da gibt es einige Rothschildnamen, neben dem jüdischen Museum“ dann gäbe es den Rothschildpark. Beides könnte mit gemeint sein.“ Adlhoch: „Ja, was haben Sie denn gemeint?“ Albrecht sagte hierzu nicht mehr, „bevor ich mich da in Teufels Küche bringe“, so der Angeklagte. Richter Rhode: „Sie beschreiben das wie die Worte eines Fremden, machen Ausführungen zu randständigen Dingen und dazu nicht, Sie müssen sehen, welchen Eindruck das hinterlassen wird!“

Koller: „Wir lesen ‚Herstellung Molotowcocktail‘, „Sprengung Rothschildstein‘, ist das eine To-Do-Liste?“ Albrecht: „Eine Rechercheliste.“ Zur Notiz „Bekämpfung Osmanen Germania“ sagt Albrecht, zu der Gruppe habe es eine Reportage gegeben, er habe sich dann damit beschäftigt. Koller: „Wer soll sie bekämpfen?“ Albrecht: „Grundsätzlich habe ich mit Menschen aus dem Kulturkreis keine Probleme.“ Koller: „Aber da steht ‚Bekämpfung Osmanen Germania‘, wer hat davon gesprochen, wo haben Sie es gelesen, Sie müssen ja drauf gekommen sein, das aufzuschreiben?“ Albrecht: „Ja sicher. Ich kann zu alldem sagen: keine Dinge habe ich vorgehabt umzusetzen. Und keine Dinge habe ich umgesetzt.“ Adlhoch „Auch nicht: ‚italienisch lernen‘?“ Albrecht: „Nein, nur als ich im Knast war und italienische Mitinsassen hatte.“

Koller fragt nach dem Punkt „Zerhetzung OGF“. Albrecht sagt, das heiße Osmanen Germania, möglicherweise Frankfurt. Koller hinterfragt wiederholt den Begriff Zerhetzung, Albrecht sagt, er kenne den Begriff nicht, vielleicht sei er ihm entfallen. Koller: „Vielleicht holen wir uns einen Sprachexperten, ich weiß, dass der Begriff verwendet wird von bestimmten Leuten.“ Koller: „Und ein A im Kreis, ein Anarchiezeichen?“ Albrecht bejaht und sagt auf Nachfrage, „vielleicht habe ich das gesehen und festgehalten.“ Koller: „Gibt‘s in Dietzenbach auch eine ‚Antifa Area‘?“ Albrecht: „Also im ganzen Rhein-Main-Gebiet findet man solche Sprüche überall.“ Koller: „Und das nächste: ‚Feuerzeugexplosion‘, ist das auch To-do?“ Albrecht: „Im Internet trifft man auf die ein oder andere Sache und will wissen, ist da was dran.“ Adlhoch: „Das klingt, als hätten Sie eine konkrete Erinnerung daran.“ Albrecht verneint: „Hat mich bestimmt interessiert heißt: Ich weiß es nicht mehr konkret. Vielleicht hat es mir jemand erzählt und ich wollte es mal ausprobieren.“ Koller sagt: „Wir haben unheimlich viel, was Sie gesagt haben, das müssen wir sortieren und einordnen.“ Danach endet der Prozesstag.

Der Bericht zum 6. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen

 

„An ein solches Gespräch kann ich mich nicht erinnern.“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 7. Verhandlungstag, 17. Juni 2021

Am siebten Verhandlungstag war zuerst eine Sprachsachverständige geladen, welche die Anhörung von Franco Albrecht beim BAMF übersetzte, die teils in Französisch, teils in Deutsch abgehalten wurde. Im Anschluss wurde Maximillian Tischer geladen, der zeitweise als Mitverdächtiger im Verfahren geführt wurde. Die Vorwürfe gegen ihn wurden jedoch inzwischen fallen gelassen. In seiner Aussage berief er sich auf das Aussageverweigerungsrecht und Erinnerungslücken.

Als erste Zeugin am siebten Prozesstag wurde erneut die Sprachsachverständige R. geladen. Sie sollte den Audiomitschnitt übersetzen, den Franco Albrecht unter seinem Tarnidentität als syrischer Geflüchteter David Benjamin von seiner Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 7. November 2016 in Nürnberg anfertigte. Der Mitschnitt der Anhörung ist knapp 31 Minuten lang. Im Gerichtsprozess wurde abwechselnd der Mitschnitt im Original für einige Minuten abgespielt, woraufhin die Sachverständige den entsprechenden Part übersetzte. Unterbrochen wurde dieser Ablauf von einzelnen Nachfragen des Gerichts an die Sachverständige R.

In dem Mitschnitt sind drei unterschiedliche Personen zu hören: Ein Mitarbeiter des BAMF, der Albrecht Fragen stellt (auf Deutsch); eine Dolmetscherin, welche diese Fragen und Albrechts Antworten übersetzt (spricht deutsch und französisch); und Franco Albrecht (spricht französisch und gebrochenes Deutsch mit einem Akzent, der französisch wirken soll).

(Die verständlichen Teile des Audiomitschnitts sind im Folgenden kursiv geschrieben sinngemäß oder teils wörtlich wiedergegeben.)

Die Dometscherin sagt: „Daesh (der „Islamische Staat“) ist ein Teufel, die nehmen alles weg was sie besitzen“. Der Anhörer fragt: „Was würden Sie bei einer Rückkehr nach Syrien befürchten?“ Die Dolmetscherin übersetzt und fügt an: „Das gleiche Schicksal wie beim Islamischen Staat?“. Albrecht sagt auf gebrochen klingendem Deutsch, der Islamische Staat würde ihn töten.

