Protokoll 313. Verhandlungstag – 29. September 2016

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Am heutigen Verhandlungstag verliest zunächst RA Borchert von der Verteidigung Zschäpe weitere Antworten seiner Mandantin. Am Anschluss daran ergreift Zschäpe selbst das Wort und verliest eine kurze Erklärung. Danach werden Anträge gestellt und Richter Götzl lehnt Beweisanträge ab.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:49 Uhr. Heute ist Zschäpes Verteidiger RA Borchert anwesend.
OStAin Greger ist nicht anwesend. Götzl fragt, ob von Seiten Zschäpes heute Angaben gemacht werden sollen.

RA Borchert verliest eine Erklärung Zschäpes:

I.
Die Fragen des Senats vom 20.09.2016 beantworte ich wie folgt:

Frage 1: Zur Einlassung vom 21.01.2016, dort auf Seite 3. Bezieht sich das dort Geschriebene bezüglich Erkrankungen auch auf den psychischen Bereich?
Antwort: Ja, das dort Geschriebene bezieht sich auch auf den psychischen Bereich.

Frage 2: Haben sie jemals Schlaf-, Schmerz- oder Betäubungsmittel genommen? Wenn Ja, welche, wie oft und in welcher Dosierung? Woher wurden diese Medikamente bezogen?
Antwort: Ich habe lediglich im Bedarfsfall Ibuprofen gegen Kopfschmerzen genommen, welche ich rezeptfrei aus der Apotheke bezogen hatte. Weitere Medikamente habe ich nicht eingenommen.

Frage 3: Zum Zusammenleben mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos
Was waren Gemeinsamkeiten und übereinstimmende Themen? Gab es Konfliktfelder, ggf. welche Welche Gesprächsthemen gab es? Kam es im Laufe der Zeit zu Veränderungen?


Antwort:
Bis zum 26.01.1998

Uwe Mundlos
Unsere Gemeinsamkeiten waren Treffen mit Freunden und Musik hören. Politische Themen haben damals noch keine Rolle gespielt. Konfliktfelder kann ich keine benennen.


Uwe Böhnhardt
Unsere Gemeinsamkeiten waren ebenfalls Treffen mit Freunden, Musik hören und Karten spielen. Als wir Andre Kapke, Ralf Wohlleben und Holger Gerlach kennenlernten, kamen die politischen Aktivitäten hinzu. Wir fuhren beispielsweise auf Demonstrationen und verteilten Flugblätter. Ich verweise insofern auf meine Ausführungen vom 09.12.2015, dort Seite 7 ff. Als „Konfliktfeld“ kann ich eigentlich nur den Umstand bezeichnen, dass ich mich an Uwe Böhnhardt „geklammert“ habe, was zur vorübergehenden Trennung führte. Wenn wir alleine waren hatten wir die üblichen Gesprächsthemen, die verliebte Pärchen miteinander haben – über politische Themen haben wir uns alleine nie unterhalten. Über Politik haben wir uns natürlich mit Blick auf die Demonstrationen unterhalten. Wäre das Gesprächsthema „linke Politik“ gewesen, so hätten wir uns darüber unterhalten, in Jena war in der Gruppe das Gesprächsthema grundsätzlich nur „rechte Politik“, so dass wir uns auch nur darüber unterhalten haben.

Nach dem 26.01.1998

Unsere Gemeinsamkeiten waren sportliche Aktivitäten wie beispielsweise Wandern, Joggen und Fahrradtouren. Wir spielten auch gerne Gesellschaftsspiele wie beispielsweise Risiko oder die Siedler von Catan. Gemeinsam mit Uwe Böhnhardt schaute ich mir gerne Filme oder Serien im Fernsehen an, worauf ich bei der Beantwortung der nächsten Frage noch näher eingehen werde.
Ein weiteres wichtiges Thema waren unsere beiden Katzen, die uns allen Dreien sehr am Herzen lagen.
Gespräche über politische Themen waren nicht an der Tagesordnung, sondern wurden lediglich bei aktuellen weltpolitischen Ereignissen (beispielsweise Irak-Krieg oder 11. September) geführt. Gespräche über unsere weitere Zukunft wurden geradezu verdrängt und vermieden.
Gemeinsame Gespräche über die verfahrensgegenständlichen Raubüberfälle wurden zwischen uns Dreien nicht geführt. Wenn die Bemerkung von einem der beiden fiel, dass man sich wieder wegen Geld umschauen müsse, so war mir klar, dass die beiden einen erneuten Raubüberfall planten. An den Planungen selbst wurde ich nie beteiligt, wie ich bereits ausgeführt habe. Besonders betonen muss ich nicht, dass sie mich von den Planungen der von ihnen verübten Morde ausgeschlossen hatten und ich wohl davon ausgehen sollte, dass sie einen erneuten Raubüberfall planten.


Konfliktfelder

Als Konfliktfelder zwischen uns Dreien möchte ich insbesondere die von den beiden verübten Mordtaten bezeichnen, was ich in meiner ersten Stellungnahme vom 09.12.2015 schon versucht habe zu erklären.
Als weitere Konfliktfelder würde ich die Streitigkeiten bezüglich der Internetnutzung, der herumliegenden Schusswaffen, sowie die 10.000 DM, die an Holger Gerlach übergeben wurden, nennen. In meiner Stellungnahme vom 16.03.2016 bin ich bereits ausführlich darauf eingegangen. Konfliktfelder waren bei uns nicht die Kleinigkeiten des täglichen Lebens, wie die sinnbildlich offene Zahnpasta-Tube, weil wir uns in der räumlichen Enge der jeweiligen Wohnung disziplinieren und arrangieren mussten.
Möglicherweise könnte man als Konfliktfeld bezeichnen, dass Uwe Mundlos darauf bestand sich sportlich extrem betätigen zu können und er insoweit keine Kompromisse einging. Er bestand auf eine Wohnung in der Nähe eines Waldes, um dort joggen zu können und ein Zimmer von ausreichender Größe für diverse Fitnessgeräte.
Ein weiteres Konfliktfeld war das Rauchen von Zigaretten und das Trinken von Alkohol meinerseits. Auch wenn ich mich zu lange mit den Nachbarn unterhalten hatte, wurde das von den beiden nicht gern gesehen. Insgesamt haben wir versucht aufkeimende Konfliktsituationen zu vermeiden, in dem wir uns jeweils in unser eigenes Zimmer zurückgezogen haben.

Mit Blick auf die angesprochenen Veränderungen kann ich sagen, dass im Laufe der Zeit die gemeinsamen Aktivitäten immer weniger wurden. Unser Zusammenleben würde ich als monoton bezeichnen.

Frage 4:
Haben sie gerne gelesen, ggf. welche Art war ihre Lektüre? Welche TV-Serien und Filme haben sie angesehen? Haben sich ihre Interessen im Laufe der Jahre verändert?
Antwort: Ich habe schon immer gerne und viel gelesen. Das Spektrum umfasste Fantasy-Romane, Krimis und Tatsachenromane. Als Beispiele kann ich nennen: Der Herr der Ringe, Harry Potter, Die dunkle Turm Saga von Stephen King und John Grisham Romane.
Folgende TV-Serien habe ich gerne angesehen: Castle, Bones, Alias, Desperate Housewives, Monk, Malcolm Mittendrin und zahlreiche mehr.
Zu meinen Lieblingsfilmen gehören Filme mit Robert DeNiro, die Dan Brown Reihe, Fluch der Karibik, Miss Marple, der kleine Lord, der Herr der Ringe und Marvell Comic-Verfilmungen.
Im Laufe der Zeit habe ich weniger Filme und mehr Serien gesehen, da diese kürzer waren. Auch bei den Büchern habe ich zunehmend kürzere Romane bevorzugt, da mir immer mehr Ruhe und Konzentration fehlten.


