Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 2

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Teil 2: und seine Flügelkämpfe

Dieser Artikel wird aufgrund seines Umfanges in vier Teilen im jeweiligen Abstand von wenigen Tagen auf nsu-watch.info veröffentlicht. Er bietet mit Fokus auf das Unterstützungsnetzwerk des NSU einen umfassenden Überblick über die Erkenntnisse antifaschistischer Recherche zum neonazistischen Netzwerk und seinen terroristischen Strukturen wie .

von Michael Weiss für NSU-Watch

Teil 1:  Die Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durch Blood and Honour in der Anfangsphase [veröffentlicht am 26.5.2015]
Teil 2: Blood and Honour und seine Flügelkämpfe
Teil 3: Der Import von „Leaderless Resistance“ und Combat 18
Teil 4: Combat 18 in Dortmund und weitere Spuren

Text in einem Dokument:
Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion

 

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/


Das Milieu von Blood & Honour Chemnitz

Für in Sachsen waren Musik und Kampf zwei Seiten einer Medaille. Die Sektion B&H Sachsen bestand aus Blood & Honour Chemnitz plus einzelner Mitglieder im Raum Dresden und Riesa. Wie anderen Sektionen ging es auch B&H Sachsen nicht darum, möglichst viele feste Mitglieder zu sammeln. Dies hätte den elitären Charakter der Organisation aufgeweicht. So bauten B&H-Sektionen Vorfeldorganisationen auf. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg entstand die White Youth als „offizielle“ Jugendorganisation von B&H.
In Westsachsen bildeten die Skinheads Chemnitz 88 das Scharnier von B&H zur Jugendkultur. Die Skinheads Chemnitz 88 integrierten Nachwuchs und Umfeld. Sie verbanden Skinheadkult, Fußball und Partys mit einer neonazistischen Identität. Denjenigen, die „das Politische“ der Party vorzogen und nach einem „Aufstieg“ in der Szene trachteten, schlossen sich sukzessive B&H an. Wer brauchbar schien, wurde von B&H angeworben. Die Weiße Bruderschaft Erzgebirge, aus deren Reihen neben einige weitere Neonazis kamen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach dem Jahr 2000 unterstützten, agierte zwar eigenständig, war aber mit B&H eng verbunden.
So lässt sich ein westsächsisches B&H-Milieu skizzieren, was Ende der 1990er Jahre über den überschaubaren Mitglieder-Kreis hinaus weit über 100 Personen einband. Blood & Honour Chemnitz wuchs zu einer führenden B&H-Struktur in Deutschland. Mehrere Fanzines, die mit dem Label von B&H aus Chemnitz herausgegeben wurden, spiegelten die Dynamik der dortigen B&H Sektion wider. Movement Records florierte, die Konzerte waren stets gut besucht fanden zeitweise alle zwei Wochen statt. Hin und wieder intervenierte die Polizei an den Orten, an denen Konzerte stattfinden sollten, und verbot diese, doch fast immer fanden sich Ausweichorte in regionaler Nähe.

Andere Sektionen hatten es schwerer. Sie waren personell nicht so gut aufgestellt und hatten mit antifaschistischen Kampagnen und Repression zu kämpfen, die ihnen die Räume immer enger machten. Die Berliner Sektion beispielsweise musste bis nach Vorpommern ausweichen, um ungestört größere Konzerte durchzuführen.
Die ChemnitzerInnen waren immer weniger bereit, sich den Anweisungen der Bundesführung aus Berlin zu beugen. Angeblich nachdem die Divisionsleitung Geld von Movement Records einforderte, dieses aber nicht erhielt, kam es 1998 zum Bruch. Blood & Honour Sachsen trat aus. Für die Chemnitzer AktivistInnen änderte sich wenig. In Westsachsen lief alles weiter wie bisher, und Gelder, die die Konzertkasse und Movement Records zu verteilen hatten, schienen ihnen in den eigenen Taschen und bei den untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besser aufgehoben zu sein als in der Divisionskasse.