Koller merkte hier im Prozess an, dass Albrecht in seinen Ohren so klinge wie jemand der Deutsch spricht aber versucht, einen französischen Akzent nachzuahmen. Die Sprachsachverständige pflichtete ihm bei: „Absolut, zum Teil ist es gelungen dies nachzuahmen:“

Der Anhörer des BAMF: „Warum befürchten Sie persönlich Probleme bei der Rückkehr nach Syrien?“. Die Dolmetscherin: „Weshalb haben Sie Angst, was erwartet Sie genau? Vielleicht der Tod?“ Albrecht (auf französisch): „Ah, ok d‘accord“, dann auf gebrochenem deutsch „Tod und Verfolgung. Weil ich Christ bin“.

Koller fragte die Sachverständige: „Wenn Sie sein Französisch hören, kann man ihn für einen Muttersprachler halten?“. Die Sachverständige antwortete: „Von der Aufnahme her nicht, nein. Die Dolmetscherin spricht kaum Französisch, sie hat das nie gelernt und mach viele Fehler.“ Koller: Und sie macht Vorgaben, was er sagen soll?“. Sachverständige: „Hier hat sie direkt geholfen“.

Albrecht begründet seine Angst vor Tod und Verfolgung mit dem Krieg in Syrien. Es folgen einige unverständliche Passagen. Dann sagt Albrecht auf Französisch, er wolle einen Antrag auf Leben stellen.

Die Sachverständige wirft hier ein, dass Albrecht für das Wort Asylantrag fälschlicherweise „Antrag auf Leben“ benutze.

Auf Nachfragen des Anhörers und Übersetzung der Dolmetscherin erzählt Albrecht die Geschichte seiner Tarnidentität: Er sei am 2. Februar 1988 geboren, sei auf einem Gymnasium zur Schule gegangen, habe aber kein Abitur gemacht, er hätte danach auf dem Feld gearbeitet. Er sei kein Polizist oder Soldat gewesen und hätte keiner politischen Gruppe angehört. Eines Nachts kam der IS, sein Bruder sei gestorben, er selbst sei durch einen Granatsplitter an der rechten Schulter verletzt worden. Er habe einen Cousin, aber wisse nicht wo dieser ist. Auch der Vater sei verschwunden. Am 29.12.2015 sei er in Deutschland angekommen. In Deutschland habe er keine Familienangehörigen und er habe keine gesundheitlichen Beschwerden mehr. Als der Anhörer keine weiteren Fragen mehr hat wird Albrecht von ihm und der Dolmetscherin verabschiedet, danach endet die Aufnahme.

Im Gerichtssaal hatte niemand mehr fragen an die Sprachsachverständige. Sie wurde dann als Zeugin entlassen.

Aussageverweigerung und Erinnerungslücken

Nach der Entlassung der Sprachsachverständigen betrat Maximilian Tischer mit seiner Rechtsanwältin Pia Gehrke aus Frankfurt den Zeugenstand. Nach den Angaben zur Person, bei denen Tischer angab von Beruf Soldat zu sein und in Magdeburg zu leben, wies ihn Richter Koller daraufhin, dass Tischer keine Fragen beantworten müsse, durch deren Antwort er selbst von einer Strafverfolgung betroffen sei. Koller fragte Tischer, ob dieser noch Kontakt zu Albrecht habe und ob er wisse, was Albrecht beruflich mache. Tischer antwortete, dass sie keinen Kontakt mehr hätten und er nicht wisse, was Albrecht beruflich mache. Sein letzter Stand hierzu sei von 2017. Der Richter Koller zeigte sich verwundert darüber, da Albrecht mit Tischers Schwester liiert sei und mit ihr gemeinsam wohne. Er fragte Tischer, ob dieser wisse ob die Familie mit Kindern nur von Albrechts gekürzten Bezügen der Bundeswehr lebe oder noch ein weiteres Einkommen habe. Tischer antwortete hierauf knapp, dass er keine Kenntnis habe. Zu Albrecht habe er keinen Kontakt, in Gesprächen mit seiner Schwester würden sie das ausblenden und nicht darüber reden, er wisse hiervon nichts.

Nach dem Gericht fragte der Bundesanwalt Bußkohl Tischer zur politischen Gesinnung des Angeklagten Albrecht und wie Tischer diese einschätze. Gegenüber dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) habe Tischer erzählt, dass er sich mit Albrecht über das Einwanderungs- und Sozialsystem unterhalten habe. Tischers Rechtsanwältin Gehrke erklärte hierauf, dass Tischer keine Angaben hierzu machen werde, da es unter den §55 StPO zum Aussageverweigerungsrecht falle, da er sich damit möglicherweise selbst beschuldige. Bußkohl entgegnete, dass er dies anders sehe und dies eine Überdehnung des §55 sei. Der Vorsitzende Richter Koller entgegnete darauf, dass er dies anders sehe und Tischer die Frage nicht beantworten müsse, da im Sinne der sogenannten „Mosaiktheorie“ die einzelne Frage ihn zwar strafrechtlich nicht direkt belaste, aber sich wie bei einem Mosaik aus der Zusammenschau von Informationen mit dieser Teilinformation Tischer sich letztlich doch selbst belasten könne. So sei Tischers Verfahren schließlich nur nach §170 Abs.2 StPO eingestellt, wonach bei erneuten belastenden Hinweisen die Strafverfolgung wieder aufgenommen werden könne.

