Protokoll 327. Verhandlungstag – 01. Dezember 2016

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An diesem Verhandlungstag geht es um die Wette zwischen Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, in der es um einen Wetteinsatz von u.a. „200 Videoclips schneiden“ ging. Es steht dabei die Vermutung im Raum, dass es hierbei um das Schneiden des Bekennervideos des NSU geht. Beate Zschäpe widersprach dem und behauptete, es sei um das Herausschneiden von Werbung aus TV-Serien gegangen. NK-Vertreter_innen stellten Beweisanträge, die das Gegenteil belegen sollten. Der heutige Zeuge und der Sachverständige sprechen u.a. zu den technischen Möglichkeiten, die vorlagen, um Werbung zu schneiden. Außerdem geht es um verschiedenen Anträge.

Zeuge und SV:

  • Falko Hu. (BKA Meckenheim, Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bearbeiten bzw. Schneiden von Videoclips, Angaben von Beate Zschäpe)
  • Thomas Willkomm (SV, BKA Wiesbaden, Gutachten im Zusammenhang mit dem Bearbeiten bzw. Schneiden von Videoclips, Angaben von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:50 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: „Für heute haben wir zunächst den Zeugen Hu. geladen. Ist er erschienen?“ Es folgt die Vernehmung des Zeugen Falko Hu. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen im Zusammenhang mit Bearbeiten, Schneiden von Videoclips, anknüpfend an die Einlassung der Frau Zschäpe hier im Verfahren. Welche Ermittlungen haben Sie durchgeführt, welche Asservate gegebenenfalls abgeglichen und mit welchem Ergebnis?“ Hu.: „Ich beziehe mich ganz kurz auf meinen Zeugenauftritt im Juni 2015 [210. Verhandlungstag], da habe ich die Wettvereinbarung Zschäpe und Böhnhardt hier bezeugt, dass man wettete, sein Wunschkörpergewicht zu erreichen. Und im Falle des Nichterreichens diverse Wetteinlagen, u.a. banale Dinge wie Wohnung putzen und Bad putzen aber auch 200 Videoclips schneiden. Meine Hypothese war …“

Zschäpe-Verteidiger RA Heer unterbricht ohne Mikrofonverstärkung: „Warum wiederholt er alles, er muss doch nicht alles wiederkauen. Schließlich geht es auch darum, dass man nicht im Urteilsstil referiert, was alles so ist.“ Götzl erwidert, dass der Zeuge seine Aussage zum heutigen Thema einleite.

Hu.: „Ich wäre auch schnell an den Punkt gekommen, dass Frau Zschäpe entgegnete [phon.], dass sie das Schneiden von 200 Clips nicht auf das Video bezogen hat, sondern auf das Herausschneiden von Werbung aus kommerziellen TV-Serien. Vom GBA habe ich den Auftrag bekommen, in den Asservaten nach Hinweisen zu suchen, die diese Aussage belegen oder widerlegen.“ Er habe sich, so Hu., Datenträger angeschaut unter dem Kriterium, dass sie in zeitlicher Nähe zum 24.11.2005 erzeugt worden seien. Hu.: „Gefunden habe ich unterm Strich fünf Datenträger, die für mich nach den Kriterien relevant waren. Alle Datenträger haben Zeitstempel aus dem Jahr 2006, also in relativer zeitlicher Nähe. Diese Datenträger habe ich mir dahingehend angeschaut, ob da kommerzielle TV-Serien drauf sind und ob da gegebenenfalls Werbung rausgeschnitten wurde. Festgestellt habe ich fünf Asservate EDV 04.1 bis 04.4 und 2.12.720.213. Diese Asservate enthalten tatsächlich kommerzielle Serien.“ Hu. nennt z.B. „Malcolm Mittendrin“ und „Grey's Anatomy“. Hu. weiter: „Alle diese Serien sind in privaten Sendeanstalten gelaufen. Für mich ein Kriterium, dass da tatsächlich Werbung gelaufen sein müsste. Außerdem im Durchschnitt zweimal pro Folge eingeblendete TV-Senderlogos oder nochmals der Serienname. Ebenso konnte ich feststellen, dass alle Serien exakt mit dem ersten Bild starteten und auch im Anschluss keine längere Werbung mehr folgte, maximal ein Spot. Diese Datenträger sind vom Typ DVD-R.

An der Stelle musste ich mich auf den Beweisantrag von Herrn Langer beziehen, der richtigerweise feststellte, dass auf Datenträgern dieses Typs keine Teile einer Aufnahme gelöscht werden können. [phon.] Das muss – da ist mein Vermerk nicht präzise oder schlicht falsch -, das muss in der Tat auf einem Datenträger des Typs DVD-RAM erfolgt sein. Wir haben dann diese Datenträger einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen und einen Brennertyp festgestellt, DMR-E55 [phon.]. Wir haben festgestellt, dass dies ein Modell ist, welches auch in ein Panasonic-Endgerät mit der gleichen Nummer [phon.] eingebaut wurde. Und dieses Gerät, mit dem hatte man die Möglichkeit, DVD-Rs herzustellen und auch tatsächlich DVD-RAM zu nutzen, um Werbung beispielsweise zu editieren und ein solches Produkt herzustellen, wie wir es in den Asservaten gefunden haben. Unterm Strich ist mein Fazit, dass die technischen Voraussetzungen vorgelegen haben, solche DVDs ohne Werbung zu erstellen. Der letzte Arbeitsschritt, wie die Serie dann auf den Datenträgertyp DVD-R gelangt ist, den haben wir letztlich nicht nachgewiesen.“

Götzl: „Haben Sie überprüft, ob ein entsprechendes Gerät vorhanden war, sichergestellt worden ist?“ Hu.: „Haben wir in den Asservaten natürlich nachgeschaut, wir haben einen DMR-E55 [phon.] nicht festgestellt, aber ein ähnliches Gerät, ein Nachfolgegerät, auch von der Firma Panasonic, DMR-EH595 [phon.]. Das war ein Gerät, das technisch mehr leisten konnte, ein Festplattenrekorder, da wäre ein Herausschneiden noch leichter gewesen als mit dem Gerät, das 2004/2005 möglicherweise genutzt wurde.“ Götzl sagt, Hu. habe ja einen Vermerk gefertigt: „Sie haben hier Überlegungen angestellt hinsichtlich der durchgeführten Schnitte.“ Götzl fragt, wie Hu. zu den Zahlen gekommen sei. Hu.: „Ich habe im Grunde eine Hochrechnung angestellt, eine Schätzung, weil ich nicht genau Schnitte erkennen konnte. Ich habe dann als Kriterium das sich einblendende Senderlogo hergenommen und habe dann im Schnitt pro TV-Folge zwei Werbeunterbrechungen zugrunde gelegt. Auf den fünf DVDs haben wir 38 TV-Serien [meint vermutlich 39]und wenn ich 38-mal zwei Schnitte hochrechne sind wir bei 78 Schnitten und wenn jeweils der Vorspann rausgeschnitten wird und am Ende, dann würde man nochmal zwei Schnitte bekommen, das wären dann 156 Schnitte. Aber das ist eine Hochrechnung, weil man die Schnitte, wenn sie gut gesetzt sind, nicht sieht.“

Götzl: „Hier ist von 78 Schnitten die Rede, das wäre ohne Anfang und Ende.“ Hu.: „Richtig. Bei fünf betrachteten DVDs.“ Götzl fragt nach der Zählweise bei einer bestimmten DVD. Hu.: „Die eine DVD war wahrscheinlich durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen, da waren nicht alle, sondern nur vier Folgen abspielbar.“ Götzl: „Das bezieht sich wohl auf die DVD 5 ‚brandgeschädigt‘, da haben Sie eine Anzahl von 10 zugrunde gelegt. Bei der Nummer 4 haben Sie 8 zugrunde gelegt bei 11 Folgen. Da verstehe ich die Berechnungsmethode nicht. Das müssten 22 sein.“ Hu.: „Ich habe es jetzt so in Erinnerung: Die DVD ‚5ive Days to Midnight‘, die letzte, da habe ich zehn Schnitte zu Buche geschlagen, stimmt's?“ Götzl: „Mir geht es nur um die Methode, ausrechnen kann ich mir es selber auch.“ Hu.: „Ich habe im Grunde pro lesbarer TV-Folge zwei Schnitte zugrunde gelegt. Vielleicht habe ich da einen Rechenfehler drin, das war mir jetzt nicht bewusst.“ Götzl: „Dieses von Ihnen angesprochene Nachfolgegerät, war das 2006 schon auf dem Markt?“ Hu.: „Nein.“

Götzl: „Sind Fragen von Seiten des Senats? Von Seiten der Bundesanwaltschaft? Nein. Von Seiten der Verteidigung?“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Könnten Sie mir nochmal den genauen Auftrag, den der GBA Ihnen übermittelt hat, schildern?“ Hu.: „Viel weiter ins Detail, als ich das eben schon getan habe, wahrscheinlich nicht. Meine Aufgabe war, in den Asservaten nachzuschauen, ob sich die Aussage von Frau Zschäpe verifizieren lässt.“ Stahl: „Ob es sich beim Wetteinsatz um Videoschnitte gehandelt hat?“ Hu.: „Nein, ob sich die Aussage, dass sie an einem Videorekorder mittels Fernbedienung diese Schnitte hätte vornehmen können, verifizieren lässt, kommerzielle TV-Staffeln aufnehmen und am Videorecorder mit der Fernbedienung bearbeiten [phon.].“ Stahl: „Aha. Jetzt hatten Sie dem Vorsitzenden berichtet, Sie hätten sich die Asservate in zeitlicher Nähe zur Wette angeschaut, warum nur in zeitlicher Nähe?“ Hu.: „Ich habe mir natürlich alle Asservate angeschaut aber jetzt sind nur die eingeflossen, die in zeitlicher Nähe zur Wette lagen. Ich weiß nicht mehr ganz genau, wann das Datum war, wo Frau Zschäpe und Herr Böhnhardt ihr Wunschgewicht erreichen wollten, das war, glaube ich, Mitte des Jahres drauf. Daher die Asservate aus dem folgenden Jahr. [phon.]“ Stahl: „Warum nicht davor und danach?“ Hu.: „Doch, das haben wir geschaut, aber da gab es keine. Obwohl, das weiß ich jetzt nicht. [phon.]“ Stahl: „Dann verstehe ich Ihre Formulierung nicht, weil Sie bekundet haben: ‚Ich habe mir in zeitlicher Nähe zur Wette die Asservate angeschaut‘.“ Hu.: „Nein, wir haben uns alle elektronischen Datenträger angeschaut.“ Stahl: „Alle?“ Hu.: „Klar.“