Frage 5: Gab es in ihrem Leben wichtige Bezugs- und Kontaktpersonen? Wer waren diese ggf.? Bitte beschreiben sie das Verhältnis zu diesen Personen näher.
Antwort: Meine Großmutter, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos waren in meinem Leben die wichtigsten Bezugspersonen. Vor dem Untertauchen waren Ralf Wohlleben und Andre Kapke zwei gute Freunde.
Meine Oma habe ich geliebt und liebe sie immer noch. Sie war immer für mich da, ich konnte mich immer auf sie verlassen und sie hat mich niemals angelogen.
Das Verhältnis zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe ich bereits hinreichend geschildert.
Das Verhältnis zu Ralf Wohlleben damals würde ich als eng freundschaftlich bezeichnen. Andre Kapke war immer humorvoll und lustig – ich war deshalb gerne mit ihm zusammen.
Susann Eminger war ab 2006 für mich eine gute Freundin. Ich verbrachte gerne Zeit mit ihr und ihren Kindern. Persönliche Themen über unser Zusammenleben oder Dinge, die mich belasteten, wurden von mir nie angesprochen.


Frage 6: Zur Einlassung vom 09.12.2015, dort auf Seite 26
Haben sie mit jemandem über das geschilderte „emotionale Dilemma“ gesprochen?
Antwort: Ich habe mit niemandem über das von mir beschriebene „emotionale Dilemma“ gesprochen – mit wem auch?

Frage 7: Sind ihnen Kriterien für die Auswahl der Opfer der Tötungsdelikte Uwe Mundlos‘ und Uwe Böhnhardt's bekannt und ggf. welche?
Antwort: Konkrete Kriterien für die Auswahl der Opfer der Tötungsdelikte sind mir nicht bekannt. Wie bereits In meiner Stellungnahme vom 09.12.2015 angegeben, muss ich heute davon ausgehen, dass die Aussagen der beiden mir gegenüber die wirklichen Gründe verschleiern sollten.
Ab wann genau weiß ich nicht mehr, aber natürlich hatte ich mir Gedanken gemacht, dass ihre Taten einen ausländerfeindlichen Hintergrund haben und ich hatte ihnen auch entsprechende Vorhalte gemacht – nur konkrete und ehrliche Antworten hatte ich nicht erhalten. Ich könnte nur wiederholen, was ich in meiner Stellungnahme vom 09.12.2015, dort auf Seite 20, versucht habe zu erklären.
Nach den Gründen ihres Tuns hatte ich nicht weiter nachgehakt, weil für mich die Tatsache, dass sie einen Menschen getötet hatten, das für mich Unfassbare war. Für mich war das Töten eines Menschen das Erschreckende und nicht der Umstand, ob es sich dabei um einen Ausländer oder um einen Deutschen handelt.

Frage 8: Gab es neben den in der Hauptverhandlung angesprochen Wohnungen weitere Wohnungen, die sie, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos genutzt haben?
Antwort: Nein, es gab keine weiteren Wohnungen.


Frage 9: Haben sie vor dem 11.01.2007 Andre Eminger und/oder Susann Eminger erzählt, wovon sie bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihren Lebensunterhalt bestritten haben?
Antwort: Nein, vor dem 11.01.2007 wussten weder Andre noch Susann Eminger meines Wissens nach, wovon wir unseren Lebensunterhalt bestritten haben.

Frage 10: Zur Einlassung vom 09.12.2015, dort auf Seite 46/48
Führten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Exemplare der von Uwe Mundlos erstellten und versandfertig vorbereiteten DVDs bei den Fahrten zu den von den beiden Ihnen gegenüber geschilderten Taten mit sich? Kennen sie ggf. die Gründe hierfür?
Antwort: Mir war nicht bekannt, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei ihren Fahrten versandfertig vorbereitete DVDs mit sich führten. Dies habe ich erst bei Durchsicht der Ermittlungsakten zur Kenntnis genommen und war zum wiederholten Male überrascht, wie ich im Unklaren gelassen und damit quasi angelogen worden war.

Frage 11: Zur Einlassung vom 21.01.2016, dort auf Seite 8
Was ist konkret Anfang Dezember 1998 in dem geschilderten Gespräch über ihre aktive Beteiligung an einem Raubüberfall gesprochen worden?
Antwort: Auf Grund der Tatsache, dass unsere finanziellen Reserven beinahe aufgebraucht waren, brachten die beiden den Vorschlag ein, dass man Geld mittels eines Raubüberfalles beschaffen könnte, wie ich bereits in meiner Stellungnahme vom 09.12.2015, dort auf Seite 14, dargelegt hatte. Es wurde nicht konkret besprochen, welche Aufgabe ich hätte übernehmen sollen, weil ich eine Beteiligung meinerseits sofort mit der Begründung abgelehnt hatte, viel zu viel Angst dafür zu haben. Damit war das Thema beendet, dass ich mich in irgendeiner Form aktiv beteilige.

Frage 12: Zur Einlassung vom 09.12.2015, dort auf Seite 46
Von wem und bei welcher Gelegenheit erfuhren sie, dass Uwe Mundlos die Morde fotografiert hatte?
Antwort: Ich habe von niemandem erfahren, dass Uwe Mundlos die Morde fotografiert habe. Die von mir gewählte Formulierung in der Stellungnahme vom 09.12.2015, dort auf Seite 46, beruht auf einer Vermutung meinerseits. Uwe Mundlos hatte während unserer Urlaube meistens fotografiert, auch war er der „Technik-Freak“ von uns Dreien und deshalb hatte ich gemutmaßt, dass er derjenige war, der die Morde fotografiert hatte.

Frage 13: Zur Einlassung vom 09.12.2015, dort auf Seite 20/21
Was meinen sie mit der Formulierung, dass sie nun auch „in einen Mord verwickelt“ wären?
Antwort: Ich meine damit zweierlei: zum einen hatte ich auf Grund der Schilderung der beiden Kenntnis von dem Mord und war somit in die Geschehnisse als Zeugin verwickelt und zum anderen lebte ich mit den Beiden in engsten räumlichen Verhältnissen, so dass man allein aus diesem Grund auf eine Mittäterschaft meinerseits hätte schließen können.
Dass diese Überlegung nicht abwegig war und nicht abwegig ist, kann man der Anklageschrift, sowie der einseitigen Berichterstattung in den Medien entnehmen, die mich durch die Bezeichnung als „Mörderin“ versucht haben vorzuverurteilen, wovor selbst ein Vertreter der Nebenklage in der Hauptverhandlung nicht zurückschreckte.

Frage 14: Kennen Sie das Motiv/die Motive Uwe Mundlos‘ weswegen er mit Ihnen und Uwe Böhnhardt am 26.01.1998 „untergetaucht“ ist?
Antwort: Sein Motiv für das gemeinsame Untertauchen war ähnlich wie bei mir. Wir wollten das weitere Geschehen zunächst einmal aus der Ferne beobachten. Uwe Mundlos hatte viele private Unterlagen in der Garage gelagert. Auf dem dort ebenfalls gelagerten Propagandamaterial waren seine Fingerabdrücke, so dass auch er sich im Fokus der Ermittlungen sah und Zeit vergehen lassen wollte.
Natürlich hatte auch er nicht im Sinn, über viele Jahre hinweg im Untergrund zu leben. Er wollte noch sein Abitur am Ilmenau-Kolleg machen und anschließend Informatik studieren. Hierfür hatte er einige Schulbücher mitgenommen, um für die Abschlussprüfungen zu lernen. Wann zuletzt über seine Absicht zu studieren gesprochen wurde weiß ich heute nicht mehr.