Bundesanwalt Bußkohl formulierte die Frage daraufhin neu, Tischers Anwältin berief sich wieder auf das Aussageverweigerungsrecht und der Senat machte eine kurze Pause, um darüber zu beraten, ob Tischer die Frage beantworten müsse. Dies wurde nach der Pause vom Senat dann abgelehnt, weil es sich um eine Wertungsfrage handele, so Koller. Daraufhin wiederholte sich der Ablauf: Die Bundesanwaltschaft formulierte die Frage neu, Tischers Anwältin berief sich auf das Aussageverweigerungsrecht und der Senat unterbrach wieder für eine kurze Beratung. Nach dieser Beratung gab Koller bekannt, dass sie zu keinem Entschluss hierüber gekommen seien und länger benötigten um darüber zu entscheiden, ob Tischer antworten müsse. Nach einer weiteren kurzen Beratung, diesmal zwischen Bundesanwaltschaft und Tischers Anwältin, erklärte sich dieser bereit, auf die Frage zu antworten, da die GBA zugesichert habe, dass sie nur diese eine Frage stellen würden. Auf die Frage, ob er beim MAD eine solche Aussage über Gespräche mit Albrecht gemacht habe, antwortete Tischer nur knapp: „An ein solches Gespräch kann ich mich nicht erinnern.“ Die Anhörungen beim MAD dauerten mehrere Stunden, da könne er sich nicht erinnern, das so gesagt zu haben, so Tischer.

Mit dieser knappen Antwort endete die wenig aussagekräftige Vernehmung von Maximilian Tischer und er wurde als Zeuge entlassen. Damit fand auch der Verhandlungstag ein Ende, da der Senat die Vernehmung von dem ebenfalls geladenen Mathias Fl. an diesem Tag nicht mehr schaffen würden. Auch bei ihm kämen sie sicherlich in Grenzbereiche, was vom Aussageverweigerungsrecht gedeckt sei und was nicht, wenn auch nicht so wie bei Tischer, da Fl. bereits verurteilt wurde.

Der Bericht zum 7. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen

 

Ein „gefestigtes antisemitisches und nationalsozialistisches Weltbild“– Der Prozess gegen Franco Albrecht – 8. Verhandlungstag, 24. Juni 2021

Am 8. Verhandlungstag im Prozess gegen Franco Albrecht sollen zwei Zeug*innen vernommen werden, die mit dem Fall beim Jobcenter in Erdingen vertraut waren, sowie die Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft zu den Sprachmemos, die Franco A. auf seinem Mobiltelefon eingesprochen hatte, verlesen werden.

Da beide Zeug*innen zu Beginn der Sitzung noch nicht anwesend sind, wird mit der Stellungnahme der Generalbundesanwaltschaft (GBA) begonnen. Albrecht hatte auf seinem Mobiltelefon 191 Sprach-Memos gespeichert. Die Diktierfunktion soll er für unterschiedliche Auseinandersetzungen mit sich Selbst verwendet haben, aber sie enthalten auch Gefühle, gesungene Lieder, Pläne, Unterhaltungen mit anderen und mit sich selbst.

Die GBA leitet die Stellungnahme mit aneinander gereihten Zeiten und Daten der Memos ein, deren Inhalte antisemitisches und völkisches Denken enthalten, und somit für den Prozess relevant seien. Darüber hinaus sollen die Memos sehr persönliche Informationen enthalten, die einem Tagebuch gleichen und aus diesem Grund nicht für den Prozess verwendet werden dürfen, da sie den „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ betreffen.

Als erstes relevantes Memo werden Teilauschnitte aus dem Memo mit der Nummer 38 verlesen, in dem Albrecht ein Gespräch mit einigen Personen auf einer Feier aufgenommen hat. Franco Albrecht hat in dem Memo scheinbar einen erheblichen Redeanteil und erklärt der Runde, dass „Juden und Deutsche nicht das selbe Volk seien“ und „sich gegenseitig abstoßen würden“. Im weiteren Verlauf des Memos erklärt Albrecht den Zuhörenden, dass Adolf Hitler „kein Maßstab sei“, sondern „über allen Dingen stehen würde“. Denn Adolf Hitler sei der „Schöpfer der ehrlichen Arbeit“ und „jegliche Kritik an seiner Person sei eine Lüge“, so Albrecht weiter.

Nachdem dieser Teil aus dem Memo verlesen wurde, unterbricht Albrechts Rechtsanwalt Hock die Verlesung und bittet um einen Auschluss der Öffentlichkeit. Er begründet den geforderten Ausschluss damit, dass noch nicht entschieden sei, dass die Memos überhauot als Beweis zugelassen werden. Deswegen dürfe in der Öffentlichkeit nicht umfassend aus ihnen zitiert werden. Daraufhin wird die Verlesung vorerst von Richter Dr. Koller unterbrochen und die erste Zeugin wird in den Gerichtssaal gerufen.

Bei der Zeugin handelt es sich um eine Mitarbeiterin des Jobcenters Erdingen, in dem sie für Gruppenveranstaltungen für Geflüchtete zuständig war, in denen Geflüchtete mit Hilfe eine*r Übersetzer*in Anträge ausfüllen könnten. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung habe sie Franco Albrecht am 14.02.2017 kennengelernt. Albrecht habe sich ihr als Benjamin David vorgestellt und in der Veranstaltung seinen Antrag als syrischer Flüchtling gestellt. Sie sei von Beginn an etwas irritiert gewesen, da er angegeben habe, dass er mit einem arabischen Dolmetscher nichts anfangen könne und nur Französisch und etwas Deutsch spreche. Ansonsten sei sein Verhalten aber nicht weiter auffällig gewesen und er hätte sich ihr gegenüber aufdringlich charmant gegeben. Zwar sei sie über sein gutes Deutsch verwundert gewesen, aber da seine Dokumente vollständig waren, habe sie sich darauf verlassen.