Das Netzwerk politischer Soldaten

In den wenigen Statements, die vom (späteren) NSU vorliegen, wird klar: Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt verstanden sich nie als das isolierte Trio, als das sie die Bundesanwaltschaft noch immer sehen will. Die drei verstanden sich im Rahmen und im Sinne eines Netzwerkes handelnd. Sie sahen sich als Vorhut und bewaffneter Arm einer Bewegung. Dort hatten sie Anschluss, dort suchten sie Bestätigung. Dies wird unter anderem deutlich in dem NSU-Bekennervideo, in dem sie sich als ein „Netzwerk von Kameraden“ benennen und in dem sogenannten „NSU-Brief“, der vermutlich 2002 (mit beiliegenden Geldgeschenken) an ausgesuchte neonazistische Zeitschriften verschickt wurde.

Aus den Reihen von B&H kamen maßgebliche Personen und Netzwerkskontakte, die ab Mitte der 1990er Jahre den Aufbau von „Untergrund“-Strukturen vorantrieben. In Kreisen von B&H fanden Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Gleichgesinnte: Im Selbstverständnis als Elite und als „politische Soldaten“; In der Überzeugung, dass der „nationale Kampf“ härter und kompromissloser geführt werden müsse; In der Abneigung gegen Szene-Führer, die nur auf ihren eigenen Status bedacht waren; In der Verachtung derer, die sich mit dem Etikett des „nationalen Kampfes“ versahen, deren Aktivitäten sich jedoch in Saufgelagen erschöpften. Diese Diktion klang in deutschen B&H-Magazinen immer wieder an, zum Beispiel im Artikel „Gedanken zur Szene“ im Chemnitzer B&H-Magazin im Sommer 1998 (Nr.1/98). Dort heißt es: „Konzerte sind und bleiben ein reines Freizeitvergnügen und haben mit dem Kampf nur soviel zu tun, daß sie für uns das stärkende Mittel sind, welches uns die Kraft für den weiten Weg gibt. Leider sieht die Realität anders aus, denn viele Kameraden machen sich nicht den Kampf zum Lebensinhalt, sondern das Vergnügen. […] Es ist traurig, aber leider Wahr – Vielen, sehr vielen Kameraden ist der Eigennutz wichtiger als die Bewegung. Sie rufen Parolen wie: „Skinheads die Elite der Masse!“ doch sehen kann man nur die massigen Bäuche vom saufen. Sie singen Lieder mit wie: „Skinheads – die SA der Neuzeit“ doch auf der Straße, wie die SA, sieht man sie nicht. […]“ Uwe Mundlos soll diesen Artikel geschrieben haben.

Als Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sich 1998 dem Zugriff der Polizei entzogen, fanden sie im Netzwerk von B&H HelferInnen, die bereits hochgradig kriminell agierten. Nicht zuletzt über die Produktion und den Vertrieb volksverhetzender Musik hatten die B&H-Aktiven zumindest Grundprinzipien des konspirativen Handelns gelernt. Sie wussten, wie man „Ameisenstraßen“ organisiert, über die illegales Material verteilt werden konnte. Sie achteten auf Observationen und ihnen brauchte man nicht zu erklären, dass heikle Telefonate von öffentlichen Telefonen geführt werden sollten und dass es anrufbare Telefonzellen gibt.
Doch auch unter den Unterstützenden in Chemnitz gab es Schwachstellen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zunehmend nervös gemacht haben dürften. Es waren wohl und Jan Werner, die mit ihrem Wissen zu offen umgingen, und sowieso wussten in Chemnitz zu viele, dass die drei in der Stadt waren und wer sich um sie kümmerte. Im Jahr 2000 zogen die drei nach Zwickau und hielten vermutlich nur noch über einzelne Vertrauensleute Kontakt nach Chemnitz. Ab spätestens 2001 dürfte nicht mehr zu diesen gezählt haben. Es wurde in der Szene bekannt, dass er als Beschuldigter in den Ermittlungen wegen der Produktion und Verbreitung volksverhetzender Musik der Berliner B&H-Band Landser Aussagen gemacht hatte, die Kameraden belasteten. In der Nacht zum 11. Juni 2001 klingelte Antje Probst an seiner Wohnung und bat ihn heraus zukommen. Dann wurde Starke von zwei Berliner Neonazis, die ihm aufgelauert hatten, verprügelt und zog daraufhin seine Aussagen zurück.