Frage 15: Zur Einlassung vom 16.03.2016, dort zur Antwort auf Frage 2
War Uwe Mundlos bei Handgreiflichkeiten Uwe Böhnhardt's Ihnen gegenüber zugegen? Wie hat er sich dabei verhalten?
Antwort: Uwe Mundlos war bei zwei Handgreiflichkeiten anwesend, nämlich bei den in der Stellungnahme vom 16.03.2016 geschilderten Vorfällen. Er hat nicht einfach zugeschaut, sondern ist auf Uwe Böhnhardt los, um mich zu verteidigen. Zwischen beiden entwickelte sich jeweils eine heftige Prügelei, die ich nicht näher beschreiben möchte.

Frage 16: Gab es Überlegungen bzw. Gespräche von Ihnen mit Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos wie Sie, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sich im Falle einer Entdeckung durch die Polizei in der Wohnung in der Frühlingstraße verhalten?
Antwort: Diese Frage habe ich, bezogen auf Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, bereits in meiner Stellungnahme vom 21.01.2016, dort auf Seite 26, beantwortet. Die beiden hätten sich in einem solchen Fall erschossen.
Es war nicht abgesprochen, wie ich mich in einem solchen Fall verhalten sollte. Ich hätte mich sicherlich nicht selbst erschossen, sondern hätte mich verhaften lassen.
Gedanken darüber, ob die Wohnung noch in Brand hätte gesetzt und die DVDs hätten verschickt werden sollen, gab es nicht. Die Überlegungen, die Wohnung in Brand zu setzen und die DVDs zu verschicken, bezogen sich nur auf den Fall, dass ich alleine zuhause bin und den beiden auswärts etwas zugestoßen wäre.

Die Frage des Herrn Rechtsanwalt Hösl vom 21.09.2016 beantworte ich wie folgt:

Frage: Können Sie etwas zu einem Schuss mit einem Luftgewehr von Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos zur damaligen Zeit sagen?
Antwort: Nein, davon ist mir nichts bekannt.

Dann ergreift Zschäpe selbst das Wort. Sie liest ihre Erklärung ab. Zschäpe: „Es ist mir ein Anliegen, das Folgende mitzuteilen: In der damaligen Zeit, als ich Uwe Böhnhardt und dessen Freundeskreis kennengelernt hatte, identifizierte ich mich durchaus mit Teilen des nationalistischen Gedankenguts, das in dieser Gruppe vertreten [phon.] wurde. Während der anschließenden Zeit des Untertauchens wurden diese Themen, insbesondere [phon.] die Angst vor Überfremdung, jedoch zunehmend unwichtiger für mich. Ich hege heute keine Sympathien mehr für nationalistisches Gedankengut. Ich bin der Auffassung, dass Gewalt niemals ein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein sollte. Heute beurteile ich Menschen nicht nach ihrer Herkunft oder politischen Einstellung, sondern nach ihrem Benehmen. Ich verurteile, was Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Opfern und deren Familien angetan haben, sowie mein eigenes Fehlverhalten, wie ich es in meinen bisherigen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht habe.“ [phon.]

NK-Vertreter RA Scharmer: „Es haben sich weitere Fragen durch die Stellungnahme ergeben. Zunächst die Frage, ob sie weitere Fragen der Nebenklage beantworten wird.“ RA Borchert: „Nein.“

Götzl fragt, ob es von Seiten der Verfahrensbeteiligten noch Erklärungen in Bezug auf das psychiatrische Gutachten von Prof. Saß gebe, bevor der sein Gutachten erstattet. Zschäpe-Verteidiger RA Heer verneint. RA Scharmer sagt, es gebe ja noch den offenen Beweisantrag von RA Hoffmann, der ggf. noch mit einbezogen werden müsse in die Begutachtung. Götzl: „Wir überlegen, auch noch die Schreiben zu verlesen, die Sie an mich gerichtet haben, Frau Zschäpe.“ RA Heer fragt, ob es dabei auch um die Entpflichtungsanträge gehe. Götzl bejaht das. Heer: „Dem widersprechen wir schon jetzt. Wir hatten nach § 78 StPO beantragt, dass er diese Schreiben nicht mit einbezieht.“ Götzl: „Die Frage wird sich nächste Woche stellen. Wenn Sie etwas dazu sagen wollen, dann müssten Sie das nächste Woche machen.“ Götzl fragt den SV Saß, ob es Bereiche gebe, bei denen er eine Ergänzung benötige. Saß: „Nach dem derzeitigen Stand nicht.“ Götzl: „Zu dem Punkt Brief, der von Rechtsanwalt Scharmer nochmal angesprochen wurde. Ich würde bitten, noch Stellung zu nehmen. Es ist nicht notwendig, innerhalb der Hauptverhandlung dazu Stellung zu nehmen, soweit es um den Punkt der Beschlagnahme des Briefes geht.“

Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Wir haben alles dazu gesagt, meine ich.“ Götzl: „Wenn alles vorgetragen ist, nehme ich das zur Kenntnis. Ich hatte das so verstanden, dass noch vorgetragen werden soll.“ Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: „Ich hatte einen Antrag gestellt, so dass nun nicht unsererseits vorzutragen ist, sondern ihrerseits.“ Götzl: „Solche Zwischenbescheide sind in der StPO nicht vorgesehen zur Frage ‚Rechtsförmigkeit der Kopie‘.“ [phon.] Sturm: „Falls Sie davon ausgehen, dass das zur Grundlage einer Beschlagnahme werden könnte, bitte ich sie uns zu unterrichten. Und wenn Sie von Rechtmäßigkeit ausgehen, dann müssen wir dazu vortragen. [phon.] Insoweit war das entsprechend beantragt worden.“ Götzl: „Ich habe bereits gesagt, dass es jetzt nicht um die Frage der Verlesung geht, sondern nur, ob eine Beschlagnahme in Betracht kommt und dazu wurde rechtliches Gehör eingeräumt.“ Stahl: „Dazu gibt es von uns nichts mehr zu sagen.“ Götzl: „Sind denn für heute Anträge?“

RA Scharmer stellt einen Beweisantrag. Er beantragt 1. den Artikel „Pressefreiheit, das Recht zu lügen…?“ der Seite 39 f. aus der Ausgabe Nr. 2 von „The Voice of Zwickau“ zu verlesen und 2. das linguistische Gutachten des BfV von Juni 2012 zu der Frage der Autorenschaft des Artikels „Pressefreiheit, das Recht zu lügen…?“ anzufordern und zu verlesen. Zur Begründung führt er aus: Der V-Mann (Deckname „“) hat die Ausgaben Nr. 1 bis 4 des Szenefanzines „Der Vollstrecker“ und die Ausgaben Nr. 1 bis 2 des Fanzines „The Voice of Zwickau“ herausgegeben. Berichterstattung in der taz und bei NSU-Watch [https://www.nsu-watch.info/2016/09/marschner-und-die-mitglieder-des-spaeteren-nsu/] zu Folge hat ein im BfV erstelltes linguistisches Gutachten bereits im Juni 2012 ergeben, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Uwe Mundlos der Urheber des Artikels „Pressefreiheit, das Recht zu lügen…?“ ist, der in der Ausgabe Nr. 2 von „The Voice of Zwickau“ aus November 1997 veröffentlicht worden ist. Dieses Ergebnis beruht auf der Feststellung von für typischen Rechtschreib- sowie Konjunktions- und Pronomenfehlern des Textes.