Im Anschluss wird ein zweiter Zeuge wird vernommen, der ebenfalls im Jobcenter in Erdingen gearbeitet hatte. Er sei mit dem Fall vertraut gewesen, nachdem Franco Albrecht die Gruppenveranstaltung besucht hatte. Ihm zufolge habe das BKA sich im Jobcenter Erdingen gemeldet, sich über den Fall „Benjamin David“ erkundigt und darum gebeten, ihn ganz normal weiter zu behandeln. Die Dokumente seien auch alle korrekt gewesen und daher wurde gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz die Zahlung an das Alias von Franco Albrecht bewilligt.

Im Anschluss an die Aussage des zweiten Zeugen entsteht eine Diskussion zwischen den Anwälten von Albrecht, dem Richter Dr. Koller und der Bundesanwaltschaft, da Dr. Koller und die Anwälte von Albrecht den Vorwurf des Betrugs gerne fallen lassen würden. Albrecht habe die Rückforderungern des Jobcenter Erdingen alle beglichen und daher würde er auch nicht mehr in der Schuld stehen. Richter Dr. Koller vertritt dabei die Annahme, dass es in dem Prozess um viel schwerere Vorwürfe gehe und der Betrugsfall nur aufhalten würde. Die Bundesanwaltschaft geht indes weiter von einem Betrug aus und möchte sich nicht darauf einlassen den Vorwurf eines „versuchten Betrugs“ von Franco Albrecht fallen zu lassen.

Nachdem beide Zeugen aus dem Zeugenstand entlassen wurden, kommen die unterschiedlichen Telefonnummern und E-Mail-Accounts zur Sprache, von denen Franco A. eine Vielzahl besessen haben soll. Franco Albrecht erklärt die große Menge damit, dass er sich stets auf einen „Zusammenbruch“ vorbereitet habe und in diesem Fall weiterhin die Möglichkeit haben wollte zu kommunizieren. Im weiteren erklärt er, dass ihm der Begriff des „preppens“ bis zu seinem Verfahren nicht bekannt gewesen sei, er sei aber stets gut vorbereitet gewesen, für denn Fall einer Ausnahmesituation.

Zum Abschluss geht es erneut um die Sprach-Memos von Albrecht. Um eine Revision zu vermeiden, sollen diese nicht weiter öffentlich verlesen werden, entscheidet das Gericht. Die Generalbundesanwaltschaft stimmt dem zu und beschränkt sich auf das Verlesen des rechtlichen Teils ihrer Ausführungen, in dem sie dafür plädieren, die Sprachmemos für den Prozess zu verwenden. Dies begründen sie damit, dass sich das „gefestigte antisemitische und nationalsozialistische Weltbild“ von Franco Albrecht durch die Sprachmemos nachvollziehen lasse.

Der Bericht zum 8. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen

 

„Verschiedene Namen und eine Vielzahl an Sim-Karten“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 9. Verhandlungstag, 01. Juli 2021

Am neunten Verhandlungstag waren ein Zeuge vom BKA und ein ehemaliger Mitarbeiter des BAMF geladen. Thema waren vor allem der Anklagevorwurf des Betrugs gegen Albrecht und bei ihm gefundene Kommunikationsmittel, die unter falschen Namen registriert waren.

Als erster Zeuge des Verhandlungstages wurde der Ermittler und Sachbearbeiter des Bundeskriminalamt (BKA) Kriminalhauptkommissar Christian Wi. befragt. Er war beim BKA seit April 2017 mit dem Fall Franco Albrecht beschäftigt und führte hauptsächlich Ermittlungen zur Person Albrecht durch. In diesem Rahmen erstellte er eine Übersicht der unterschiedlichen Beträge, die Albrecht unter seiner falschen Identität als syrischer Geflüchteter David Benjamin vom Staat bekam. Zwischen seiner Registrierung als Geflüchteter unter Angaben von falschen Daten am 28. Dezember 2015 und seiner Verhaftung im Ende April 2017 bekam Albrecht Geld- und Sachleistungen, zuerst nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), später nach der Anerkennung von subsidärem Schutz für ihn, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB).

Christian Wi. zählte verschiedene Auszahlungen auf, die Albrecht im Namen seiner Tarnidentität bekam. In den ersten Monaten waren dies hauptsächlich kleinere Geldauszahlungen sowie Gutscheine für Bekleidung und Lebensmittel, die er in Geschäften in der Umgebung der Geflüchtetenunterkunft im bayrischen Erding nutzen konnte. Wi. sagte, er habe festgestellt, dass Albrecht die Gutscheine teilweise oder komplett ungenutzt gelassen habe, zumindest wurden einige bei Durchsuchungen bei seiner Verhaftung gefunden. Die ersten Barauszahlungen habe Albrecht jeweils mit der falschen Unterschrift unter dem Alias David Benjamin quittiert. Der Vorsitzende Richter Koller stellte dazu fest, dass Albrecht mit jeder Unterschrift unter falschem Namen eine neue Täuschung ausgeübt habe.

Wi. setzte fort und sagt, ab Mai 2016 habe Albrecht Geldleistungen auf eine Kommunalpasskarte ausgezahlt bekommen, eine Art Prepaid-EC-Karte, die an Geflüchtete ausgegeben wurde. Hiermit habe Albrecht in örtlichen Lebensmittel- und Kleidungsgeschäften und Baumärkten eingekauft. Spätere Leistungen wurden auf das Konto bei der Sparkasse Erding überwiesen, das Albrecht unter dem Namen David Benjamin eröffnete. Teile der Überweisungen wurden abgehoben und auf ein weiteres Konto unter dem selben Alias bei der Sparda Bank eingezahlt. Insgesamt erstreckt sich die Summe, die Albrecht sich mit der falschen Identität von Dezember 2015 bis Mai 2017 erschlichen hat, auf knapp 9040€. Auf die Rückfrage, wie viel Albrecht davon inzwischen zurück gezahlt hat, konnte Christian Wi. keine Auskunft geben. Ihm seien nur Rückzahlungen von einmal 147€ und einmal 179€ bekannt, er sei hiermit aber auch nicht bis zuletzt betraut gewesen.