 

Heilsberg im Kreis Remda-Teichel, die Gaststätte ist ein ehemaliger Treffpunkt des Thüringer Heimatschutzes.  © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Heilsberg im Kreis Remda-Teichel, die Gaststätte ist ein ehemaliger Treffpunkt des Thüringer Heimatschutzes.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Verbindungs- und Vertrauenspersonen

Was Antje Probst und die Berliner Neonazis zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht wussten:
Thomas Starke, der enge Freund des Trios, war zu diesem Zeitpunkt ein V-Mann. In den Ermittlungen gegen Starke im Landser-Komplex war es dem Landeskriminalamt Berlin im November 2000 gelungen, Starke als V-Mann anzuwerben. Bis mindestens 2005 lieferte Starke als „VP 562“ Informationen an die Behörde.

Bereits im Juni 2000 flog Carsten Szczepanski („Piatto“) als V-Mann auf. 2002 wurde bekannt, dass der Thüringer B&H-Chef Marcel Degner unter dem Decknamen „Hagel“ seit 1997 für den Thüringer Verfassungsschutz spitzelte. Degner war eine Szenegröße weit über Thüringen hinaus und sammelte Kontakte in ganz Deutschland und international. Es gibt Hinweise auf zwei Geldspenden von Degner an das Trio, wie nahe er dem Trio ansonsten stand und wieweit er in Unterstützungshandlungen für die drei eingebunden war, ließ sich bisher nicht in Erfahrung bringen. Seine ehemaligen V-Mann-Führer geben nur lückenhaft Auskunft und die Akten des V-Mannes Degner sind verschwunden.
Ein weiterer V-Mann in der Aktivisten-Ebene des westsächsischen B&H war „Manole“ aus Zwickau. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) führte ihn von 1992 bis 2002 unter dem Decknamen „Primus“. Marschner war ein Urgestein der Zwickauer Naziskinheadszene und ein B&H-Aktivist der ersten Stunde. Mit der Chemnitzer Szene stand er in engem Kontakt. Auch die Verbindungen von „Primus“ zum untergetauchten Trio sind nicht aufgearbeitet. Marschner betrieb ein neonazistisches Ladengeschäft in Zwickau, in dem Zeug*innen Beate Zschäpe gesehen haben wollen, und er unterhielt eine Baufirma, über die es – so schreibt die Zeitschrift „Der Rechte Rand“ – beim Gewerbeamt keinerlei Unterlagen gibt.[1] Am 13. Juni 2001 und am 29. August 2001, den Tagen der NSU-Morde an Abdurrahim Özüdoğru in Nürnberg und Habil Kılıç in München, waren über diese Baufirma Autos angemietet worden.

Derzeit verdichten sich die Hinweise darauf, dass noch weitere B&H-Leute aus der Chemnitzer Szene, möglicherweise auch aus der Führungsebene, Ende der 1990er Jahre für Sicherheitsbehörden Spitzeldienste leisteten. Dies lässt das Ausscheiden der Chemnitzer aus der B&H-Bundesorganisation in einem anderen Licht erscheinen. Wohl ist der Machtkampf zwischen B&H Chemnitz und der Berliner Bundesführung über verschiedene Quellen nachzuvollziehen, doch möglicherweise war dies nicht der einzige Grund für den Austritt von B&H Chemnitz bzw. B&H Sachsen. Bis 1997 war das Chemnitzer B&H sehr vehement gegenüber den Personen aufgetreten, denen auch nur ein vager Spitzelverdacht anhaftete. Mehrmals waren es ChemnitzerInnen, die diesen Verdacht äußerten und den Rausschmiss der betreffenden Personen, die stets anderen Sektionen angehörten, aus B&H forderten. Es überrascht daher, dass ausgerechnet Antje Probst, die als radikale Kraft der Gruppe galt, im Jahr 1998 die Meinung vertreten haben soll, dass durch Kontakte einzelner B&H-Aktivisten zum Verfassungsschutz die Geheimdienste auf falsche Fährten gelockt werden könnten um die eigenen Aktivitäten umso ungestörter durchziehen zu können. [2]
Ab spätestens 1998 wurde bundesweit verstärkt gegen B&H-Strukturen ermittelt und Material für ein Verbot von B&H gesammelt. Die AktivistInnen in Westsachsen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beherbergten und unterstützten, standen – da sie formal nicht mehr B&H angehörten – in diesem Ermittlungskomplex weit weniger im Fokus und blieben beim Vollzug des Verbotes im September 2000 unbehelligt. Durch den Austritt aus B&H waren unwägbare Risiken für das Unterstützungsnetzwerk für das Trio vermieden worden. Ungeklärt ist: Hatte eine Behörde – und welche Behörde? – über ihre V-Person(en) auf die Entscheidung, aus B&H auszutreten, Einfluss genommen? Und war dies geschehen, um das Unterstützungsnetzwerk zu schützen?