Das Gutachten wurde den Veröffentlichungen zufolge in diesem Jahr seitens des BfV dem Bundestagsuntersuchungsausschuss vorgelegt und befindet sich bis heute nicht in der Verfahrensakte. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung will die Bundesanwaltschaft bisher von dem Gutachten keine Kenntnis gehabt haben, habe es aber nunmehr angefordert. Mundlos‘ Urheberschaft an diesem Text ist verfahrensrelevant. Zum einen ist seine Autorschaft an dem in „The Voice of Zwickau“ erschienen Text ein Beleg dafür, dass sich der V-Mann Marschner und Uwe Mundlos bereits vor dem Untertauchen kannten und damit auch ein Indiz dafür, dass Uwe Mundlos nach dem Umzug nach Zwickau auch Kontakt zu dem Zeugen Marschner hatte. Zum anderen können aus dem Text auch weitere Rückschlüsse auf die ideologische Ausrichtung von Mundlos gezogen werden, sowohl in Bezug auf die Deutung aktueller politischer und gesellschaftlicher Ereignisse als auch in Bezug auf Institutionen, wie die Presse, und Personen, die er als Feindbild ansah. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass in dem Text ein „Grieche“ als Synonym für einen frauenfeindlichen Straftäter, der aber als Restaurantbesitzer dennoch sozial aufsteigt, genannt wird – ein Stereotyp, das in der Zusammenschau mit der bisherigen Beweisaufnahme die rassistische Einstellung Mundlos‘ weiter belegt. Am 15. Juni 2005 wurde der griechische Staatsangehörige Theodoros Boulgarides vom NSU in München ermordet.

Dann stellt NK-Vertreter RA Stolle einen Beweisantrag. Er beantragt Nico Eb. als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, 1. dass er Mundlos und Böhnhardt seit 1993 gekannt habe und mit ihnen befreundet gewesen sei und dass er mit Zschäpe wenigstens gut bekannt gewesen sei und man sich regelmäßig getroffen habe; 2. dass er auch nach dem 26.01.1998 in zumindest
telefonischem Kontakt mit den Untergetauchten gestanden habe; 3. mit Wissen von Wohlleben selbst bei der Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Untergrund geholfen habe; 4. nach dem 26.01.1998 Wohlleben eine SIM-Karte und/oder ein Telefon für dessen Kontakt mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt übergeben habe:

Weiter ist der Zeuge zu fragen, 5. welche Erkenntnisse er über die Rolle und die Aufgaben des Angeklagten Wohlleben bei der Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Untergrund hatte, insbesondere inwieweit der Angeklagte Wohlleben in das Sammeln und Weiterleiten von Spenden für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eingebunden war, 6. ob und wenn ja, welche weiteren Unterstützungsleistungen der Zeuge für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt getätigt hat, 7. ob er Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach dem 26. Januar 1998 alleine oder zusammen mit dem Angeklagten Wohlleben getroffen hat, 8. ob er im Herbst 2000 den Kontakt zu dem Angeklagten Wohlleben abgebrochen hat, 9. ob er durch den Angeklagten Wohlleben oder seine eigenen Kontakte zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Erkenntnisse zu den angeklagten Morden, Anschlägen, Raubüberfällen erlangt hat und 10. was er dem MAD über seine Kenntnisse zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, deren Aufenthaltsort und Unterstützer berichtet hat. Schließlich wird beantragt, 11. die vollständigen Berichte zu den beiden Befragungen des Zeugen Eb. (aus Januar 1999 bzw. April 2000) beim Militärischen Abschirmdienst beizuziehen und Akteneinsicht zu gewähren.

Begründung: I. Der Zeuge Eb. ist im hiesigen Verfahren am 27. März 2012 durch das BKA vernommen worden. In dieser Vernehmung hat er keine Angaben gemacht und sich auf ein angeblich bestehendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Der Zeuge Eb. hatte (oder hat noch) ein enges Verhältnis zu dem Angeklagten Wohlleben, den er seit der Schulzeit kennt. Gegenüber dem MAD gab er an, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seit dem Jahr 1993 zu kennen. Er habe sie auf einem Geburtstag von Wohlleben kennengelernt und sich der Gruppe um sie herum angeschlossen. Im Jahr 1994 habe er z. B. einmal mit Kapke, Wohlleben, Mundlos und Böhnhardt Gotcha gespielt. Sein Näheverhältnis zu den Angehörigen der KSJ wird auch durch weitere Beweismittel und Umstände bestätigt.

So ist der Zeuge einer der fünf aus dem engsten Kreis, die in der Geburtstagszeitung für André Kapke aus dem August 1998 Erwähnung finden. Es heißt dort unter der Überschrift „Bekanntschaft“: „Nico 21 Jahre….“. Außer ihm werden dort nur Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Holger Gerlach und erwähnt. Die Nähe zu den Mitgliedern der KSJ ergibt sich auch aus einem Foto, das den Zeugen Eb. und Uwe Böhnhardt zeigt. Die Angeklagte Zschäpe hat den Zeugen in ihrer Vernehmung vom 5. August 1996 auf dem Foto identifiziert. Zudem wurde der Zeuge am 15. April 1995 zusammen mit Mundlos und weiteren 13 Personen der rechten Szene aus Jena und Saalfeld-Rudolstadt unterhalb der Lobdeburg in Jena festgestellt. Der Zeuge war außerdem – wie unter anderem auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos sowie die Angeklagten Zschäpe und Wohlleben – Beschuldigter in dem Verfahren wegen der Briefbombenattrappen und einer Bedrohung aus dem Jahr 1997.

II. 1. Laut einem Vermerk des TLfV hat der Zeuge Eb. dem Angeklagten Wohlleben ein auf ihn registriertes Telefon für eine verschleierte Kommunikation übergeben. Die damalige Freundin des Angeklagten Wohlleben, Juliane Wa., berichtete dem TLfV im September 1998, dass der Angeklagte Wohlleben kein eigenes Handy habe, aber sich oft eines „von Kameraden“ ausleihe, z.B. „von „Ebbi“ (Eb.)“. Der Name des Zeugen findet sich neben nur zehn anderen auf der Telefonliste des Angeklagten Wohlleben, die dieser nach Angaben der Zeugin Juliane Wa. zu dieser Zeit ständig mit sich führte und die sie im Auftrag des TLfV abschrieb; dort ist er als „ebbi …“ [auf „ebbi“ folgt eine 0172-Mobilnummer]verzeichnet. Die persönliche Verbindung des Zeugen Eb. zu den Angeklagten Wohlleben und Zschäpe sowie den Verstorbenen Mundlos und Böhnhardt spricht dafür, dass sich die am 25. August 2000 auf dem Handy des Trios eingegangene SMS mit dem Text „Von Ebi ist nichts mehr zu hören!“ auf den Zeugen Eb. bezieht. Auch nach Ansicht des BKA bezieht sich der Inhalt dieser SMS auf den Zeugen Eb.

Das BKA geht weiter davon aus – insbesondere aufgrund einer etwas mehr als zwei Wochen später vom gleichen Anschluss verschickten SMS des Inhalts, „Mir ist es zur Zeit nicht moeglich mit euch sprechen wegen NPD-,gestern B+H-,und bald Verbot !Ich gehe davon aus das ich überwacht werde! Meld mich! Ralf“ -, dass der Absender beider Nachrichten der Angeklagte Wohlleben gewesen ist. Die Einvernahme des Zeugen dient weiterhin auch der Überprüfung der Angaben der Angeklagten Wohlleben und Zschäpe. Der Angeklagte Wohlleben gab am Hauptverhandlungstag vom 14.01.2016 an, mit dem Spitznamen „Ebi“ könnten sowohl Nico Eb. als auch die Eb.-Brüder gemeint sein. Die Angeklagte Zschäpe behauptete auf die entsprechenden Fragen der Verteidigung Schultze sogar, sie wisse nicht, wer mit „Ebi“ gemeint sei, gab aber auch keine andere Person an, auf die sich dieser Spitzname beziehen könne.