Nach den Fragen zu den ausgezahlten Beträgen fragte der Vorsitzende Richter Koller den Zeugen Wi. nach Gesprächen zwischen dem BKA und und dem Jobcenter in Erding. Hintergrund war eine Aussage eines Mitarbeiters des Jobcenters in Erding am 8. Verhandlungstag, wo dieser zuerst sagte, das BKA habe im Februar 2017 nach der Bewilligung auf subsidären Schutz für Albrecht alias David Benjamin, jedoch vor der Bewilligung zur Zahlung von Sozialleistungen das Landratsamt kontaktiert und angewiesen, den Bescheid zu Albrechts Anrecht auf Sozialleitsungen zu bewilligen. Auf Nachfrage konkretisierte dieser seine Aussage jedoch dahingehend, dass das BKA nicht vorgegeben habe, den Bescheid zu bewilligen, sondern damit wie üblich weiter zu verfahren und ihn wie jeden anderen Fall zu behandeln. Der Richter Koller erklärte, das Gericht wunderte sich, dass Geld an Albrecht ausgezahlt wurde, obwohl man von dessen falscher Identität gewusst habe und erklärte, man müsste prüfen, ob der Vorwurf des Betrugs nicht (nur) auf eine Täuschung durch Albrecht zurück ginge, sondern auch auf eine Einflussnahme durch das BKA. Der BKA-Sachbearbeiter Wi. antworte hierzu, er wisse nur von einem ersten Gespräch vom BKA mit dem Landratsamt Erding am 18.04.2017, zwei Monate nach der Bewilligung. Man habe den Kontakt zum Landratsamt über die Polizei in Erding gesucht. Auf Nachfrage von Albrechts Anwalt Schmitt-Fricke begründete Wi. dies mit ermittlungstaktischen Erwägungen und dass das BKA oft so verfahre. Der Kontakt zwischen der örtlichen Polizei zum z.B. Landratsamt sei wesentlich besser. Außerdem müssten BKA-Beamte so nicht für solche Dinge durch das ganze Land fahren. Daran anschließend fragte Schmitt-Fricke, ob Vermerke zum Fall existierten, die ihnen nicht zugestellt wurden? Darauf verwies der Zeuge auf seine beschränkte Aussagegenehmigung. Diese decke keine „Inhalte von Akten, die nicht zu den Ermittlungsakten gehören, Handakten, Schutzakten und Ähnliches“ ab.

Danach fragte Schmitt-Fricke den Zeugen, ob das BKA die Familie Bo. in Offenbach kontaktiert habe und ob dies geschehen sei, als der Fall dem Senat bereits vorgelegt wurde. Wi. antworte, der Name sei ihm geläufig aus der Gerichtsakte. Als Schmitt-Fricke erklärte, der Name stehe nicht in den Gerichtsakten und fragte, ob der Name aus verschwiegenen Akten bekannt sei, korrigierte ihn die Richterin Adlhoch: Der Name Bo. tauche mehrmals in der Gerichtsakte auf.

Sim-Karten und Email-Konten auf falsche Identitäten

Anschließend wurde Wi. zu den verschiedenen Alias-Identitäten von Franco Albrecht befragt, mit deren Auswertung er ebenfalls befasst war. Alleine bei seiner Verhaftung in Hammelburg hätte die Polizei ca. 20 Sim-Karten gefunden, so der Zeuge. Bei der Auswertung von Notizen und elektronischen Geräten seien zudem 5-10 Email-Konten gefunden worden. Insgesamt drei Telefonnummern liefen auf Albrechts Namen: zwei französische Nummern, eine davon mit einem Smartphone der Marke Samsung genutzt, die andere mit einem Tastentelefon der Marke Archos, sowie eine deutsche Rufnummer, die primär mit einem anderen Smartphone der Marke Samsung genutzt wurde. Zudem gab es eine deutsche Rufnummer unter dem Geflüchteten-Alias David Benjamin, die aber nicht genutzt wurde. Außerdem liefen mehrere französische Sim-Karten, die bei Albrecht gefunden wurden auf den Namen eines Mannes, bei dem es sich mutmaßlich um den Betreiber eines Call-Shops handelt, bei dem die Karten gekauft wurden.

Für Sim-Karten und / oder Emailadressen nutzte Albrecht neben seinem echten Namen weitere Alias-Namen, so der Beamte des BKA. Neben David Benjamin seien dies die Namen Pierre Martin (4-Emailadressen), Marco Martini (auch mehrere Emailaccounts), Peter Martin, Dieter Thomas und Jonas Ma. Den Namen Pierre Martin habe Albrecht auch in seiner ersten Masterarbeit verwendet; eine Kreditkarte auf Albrechts echten Namen sei mit P. Martin unterschrieben; unter dem Namen Jonas Ma. betrieb Albrecht neben einer Emailadresse auch einen Facebookaccount und schrieb unter diesem Pseudonym zwei Briefe an den ehemaligen Generalmajor der Bundeswehr Schultze-Rhonhof. Der ehemalige Generalmajor trat in der Vergangenheit als Redner bei extrem rechten Veranstaltungen auf verfasste geschichtsrevisionistische Schriften über den Zweiten Weltkrieg.