Stahl: „Auch die bei André Eminger gefundenen?“ Hu.: „Nein, natürlich Datenträger aus Frühlingsstraße und Wohnmobil. Bei Herr Eminger, ich glaube, die nicht.“ Stahl: „Wissen Sie nicht genau?“ Hu.: „Wahrscheinlich nicht.“ Stahl: „Sie haben durchschnittlich zwei Werbeunterbrechungen in einer Folge zugrunde gelegt. Haben Sie das mal verifiziert? Ich meine das sind eher so vier bis fünf.“ Hu.: „Nee, mein Kriterium war ja das erneute Einblenden des Senderlogos und des Seriennamens. Das kenne ich so aus der eigenen Fernsehschauerfahrung. Aber eine exakte Erhebung: Wie viel Werbung wurde damals ausgestrahlt, das habe ich nicht.“ Stahl: „Exakte Erhebung, das hieße, dass Sie beim ausstrahlenden Sender ja abgeglichen hätten, das ist klar. Aber haben Sie überhaupt mal geguckt, wie viele Werbeunterbrechungen pro Folge kamen oder ist das Ihre Mutmaßung anhand des Senderlogos?“ Hu.: „Ja, das war das einzige Kriterium. Was die Sendeanstalten zur Zeit an Werbeunterbrechungen haben, ist ja eh nicht für das Jahr 2005 relevant gewesen, insofern musste ich ein objektives Kriterium zu Rate ziehen.“

Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Das ist jetzt vielleicht etwas laienhaft, aber wenn ich etwas rausschneide, mache ich doch eigentlich zwei Schnitte, Anfang und Schluss.“ Hu.: „Das ist eine Frage der Definition eines Schnitts. Ich habe zugrunde gelegt, dass Werbung rausschneiden ein Schnitt ist. Eine Sequenz, die rausgeschnitten wird. Aber man muss da, insofern haben Sie Recht, mehrere Arbeitsschritte machen.“ Kaiser: „Also technisch gesehen sind es zwei Schnitte?“ Hu.: „Diese Meinung teile ich auch nicht.“ Kaiser: „Ich sage das als Laie. Ich würde das für mich jedenfalls als zwei Schnitte beschreiben. Danke.“

NK-Vertreter RA Langer: „Zur Klarstellung: Sie sagten, mit dem Gerät DMR-E55 [phon.] hätte man mit DVD-R und DVD-RAM arbeiten können. Gab es in dem Gerät eine Festplatte?“ Hu.: „Nein, aber das Medium DVD-RAM lässt das Arbeiten so zu, dass es ähnlich oder identisch ist zu einer Festplatte. Eine DVD-RAM kann man beliebig beschreiben.“ RA Stahl: „Ich würde Sie bitten, den Zeugen anzuhalten, keine Sachverständigenaussagen machen.“ Götzl sagt, dann solle Stahl den Zeugen fragen, woher der seine Kenntnisse habe. Stahl: „Sehe ich ganz anders. Halten Sie den Zeugen an, das zu bekunden, was er erfahren hat.“ Götzl: „Gefragt wurde er es aber. Fragen Sie halt nach!“ Langer: „Das Nachfolgegerät, da hatten Sie einschränkend gesagt, das war 2006 noch nicht vorhanden. Haben Sie Anhaltspunkte, seit wann das neue Gerät dann im Haushalt gewesen sein könnte?“ Hu.: „Das neue Gerät?“ Langer: „Ja, das neue Gerät dann, das sie mit EH595 [phon.] benannt haben.“ Hu.: „Ich glaube, wir haben Anhaltspunkte. Ich glaube, es gibt eine DVD, die gebrannt wurde mit dem Gerät. Herr Vorsitzender, ich bitte mir das vorzuhalten. Ich glaube, ich habe das aufgeschrieben.“

Langer: „Kann es sein, dass Sie zu diesem Gerät eine Rechnung gefunden haben?“ Hu.: „Ah, exakt, wir haben für den EMR 595 einen Kaufbeleg gefunden.“ Götzl nennt auf Nachfrage die Fundstelle. Langer: „Trifft es zu , dass der Kaufbeleg aus dem Jahr 2010 ist?“ Hu.: „Ja.“ Langer: „Dann im SAO 267, Blatt 16 ist die Rede von einem PDF-Report zu den 65 DVD-Rs [phon.], sagt Ihnen das was?“ Hu.: „Grob, habe ich schon mal gehört. Aber Details, was da drinsteht, weiß ich leider nicht.“ Langer: „Gesehen haben Sie den nicht?“ Hu.: „Doch, bestimmt habe ich den mal gesehen, aber da habe ich kein Detailwissen mehr dazu.“ Langer: „Zu den anderen DVDs, können Sie genauer sagen, was für Zeitstempel dort waren? Sie haben gesagt, einige sind ja vor 2006 und einige danach.“ Hu.: „Ich habe es umgekehrt gemacht. Ich habe geschaut, wo gibt es überhaupt kommerzielle TV-Serien, und dann geschaut, aus welchem Zeitraum die stammen. Es gibt ja beispielsweise noch die DVD ‚Für Jule‘, die ist auch untersucht worden, auch der Brenner E55 [phon.], die datiert aber auf einen Zeitstempel weit später als die Wette, ich glaube 2009.“ Langer: „Dann zu EDV06, da sind noch zweimal DVD-RAM gefunden worden und da steht drin: ‚Eine Dokumentation zu den Datenträgern wurde nicht erstellt.'“ Hu.: „Wo steht das drin?“ Langer nennt eine Fundstelle. Hu.: „Dazu kann ich nichts sagen. Waren die beschädigt vielleicht?“ Langer: „‚Eine Dokumentation zu den Datenträgern wurde nicht erstellt.‘ [phon.] Und ich habe nicht gehört, dass die mal ausgewertet worden ist. Deswegen: Gibt es da zwischenzeitlich [phon.] eine Auswertung und was ist gegebenenfalls das Ergebnis?“ Hu.: „Müsste man bei der Fachdienststelle nachfragen, kann ich jetzt nichts dazu sagen.“

NK-Vertreter RA Scharmer: „Zur Anzahl der Werbeunterbrechungen: Haben Sie für den damaligen Zeitpunkt mal die Regelungen nach dem Rundfunkstaatsvertrag recherchiert, wieviel Werbung bei den Privatsendern zulässig ist?“ Hu.: „Nein.“ Um 10:23 wird der Zeuge entlassen. RA Langer und RA Stahl behalte sich Erklärungen vor.

Es folgt die Anhörung des SV Thomas Willkomm vom KT-Institut des BKA Wiesbaden. [Wiedergabe aller sachverständigen Angaben unter Vorbehalt.] Götzl: „Es geht uns um die Gutachten, die auch vorbereitet zu den Akten gereicht wurden. Es geht um das Bearbeiten, Schneiden von Videoclips. Was können Sie uns berichten?“ Willkomm: „Wir haben ja zwei Gutachten gemacht, eines der Dr. Junker, der mittlerweile in Rente ist, deswegen bin ich jetzt hier. Da ging es darum, mit welchem Brenner die DVDs gebrannt wurden, die uns vorlagen. Das haben wir gemacht und festgestellt, dass mit einem Brenner gebrannt wurde, der als Manufacturer-ID ‚Matshita DVD-RAM DMR-E55‘ ausgibt. Daneben gibt es noch eine Seriennummer und eine Modellnummer. Die Seriennummer sollte eigentlich eineindeutig [phon.] sein für den verbauten Brenner und die Modellnummer bezeichnet eigentlich den Laser, das hat mit dem Gerät, also dem Gehäuse, nix zu tun. Und dieser Brenner brennt diese Information auf die DVD. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, dass es so eine Recording-Area geben muss, aber es dem Hersteller überlassen wird, was er da reinschreibt. Also Serien- oder Modellnummer sind nicht verpflichtend.

Aber wir haben, wie gesagt, die Feststellung getroffen: ‚Matshita DVD-RAM DMR-E55‘ und eine Serien- und eine Modellnummer. Das war das Gutachten von Dr. Junker, das wurde dann an die anfragende Dienststelle weitergeleitet. Jetzt im Oktober haben wir drei DVD-Rekorder bekommen und sollten von denen diese Brennerdaten auslesen, ob die auf DVD-Medien auch diese Infos hinterlassen. Ein Panasonic E55, ein Panasonic 85 und ein Panasonic 95. Die letzten beiden waren Festplattenrekorder, da nimmt man auf Festplatte auf, brennt das zum Archivieren auf DVD. Beim ersten, der reine DVD-Rekorder, da muss man direkt auf DVD aufnehmen. Alle drei Geräte beschreiben die Recording-Area mit Manufacturer-ID, mit Serien- und Modellnummer. Aber alle drei brennen bei Manufacturer-ID ‚DMR-E55‘ ein, was auf dasselbe Gerät hinweist, aber offensichtlich nicht so ist. Alle drei Geräte brennen [phon.] eine Seriennummer. Und die Modellnummer hat sich unterschieden zwischen DVD-Rekorder J117 und bei den Festplattenrekordern hatten wir die Modellnummer J125. [phon.] Was das letztlich bedeutet, müsste man beim Hersteller erfragen, aber ich vermute, dass da ein anderer Laser eingebaut wurde, der eine andere Firmware und eine andere Modellnummer hat. Das waren die Feststellungen.“

Götzl: „Diese erste Untersuchung bei Ihrem Kollegen, waren Sie da eingebunden?“ Willkomm: „Ich war sein Sachgebietsleiter, aber nicht direkt eingebunden, denn eigentlich ist der Dr. Junker der Spezialist für beschädigte optische Medien.“ Götzl: „Auf was hat sich der Auftrag bezogen damals?“ Willkomm: „Ich meine zehn Datenträger, vier CDs, sechs DVDs. Zwei davon waren nicht lesbar aufgrund der Brandbeschädigung, bei dem Rest konnte zumindest diese Recording-Area, also Manufacturer-ID, Seriennummer, Modellnummer, gelesen werden. Und die Feststellung, die Dr. Junker getroffen hat, waren ja diese Daten. [phon.]“

NK-Vertreter RA Narin: „Was versteht man denn in Fachkreisen unter dem Ausdruck ‚einen Clip schneiden‘? Versteht man darunter den technischen Vorgang, dass man einen Schnitt anlegt, oder bedeutete das etwas anderes?“ Willkomm: “ Auf DVDs oder allgemein?“ Narin: „Generell bei Videos.“ Willkomm: „Man setzt eine Marke in der Datei und überspringt den Bereich, den man herausschneiden will.“ [phon.] Narin: „Und ‚einen Clip schneiden‘?“ Willkomm: „Das ist ja letztlich das gleiche. [phon.] Es sind Binärdaten. Sie sagen: ‚Hör auf hier zu lesen und überspring‘ den Bereich!‘ Es kommt drauf an, ob man den Bereich rauslöschen kann oder nur sagen kann: Überspringen. Das ist abhängig vom Datenträger.“ Narin: „Was versteht man unter einem Videoclip?“ Willkomm: „Da kann ich technisch wenig dazu sagen, das ist ein Videoteil, würde ich mal sagen.“