2. Der Zeuge Eb. ist im Rahmen der Fahndung nach dem Trio mehrfach nachrichtendienstlich und polizeilich aufgefallen. Dies zeigt sich beispielsweise an den tageweisen Aufzeichnungen zu telefonischen Kontakten des Jenenser Unterstützerumfeldes, die der Zeuge Norbert Wießner im August 1998 gemacht hatte. Bei diesen Aufzeichnungen ist auffällig, dass neben dem Namen des Angeklagten Wohlleben auch der Name des Zeugen Eb. eine zentrale Stellung in den Aufzeichnungen einnimmt und regelmäßig gelb umkringelt ist. Aus welchem Grund der Zeuge Wießner den Namen des Zeugen Eb. in den Aufzeichnungen auf diese Weise hervorgehoben hat und ihm damit eine zentrale Stellung gab, ergibt sich aus den nur unvollständig vorliegenden Drillings-Akten nicht. Der Zeuge Wießner gab im Rahmen seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung vom 11. November 2014 lediglich an, er könne sich an den Namen Eb. und dessen Funktion nicht mehr erinnern. Aus den Aufzeichnungen ist auch nicht ersichtlich, ob es sich bei den hier aufgezeichneten Telefonverbindungen und Gespräche tatsächlich um solche des Zeugen Eb. selbst handelte oder um solche des Angeklagten Wohlleben, die dieser mit dem Telefon des Zeugen geführt hat.


Dafür, dass die Aufzeichnungen eigene Kommunikationstätigkeiten des Zeugen Eb. dokumentieren, spricht, dass u.a. auch Kommunikation zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten Wohlleben aufgezeichnet ist. Der Zeuge stand nicht nur im Fokus des TLfV, sondern auch in dem der Zielfahndung des TLKA, die eine Abfrage zu der Mobilnummer
[gleiche 0172-Nummer wie oben]des Zeugen veranlasste, die am 19. August 1998 von der Telefongesellschaft beantwortet wurde. Zugleich wurde der Zeuge in seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr mindestens zwei Mal vom MAD befragt, u.a. auch zu dem Trio, wobei die Erkenntnisse aus der Befragung vom 7. April 2000 vom MAD am 16. Mai 2000 „spontan“ an das TLfV übermittelt wurden. In seiner Vernehmung durch das BKA im Jahr 2012 hat der Zeuge die Auskunft verweigert. Als das BKA ihn bat, darüber nachzudenken, wann er denn die Beschuldigte Zschäpe sowie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zuletzt gesehen habe, sagt er: „Eben deshalb. Aussageverweigerung“. Später leugnete er den Beamten gegenüber, diese Aussage so getätigt zu haben. Ein Auskunftsverweigerungsrecht stand dem Zeugen nach den bisherigen Erkenntnissen nicht zu, da seine bisher bekannten Unterstützungshandlungen verjährt gewesen wären. Auch über die Vernehmung hinaus schien das BKA anzunehmen, dass der Zeuge nach dem Untertauchen einen engeren Kontakt zu dem Trio hatte, da eine Schriftprobe von ihm regelmäßig als Vergleichsmaterial für Handschriftenbestimmung von Schriftmaterial aus der Frühlingstrasse 26 herangezogen wurde. Die Relevanz des Zeugen Eb. für den hier aufzuklärenden Sachverhalt wurde somit bereits von verschiedenen Behörden bestätigt.

II. Die Beweistatsache zu 1) ist relevant, weil sie die Angaben der Angeklagten Zschäpe widerlegt, die in ihrer Aussage vom 14.09.2016 versuchte zu suggerieren, es hätte höchstens eine sehr entfernte Bekanntschaft mit dem Zeugen Eb. bestanden und er hätte nicht zu dem engeren Kreis um Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt herum gehört. Die übrigen Beweistatsachen und die an den Zeugen zu stellenden Fragen sind relevant, da sie die Stellung des Angeklagten Wohlleben bei der Unterstützung des Trios betreffen und der Angeklagte in seiner Einlassung bestritten hat, dass er eine zentrale und steuernde Stellung bei der Unterstützung inne hatte. Nach den bisherigen Ermittlungen und der Akte Drilling ist es offensichtlich, dass der Zeuge Eb. durch den Angeklagten Wohlleben ebenfalls in die Unterstützung des Trios eingebunden wurde – entgegen der Leugnung durch den Angeklagten Wohlleben.

Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Wir schließen uns dem Beweisantrag an.“ Götzl fragt in Richtung der Verteidigung Wohlleben, ob diese sich dazu äußern wolle. Wohlleben-Verteidiger RA Klemke sagt, er müsse das erstmal lesen.

Dann verliest NK-Vertreter RA Elberling einen Beweisantrag: In der Strafsache ./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12 wird beantragt, den Zeugen Carsten Br., ehemals PMA [= Polizeimeisteranwärter] bei der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen zu laden über die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen, als Zeugen zu vernehmen zu dem Beweis der Tatsache, – dass der Zeuge am 21. Juni 1997 mit der Zufahrtskontrolle zur „7. Hetendorfer Tagungswoche“ betraut war, – dass er an diesem Tag auf dem Grundstück Hetendorf 13 das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen [Saalfelder Kennzeichen] kontrollierte, – dass er in dem Fahrzeug vier Personen mit den Personalien Beate Zschäpe, Andre Kapke, Jana A. und Sven La. feststellte und feststellte, dass die Angeklagte Zschäpe zur beobachtenden Fahndung ausgeschrieben war, – dass diese vier Personen angaben, die „7. Hetendorfer Tagungswoche“ der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ besuchen zu wollen, und dass diese nach der Kontrolle Ihren Weg zu dem Veranstaltungsort fortsetzten.

Weiter wird beantragt, den Zeugen Schü., zu laden über das TLfV, zu dem Beweis der Tatsachen zu hören, – dass die „Hetendorfer Tagungswochen“ von 1991 bis 1997 jährlich auf dem Gelände des 1984 gegründeten und 1998 verbotenen Vereins „Heide-Heim e.V.“ in Hetendorf Nr. 13 stattfanden, – dass die Trägervereine des „Heide-Heim e. V.“ die Vereine „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V.“, „“ und die „Artgemeinschaft“ waren, deren Vorsitzender Jürgen Rieger gewesen ist, – dass die ideologischen Konstanten dieser Tagungswochen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Revisionismus sowie völkischer Kollektivismus, der Parallelen zum Nationalsozialismus aufwies, waren, – dass das Gelände Hetendorf Nr. 13 außerdem zwischen 1979 und 1997 als Schulungs- und Tagungszentrum rechtsextremistischer Organisationen wie der später verbotenen „“, der „Wiking-Jugend e.V.“, der „Nationalen Liste“ und der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ diente.

Begründung: Das faktisch von Jürgen Rieger betriebene Gelände Hetendorf Nr. 13 war bis zu dem Verbot des Trägervereins im Jahr 1998 die bedeutendste deutsche Schulungsstätte alter und neuer Nationalsozialisten aus dem In- und Ausland. Die Hetendorfer Tagungswochen waren ein Treffpunkt militanter und organisierter Neonazis, deren ideologische Ausrichtung in der Beweistatsache beschrieben ist.
I.1. Der Zeuge Br. hat die Erkenntnisse, die er anlässlich der durch ihn erfolgten Zugangskontrolle zu der „7. Hetendorfer Tagungswoche“ gewonnen hat, in einem Vermerk vom 21. Juni 1997 festgehalten. Zu diesen Erkenntnissen gehörte auch die Kontrolle eines PKW, in dem sich die Angeklagte Zschäpe, Andre Kapke, Jana J., geborene A., und Sven La. befanden. La. stammte ebenfalls aus Jena und war auch in der Kameradschaft Jena und dem THS aktiv. Bei der Abfrage stellte der Zeuge außerdem fest, dass die Angeklagte Zschäpe damals zur „beobachtenden Fahndung“ im Zusammenhang mit einem 129-StGB-Verfahren ausgeschrieben war.
2. Der Zeuge Schü. hat in einem Vermerk des TLfV vom 02. Februar 2004 den Charakter und den ideologischen Gehalt der Hetendorfer Tagungswoche beschrieben und die Teilnahme der Angeklagten Zschäpe festgehalten.