Albrechts Dokumente in einem Mülleimer in Kehl

Im Anschluss wurde Christian Wi. zu einem weiteren Ermittlungsstrang befragt, mit dem er befasst war. In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 2017 wurden Ausweisdokumente von Albrecht (ein vorläufiger und ein „echter“ Personalausweis, ein Führerschein, Bankkarten, Visitenkarten, Mitgliedskarten von Mercedes und dem „Bund Deutscher Infanterie“), sowie Fahrkarten und Familienfotos in einen Mülleimer in Kehl (Baden-Württemberg, nahe Straßburg) gelegt und später gefunden. Albrecht saß zu diesem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft. Die beiden Personalausweise hatte er als verloren gemeldet. Auf den Dokumenten fanden sich DNA-Spuren von Albrecht und auch anderen Personen, die aber nicht zugeordnet werden konnten.

Zuletzt wurde Wi. noch kurz zu den Ermittlungen wegen Albrechts Eindringen in der Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) befragt. Nachdem das OLG nach Einreichung der Anklage durch die GBA das BKA mit Nachermittlungen beauftragt hätte, hätten sie zu den Bildern von Albrechts Handy ermittelt. Dabei hätte sich herausgestellt, dass alle abgelichteten Autos in der gleichen Tiefgarage in Berlin einen Stellplatz hatten. Im selben Haus wie die Tiefgarage befand sich das Büro der AAS. Wi. berichtete, dass man zum Zeitpunkt der Bildaufnahme vom Treppenhaus ohne Zugangsbeschränkungen, wie bspw. abgeschlossenen Türen, in die Tiefgarage gelangte. Später sei dies geändert worden. Am Gebäude, in dem die Stiftung ihren Sitz hat, gab es mehrfach Vorfälle. Zum Beispiel seien Plakate gegen die AAS und deren Vorsitzende Anetta Kahane an dem Haus plakatiert oder die Klingel mit Bitumen oder Ähnlichem verklebt worden.

Bewilligung von subsidärem Schutz

Als zweiter und letzter Zeuge des Tages war Ansgar B. geladen, der bei der ZAV Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Leipzig tätig ist. 2017 war er als Mitarbeiter der Bundesagentur als Verwaltungsangestellter zu Tätigkeiten für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgestellt. In dieser Tätigkeit entschied er, dass der Antrag von Albrecht alias David Benjamin auf Asyl abgelehnt wird, dieser aber subsidären Schutz erhält.

Seine Aufgabe sei es gewesen, aufgrund aller vorliegenden Unterlagen und insbesondere des Protokolle der Anhörungen zu entscheiden, ob dem gestellten Antrag auf Asyl stattgegeben wird oder nicht. Hierfür habe er über eine Datenbank Zugriff auf Scans aller vorliegenden Dokumente wie die Protokolle der Anhörungen, Lichtbilder und gegebenenfalls Ausweisdokumente von Asylsuchenden gehabt. Gearbeitet habe er weiterhin aus Leipzig, alle Dokumente hätten nur elektronisch zur Verfügung gestanden, so B.

Erinnerungen an den Fall habe er nicht und auch keine Akteneinsicht mehr bekommen. Im Nachhinein wünschte er sich, anders entschieden zu haben, so B. Seine Aufgabe damals sei jedoch nicht gewesen zu entscheiden, ob die Erzählungen von Asylsuchenden glaubhaft seien oder nicht. Dazu habe es die Anhörungen gegeben. Lägen dem Protokoll von dieser keine Gründe bei, warum die Erzählung in Zweifel zu ziehen sei, habe er aufgrund der vorliegenden Dokumente zu entscheiden. Bei Geflüchteten aus dem Bürgerkriegsland Syrien habe er entscheiden müssen, ob die Asylsuchenden volles Asyl nach §3 Asylgesetz (AsylG) bekommen, zum Beispiel wenn sie vor dem Militärdienst fliehen oder allgemein vom Staat politisch verfolgt werden, oder subsidären Schutz nach §4 AsylG, zum Beispiel wenn sie vor Kriegshandlungen oder dem Islamischen-Staat fliehen. Albrecht alias David Benjamin wurde von ihm aufgrund seiner Angaben subsidärer Schutz zugesprochen.

Der Zeuge Ansgar B. wurde im weiteren Verlauf vom Gericht und Albrechts Verteidigung zu Einzelheiten der Entscheidungspraxis bei Entscheidungen über Asylanträge befragt, die für das Verfahren gegen Franco Albrecht jedoch keine besondere Relevanz hatten, sondern nur indirekt die Frage nach der Schwierigkeit von Albrechts Täuschung tangierten und eher politischer Natur zu sein schienen. Albrechts Verteidigung merkte gar an, die Öffentlichkeit womöglich ausschließen zu müssen, damit diese Information nicht öffentlich würden. Das Gericht verwies jedoch darauf, dass das alles bereits bekannt sei.

Zum Schluss kündigte Albrechts Verteidigung ihr Programm für die nächsten Sitzungen an und dass sie zwei Mitinsassen von Albrecht aus der Untersuchungshaft vorhabe zu laden. Zuletzt forderten sie, die Anklage gegen Albrecht wegen Betrug einzustellen, da die Kosten der Verhandlung hierzu in keinem Verhältnis zu Schaden stünden. Die GBA gab jedoch an, dass sie nicht vorhabe, die Anklage wegen Betrug einzustellen. Damit endete der Verhandlungstag.

Der Bericht zum 9. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen

 

„Wollen Sie uns die Sache in Wien nochmal schildern? Wir fanden es bisher ja wenig überzeugend.“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 10. Verhandlungstag, 8. Juli 2021

Am 8.7. fand der 10. Prozesstag gegen Franco Albrecht statt. In der Sitzung wurde weiterhin der Betrugsvorwurf hinsichtlich der unter Tarnidentität eines Geflüchteten erhaltenen Gelder behandelt.