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Jena: auch 2011 noch Treffpunkt der Jenaer Kameradschaft. Die ehemalige Gaststätte „Zum Löwen“. In Jena nur als „Braunes Haus“ bekannt. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Blood & Honour nach dem Verbot

Mit Verfügung vom 12. September 2000 verbot der Bundesminister des Inneren die deutsche Division von Blood & Honour und die White Youth. Für viele VerfechterInnen von „Kampfgemeinschaft“ und „Untergrund“ hatte das Verbot praktisch keine Auswirkung. Viele waren der Streitereien und der nicht erfüllten Ansprüche überdrüssig geworden und hatten sich bereits aus der Organisation zurückgezogen oder eben – da das Verbot von B&H seit Längerem im Raum stand – aus Gründen der Sicherheit rechtzeitig abgesetzt.
Viele Freundeskreise, Geschäftsverbindungen und Kampfgemeinschaften, die unter dem Dach von B&H entstanden waren, blieben nach dem Verbot bestehen. Manche machten namenlos weiter, andere versuchten, neue Labels zu installieren und mehr oder weniger dreist Nachfolgeorganisationen zu gründen. So entstanden Brotherhood 28, Pirates 28 oder die Division 28. Das erklärte Anliegen der knapp 50 Personen, die sich im November 2003 in einer Berghütte im österreichischen Vorarlberg trafen, war es B&H weiterzuführen. „Division 28“ war lediglich der Name, mit dem man in der Neonaziszene auftrat. Die 28 steht für die Buchstaben BH. Schon ab 2003 brachen in den einzelnen Sektionen bzw. zwischen den Sektionen der Division 28 die alten Streits aus: Business oder Untergrund? „Real-B&H“ vs. Combat 18. Die Exponenten des Combat 18-Flügels waren Mitglieder aus Nürnberg und Thüringen, unter ihnen Ronny L. aus Weimar. L. war ein B&H-Aktivist der ersten Stunde (1995) und ein alter Bekannter des untergetauchten Trios. 1996 hatte die Polizei Fotos eines Treffens von 16 Neonazis gefunden, die in der Nähe von Jena eine Kreuzverbrennung im Stile des Ku-Klux-Klan inszeniert hatten. Daran beteiligt waren Ronny L., Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Spätestens 2006 hatte sich die Division 28 zerstritten und gespalten, ihre Reste wurden von der Polizei zerschlagen. Das BKA, das die Ermittlungen gegen die Division 28 wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung führte, tat sich zunächst schwer. Es wusste von einigen Beschuldigten nicht, ob diese zuvor B&H angehört hatten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ließ diesbezügliche Anfragen des BKA unbeantwortet.