II. 1. Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind für die Tat- und Schuldfrage bezüglich der Angeklagten Zschäpe relevant. Die Beweiserhebung wird die Einlassung der Angeklagten Zschäpe widerlegen, wonach ihre politische Tätigkeit nur aus „Unternehmungen“ der sich Kameradschaft Jena nennenden „Clique“ bestand, zu denen der „Besuch von Konzerten, Stammtischen, Demonstrationen, Wehrmachtsausstellungen oder Sonnenwendfeiern“, Besuche des
„Rudolf-Hess“ und des „Sandro-Weigel-Marsches“ gehört hätten. Auch können aus der Beweiserhebung Rückschlüsse auf die eigene ideologische Einstellung der Angeklagten Zschäpe, sowie auf ihre Position im Verhältnis zu Mundlos und Böhnhardt gezogen werden. Der Besuch einer ideologischen Schulungswoche, die ein erhebliches Gewicht innerhalb der Neonaziszene hat, in einem anderen Bundesland ohne Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zeigt unter anderem, dass die Angeklagte Zschäpe auch unabhängig von Mundlos und Böhnhardt in der rechten Szene aktiv war und ein eigenes – und nicht etwa lediglich als „Begleitperson“ von Mundlos und Böhnhardt ein über diese vermitteltes – Interesse an nationalsozialistischer Ideologie und entsprechender Schulung hatte.

2. Weiter sind die Beweistatsachen relevant, da sie Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin Jana J. erlauben. Diese hatte zwar in ihrer Einvernahme in der Hauptverhandlung die ideologische Ausrichtung der damaligen rechten Szene in Jena recht umfassend dargestellt. Ihre Angaben waren jedoch immer dann unglaubhaft bzw. ihr Rückzug auf angebliche Erinnerungsverluste nicht nachvollziehbar, wenn es um ihre eigene Einbindung oder der ihr nahestehenden Personen in die Szene – wie Andre Kapke und Ralf Wohlleben – und deren ideologischer Ausrichtung oder die Frage der Mitarbeit von Ralf Wohlleben an der Geburtstagspost für Andre Kapke ging. Diese sich schon in der Vernehmung zeigende Unglaubhaftigkeit, wird durch die beantragte Beweiserhebung bestätigt, da die Zeugin damals trotz Nachfrage des Vorsitzenden zu dem Besuch von Schulungen und zu ihrem Kontakt zur Angeklagten Zschäpe nicht über den gemeinsamen Besuch der Hetendorfer Tagungswoche berichtete.

3. Schließlich zeigt der Umstand, dass neben den Verstorbenen Mundlos und Böhnhardt auch die Angeklagte Zschäpe zur beobachtenden Fahndung ausgeschrieben war, zum einen das Ausmaß der Einbindung der Angeklagten Zschäpe in die Szene und ihre Bedeutung in dieser. Zum anderen zeigt sich daran erneut, dass die Sicherheitsbehörden bereits vor dem Untertauchen um die Radikalität von Mundlos, Böhnhardt und der Angeklagten Zschäpe wussten, sie unter Beobachtung hatten und damit auch ihre Kontaktpersonen und späteren Unterstützer kannten – was die Behauptungen dieser Behörden, den Aufenthaltsort der Drei nach dem Untertauchen nicht gekannt zu haben, erneut unglaubhaft macht.

Es folgt eine Pause bis 11:15 Uhr. Götzl: „Herr Dr. Stolle, zu Ihrem Beweisantrag: Bei Nummer 3 heißt es: ‚mit Wissen von Wohlleben selbst bei der Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Untergrund half‘. Da ist die Frage, was Sie mit Unterstützung meinen. Das sind keine vorgetragenen Tatsachen. Das wäre ein Punkt, bei dem Sie gegebenenfalls noch vortragen müssten.“ Stolle: „Es ist schwierig, das genauer zu beschrieben. Es geht aber natürlich um Kontaktaufnahme, Spendensammlung, Organisation von Wohnungen. Wir können das gerne noch konkretisieren in der nächsten Woche.“ Götzl: „Ja, da müssten die Anhaltspunkte noch vorgetragen werden, so jedenfalls wäre das problematisch, da müssten Sie ergänzend vortragen.“ Stolle: „Machen wir.“ Götzl: „Sind denn weitere Beweisanträge vorgesehen?“ Niemand meldet sich.

Götzl verliest dann den Beschluss, dass alle Anträge aus dem NK-Beweisantrag zum Thema „“ und Organisation durch Ralf Wohlleben [304. Verhandlungstag, konkretisiert am 311. Verhandlungstag] abgelehnt werden. Zur Begründung führt er aus:
I. Die Beweisanträge auf Vernehmung eines instruierten Mitarbeiters des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz konnten abgelehnt werden. Die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, sind für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. 1. Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung u.a dann bedeutungslos, wenn sie selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie keinen zwingenden, sondern einen nur möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Der Senat hat die unter Beweis gestellten Tatsachen so, als seien sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis eingestellt und prognostisch geprüft, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der Beweisbehauptung potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert eines anderen Beweismittels in einer für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde.

a. Die ins Wissen des Zeugen gestellten Beweistatsachen belegen zusammengefasst, dass der Angeklagte Wohlleben in der behaupteten Form an der Organisation der Veranstaltung „Fest der Völker“ in den Jahren 2005 bis 2008 beteiligt war, dass die Veranstaltungen in Jena, Altenburg und Pößneck stattfanden, dass bei den Veranstaltungen Funktionsträger näher beschriebener Parteien teilnahmen, darunter auch Tim Mudde, , Illös Zsolt („Elek“), Stephen „Swiny“ Swinfen und , dass bei dem „Fest der Völker“ in den Jahren 2005 bis 2008 Redner auftraten bzw. auftreten sollten, die nach der Darstellung in den Anträgen der Neonazi-Szene zuzurechnen seien und zu denen weitere Umstände, wie Mitgliedschaften, Kontakte, strafrechtliche Verurteilungen etc. unter Beweis gestellt wurden. Zudem soll durch die Beweiserhebung belegt werden, dass beim Fest der Völker im Jahr 2008 Jürgen Rieger in seiner Rede die im Tenor dargestellten Äußerungen machte.

b. Diese unter Beweis gestellten Umstände sind für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung:
i. Die Orte, an denen die Veranstaltungen stattfanden oder stattfinden sollten, also Jena, Altenburg und Pößneck, sind unter Beweis gestellt. Dieser Umstand ist aber ersichtlich ohne Bedeutung.
ii. Die weiter unter Beweis gestellten Tatsachen als erwiesen unterstellt belegen, dass bei den Veranstaltungen die näher bezeichneten und im Hinblick über die vertretene Ideologie im Antrag skizzierten Personen und Bands aufgetreten sind bzw. auftreten sollten. Die ebenfalls unter Beweis gestellte Vorbereitungs- und Organisationstätigkeit des Angeklagten Wohlleben im Hinblick auf die Veranstaltungen belegt allerdings im Zusammenhang mit der ideologischen Ausrichtung der Redner
und Bands nicht, dass der Angeklagte die Entscheidung darüber traf, wer zu den Veranstaltungen eingeladen wurde und dort auftreten durfte. Deshalb schließt der Senat aus den unter Beweis gestellten Umständen in Zusammenschau mit den sonstigen bekannt gewordenen Umständen zum Thema „Fest der Völker“ auch nicht, dass der Angeklagte Wohlleben diese Redner und Bands allein und eigenverantwortlich ausgewählt hat.