RA Langer: „Frage zum Bericht von Herrn Junker: Sie sagten, die Manufacturer-ID wäre bei allen Geräten gleich gewesen, dann die Modellnummer eine andere bei dem Festplattenrekorder im Vergleich zum reinen DVD-Gerät. Aber es sind ja auch Seriennummern festgestellt worden.“ Willkomm: „Ja.“ Langer: „Vermerkt wurde im Gutachten unter Untersuchungsergebnisse, Blatt 20107: ‚Es konnten zwei Serial Numbers ausgelesen werden.'“ Willkomm: „Ja.“ Langer: „Dann folgen die Nummern, und wenn ich mir die einzelnen DVD-Rs angucke, ist es da, sage ich mal, allgemein bunt gemischt.“ Willkomm: „Ja.“ Langer: „Welche Schlussfolgerung haben Sie daraus gezogen?“ Willkomm: „Ich schließe daraus, dass zwei Laser benutzt werden mussten, weil diese Seriennummer eineindeutig sein muss. Ich weiß bei der Firma Sony, dass jeder Brenner eine eigene Seriennummer hat. Bei Panasonic kann ich es nicht sicher sagen, aber ich gehe davon aus, wir haben immer unterschiedliche gefunden. Das heißt: So eine Seriennummer weist immer auf einen ganz bestimmten Brenner hin.“ Langer: „Danke.“

Zschäpe-Verteidiger RA Grasel fragt, was es mit der Formulierung auf sich habe, dass bei einer DVD je nach Ausleseprogramm auch eine andere Signatur [phon.] möglich sei. Willkomm: „Sie können ja, solange die DVD nicht finalisiert ist, noch mehr Sendungen mit der DVD aufnehmen. Sie können ja die von Laufwerk A rein theoretisch in Laufwerk B legen, also einen Brennvorgang starten mit neuer Seriennummer. Dann haben Sie zwei Seriennummern auf einer DVD. Wenn man sich die anguckt, sieht man alle. Man muss durchscrollen, aber die sind alle da.“ [phon.] Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Konnte man feststellen, wie oft die DVDs überschrieben worden sind?“ Willkomm: „Die kann man gar nicht überschreiben, das waren alles einmal beschreibbare DVD-Rs. Das was geschrieben ist, ist physikalisch nicht mehr zu löschen.“

RA Langer: „Können Sie ungefähr sagen, wie die Preise etwa waren, wenn ich eine DVD-RAM oder DVD-R in der gleichen Größe kaufen musste?“ Willkomm: „Kann ich Ihnen nicht mehr sagen, aber ich gehe davon aus, dass DVD-RAM etwas teurer war, aber da sprechen wir von keinen großen Beträgen. Aber ich weiß es nicht. Das haben wir nicht ermittelt.“ Um 10:37 Uhr wird der SV entlassen. RA Langer und RA Stahl behalten sich Erklärungen vor. Götzl: „Dann werden wir eine Pause einlegen und setzen um 11 Uhr fort.“

Um 11:03 Uhr geht es weiter. Götzl: „Es ist vorgesehen, ergänzend dieses Behördengutachten Junker zu verlesen. SAO 647, Blatt 20104 bis 20109. Sollen dazu Erklärungen erfolgen?“ Niemand meldet sich. Götzl: „Dann kommt dieses Behördengutachten gemäß 256 StPO zur Verlesung.“ Dann verliest Richter Lang das Gutachten, zu dem der Zeuge Willkomm u.a. ausgesagt hat. Götzl: „Sollen dazu Erklärungen abgegeben werden? Keine. Herr Rechtsanwalt Grasel hat mitgeteilt, dass Frau Zschäpe am Donnerstag, 08.12., ergänzende Angaben machen wird. Das Thema Brief werden wir nächste Woche behandeln und Prof. Dr. Saß soll am 20. und 21.12. gehört werden. Ich würde Sie bitten, dass Sie sich drauf einstellen.“ RA Heer: „Die Anhörung des Sachverständigen Saß bedarf von unserer Seite noch weiterer umfassender Vorbereitung, so dass sie aus unserer Sicht in diesem Jahr nicht mehr in Betracht kommt.“ RA Scharmer: „Das Gutachten liegt jetzt gut einen Monat vor, wie es in Strafprozessen üblicherweise vorkommt. Es ist nach Aktenlage erstellt, die die Verteidiger kennen. Es liegt kein Grund vor, weiter zu warten. Wir müssen weiterkommen. Das ist doch erst in drei Wochen. Also ich bin entrüstet, muss ich wirklich sagen.“ RA Stahl: „Das kann man nicht so im Raum stehen lassen. Ja, es ist Ihnen Recht zu geben, Herr Scharmer, es ist nicht unüblich in Strafverfahren. Gleichwohl ist es so, dass dieses Gutachten relativ umfangreich ist von der Seitenzahl und vom Inhalt, was darin verarbeitet wird. Und wir haben uns damit zu befassen und das nimmt einige Zeit in Anspruch und drei Tage in der Woche sind wir nun mal hier und wir werden es nicht früher schaffen.“

Götzl: „Dann werde ich darauf reagieren und den 06. und 07. Dezember absetzen, so dass Sie Gelegenheit haben, sich in dieser Zeit exklusiv mit diesem Gutachten zu beschäftigen.“ Stahl: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir auch auf Ihre sehr ad hoc geäußerte Maßnahme noch reagieren dürften. Vorab ist es so, dass das einfache Absetzen des 6. und 7. Dezember dem wahrscheinlich nicht abhilft. Ich würde es gern erläutern, möchte es aber kurz mit meinen Kollegen besprechen, wenn Sie uns kurz zehn Minuten geben.“ Götzl: „Wenn wir das zurückstellen und nachher eine Pause einlegen. Es waren jetzt noch weitere Wortmeldungen, dass wir die noch abwarten.“ NK-Vertreter RA Behnke: „Ich halte das Vorgehen des Senats für richtig. Das Absetzen ermöglicht der Verteidigung umfänglich dran zu arbeiten. Es sei denn, es ist richtig, was kolportiert wird, dass Sie ein Gegengutachten einbringen wollen. Ist das richtig, dass ein Gegengutachten erstellt werden soll?“ Stahl: „Ich habe gerade den Vorsitzenden um fünf Minuten gebeten, dass wir beraten, in welchem Umfang wir hier was erklären.“

Götzl: „Mich würde auch interessieren, ob denn weitere Beweisanträge vorgesehen sind oder in größerem Umfang vorgesehen sind. Wenn ja, würde ich bitten, dass Sie sie zügig und gesammelt jeweils stellen.“ Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Es werden noch Anträge kommen, einer bestimmt noch heute. Aber die erstmal zu sammeln wird schwierig.“ Götzl: „Also möglichst zügig und möglichst schnell.“ Nahrath: „Bei uns geht es eigentlich immer schnell und kurz.“ Götzl: „Das richtet sich nicht nur an Sie.“ Schneiders: „Ich hätte einen Antrag und die angekündigte Pause könnte zum Kopieren genutzt werden.“ Götzl: „Bitte!“

Schneiders stellt den Antrag, den Haftbefehl gegen Wohlleben aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Zum Tatverdacht sagt Schneiders, in seinem Beschluss vom 14.06.2016 habe der BGH wie folgt ausgeführt, dass dem OLG an der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten Wohlleben nach den Gesamtumständen indes durchgreifende Zweifel blieben. Weiter führe der BGH in dem Beschluss aus: „Im Einzelnen nimmt der Senat hierzu auf die Seiten 9 ff. des angefochtenen Beschlusses Bezug. Weiter hält das Oberlandesgericht im angefochtenen Beschluss nach nochmaliger eingehender Würdigung daran fest, dass es sich bei der so beschafften Waffe mit hoher Wahrscheinlichkeit um die später sichergestellte Tatwaffe handelte.“ Schneiders sagt, dass hierbei sowohl der BGH

Schneiders: „Dies würde bedeuten, dass die an Schultze weitergegebene Waffe nicht die Tatwaffe sein kann.“ Die Wohlleben vorgeworfene Tathandlung erschöpfe sich nach den insoweit korrespondierenden Angaben des Mitangeklagten Carsten Schultze und Herrn Wohllebens darin, dass Wohlleben dem Angeklagten Schultze auf die Frage, woher er eine Waffe bekommen könne, den Tipp gegeben habe: „Geh zum Schultz“. Daraufhin habe sich der Angeklagte Schultze ins zu begeben, um dort nach einer Waffe zu fragen. In der Folge habe Schultze eine Waffe von Andreas Schultz erworben. Hinsichtlich der Bezahlung der Waffe hätten die beiden Angeklagten sich widersprechende Angaben gemacht, die auch durch den Senat nicht weiter hätten aufgeklärt werden können. Schultze habe behauptet, das Geld für die Waffe von Wohlleben erhalten zu haben. An die konkrete Geldübergabe fehle Schultze aber jegliche Erinnerung. Wohlleben bestreite eine solche Geldübergabe. Im Weiteren habe die Beweiserhebung ergeben, dass Wohlleben auch nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt habe, um den Kaufpreis zu finanzieren.

Schneiders: „Dies stützt die Aussage unseres Mandanten, mit der Finanzierung der Waffenbeschaffung nichts zu tun gehabt zu haben. Schließlich war es auch der Angeklagte Schultze, der die von ihm beschaffte Waffe ohne weiteres Zutun des Herrn Wohlleben an Böhnhardt und Mundlos übergab. Nach den Angaben unseres Mandanten bestehen zudem bereits Zweifel daran, dass er, wie es auch der Angeklagte Schultze bestreitet, gewusst hat, wofür Mundlos und Böhnhardt die Waffe benötigten. Darüber hinaus hat Schultze die von ihm übergebene Waffe auch nicht sicher identifiziert. Insoweit wird auf die früheren Anträge auf Aufhebung des Haftbefehls verwiesen. All diese Zweifel hinsichtlich der Täterschaft unseres Mandanten kann der Senat nicht ausräumen, sondern allenfalls wie bisher schlicht ignorieren.“

Schneiders geht dann zum Thema Beschleunigungsgrundsatz über. Überdeutlich betont Schneiders den folgenden Satz: „Herr Wohlleben befindet sich seit dem 29.11.2011 somit nunmehr seit mehr als einem halben Jahrzehnt ununterbrochen in Untersuchungshaft.“ Dann spricht sie weiter: „Ein Verfahrensende ist nicht in Sicht. Die Unschuldsvermutung scheint in diesem Prozess ohnehin keine Rolle zu spielen.“ Das Verfahren werde im Übrigen, so Schneiders weiter, seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr beschleunigt geführt. Schneiders nennt im Oktober und November ausgefallene Verhandlungstermine. Spätestens seit Juli 2016 werde zumeist, wenn überhaupt, lediglich ein Zeuge pro Verhandlungstag geladen. Im Vergleich zu den ersten drei Prozessjahren, in welchen teilweise bis zu acht Zeugen pro Tag geladen und gehört worden seien, sei dies ein eklatanter Unterschied. Das Beweisprogramm hätte, so Schneiders, in den vergangenen Monaten regelmäßig bereits vormittags erledigt sein können: „Der Senat zog jedoch die Verhandlung über die Mittagspause hinaus künstlich in die Länge, nur um nach der Pause zumeist noch einen Beschluss zu verkünden oder etwas zu verlesen. Gerade der 325. Verhandlungstag gibt hiervon ein beredtes Beispiel. Bei gerade einmal knapp 40 Minuten Verhandlungsdauer netto wurde eine einzige Zeugin zu einem sehr begrenzten Beweisthema gehört. Die Verhandlung begann um 09:50 Uhr und endete bereits um 10:32 Uhr. Der 326. Verhandlungstag verlief mit einem bereits gehörten Zeugen in ähnlicher Weise und endete bereits um 10:53 Uhr nach 69 Minuten. Auch am 327. Verhandlungstag waren die beiden geladenen Auskunftspersonen bereits um 10:37 Uhr entlassen.“