Zu Beginn der Sitzung ordnete zunächst der Vorsitzende Richter Dr. Koller an, dass die Generalbundesanwaltschaft gebeten Nachermittlungen zum Tatvorwurf des Betrugs zu treffen habe. Es gehe darum, wer und wann die Entscheidung getroffen habe, dass Franco Albrecht seine Leistungen erhält und welche Vermögensvor- und -nachteile dadurch auf welcher Seite entstanden seien.

Einer der Anwälte aus Albrechts Verteidigung verlas daraufhin eine Stellungnahme, dass die Generalbundesanwaltschaft Albrecht öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellen wolle, indem sie Akten zurückhalte, in denen entlastende Indizien und Informationen über seine tatsächliche politische Gesinnung enthalten seien. Des Weiteren forderte er die Vernehmung der Familie Bo. aus Offenbach sowie zweier JVA Beamter. Letztere seien zu laden, da sie am 2. Untersuchungshafttag den Angeklagten Franco Albrecht darauf hinwiesen, dass die damalige Einzelhaft möglicherweise rechtswidrig sei und er sich einen Anwalt nehmen solle.

Anschließend begann die Vernehmung des Zeugen R. Dieser wurde als Berufssoldat dafür abgestellt, Ende September 2016 für das BAMF Anhörungen in Asylverfahren zu machen. R. gab einsilbig an, dass er lediglich kurz geschult wurde, welche Rechtsgrundlagen bestanden und welche Fragen den Asylsuchenden zu stellen seien. Er habe daraufhin mithilfe von Dolmetscher*innen die Antragsstellenden interviewt. Auf Nachfrage konnte er sich nicht an Franco Albrecht alias David Benjamin erinnern. Da ihm nicht bekannt gewesen sei, welche Sprachen in Syrien üblich seien, wäre es für ihn auch nicht ungewöhnlich gewesen, dass eine Person wie Franco Albrecht, der angab aus Syrien zu kommen, nur französisch und nicht arabisch spreche. Ihm sei nichts aufgefallen und wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte er weiter nachgefragt. Er selbst sah sich in der Aufgabe, Informationen über die Asylsuchenden im Interview zu sammeln, die Entscheidung lag dann in einer anderen Abteilung, mit der er nichts zu tun gehabt habe.

Nach dieser wenig ergiebigen Vernehmung, kam es zur Verlesung der Niederschrift der Anhörung von Franco Albrecht alias David Benjamin. In dieser wurde Albrecht von R. danach befragt, ob er einer bestimmten Volksgruppe angehöre, die vom IS verfolgt werde. Daraufhin erzählte Albrecht seine Legende als Geflüchteter. So wäre David Benjamin wegen seinem jüdischen klingenden Namen vom IS nicht akzeptiert worden. Dieser haben seine Familie überfallen, seinen Vater getötet und ihn mit einer Handgranate verletzt. Daraufhin sei er über die Türkei und Bulgarien nach Frankfurt am Main geflüchtet.

Kurz vor einer Verhandlungspause fragte der Vorsitzende Richter Franco Albrecht noch überraschend, ob er sich zum Tatvorwurf in Wien äußern wolle, da seine bisherigen Angaben für das Gericht wenig glaubwürdig klängen. Dies verweigerte Franco Albrecht. Im Anschluss kehrte der Senat erneut zum Tatvorwurf des Betrugs zurück. Sie interessierten sich dafür, wie häufig Albrecht sich in welcher Geflüchteten-Unterkunft aufhielt. Dieser gab an, einmal im Monat in der Unterkunft in Erdingen in Bayern ab Januar 2016 gewesen zu sein, um die Leistungen entgegen zu nehmen, zur Erledigung der Antragsstellung und um „nach dem Rechten zu schauen“. Zuvor war Franco Albrecht kurzweilig in Gießen, Zirndorf und in Roth in Unterkünften untergebracht worden. Er gab darüber hinaus auch an, dass seine erste Anhörung im Mai 2016 in Zirndorf und seine zweite Anhörung, von der heute der Zeuge R. geladen war, am 7.11. 2017 in Nürnberg stattfand. Auf die Nachfrage der Richterin Adlhoch, wie er den Wechsel zwischen seinem Wohnort und der Unterkunft organisiert habe, führte Albrecht aus, dass er mit normaler zivilen Bekleidung mit dem Auto von seinem damaligen Wohnort Straßbourg nach Erdingen gefahren sei, kurz vor der Unterkunft sein Auto geparkt und zu Fuß sich stets dorthin begeben habe. Selten wurde er von anderen Geflüchteten gefragt, wie er hin- und herreise und wenn, versuchte er die Frage stets zu umgehen. Seine Erreichbarkeit stellte er darüber sicher, dass die anderen Bewohner*innen der Unterkunft seine Post entgegennahmen und er eine Handynummer, für die er ein separates Telefon hatte, für sie hinterlegt hatte. Von seiner Tarnidentität hätte niemand Bescheid gewusst, außer der Zeuge Fl., dem er in einer Bar in Offenbach davon erzählt habe. Kurz vor und nach seiner Festnahme in Wien sei er ebenfalls häufiger in Erdingen wegen Terminen beim Jobcenter gewesen. Auf die Nachfrage, was er mit den erhaltenden Leistungen gemacht habe, gab Albrecht bzgl. der kommunalen Versorgungskarte an, damit in verschiedene Geschäfte wie Drogerien, Lebensmittelläden und Bekleidungsgeschäften gegangen zu, um das Geld dort zu verbrauchen.

Damit endete die 10. Sitzung, in welcher der Zeuge R. befragt wurde, wie die Tarnidentität bei dem möglichen Betrug von Franco Al. dargestellt wurde und wie dieser seine Tarnidentität in Erdingen organisierte. In der kommenden 11. und damit letzten Sitzung vor der Sommerpause wird es erneut um den Betrugsvorwurf gehen.