Es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass ihm die Einladung der Redner und Bands von anderen Personen, Gruppen oder Organisationen vorgegeben wurden. In diesem Zusammenhang ist nur auf den Zeugen Andre Kapke hinzuweisen, den auch die Antragsteller offensichtlich als Veranstalter zusammen mit dem Angeklagten Wohlleben ansehen. Der Auftritt der genannten Personen und Bands lässt daher keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben zu, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Auswahl der „Gäste“ auf den Angeklagten Wohlleben zurückzuführen ist.

iii. Aus dem Auftritt der genannten Personen und Bands und aus dem Inhalt der unter Beweis gestellten Rede zieht der Senat auch deshalb keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben, da in keiner Weise geklärt und unter Beweis gestellt ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte Wohlleben die ideologische Überzeugung
dieser Personen teilte. So ist denkbar, dass jemand einen Großteil von Überzeugungen teilt, aber gerade einzelne Aspekte, wie z.B. den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele, ablehnt. Somit können die von den Antragstellern erstrebten Beweisziele auch aus diesem Grunde nicht erreicht werden.

iv. Das in diesem Fall gegebene zeitliche Moment ist ein weiterer Grund, warum der Senat aus den unter Beweis gestellten Umständen keine Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten Wohlleben zu der in der Anklageschrift angenommenen Tatzeit im Jahr 1999/2000 zieht. Es sind keine Belege dafür vorhanden, dass die Einstellung des Angeklagten im Zeitraum von 1999/2000 – also der angeklagten Tatzeit – bis zum Zeitraum 2005/2009 – also den Jahren, in denen ein Fest der Völker stattfand oder geplant war – in allen Aspekten stabil geblieben ist. Selbst wenn seine Tätigkeit im Zusammenhang mit diesen Veranstaltungen Rückschlüsse zuließe, würden diese im Hinblick auf das Zeitmoment nicht gezogen werden.

II. Die hilfsweise gestellten Anträge, die bei PC Records, Chemnitz, veröffentlichten DVD-Sets „Fest der Völker“ zu den Jahren 2005, 2007, 2008, 2009 inklusive der den DVD-Sets beigefügten Booklets vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz anzufordern und in Augenschein zu nehmen, konnten abgelehnt werden. 1. Sofern überhaupt von einem Beweisantrag im formellen Sinne auszugehen ist, konnten die Anträge abgelehnt werden. Die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, sind für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. 2. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze bei der Ablehnung von Beweisanträgen, deren Beweistatsachen tatsächlich ohne Bedeutung sind, wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen unter I.1. 3. Da in den hilfsweise gestellten Anträgen die identischen Tatsachen wie im Hauptantrag unter Beweis gestellt wurden, gelten die oben dargelegten Gründe für die tatsächliche Bedeutungslosigkeit entsprechend.

III. Die Anträge, die überreichte Fotografie in Augenschein zu nehmen zum Beweis der Tatsache, dass beim „Fest der Völker“ 2008 auf der Bühne ein ca. 10 m breites Transparent hing, auf dem unter dem Spruch „Europa ist angetreten – für die Freiheit“ mehrere Männer in Waffen SS-Uniform mit Schilden abgebildet sind, auf denen sich die Fahnen verschiedener europäischer Staaten befinden, werden abgelehnt, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung sind 1. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze bei der Ablehnung von Beweisanträgen, deren Beweistatsachen tatsächlich ohne Bedeutung sind, wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen unter 1.1. 2. Die unter Beweis gestellten Tatsachen, ihre Erweislichkeit unterstellt, belegen, dass beim „Fest der Völker 2008“ das in den Anträgen näher beschriebene Transparent auf der Bühne angebracht war. 3. Die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der hier unter Beweis gestellten Tatsachen ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der unter 1.1 b. dargelegten Umstände.

Es folgt ein weiterer Beschluss, der von Götzl verlesen wird. Götzl teilt mit, dass den Anträgen, die Protokolle der Vernehmungen des Zeugen Christian Ku. vom 09.03.2015, des Zeugen Jörg Wo. vom 10.03.2015, des Zeugen Robert Co. vom 29.04.2015 und der Zeugin Claudia Co. vom 29.04.2015 beizuziehen [310. Verhandlungstag], nicht nachgekommen wird. Zunächst verweist Götzl darauf, dass am 01.08.2016 Anträge zum Thema Mailadresse „derrosarotepanther[at]“ [nennt einen Mailprovider]gestellt worden seien [Anträge auf erneute Ladung von Thomas Gerlach und auf Beiziehung der Akten zu Ermittlungshandlungen zu dem Thema; siehe 304. Verhandlungstag]. Der GBA habe dann, so Götzl, zu den Anträgen Stellung genommen [305. Verhandlungstag] und ausgeführt, dass er aufgrund der Ermittlungen davon ausgehe, dass der Nachname des Nutzers der Email-Adresse die Nutzung des Namens „Wolle“ plausibel erscheinen lasse. Der Senat habe daraufhin den Schlussvermerk des BKA zu diesen Ermittlungen beigezogen und allen Verfahrensbeteiligten Einsicht gewährt. Nach Kenntnisnahme des Vermerks seien durch die Antragsteller die Anträge gestellt worden.

Bei den Anträgen auf Aktenbeiziehung handele es sich um Beweisermittlungsanträge, so Götzl. Er macht die üblichen Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen. Dann sagt er, dass Aufklärungspflicht es nicht erfordere, dass alle im Zusammenhang mit Tatermittlungen entstandenen Schriftstücke überprüft und damit beigezogen werden müssten, solange es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehle, dass dort für das Verfahren relevante Informationen enthalten sind. Die Antragsteller begründeten ihre Anträge im Wesentlichen damit, die Vernehmungsniederschriften, deren Beiziehung begehrt werde, seien die notwendige Grundlage für die Entscheidung, ob der bereits gestellte Beweisantrag bzgl. der Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“ [nennt einen Mailprovider]aufrecht erhalten oder abgeändert würde.

Götzl gibt kurz die Argumentation des Antrags vom 310. Verhandlungstag wieder. Dann sagt er zur konkreten Begründung der Ablehnung des Antrags, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die beantragten Protokolle beizuziehen. Der zugeleitete Schlussvermerk des BKA stelle die durchgeführten Ermittlungen nachvollziehbar und erschöpfend dar. Demnach hätten aufgrund von Provideranfragen und Zeugenvernehmungen die Zeugen Christian Ku. und Jörg Wo. ermittelt werden können. Aufgrund einer Auswertung von Asservaten, die beim Zeugen Ku. beschlagnahmt worden seinen, habe festgestellt werden können, dass Ku. als Nutzer der E-Mail-Adresse „robertley[at]“[nennt einen Mailprovider][ war ein nationalsozialistischer Politiker und Leiter der „Deutschen Arbeitsfront“ — nsu-watch] am 04.03.2008 eine Email mit der angehängten Präsentation „Die Wahrheit unserer Zeit.pps“ an u.a. die Adresse „derrosarotepanther[at“][nennt einen Mailprovider]mit großer Wahrscheinlichkeit versandt habe. In seiner Vernehmung vom 09.03.2015 habe Ku. nach dem Schlussvermerk angegeben, die in Rede stehende Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“[nennt einen Mailprovider]gehöre nicht zum Angeklagten Wohlleben, sondern zu seinem Bekannten namens Wo.

Dieser sei ihm und seinem Freundeskreis unter dem Spitznamen „Wolle“ bekannt. Den Angeklagten Wohlleben kenne er allerdings auch; der Angeklagte habe in Jena das „Fest der Völker“ organisiert, das der Zeuge besucht habe. Er habe den Angeklagten auch auf einer Veranstaltung im sogenannten „Braunen Haus“ in Jena getroffen. Der Zeuge Wo. habe nach dem Schlussvermerk angegeben, er habe die Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“[nennt einen Mailprovider]in den Jahren 2007/2008 eingerichtet. Er habe schon seit seiner Schulzeit den Spitznamen „Wolle“. Die Adresse für die Email-Adresse habe er gewählt, weil er als Kind gern die Sendung „Spaß am Dienstag“ gesehen habe, in deren Verlauf der Trickfilm mit dem „rosaroten Panther“ gezeigt worden sei. Die der Email vom 04.03.2008 angehängte Präsentation kenne er nicht. Götzl sagt, dass die von den Antragstellern vorgebrachten Argumente nicht dazu drängten, die Vernehmungsniederschriften beizuziehen. Die Antragsteller spekulierten lediglich ohne Tatsachengrundlage, dass es „mögliche Motive“ der Zeugen für unrichtige Angaben gebe.