Schneiders zitiert dann erneut den Beschluss des BGH vom 14.06.2016: „Auch in Anbetracht der insgesamt zu erwartenden Verfahrensdauer steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartenden Strafe.“ Obwohl der BGH den erkennenden Senat mit dieser Formulierung unmissverständlich auffordere, das Verfahren beschleunigt zu betreiben, finde seit Monaten evident das Gegenteil statt. Der Beschleunigungsgrundsatz sei nach alledem verletzt und der Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig. Schneiders geht dann zum Thema Haftgründe über. Schneiders: „Mag auch der Haftgrund der Schwerkriminalität theoretisch bejaht werden können, so verfängt dieser vorliegend nicht. Das zeigt insbesondere die Gegenüberstellung mit den Haftentscheidungen zu Eminger und Gerlach.“ Schneiders zitiert aus dem BGH-Beschluss zu André Eminger vom 14.06.2012: „Nach Obigem ist der Beschuldigte auch nicht dringend verdächtig, bei der Überlassung der Bahncards gewusst oder zumindest damit gerechnet zu haben, eine Gruppierung zu unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terroristischer Anschläge gerichtet waren, zwar stand der Beschuldigte zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in einer langjährigen engen und freundschaftlichen Beziehung. Konkrete Tatsachen, die belegen könnten, dass der Beschuldigte von deren Vorleben und den von ihnen verübten Taten wenigstens in Grundzügen Kenntnis hatte, und die hinreichend sichere Schlüsse darauf zuließen, zu welcher Einschätzung er im hier maßgeblichen Zeitraum ab Mai 2009 in Bezug auf mögliche politisch motivierte Straftaten der Genannten gegen das Leben anderer gelangt war, lassen sich dem Aktenwerk indes auch jenseits der bereits erörterten Frage einer Mitwirkung bei der Herstellung des Videofilme nicht entnehmen. So bleibt nach den im Übrigen umfassenden Aussagen des Max-Florian [Bu.] schon offen, ob der Beschuldigte zu irgendeinem Zeitpunkt den Grund des Untertauchens von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, insbesondere ihren Umgang mit Sprengstoff, in Erfahrung gebracht hatte.“

Dann zitiert Schneiders auch aus dem Beschluss des BGH vom 25.05.2012 betreffend die Haftaufhebung des Mitangeklagten Gerlach: „Trotz der Übergabe der Waffe bot sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe danach keine Grundlage für die Annahme, der Beschuldigte stehe hinter künftigen Mordanschlägen und befürworte diese. Zu Ende gedacht würde die Auffassung des Ermittlungsrichters im Übrigen dazu führen, dass jede Unterstützungshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB oder gar schon jede gegenüber Mitgliedern einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung geäußerte Bekundung von Sympathie für ihre Ziele oder Taten objektiv, ohne dass weiteres hinzukommen müsste, als Beihilfe zu den danach aus der Vereinigung heraus begangenen Straftaten zu werten wäre; dies wäre indes rechtlich nicht haltbar.“ Schneiders setzt dann mit ihrer Bewertung fort: „Wenn sich die vermeintliche Gruppierung, wie dies auch die Beweisaufnahme ergab, derart nach außen abschottete, ist nicht einsichtig, weshalb Herr Wohlleben als einziger Kenntnis von den Mordplänen inklusive etwaiger Motive von Böhnhardt und Mundlos gehabt haben soll. Hingegen attestiert der BGH in den Haftentscheidungen betreffend Eminger und Gerlach, welche ja weitaus näheren, intensiveren und längeren Kontakt mit den Untergetauchten hatten, dass diese hiervon nichts gewusst haben können. Insbesondere sind hier auch die Angaben der Mitangeklagten Zschäpe zu berücksichtigten. Diese hatte ausgesagt, dass sie selbst erst im Nachhinein von Böhnhardt und Mundlos von den Morden erfahren habe. Auch sie erklärte, dass sie mit solchen Taten durch die beiden niemals gerechnet habe.“

Aus Sicht der Verteidigung gehe der Hinweis auf die im Beschluss des BGH vom 14.6.2016 zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte völlig fehl, da die Verfahren, die Tatvorwürfe und vor allem die persönlichen Verhältnisse des dortigen Angeklagten und diejenigen Wohllebens nicht miteinander vergleichbar seien. So verfüge Wohlleben über gefestigte soziale Bindungen in Deutschland und auch über einen festen Wohnsitz, anders als der Angeklagte im genannten Verfahren. Zudem sei Wohlleben nicht als Haupttäter mehrerer Morde angeklagt, sondern ihm werde lediglich eine im Jahr 2000, somit mehr als 16 Jahre zurückliegende Beihilfehandlung vorgeworfen. Selbst wenn Wohlleben verurteilt würde, bestünden bei ihm keine
Fluchtanreize, so Schneiders. Wohlleben habe nach wie vor im Rahmen der Besuchsmöglichkeiten
engen Kontakt zu seiner Frau und den beiden gemeinsamen 10- und 12-jährigen Töchtern. Auch seine Eltern und weitere Familienangehörige unterstützen ihn regelmäßig und dauerhaft. Sogar Arbeit stehe in Aussicht. Wohlleben sei im Rahmen eines Haftbesuches eine Arbeitsstelle verbindlich zugesagt worden, die er nach einer Haftentlassung umgehend antreten könne. Die Arbeitszeiten seien flexibel vereinbart, so dass Wohlleben seiner Berufstätigkeit auch während des noch laufenden Verfahrens nachgehen könne. Verdunklungsgefahr sei nach der umfassenden Einlassung Wohllebens zur Sache nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Schneiders: „Nach alledem ist der Haftbefehl aufzuheben.“

Götzl: „Wir kopieren den Antrag. Sollen sogleich Ausführungen erfolgen?“ RA Behnke: „Was mir auffällt: Die Organisationshoheit des Senats kann durch einen solchen Antrag nicht überprüft werden. Wie der Senat, der als einziger den Überblick hat über Zeugen, das Verfahren gestaltet, ist nicht kritikwürdig. Und die ewigen Befangenheitsanträge der Verteidigung Wohlleben, die führen natürlich auch zu einer erheblichen Prozessverschleppung. Die bewirken, dass sich das Verfahren immer länger hinzieht und die führen dann zu solchen Anträgen wie heute. Ohne die vielen Befangenheitsanträge wären wir heute ein ganzes Stück weiter. Im Übrigen habe ich den Hinweis des Vorsitzenden heute so verstanden, als sei auch das Ende der Beweisaufnahme zumindest am Horizont sichtbar. Und so verstehe ich auch den Hinweis an die Verteidigung Zschäpe, dass am 20./21. das Gutachten Saß gehalten wird. Das dient der Prozessbeschleunigung. Und der Antrag der Verteidigung Wohlleben, soweit er auf Prozessverschleppung zielt, ist schlicht und einfach substanzlos.“ Götzl: „Sollen denn zu den gestellten Beweisanträgen der Verteidigung Wohlleben gestern, und zum Antrag von Rechtsanwalt Kienzle noch Stellungnahmen erfolgen?“

Bundesanwalt Diemer beantragt, den Antrag von RA Klemke auf Vernehmung des Zeugen abzulehnen, weil der unter Beweis gestellte Umstand für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welchen Schluss der Senat aus der behaupteten Tatsache, dass der Angeklagte über das gesamte Angebot der Band „“ verfüge, ziehen solle.

Diemer: „Dann wollen wir noch Stellung nehmen zum Antrag Kienzle.“ OStAin Greger sagt, dass sämtliche Anträge abzulehnen seien. Es handele sich um die Anträge auf Verlesung des Treffberichts, einer Mobilfunkabrechnung und Einzelverbindungen, zweier Mobilfunkverträge nebst der jeweiligen Erstrechnung, aus der sich das Aktivierungsdatum ergibt. Soweit die Antragssteller die Verlesung sämtlicher Rechnungen begehrten, dürfe es sich um einen überschießenden Antrag handeln. Weiter sei beantragt die Verlesung von drei Textnachrichten. Soweit die Antragsteller sämtliche S-Records benannt hätten, sei ebenfalls von einer überschießenden Bezeichnung [phon.] auszugehen. Des weiteren sei beantragt die Verlesung einer Antwort der Firma Mannesmann vom 22.10.1998. Außerdem sollten die Urkunden herbeigeschafft werden und „ohne nähere Begründung“ solle die Verlesung des Treffberichts vorab erfolgen. Die Anträge seien abzulehnen. In einem Fall – zur Beweisbehauptung, dass das zur Verfügung gestellte Mobiltelefon auch während des Treffens noch aktiviert gewesen sei – sei diese Tatsache bereits erwiesen. Sämtliche weitere Tatsachen, die bewiesen werden sollten, seien für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Alle diese von den Antragstellern behaupteten Tatsachen würden es, ihr Erwiesensein unterstellt, nicht vermögen die Entscheidung des Senats, ob und wie die Angeklagten zu bestrafen sind, zu tangieren.

Der Verdachtskomplex einer möglichen Waffenlieferung von sei bereits Gegenstand einer weit angelegten Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gewesen. Szczepanski sei umfassend als Zeuge vernommen worden, eine konkrete Erinnerung an eine Waffenlieferung von Werner habe er nicht gehabt. Der Senat habe eine Vielzahl von Zeugen und Kontaktpersonen aus dem -Umfeld vernommen. Der Zeuge Görlitz habe umfassend bekundet, die VS-Behörde Brandenburg habe umfangreiche Kenntnisse übermittelt. Nach all diesen Bekundungen und Schriftstücken sei wohl eine Waffensuche, nicht jedoch ein Waffengeschäft des Jan Werner feststellbar, das sich einem Waffenerwerb der untergetauchten Personen zuordnen ließe. Die Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen wie auch die Aufklärung einer möglichen fehlerhaften Sachbehandlung einer VS-Behörde seien in einem Strafverfahren gegen andere mit Blick auf die Konzentrationsmaxime kein Selbstzweck, so Greger. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine bewusste Falschaussage oder anderes Hintergrundwissen der VS-Behörde Brandenburg. [phon.] Die unter Beweis gestellten Tatsachen [phon.] seien für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage der hier angeklagten Personen ohne jegliche Bedeutung. Selbst wenn Szczepanski oder Görlitz zeitnah von der SMS Kenntnis erlangt hätten, erbrächte es für die Frage, ob sich die Angeklagten schuldig gemacht haben, keinen Erkenntnisgewinn, so Greger. NK-Vertreter RA Kienzle: „Ich würde uns noch gerne eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA von eben vorbehalten für nächste Woche.“ Es folgt die Mittagspause bis 13:03 Uhr.