Der Bericht zum 10. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen

 

Verteidigung nutzt Verhandlungstag als Bühne für rechte Verschwörungserzählungen – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 11. Verhandlungstag, 15. Juli 2021

Der letzte Verhandlungstag vor der Sommerpause dauerte nur eine kappe Stunde. Die meiste Zeit wurden Auszüge aus der „Flüchtlingsakte“ von Franco Albrecht alias David Benjamin verlesen. Zuvor ging die Generalbundesanwaltschaft (GBA) auf eine Nachfrage von Albrechts Verteidigung ein. Letztere stellte dann einen Beweisantrag, gespickt mit rechten Narrativen zur Asylpolitik.

Neben Rechtsanwalt Hocke war am elften Verhandlungstag nicht wie üblich der Rechtsanwalt Schmitt-Fricke als Verteidiger von Franco Albrecht zugegen. Er ließ sich durch den Rechtsanwalt Ebner vertreten.

Zu Beginn des Verhandlungstages ging die Bundesanwältin Weingast auf eine Frage ein, die Albrechts Verteidiger in der neunten Sitzung aufgeworfen hatten. Darin befragten letztere einen Zeugen des BKA, warum die Familie Bo. aus Offenbach von dem BKA kontaktiert wurde, als der Senat bereits zuständig für das Verfahren war. Das Gericht hatte daraufhin die GBA gebeten, sich beim BKA hiernach zu erkundigen. In der elften Sitzung verließ Weingast nun die Antwort des BKA, nach der es zu keinem Zeitpunkt Vernehmungen von Angehörigen der Familie Bo. in der Sache gegeben habe.

Im Anschluss erklärte sich Albrechts Verteidiger Rechtsanwalt Hock zur Vernehmung von Thomas Ra. in der zehnten Sitzung. Ra., der die finale Anhörung von Franco Albrecht alias David Benjamin beim BAMF Ende 2016 leitete, sei laut dessen Angaben „Gefechtsfeld-Schadensinstandsetzungs-Feldwebel“ bei der Bundeswehr, habe aber keine Ausbildung für die Aufgabe eines Anhörers beim BAMF gehabt.

Daran schloss Hock einen Beweisantrag an, dem Präsidenten des BAMF Herr Sommer aufzugeben, die Entscheidungspraxis zu Asylverfahren von Syrern darzustellen und offenzulegen. Dies werde, so Hock, bestätigen, dass das BAMF aufgrund eines Ministererlasses Personengruppen aus Syrien privilegierte. Die Entscheidung im Fall Albrecht gehe damit nicht auf eine individuelle Entscheidung zurück sondern sei „System“. Der Verwaltungspraxis liege eine „politische Weisung“ „des obersten Exekutivorgans“ zu Grunde. Solch eine politische Weisung sei nicht üblich und ein Skandal, so Hock.

Außerdem bezog sich Hock auf die Aussage von Hi. in der achten Sitzung. Dieser hatte zuerst missverständlich ausgesagt, dass BKA habe angewiesen, Albrechts Antrag auf Sozialleistungen zu bewilligen. Auf Nachfrage korrigierte er sich jedoch und erklärte, dass BKA habe nur darauf hingewiesen, der Antrag solle wie jeder andere auch behandelt werden. Hock ignorierte diese Richtigstellung jedoch erneut und sagte im Prozess, das BKA habe angewiesen den Antrag zu bewilligen. Daher mangele es dem Anklagevorwurf des Betrugs durch Albrecht an der fehlenden Bewilligungsentscheidung, seitens des BAMFS, da es eine Anweisung seitens des BKA gegeben habe, so Hock.

Die Verteidigung von Albrecht versuchte damit einmal aufs neue, den Gerichtssaal als Bühne für rechte Verschwörungserzählungen zu nutzen, wonach Menschen aus Syrien nicht aufgrund eines gesetzlich verbrieften Rechts auf Asyl aufgenommen werden sondern aufgrund „politischer Weisung“ „des obersten Exekutivorgans“. Die missverständliche Formulierung des Zeugen Hi. wurde erneut aus dem Kontext gerissen um den Eindruck zu erwecken, die Bewilligung von Albrechts Antrag auf Sozialleistungen gehe nicht auf dessen Täuschung zurück sondern auf eine Weisung des BKA.

Im Anschluss wurden mehrere Auszüge aus der „Flüchtlingsakte“ des BAMF von Franco Albrecht alias David Benjamin verlesen. Die meisten beinhalteten die falschen Daten von David Benjamin, Summen der Auszahlungen von Geldern und anderen Leistungen, die Albrecht erhielt. Des Weiteren war ein Emailverkehr zwischen dem BKA und dem Jobcenter in Erding wegen oben genanntem Antrag auf Sozialleistungen Gegenstand der Verlesung. Mehrere Dokumente enthielten Unterschriften von Albrecht unter dem Alias David Benjamin, bei denen er im Gericht auf Vorzeigen bestätigte, dass er diese unterschrieben habe.

Beim Vorsitzenden Richter Koller kam die Frage auf, warum eines der ersten Schriftstücke aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen von Ende 2016 noch unter dem Namen Benjamin David unterschrieben wurde, alle späteren mit vertauschtem Vor- und Nachnamen als David Benjamin. Albrecht erklärte hierzu, dass in seinen Unterlagen jemand mal einen Namensdreher gemacht hätte, er habe das dann einfach übernommen.

Das Gerichte beendete die Verhandlung damit, dass einige weitere Urkunden von den Prozessbeteiligten im Selbstleseverfahren gelesen werden sollen und unterbrach die Verhandlung für eine vierwöchige Sommerpause.

Der Bericht zum 11. Verhandlungstag bei NSU-Watch Hessen