Der Umstand, dass sich der Zeuge Wo. acht Jahre nach dem Erhalt einer Email mit angehängter Präsentation an diese nicht mehr erinnert, sei plausibel und kein Hinweis auf falsche Angaben des Zeugen. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, seien nicht vorhanden. Die Angaben der Zeugen seien nachvollziehbar und plausibel. Der Nachname des Zeugen Wo. lasse dessen Angaben zu seinem Spitznamen „Wolle“ naheliegend erscheinen, so dass auch die Verwendung dieses Namens bei der Internetkommunikation durch den Zeugen einleuchtend sei. Götzl: „Zusammenfassend ist unter Würdigung des aktuellen Prozessstands und der gesamten Verfahrensakten sowie der vorgebrachten Begründung des Antrags nicht ersichtlich, dass der Inhalt der Vernehmungsprotokolle, deren Beiziehung beantragt wurde, von der Aufklärungspflicht geboten wird.“

Schließlich verliest Götzl noch den Beschluss, dass auch die Anträge vom 304. Verhandlungstag zur Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“[nennt einen Mailprovider]abgelehnt sind. Das „als Beweisantrag formulierte Begehren“, Thomas Gerlach erneut zu vernehmen, sei als Beweisermittlungsantrag zu behandeln. Die Aufklärungspflicht dränge nicht dazu, den Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen. Ein Beweisantrag setze, so Götzl, eine bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus, denn auf nur vage formulierte Beweisthemen können die Ablehnungsgründe des § 244 Absätze 3 bis 5 StPO nicht exakt und sinnvoll angewendet werden. Als weitere Anforderung an einen auf eine Zeugenvernehmung zielenden Beweisantrag komme hinzu, dass der Zeuge die behauptete Tatsache aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden kann. Götzl macht dann allgemeine Ausführungen zur so genannten „Konnexität“ zwischen Beweisbehauptung und Beweismittel.

Danach sagt er, dass die Anträge zwar eine bestimmte Beweistatsache und mit dem Zeugen Thomas Gerlach auch ein bestimmtes Beweismittel benennen würde. Die „Konnexität im Sinne der Bezeichnung der Wahrnehmungssituation des angebotenen Zeugen“ fehle jedoch. Dies sei im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich, weil ein verbindender Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Zeugen nicht erkennbar sei. Sie ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis der Antragsteller auf den Artikel in „In Südthüringen“ vom 15.03.2014, weil dort auch nur auf ein Dokument Bezug genommen werde, das lediglich den „Verdacht“ nahelege, der Zeuge habe die Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“[nennt einen Mailprovider]gekannt. Eine Darstellung der „Wahrnehmungssituation“ des Zeugen sei darin nicht zu erkennen. Weiter sagt Götzl, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, den Zeugen Gerlach zu dem behaupteten Umstand zu vernehmen.

Götzl macht dann allgemeine Ausführungen dazu, wann Beweisermittlungsanträgen nachzukommen bzw. nicht nachzukommen sei. Dann sagt Götzl: „Ein Aufklärungserfolg wäre nur dann zu erwarten, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, dass die Email-Adresse „derrosarotepanther[at]“[nennt einen Mailprovider]jedenfalls im März 2008 vom Angeklagten Wohlleben genutzt worden wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall. Der vom Senat in diesem Zusammenhang beigezogene Schlussvermerk des Bundeskriminalamts stellt die durchgeführten Ermittlungen nachvollziehbar und erschöpfend dar.“ Götzl gibt, wie schon beim vorherigen Beschluss, die Darstellung des BKA-Schlussvermerks zu den Ermittlungen wieder. Bei dieser Sachlage, so Götzl, sei nicht zu erwarten, dass eine Vernehmung von Thomas Gerlach zu dem von den Antragstellern gewünschten Aufklärungserfolg führen würde, da keinerlei Hinweise dafür vorhanden seien, dass die genannte Email-Adresse vom Angeklagten Wohlleben genutzt wurde. Dementsprechend kommt Götzl auch zu dem Schluss, dass den Beweisermittlungsanträgen, sämtliche schriftlich dokumentierten Ermittlungshandlungen des BKA zu dem Thema beizuziehen und Akteneinsicht in diese zu gewähren, nicht nachgekommen werden musste.

Götzl: „Sind denn jetzt weitere Anträge für heute zu stellen?“ Carsten Schultzes Verteidiger RA Pausch: „Ich hatte letztes Mal versucht, eine Anschlusserklärung anzubringen. Wir schließen uns dem Antrag von Rechtsanwalt Langer vom 21.09. und der Beweisanregung an.“ Götzl: „Dann wird unterbrochen, Fortsetzung am Mittwoch, 05.10., um 9:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 11:51 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Heute wurden zunächst die Antworten der Verteidigung Zschäpe auf die letzten Fragen des Gerichts verlesen. Wiederum keine Glanzleistung der Verteidiger Grasel und Borchert: so wurden einmal wieder Erlebnisse nachgeschoben, die Zschäpe bisher nicht einmal am Rande erwähnt hatte, die aber, wären sie wahr, sicher sehr eindrücklich gewesen wären (in diesem Fall eine Schlägerei zwischen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die Zschäpe dann aber auch 'nicht näher beschreiben möchte‘) und offensichtliche Widersprüchlichkeiten damit erklärt, es habe sich ja nur um ‚Vermutungen‘ ihrerseits gehandelt (in diesem Fall ihre Angaben, Mundlos habe die Morde fotografiert, sie selbst habe aber von den Morden nichts Näheres gewusst). Überraschenderweise verkündete Borchert sodann, seine Mandantin wolle selbst auch noch etwas sagen. Die las dann einige Sätze vom Blatt ab. Deren Inhalt war angesichts der Verteidigungsstrategie wenig überraschend: sie habe sich früher durchaus mit dem 'nationalistischen Gedankengut‘ von Böhnhardt und dessen Umfeld identifiziert, sich aber inzwischen davon abgewandt. Sie ‚verurteile‘ das, was Böhnhardt und Mundlos den Opfern und deren Familien angetan hätten, und auch ihr ‚eigenes Fehlverhalten‘ in diesem Zusammenhang. Wie wenig ernst gemeint diese Angabe war, zeigte sich schon unmittelbar danach: auf Frage des Nebenklägervertreters Scharmer, ob Zschäpe denn dann jetzt die Fragen eben jener Opfer und Familienangehörigen beantworten würde, ließ sie wiederum ihren Verteidiger antworten, und der blockte wiederum ab. […] Das Gericht lehnte wiederum mehrere Anträge der Nebenklage ab und zeigte damit, dass es weiter nicht an einer echten Aufklärung interessiert ist. Diesmal ging es u.a. um das von Wohlleben mit anderen organisierte ‚Fest der Völker‘, eine Veranstaltung ‚Blood and Honour‘-naher Neofaschisten aus mehreren europäischen Ländern. Das sei aber für das Urteil nicht relevant, weil man ja nicht sicher sein könne, dass Wohlleben die politischen Inhalte derjenigen, die er da einlud, teilte oder dass seine Einstellung zwischen der Tatzeit 1999/2000 und den Veranstaltungen Mitte der 2000er absolut stabil geblieben sei, so die spitzfindige Begründung des Gerichts, mit dem es die Anforderungen an Beweisanträge weit überspannt.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/09/29/20-09-2016-2/

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