Götzl wendet sich an die initiale Verteidigung Zschäpe: „Wer von Ihnen will das Wort?“ RA Heer: „Ich gebe für Kollegin Sturm, Herrn Stahl und mich folgende Erklärung ab: Die Absetzung zweier Hauptverhandlungstermine zur Vorbereitung auf die Anhörung von Prof. Dr. Saß ist für uns nicht zielführend, weil wir uns in der Tat externer sachverständiger Unterstützung bedienen und diese externe Unterstützung wird voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr zu erlangen sein. Das Sachverständigengutachten ist zentral. [phon.] Soweit Sie, Herr Vorsitzender, jetzt auf eine Beschleunigung drängen, geben wir zu bedenken, dass wir uns hier wochen-, nein monatelang mit der Ausgestaltung eines Holzhäuschens beschäftigt haben. Es gibt für uns keinen Grund, ich sage es flapsig, jetzt aufs Gaspedal zu treten. Eine Anhörung von Prof. Dr. Saß, bevor wir unsere Vorbereitung abgeschlossen haben, wäre eine Behinderung der Verteidigung von Frau Zschäpe in einem wesentlichen Punkt.“

Bundesanwalt Diemer: „Grundsätzlich ist die Festsetzung eines Termins Sache des Vorsitzenden. Das Gutachten ist seit vier Wochen in der Welt, seit vier Wochen besteht die Möglichkeit sich damit auseinanderzusetzen. Und am 20. Dezember sind dann acht Wochen vergangen. Und auch vor dem Hintergrund, dass zuletzt Termine ausgefallen sind, wäre es durchaus möglich gewesen, dass sich die Verteidigung in der geeigneten Form mit dem Gutachten auseinandersetzt. Und wenn externe, private Gutachter keine Zeit haben, müssen Sie sich halt nach den Vorgaben des Gerichts richten.“

RA Scharmer: „Das Gutachten hat 147 Seiten, das ist weder besonders viel noch wenig, eher Mittelmaß für ein Gutachten wie in Schwurgerichtsverfahren [phon.]. Zudem nach Aktengrundlage. [phon.] Ich gestehe ja ein, dass ein Bedürfnis besteht, auch methodenkritisch zu gucken, aber wenn man den Sachverständigen hört, dann ergeben sich vielleicht viele Fragen nicht mehr. Es gibt Schwurgerichtsverfahren, die dauern insgesamt nicht mal acht Wochen, da kann man auch nicht sagen, wir wollen aber mehr Zeit. Wenn Sie methodenkritische Punkte haben, können Sie das entsprechend auch hier beantragen. Aber ich sehe überhaupt keinen Grund, völlig unsubstantiiert zu sagen, wir wollen mehr Zeit. Das geht nicht.“ RA Behnke: „Ich stimme ausdrücklich Herrn Diemer und Herrn Scharmer zu. Ich habe das Gutachten ausführlich gelesen, ein oder zwei Tage mich damit auseinandergesetzt. Das reichte. Und wenn man dann bedenkt, dass ein Gutachten grundsätzlich ja auch in der gesprochenen Form gilt, ist es jetzt mehr als an der Zeit, dieses Gutachten zu hören, nachdem die Angeklagte Zschäpe in der nächsten Woche ihre Einlassungen einfließen lässt. So dass der Sachverständige da an diesem Donnerstag auch anwesend ist und das noch in das mündlich zu erstattende Gutachten mit aufnimmt. Und dann muss auch mal gut sein. Und wenn wir als Verfahrensbeteiligte dazu Stellung nehmen sollen, kann man das auch nach Weihnachten machen, da kann man die Zeit dazu nutzen. Ich halte den Zeitablauf insoweit für nicht nur gerechtfertigt, sondern sehr geschickt.“

Götzl: „Ich hatte sogar daran gedacht, den Sachverständigen früher zu hören, aber er war verhindert. 20./21.12. sah ich als sachgerecht an. [phon.] Zumal ja das schriftliche Gutachten auch nur ein vorbereitendes Gutachten ist. Sie vergeben sich ja nichts, Sie können Anträge stellen, fragen. Ich wüsste jetzt nicht, was Sie sich vergeben. Auch unter dem Aspekt, den Sie jetzt vorbringen.“ Von Sturm, Stahl und Heer gibt es keine Reaktion. Götzl wendet sich an die Verteidigung Wohlleben: „Herr Rechtsanwalt Nahrath, habe ich Sie richtig verstanden, dass heute noch ein Beweisantrag gestellt wird? Ja? Bitte!“

Nahrath stellt für die Verteidigung Wohlleben, die Vernehmung eines aussagepsychologischen Sachverständigen zum Beweis der Tatsache, dass folgende Angaben des Angeklagten Schultze nicht erlebnisfundiert seien: „1. Die Behauptung, dass Herr Wohlleben an der Schlägerei im Jahre 1998 an der Endhaltestelle in Jena-Winzerla beteiligt gewesen sei und Herr Wohlleben ihm gegenüber geäußert habe, er sei einer flüchtenden Person ‚auf dem Kopf rumgesprungen‘. 2. Die Behauptung, dass Herr Wohlleben dem Angeklagten Schultze das Geld für dessen Ankauf der Waffe gegeben habe. 3. Die Behauptung, dass Herr Wohlleben beim gemeinsamen Betrachten der vom Angeklagten Schultze erworbenen Waffe den Schalldämpfer aufgeschraubt, dabei schwarze Lederhandschuhe getragen, auf den Angeklagten Schultze gezielt und dabei gelacht habe. 4. Die Behauptung, dass Herr Wohlleben dem Angeklagten Schultze berichtet habe, dass ‚die Idioten‘ jemanden angeschossen hätten. 5. Die Behauptung, dass die dem Angeklagten Schultze seitens des BKA vorgelegte Vergleichswaffe des Typs 83 eher mit dem von ihm beschafften Waffentyp identisch sein könnte.“

Zur Begründung führt Nahrath aus, dass der Verteidigung zwar bewusst sei, dass die Beweiswürdigung „ureigenste Aufgabe des Tatrichters“ ist. Der Senat habe aber in seinen bisherigen einschlägigen Beschlüssen nicht erkennen lassen, dass er bei der Würdigung der Angaben Schultzes aussagepsychologische Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Der Senat sei jedoch verpflichtet, die Beweise so zu würdigen, dass dies anerkannten Erfahrungssätzen der Aussagepsychologie nicht widerstreitet. Nahrath: „Die aussagepsychologischen Verfahrensregeln nach der sogenannten Null-Hypothese hat der Tatrichter zumindest in folgenden Fällen zu beachten: Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen; Fälle von Aussage gegen Aussage; Fälle des Wiedererkennens.“ Bei den genannten Behauptungen Schultzes handele es sich um Fälle von Aussage gegen Aussage. Bei den Behauptungen 1 und 4 handele es sich zudem um Fälle der Aussage vom Hörensagen, bei Behauptung 5 um einen Fall des Wiedererkennens. Außerdem lägen die von Schultze bekundeten Ereignisse lange zurück, was ebenfalls für die Erforderlichkeit eines Glaubwürdigkeitsgutachtens spreche. Gerade bei lange zurückliegenden Geschehnissen liege es nahe, dass eine Auskunftsperson Erinnerungslücken mit Schlussfolgerungen auffüllt oder Personen fehlerhaft bestimmten Ereignissen zuweist. Auch was das „angebliche Wiedererkennen eines Waffentyps“ durch Schultze anbelangt, werde der Senat zu prüfen haben, ob dem nicht „eine so genannte Überlagerung von Erinnerungen“ zu Grunde liegt.

Nahrath: „Der Angeklagte Schultze hatte angegeben, dass er die Tatwaffe vor seiner Verhaftung bereits ‚bestimmt tausendmal‘ im Internet oder anderen Medien gesehen habe. Das Wiedererkennen kann durch suggestive Einflüsse beeinträchtigt sein. Dies gilt besonders in Fällen der Identifizierung im Rahmen eines so genannten wiederholten Wiedererkennens, in denen die Verlässlichkeit der Angaben eines Zeugen durch die Situation des ersten Wiedererkennens und der dadurch bedingten Überlagerung des ursprünglichen Erinnerungsbildes deutlich vermindert sein kann. Zwar liegt hier kein Fall des wiederholten Wiederkennens einer Person vor. Der vorliegende Fall ist jedoch mit dem wiederholten Wiedererkennen vergleichbar, da Schultze nicht auseinanderhalten kann, ob sein Erinnerungsbild von der später übergebenen Waffe oder aber durch das Ansehen von Abbildungen der Tatwaffe in den Medien stammt.“ Ein weiterer Grund für die Erforderlichkeit eines Glaubwürdigkeitsgutachtens seien „Verdrängungsmechanismen“, denen Schultze erlegen sein könnte. Schultze habe angegeben, dass er an die übergebene Waffe mehr als zehn Jahre überhaupt nicht mehr gedacht habe; er habe sich aus der „so genannten rechten Szene“ durch seinen Umzug ins Rheinland vollständig gelöst und mit seiner Vergangenheit in Jena abgeschlossen; er habe bewusst sämtliche Erinnerungen an seine Zeit in Jena verdrängt und sich dann offen zu seiner Homosexualität bekannt; in dieser Zeit habe er sich wegen eines Reizdarmsyndroms auch einer Psychotherapie unterzogen.

Nahrath beantragt, im Freibeweisverfahren die Behandlungsunterlagen des behandelnden Arztes, bei dem sich Schultze einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie unterzogen habe, beizuziehen und zu verlesen. Dann referiert Nahrath die Ergebnisse der Behandlung, in der es auch darum ging, dass Schultze als Jugendlicher Fehler gemacht habe, weil er sich der rechtsradikalen Szene angeschlossen habe, von der er sich vollständig distanziere. Dann gibt Nahrath Teile aus dem vorläufigen Gutachten von Prof. Dr. Leygraf zu Schultze wieder. Darin geht es um Schultzes „problematische Beziehung zum Vater“, darum, dass die „häusliche Atmosphäre sei von strengen Regeln geprägt gewesen“ sei.

Es ist die Rede davon, dass sich Schultze in der Kindheit immer wieder von gleichaltrigen Jungen ausgegrenzt gefühlt habe. Nahrath zitiert Leygrafs Wiedergabe der Angaben Schultzes, dass er sich in der Pubertät der rechtsradikalen Szene angeschlossen habe, in der Hoffnung, dort Anerkennung und Aufmerksamkeit zu bekommen; dass ihm bereits in der Pubertät seine Homosexualität klar gewesen sei, die von der Familie abgelehnt worden und bis heute kein Thema sei; in der Pubertät habe er versucht, das Thema zu verdrängen aufgrund des Konfliktpotenzials. Dann zitiert Nahrath Angaben Leygrafs zu psychischen Erkrankungen von Verwandten Schultzes. Nahrath: „Zusammenfassend ist aus alledem zu schließen, dass der Angeklagte psychopathologische Auffälligkeiten aufweist und auch in seinem engsten Familienkreis offensichtlich psychische Erkrankungen auffällig häufig auftreten. Die Beantwortung der Frage, ob eine Erkrankung Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit hat, verlangt in aller Regel medizinische und nicht lediglich aussagepsychologische Kenntnisse. In solchen Fällen darf sich der Tatrichter mithin nicht mit der Beauftragung eines Psychologen begnügen, sondern muss zusätzlich einen Psychiater als Sachverständigen heranziehen.“

Daher beantragt Nahrath, ein psychiatrisches SV-Gutachten zur Aussagetüchtigkeit Schultzes einzuholen. Dafür spreche außerdem, dass sich Schultze aus Sicht der Verteidigung Wohlleben „in einem Schuldkomplex verstrickt sieht“. Nahrath: „Er versucht im Sinne einer Wiedergutmachung von tatsächlichen oder eingebildeten Sünden in seinem Vorleben Absolution zu erhalten, indem er durch möglichst belastende Angaben zu beweisen versucht, dass er sich wirklich von der so genannten rechten Szene abgewandt habe. Gleichzeitig will er die vermeintliche oder auch tatsächliche Erwartungshaltung der Medienöffentlichkeit, der Nebenklage, der Bundesanwaltschaft und des Senats hinsichtlich einer Belastung unseres Mandanten erfüllen.“ Schultzes Aussageverhalten sei auch, zumindest bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, von der Haftsituation geprägt, so Nahrath. Nahrath weiter: „Herausgerissen aus seinem neuen Leben, befand und befindet sich der Angeklagte Schultze in einer prekären Drucksituation, aus der er unbedingt zu entrinnen versucht. Wesentlich dabei ist, dass Schultze sein neues Leben nicht gefährden wollte und sich deshalb nach dem 04.11.2011 gerade nicht aus eigenem Antrieb den Ermittlungsbehörden anvertraut hat. Erst aufgrund der Drucksituation der Verhaftung infolge der Angaben des Andreas Schultze hat sich diese monatelange, existenzielle Angst des Angeklagten Schultze in schärfster Form verwirklicht. Dies muss beim psychisch labilen Schultze einen psychischen Ausnahmezustand ausgelöst haben, der möglicherweise zur Einschränkung oder gar zum teilweisen Verlust der Aussagetüchtigkeit geführt hat.

Wie stark der Angeklagte Schultze anfällig für suggestive Einwirkungen ist, zeigt die Vernehmungssituation hinsichtlich der von Herrn Wohlleben beim Betrachten der von Schultze beschafften Waffe angeblich getragenen Handschuhe. Bei der Vernehmung durch den Ermittlungsrichter am BGH erwähnte Schultze das angebliche Tragen der Handschuhe von Wohlleben mit keinem Wort. Erst auf eine gezielte Nachfrage durch einen Vernehmungsbeamten des BKA hin glaubte sich Schultze daran erinnern zu können, dass Wohlleben Handschuhe getragen habe. In der nachfolgenden Vernehmung meinte er, sich nun auch an deren Farbe erinnern zu können. In der Hauptverhandlung behauptete Schultze schließlich, dass die nunmehr ja bereits schwarzen Handschuhe sogar aus Leder gewesen seien.“ Bezeichnend in diesem Zusammenhang sei, so Nahrath, dass sich die Verteidigung Schultze gehalten gesehen habe, dem SV Prof. Dr. Leygraf nach der ersten Exploration noch ihr wesentlich erscheinende Informationen zu ihrem Mandanten und dessen Aussageverhalten zukommen zu lassen.

Nahrath zitiert dann aus einer Fußnote im Gutachten von Leygraf, dass dieser von RA Pausch im Anschluss an die Exploration vom 16.03.2012 eine E-Mail erhalten habe, derzufolge Schultze in einem Gespräch mit seinen Verteidigern berichtet habe, dass er besorgt sei, nicht alle Aspekte, die aus seiner Sicht wichtig seien, zum Ausdruck gebracht zu haben; dies liege vor allem an ihm selbst, da er – auch aus Scham – dazu neige, zuerst Dinge zu berichten, die ihn in einem vermeintlich günstigen Licht oder sympathisch erscheinen lassen und erst in einem zweiten Impuls von aus seiner Sicht negativ besetzten Ereignissen und Gefühlen zu berichten; Schultze sei es wichtig, alles zu erzählen, was es zu erzählen gebe, daher hätten sie als Verteidiger Schultze empfohlen, diese Problematik seines Aussageverhaltens zu Beginn der zweiten Exploration am 02.04.2012 mit Leygraf zu besprechen und einen Weg zu finden, auch diese Punkte ansprechen zu können. Nahrath fährt dann mit dem eigentlichen Antragstext fort: „Nach alledem drängt es sich aus dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Aufklärungspflicht auf, die Aussagen Schultzes von einem Sachverständigen aussagepsychologisch und psychiatrisch begutachten zu lassen.“

Die Verteidigung Schultze und die BAW behalten sich Stellungnahmen vor. NK-Vertreter RA Behnke: „Ich wiederhole, was gestern Rechtsanwalt Stahl zum Besten gegeben hat. Er hat gesagt: Ich bin leicht irritiert. Ich bin auch leicht irritiert, weil nutzlos ein Beweisantrag gestellt wird, der keinen Erfolg haben kann und diesen Prozess um zwei Monate zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verlängern soll.“ Behnke sagt, dass sich für ihn nicht die Notwendigkeit ergebe, hier ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen. Behnke: „Da müssten wir praktisch jeden Zeugen in der Form überprüfen lassen.“ Für ihn habe Schultze eine ganz klare, nachvollziehbare Aussage gemacht, die natürlich von den Mitangeklagten, aber ansonsten in keiner Weise in Zweifel gezogen werden könne. Wohlleben-Verteidiger RAin Schneiders erwidert, man müsse sich auch nicht bei jedem Antrag zu Wort melden. Nahrath: „Ich bin der Meinung dass die Sphärentheorie bei Ihnen auch einen ganz andere Bedeutung hat.“ [phon.] Behnke: „Man muss auch nicht die ganze Zeit nutzlose Anträge stellen.“

Dann gibt NK-Vertreter RA Langer eine Erklärung zur Aussage der Zeugin Pf. vom 325. Verhandlungstag ab:
Die Aussage der Zeugin belegt, dass die Einlassung der Angeklagten Beate Zschäpe zum
Komplex der Wette vom 24.11.2005 unplausibel ist und der Wetteinsatz von u. a. „200 Videoclips schneiden“ keineswegs mit dem Herausschneiden von Teilen aufgenommener TV-Serien auf einer Festplatte eines Videorekorders erklärt werden kann.
1. Die Zeugin KOKin Pf. hat bestätigt, dass die untersuchten DVD-R, die einen zeitlichen Bezug zur Wette vom 24.11.2005 aufweisen und in der Wohnung Frühlingsstraße 26 gefunden wurden, keine Filmsequenzen enthalten, die auf diesen Medien selbst geschnitten wurden, da dies technisch nicht möglich ist. Sie berichtete weiter, dass die Signatur auf den vorbenannten DVD-R im Rahmen einer Brennertypbestimmung erwies, dass diese mit einem DVD-Laufwerk des Gerätes Panasonic DVD-Videorecorder DMR-E55 erstellt wurden. Die Zeugin wies darauf hin, dass im Verlauf der weiteren Ermittlungen festgestellt wurde, dass dieser Laufwerkstyp auch noch in anderen Panasonic-Geräten verbaut wurde, wobei es nur zwei Typen gab, die auch eine Festplatte beinhalteten. Anschließend berichtete sie darüber, dass auf einem Gerät DMR-E55 (ohne Festplatte) und den beiden Geräten Panasonic Festplattenrekorder jeweils Test-DVD-R erstellt wurden. Dann wurde untersucht, welche Signaturen auf den beschriebenen DVD-R ersichtlich waren. Während die Manufacturer-ID auf allen 3 Geräten identisch ist, unterschieden sich jedoch die Modellnummern. Nur die Test-DVD-R, die mit dem DVD-Videorekorder DMR-E55 (ohne Festplatte) erstellt wurde, wies dieselbe Modellnummer wie die eingangs genannten DVD-R auf, die in der Frühlingsstraße 26 gefunden wurden. Somit wurden diese DVD-R alle mit einem Gerät Panasonic DMR-E55 (ohne Festplatte) erstellt.

2. Die Angaben der Zeugin Pf. wurden im Detail durch die Bekundungen der Zeugen KOK Hu. und EKHK Willkomm am 01.12.2016 zu den von Ihnen jeweils durchgeführten Untersuchungen bestätigt.
3. Dieses Beweisergebnis erlaubt die Schlussfolgerung, dass es nach wie vor keinen einzigen Beleg dafür gibt, dass die Angeklagte Beate Zschäpe oder ihr Wettpartner Uwe Böhnhardt in der Zeit 2005/06 oder den Folgejahren Filme auf einer Festplatte eines Videorekorders aufgenommen und dann Teile davon herausgeschnitten hätten. Dies ist auch fernliegend.
a) Für die Existenz eines solchen Festplattenvideorekorders im Haushalt der drei untergetauchten Personen (vor 2010), also um den Zeitpunkt der Wette herum gibt es keinerlei Hinweis. Hingegen gibt es für diesen Zeitraum durch die eingangs genannten Asservate den deutlichen Hinweis auf die Nutzung eines DVD-Videorekorders DMR-E55 (ohne Festplatte), was Signatur und Modellnummer im Wege der Vergleichserstellung von Test-DVD-R belegen.
b) Überdies ist die Annahme lebensfremd, die Angeklagte Beate Zschäpe hätte nicht zwischen der Aufnahme auf einer DVD-RAM und der auf einer Festplatte unterscheiden können. So kann es bei einem Gerät, das keine Festplatte beinhaltet (wie der DVD-Videorekorder Panasonic DMR-E55) in keinem der Menüs auch nur einen Hinweis auf eine Festplatte geben. Außerdem muss man bei Verwendung einer DVD-RAM diese gesondert ins Laufwerk legen, was bei einer internen Festplatte (fest verbaut) entfällt. Die Angeklagte hat in ihrer schriftlich verlesenen Einlassung an zwei Stellen ausdrücklich auf „unseren Festplattenrekorder“ bzw. auf Aufnahmen „auf der Festplatte unseres Rekorders“ verwiesen.
c) Entscheidend kommt hinzu, dass der Inhalt der Wette („200 x Videoclips schneiden“) mit dem von ihr belegten Inhalt („Wiederholungen zu Beginn, Werbeeinblendungen, Abspann“
aus einem aufgenommenen Film herauszuschneiden) nicht mehr vom Wortlaut getragen wird.

aa) Bei einem ‚Videoclip“ handelt es sich umgangssprachlich um eine kurze Filmsequenz. Das „Schneiden“ in diesem Zusammenhang kann nur die Bedeutung haben, eine solche kurze Filmsequenz von einem größeren Filmteil abzutrennen und zu bearbeiten oder wenn eine solche Abtrennung schon vorliegt, diese Filmsequenz weiter zu bearbeiten und abzuspeichern, sei es nun zur weiteren Bearbeitung in einem größeren Filmprojekt, sei es als fertiggestelltes Einzelteil. Das Ergebnis ist jedoch eine bearbeitete kurze Filmsequenz. Dieses Ergebnis wäre auch im Sinne der Wette zählbar, denn es läge am Ende der Bearbeitung jeweils ein Videoclip vor. Die Bezeichnung Videoclip kommt ursprünglich aus dem Musikgeschäft und bezeichnet einen kurzen Film (3 bis 8 min.), in der Regel einen Musiktitel, der eine kurze auf die Musik ausgerichtete Geschichte erzählt. Später wurde der Begriff Videoclip allgemein für einen kurzen Film verwendet. Unter duden.de wird die Bedeutung von Videoclip mit „kurzer Videofilm zu einem Titel der Popmusik oder über eine Person oder Sache“ beschrieben. Der Begriff fand 1986 Eingang in den Rechtschreibduden. Auch der SV Willkomm bekundete, dass ein ‚Videoclip“ ein Videoteil darstellt.

bb) Das Herauslöschen von nicht benötigten Teilen aus einem bereits vollständigen Film oder einer Folge einer TV-Serie wird umgangssprachlich als ‚Werbung löschen“ oder ähnlich benannt. Niemand würde dies als ‚Videoclip schneiden“ bezeichnen. Das Ergebnis ist hier ein bereinigter Spielfilm oder eine bereinigte Folge einer TV-Serie. Eine TV-Serienfolge wird umgangssprachlich kein ‚Videoclip“, weil dessen Wesen – die Kürze der Filmsequenz – fehlt. Unklar ist auch, was hier im Sinne der Wette zu zählen wäre: Der Film oder die erfolgten Schnitte. Insgesamt bleibt letztlich bei einer solchen versuchten Auslegung unklar, was eigentlich den Videoclip darstellen soll.
d) Schließlich darf das Gericht auch aus der Tatsache, dass die Angeklagte Beate Zschäpe explizit in Bezug auf ihre vorerwähnte verlesene Erklärung vom 09.12.2015 keine Fragen zu dieser Thematik beantwortet, insbesondere nicht zu den vorgenannten Widersprüchen Stellung nimmt, die Schlussfolgerung ziehen, dass die Wette vom 24.11.2005 sich nicht auf das Herausschneiden von Werbung u.a. aus TV-Serien bezog, sondern auf Vor- und Zuarbeiten von Teilabschnitten für das später erstellte sogenannte Bekennervideo.

Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Man kann es auch unnötig kompliziert machen. Ich mache es einfacher: Frau Zschäpe hat angegeben, dass sich das Wort ‚Videoclips schneiden‘ nicht auf das Bekennervideo, sondern auf das Herausschneiden von Werbung bezog. Die Zeugin Pf. und auch der Zeuge Hu. hat bekundet, dass in den Asservaten Videoaufzeichnungen von Serien aufgefunden wurden, aus denen Werbung herausgeschnitten wurde.“ Langer: „Das Interessante ist: Sie haben vergessen, wo hier in dem Ganzen die Festplatte vorkommt.“ Stahl: „Die Schlüsse, die Sie, Herr Kollege Langer, ziehen aus dieser Wette, dass die Videoschneidestrafe sich ja nur beziehen kann auf das so genannte Bekennervideo des NSU, ist natürlich sehr verkürzt. Wenn Sie sich überlegen, wenn man das als Bekennervideo bezeichnen kann, was wir hier in Augenschein genommen haben, was ein hohen schöpferischen Akt hat, dürfte es schon zweifelhaft sein, dass die Mitarbeit daran von irgendjemandem als Strafe angesehen wird. Der Schluss ist inhaltlich nicht nachvollziehbar. Wenn diese Wette so existiert hat und wenn sie so eingelöst wurde, das wissen wir nicht, bezieht sie sich letztlich auf eine Strafe, die fällig wird. Und eine Strafarbeit kann nur in einer stumpfen Videoschneidearbeit zu sehen sein und das scheint mir mit dem Werbung-Rausschneiden durchaus denkbar zu sein. Und wir haben für das, was Sie aus dieser Wette rausnehmen wollen, eigentlich überhaupt keine Schlüsse ziehen können. Das denke ich, sollten Sie sich überlegen.“

Langer: „Das erste Argument zieht nicht. Es gibt viele schöne Spielfilme und da waren viele Leute mit mühseliger Kleinarbeit dran beschäftigt und haben es vielleicht als Strafe empfunden. Ich habe auch vom 'sogenannten Bekennervideo‘ gesprochen und nichts Zwangsläufiges herstellen wollen. [phon.] Der Senat hat Fragen gestellt, Frau Zschäpe hat dazu geantwortet, und das, was sie geantwortet hat, ist nicht plausibel. Und da bin ich der Ansicht, dass wenn da nicht mehr Plausibilität hineinkommt, der Senat freier ist, diese Beweise zu würdigen.“ NK-Vertreter RA Hoffmann: „Ich möchte den Kollegen Langer unterstützen und darauf hinweisen, dass wir es hier mit einer ganz besonderen Problematik zu tun haben, weil die Einlassungen erst nach 257 Verhandlungstagen kamen und eine Bewertung einer solchen Aussage ganz anderen Anforderungen unterliegt, als wenn sie zu Beginn erfolgt wäre. Und wenn dann solche Ungereimtheiten kommen, wie sie der Kollege Langer aufgedeckt hat, dann wirken diese umso stärker. Das Argument, so ein Bekennervideo zu produzieren, wäre keine Strafe, sondern eine Freude, verkennt, dass sich dies aus vielen langweiligen Vorbereitungshandlungen zusammensetzt. Clip für Clip die Szenen aus den alten Zeichentrickfilmen schneiden. Das ist mühselig und langweilig, so dass man das durchaus als Strafe bezeichnen kann. Das ist kein Argument, was die Argumente des Kollegen Langer entkräften kann.“ NK-Vertreter RA Reinecke: „Ich will ergänzen: Für das Beweisergebnis kommt es gar nicht darauf an, ob Böhnhardt und Zschäpe dran mitgearbeitet haben, sondern ob sie diskutiert haben, woran sie arbeiten. Und zweitens war wohl Mundlos der Technikfreak und Fan von Paulchen Panther, so dass es nachvollziehbar [phon.] ist, dass Zschäpe und Böhnhardt nur mitgemacht haben und das nicht mit der Begeisterung, mit der vielleicht Mundlos mitgemacht hat, dass die anderen beiden das als Wetteinsatz einsetzen, wer von den beiden ihn dabei unterstützen muss.“

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Anträge der Verteidigung Wohlleben auf Ladung von Abdallah Melaouhi [316. Verhandlungstag] und [324. Verhandlungstag] abgelehnt werden, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Götzl nennt zuerst alle unter Beweis gestellten Umstände. Dann macht er die üblichen allgemeinen Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen. Zur konkreten Begründung der Ablehnung führt er aus:
1. Die Antragsteller tragen vor, am 304. Hauptverhandlungstag hätten verschiedene Nebenklägervertreter den Antrag gestellt, das Asservat mit der Nummer 24.1.2.4.1.1 in Augenschein zu nehmen und zu verlesen. Bei dem Asservat handele es sich um vier am 24.11.2011 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Wohlleben beschlagnahmte Aufkleber. Diesem Antrag sei der Senat am 21.9.16 nachgekommen. a. Die Antragsteller führen zu den im Tenor unter (I.) genannten Tatsachen aus, „einer“ der Aufkleber bezeichne den Tod von Rudolf Heß als Mord. Aus der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung ergebe sich, dass es der Senat für erforderlich gehalten habe, den textlichen Inhalt der Aufkleber zu verlesen. Deshalb sei zu besorgen, dass der Senat die Behauptung, Rudolf Heß sei ermordet worden, als vermeintliche Propagandabehauptung ohne Tatsachengrundlage zum Nachteil des Angeklagten Wohlleben bewerte. Hieraus folge die Bedeutung der unter Beweis gestellten Umstände. b. Zu den im Tenor unter (II.) genannten Tatsachen führen die Antragsteller zusätzlich aus, die „Asservate“ würden unter anderem die historische Person Rudolf Heß thematisieren. Die Verteidigung besorge, dass der Senat das Auffinden solcher Gegenstände insbesondere im Rahmen der Beurteilung der inneren Tatseite zum Nachteil des Angeklagten Wohlleben bewerten könnte. Rudolf Heß genieße in der so genannten „rechten“ Szene gerade wegen der unter Beweis gestellten Tatsachen und der während der Haft gezeigten Haltung Anerkennung.

2. Die im Tenor unter (I.) aufgeführten und unter Beweis gestellten Tatsachen als erwiesen unterstellt, würden, so die Antragsteller, den Schluss aufdrängen, dass Rudolf Heß keinen Selbstmord begangen hat. Dieser Schluss ist aber für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage tatsächlich ohne Bedeutung. a. Die unter Beweis gestellten Umstände könnten dann tatsächliche Bedeutung erlangen, wenn der Senat die sichergestellten Aufkleber als Indiz für die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben heranziehen würde. b. Dies ist allerdings nicht der Fall. Aufgrund des vorhandenen erheblichen zeitlichen Moments und der Art der Asservate zieht der Senat aus dem Inhalt der Aufkleber keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben zu der in der Anklageschrift angenommenen Tatzeit im Jahr 1999/2000. Es sind keine Belege dafür vorhanden, dass die Einstellung des Angeklagten im Zeitraum von 1999/2000 – also der angeklagten Tatzeit – bis ins Jahr 2011 – also dem Jahr der Sicherstellung der Aufkleber – in allen Aspekten stabil geblieben ist. Selbst wenn der Angeklagte demnach im Jahr 2011 der inhaltlichen Aussage des Aufklebers zustimmte und sie sich zu eigen gemacht hätte, wertet dies der Senat nicht als Indiz dafür, dass er dies auch schon im Tatzeitraum getan hatte. Vor diesem Hintergrund sind dann auch die unter Beweis gestellten Umstände ohne Bedeutung, da den Aufklebern, die sich zum Tod von Rudolf Heß verhalten, ebenfalls keine tatsächliche Bedeutung zukommt.

3. Die im Tenor unter (II.) aufgeführten und unter Beweis gestellten Tatsachen, als erwiesen unterstellt, belegen zusammengefasst, dass Rudolf Heß im Mai 1941 mit einem Friedensplan nach Großbritannien flog, dass er dort in Gefangenschaft geriet, dass die britische Regierung jegliche
Friedensverhandlungen mit Heß verweigerte, dass Heß in Nürnberg wegen Verschwörung und Verbrechens gegen den Frieden verurteilt wurde und bis August 1987 seine Freiheit nicht wiedererlangte. Aufgrund der Verlesung der sichergestellten Aufkleber besorgen die Antragsteller nun, der Senat könne das Auffinden der Aufkleber beim Angeklagten Wohlleben im Rahmen der Beurteilung der inneren Tatseite zum Nachteil des Angeklagten werten. a. Die unter Beweis gestellten Umstände könnten dann tatsächliche Bedeutung erlangen, wenn der Senat die sichergestellten Aufkleber als Indiz für die innere Einstellung des Angeklagten Wohlleben heranziehen würde und deshalb bei der Bewertung dieses Indizes auch die Person des Rudolf Heß zu beurteilen wäre. b. Dies ist allerdings nicht der Fall. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen unter 2. b.

4. Aus dem Umstand, dass der Senat den Beweisanträgen auf Verlesung der Aufkleber nachgekommen ist und diese Anträge nicht abgelehnt hat, folgt nicht, dass der Inhalt der verlesenen Aufkleber für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage tatsächlich von Bedeutung ist: a. Die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestatten dem Gericht die Ablehnung von Beweisanträgen, sie zwingen es aber nicht dazu. Es darf trotz des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes einem Beweisantrag entsprechen, wenn es sich davon eine Förderung des Verfahrens oder eine reibungslose Abwicklung der Hauptverhandlung verspricht. b. Letzteres ist hier der Fall. Der Senat ist dem Beweisantrag durch die Verlesung und Inaugenscheinnahme der vier Aufkleber nachgekommen. Beides hat nur wenig über eine Minute Zeitaufwand bedeutet. Eine Ablehnung des Beweisantrags durch Beschluss hätte deutlich mehr Arbeitsaufwand für den Senat bedeutet. Daneben wäre auch der Zeitaufwand in der Hauptverhandlung bei Verlesung eines Ablehnungsbeschlusses höher gewesen als bei der relativ wenig Zeit kostenden Verlesung und Inaugenscheinnahme der hier in Rede stehenden Aufkleber.
5. Eine Bedeutung aller unter Beweis gestellten Umstände im Hinblick auf die Angeklagten Zschäpe, Eminger, Gerlach oder Schultze ist nicht ersichtlich.

Nahrath: „Wir beantragen eine Abschrift wenn möglich und eine fünfminütige Pause.“ Götzl: „Wir unterbrechen bis 14:10 Uhr.“

Um 14:13 Uhr geht es weiter. Nahrath: „Ja, wir können fortfahren.“ Götzl verkündet dann einen weiteren Beschluss:
Auf die Gegenvorstellung der Antragsteller wird der Beschluss des Senats vom 06.10.2016, mit dem die Anträge auf Beiziehung der TKÜ

Götzl gibt dann den Verfahrensablauf und die Inhalte der Gegenvorstellung der Verteidigung Wohlleben zusammengefasst wieder. Danach sagt er, dass der Senat nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage unter besonderer Berücksichtigung des Vortrags der Gegenvorstellung keine Umstände erkennen könne, die es rechtfertigen würden, den angefochtenen Beschluss über die „tenorierte Korrektur“ hinaus abzuändern. Zur Begründung führt er aus:

2. Wie bereits im angegriffenen Beschluss ausführlich dargelegt, drängt die Amtsaufklärungspflicht nicht zur Beiziehung der bezeichneten Akten bzw. zur Ladung der Auslandszeugen, weil die von den Antragstellern – auch im Rahmen von Beweisermittlungsanträgen – unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung sind:
a. Die unter Beweis gestellten Tatsachen verlieren nicht deshalb ihre Qualität als für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil, wie die Gegenvorstellung ausführt, zwischen dem im Waffenbuch dokumentierten Verkauf und dem ersten angeklagten Einsatz der Waffe ein Zeitraum von viereinhalb Jahren lag und zum Verbleib der Waffe in diesem Zeitraum keine Feststellungen getroffen wurden. Der Senat war sich dieser zeitlichen Komponente bei der Beschlussfassung bewusst. Allerdings sind keine Hinweise dafür vorhanden, dass die Zeugen Marschner bzw. Werner unter Ausnutzung dieser Zeitspanne die hier gegenständliche Waffe erworben hätten.




c. Die unter Beweis gestellten Tatsachen verlieren nicht deshalb ihre Qualität als für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil, wie die Gegenvorstellung ausführt, die Zeugen Marschner und Werner im Gegensatz zu den Zeugen Ge., Mü., Theile und Länger Kontakt zu den drei untergetauchten Personen gehabt hätten. Diese Umstände wurden bereits bei der Prüfung des ursprünglichen Beweisantrags als erwiesen unterstellt. Ihnen kam keine tatsächliche Bedeutung zu. Die Gegenvorstellung führt nunmehr zusätzlich aus, die Zeugen Ge., Mü., Theile und Länger hätten jedoch keinen Kontakt zu den untergetauchten Personen gehabt. Dieser Umstand führt aber nicht dazu, dass angenommen werden könnte, entweder der Zeuge Werner oder der Zeuge Marschner hätte die hier relevante Waffe beschafft.


d. Die unter Beweis gestellten Tatsachen verlieren nicht deshalb ihre Qualität als für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil, wie die Gegenvorstellung ausführt, „die Uwes“ im August 1998 einen Telefonanruf aus der Schweiz nach Deutschland geführt hätten. Dieser Anruf kann nicht als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, „die Uwes“ hätten eine Waffe, die Marschner bzw. Werner beschafft hätten, selbst in der Schweiz abgeholt. Dies wäre reine Spekulation ohne Tatsachengrundlage. Dies erkennt auch die Gegenvorstellung, indem sie ausführt, man könne nun „überlegen“, ob dieser Schluss gezogen werden könnte.
e. Die unter Beweis gestellten Tatsachen verlieren nicht deshalb ihre Qualität als für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil, wie die Gegenvorstellung ausführt, der Senat Kennverhältnissen von Personen keine große Bedeutung zumisst. Das Kennverhältnis zwischen den Zeugen Mü. und Ge. sei aber von ausschlaggebender Bedeutung. Diese Auffassung der Gegenvorstellung trifft jedoch nicht zu. Ein bloßes Kennverhältnis zwischen Personen hat im Hinblick auf die unter Beweis gestellten Tatsachen keine Aussagekraft.


f. Unzutreffend ist der Hinweis der Gegenvorstellung, es sei zu besorgen, dass die Beweiswürdigung des Senats schon verfestigt sei, weil sich die Begründung des Beschlusses wie eine „Urteilsbegründung“ lese. In diesem Zusammenhang sei lediglich darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof diese Begründungstiefe gerade fordert. Hieraus lässt sich demnach keine Verfestigung der Beweiswürdigung schließen.

Wohlleben-Verteidiger Klemke: „Wir bitten um eine Abschrift und eine Unterbrechung der Hauptverhandlung von 15 Minuten.“ Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen bis 14:45 Uhr.“

Um 14:46 Uhr geht es weiter. Klemke: „Es kann fortgefahren werden, wir haben keine Anträge zu stellen.“ Götzl: „Sind für heute weitere Anträge zu stellen, Erklärungen abzugeben? Dann verfahren wir so wie bereits ausgeführt, wir setzen am 08. fort. Der 06. und 07. werden abgesetzt. Wir setzen fort am Donnerstag, 08.12., um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 14:47 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Die beiden [Zeugen] bestätigten, was auch bereits ihre Kollegin am Dienstag ausgeführt hatte: Es gibt keinen Hinweis auf ein Gerät, mit dem das Herausschneiden von Werbung in der von Zschäpe beschriebenen Art und Weise geschehen sein kann, insbesondere keinen Festplattenrekorder. Damit ist die Einlassung Zschäpes, die sich an zwei Stellen ausdrücklich auf ‚unseren Festplattenrekorder‘ bzw. auf Aufnahmen ‚auf der Festplatte unseres Rekorders‘ bezogen hatte, unplausibel. Auch wenn es bislang keinen zwingenden Beweis dafür gibt, dass Zschäpe an der Produktion des Bekennervideos beteiligt war, darf das Gericht aus einer festgestellten Falschbehauptung in der Erklärung Zschäpes und dem Umstand, dass diese sich weigerte, Fragen hierzu beantworten, durchaus Schlüsse in diese Richtung ziehen. […] Ansonsten kündigte der Vorsitzende an, er wolle am 20. und ggf. am 21.12.2016 den Psychiater Henning Saß als Sachverständigen zu Beate Zschäpe hören. Zudem bat er darum, weitere Beweisanträge möglichst in nächster Zeit zu stellen. Dies führte zu einem Widerspruch der Altverteidiger Zschäpe, die nach einigem Hin und Her erklärten, sie hätten 'sachverständige Hilfe‘ zum Umgang mit dem Gutachten hinzugeholt, also wohl ein Zweitgutachten in Auftrag gegeben. Die sei aber bis Ende Dezember noch nicht fertig. Es wurde deutlich, dass der Vorsitzende nicht ohne weiteres bereit sein wird, der Verteidigung viel mehr Zeit zur Vorbereitung zu geben. Er sagte die Verhandlungstermine am kommenden Dienstag und Mittwoch ab, ‚um Zeit für die Vorbereitung der Befragung des Sachverständigen zu geben‘ – und das obwohl Rechtsanwalt Stahl erklärt hatte, dies würde ihnen nichts bringen, weil nicht sie, sondern der beauftragte Gutachter mehr Zeit bräuchte. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie ernst es dem Vorsitzenden mit der so angekündigten Beschleunigung der Hauptverhandlung ist. Die Verteidigung Wohlleben stellte einen weiteren, relativ schlecht begründeten Antrag, den Haftbefehl gegen ihren Mandanten aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen. Dabei stellte sie insbesondere auch auf die schleppende Verhandlungsführung ab. Zudem beantragte die Verteidigung ein Glaubhaftigkeitsgutachten zum Angeklagten Carsten Schultze, der Wohlleben umfangreich belastet. Auch dieser Antrag war mehr schlecht als recht begründet und erweckte eher den Eindruck, die Verteidigung wollte Schultze ein wenig mit Dreck bewerfen und sehen, was hängenbleibt. Der Senat lehnte wenig überraschend die Propaganda-Anträge der Verteidigung Wohlleben zu Hitler-Stellvertreter […] ab: Der Senat wolle aus den bei Wohlleben im Jahr 2011 gefundenen Hess-Aufklebern ohnehin keine Rückschlüsse auf dessen Gesinnung zum Tatzeitpunkt 1999/2000 ziehen. Das ist auch gar nicht nötig – denn kurz vor dem Tatzeitraum war Wohlleben ja sogar an Hess-Aufmärschen beteiligt gewesen, was seine damalige Gesinnung viel deutlicher unter Beweis stellt, als es ein 2011 gefundener Aufkleber könnte.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/12/01/01-12-2016/

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