Paramilitärische Gruppen, Hells Angels und Combat 18

Die aus Hildesheim stammenden Johannes Knoch und waren im „alten“ B&H aktiv gewesen. Aus der Hildesheimer B&H-Gruppe waren 1999 die Impulse für das 25-Punkte-Programm gekommen, das B&H zur „politischen Kampfgemeinschaft“ formen sollte. Wie so viele andere konnten die beiden nach dem B&H-Verbot im September 2000 nicht die Finger vom Label lassen. 2008 wurden sie vom Landgericht in Halle verurteilt, da sie auch nach dem Verbot an der Organisation eines B&H-Konzertes beteiligt gewesen waren.
Am 23. März 2003 telefonierte Johannes Knoch mit Marco H. aus Hamburg. Der Inhalt: Knoch erzählt H. von einem neonazistischen Versand, der Sachen im Angebot habe, die man schon bei anderen beanstandet habe und er gibt H. die Anweisung, Informationen über den Versand einzuholen und sich um diesen zu „kümmern“. H. antwortet: „Ja, klar.“
H. war zu dieser Zeit eine Führungsperson der Gruppe Combat 18 Pinneberg. Diese hatte sich wenige Monate nach dem Verbot von B&H gegründet. Knapp 20 Neonazis gehörten ihr an. Die Gruppe vertrieb über „alte“ B&H-Kanäle illegale Rechtsrock-CDs und versuchte darüber hinaus, von neonazistischen Läden und Versänden Geld zu erpressen. Wer Artikel im Angebot hatte, die mit B&H assoziiert sind, beispielsweise Bekleidung mit der „28“ (dem Zahlencode für BH), der sollte zahlen. Combat 18 Pinneberg trieb quasi Tantiemen für B&H-Symbole ein. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, traten die Erpresser bisweilen in Support-Kleidung der Hells Angels auf. 2003 wurde die Gruppe ausgehoben, einzelne Mitglieder wurden wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Knoch war nicht angeklagt. Sein Name war schon zu Anfang der Ermittlungen ohne weitere Begründung aus der Liste der Tatverdächtigen verschwunden. Es findet sich nicht einmal ein Hinweis darauf, dass er als Zeuge gehört wurde.
Die Aktivitäten von Combat 18 Pinneberg erschöpften sich nicht im Geschäft mit Rechtsrock und Schutzgeld. Mitglieder der Gruppe hatten schon vor der Gründung „Todeslisten“ angelegt und einem antifaschistisch engagierten Gewerkschafter Morddrohungen zugesandt. Nun beschafften sie sich Waffen und versuchten u.a. persönliche Daten von Polizeibeamten auszuspähen. Bei einer der ersten Sitzungen war an die Mitglieder eine Pflichtlektüre verteilt worden, die als Leitfaden des Handelns dienen sollte: Das Buch „Die Turner Tagebücher“.

Von 2004 bis 2009 betrieb Johannes Knoch eine „Schule für Überlebenstraining“ mit Sitz in Hildesheim. Zusammen mit dem Unternehmen „Combat and Survival Warrior School“ aus Munster (bei Celle) veranstaltete Knoch Überlebenstrainings und Kampfausbildungen. Im Angebot war auch „Scharfschützenausbildung“. Trainings fanden in den Wäldern Niedersachsens, in der Schweiz und bei Chemnitz statt, immer wieder konnten Neonazis, unter anderem aus Sachsen, Magdeburg und Rostock, als Teilnehmende festgestellt werden. Wiederholt wiesen Medien darauf hin. Das Antifaschistische Infoblatt stellte die Frage: „Geschah die Gründung dieser „Schulen“, um militanten Neonazis ein legales Dach für paramilitärische Ausbildung zu schaffen und diese an scharfen Waffen auszubilden?“
Mitte der 2000er Jahre schlossen sich Knoch und Franke dem Rockerclub Hells Angels an, wurden schließlich Mitglieder des Hells-Angels-Charter in Rostock. Dort kam spätestens 2009 auch Thomas D. unter. Fotos der vergangenen Jahre zeigen D., Franke und Knoch im kleinen Kreis auf privaten Zusammenkünften, auf Partys, zusammen mit Neonazis aus Sachsen oder Hamburg. Auf einem Foto posieren D. und Knoch in Kampfuniformen bei einem paramilitärischen Training. Thomas D. zählt seit Anfang der 2000er Jahre zum harten Kern der Rostocker Neonaziszene. Bis mindestens 2002 wohnte er in der elterlichen Wohnung im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel – in Sichtweite der Imbissbude, in der am 25. Februar 2004 Mehmet Turgut vom NSU erschossen wurde. [3]
Am 29.11.2011 berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21, dass Johannes Knoch „nachweislich noch im Sommer 2011“ Kontakt zu Andre Eminger, einem Angeklagten im NSU-Prozess, gehabt habe. [4] Andre Eminger soll sich nach Erkenntnissen von Frontal 21 mit Hannes Franke und Johannes Knoch in einem Tattoostudio in Hildesheim getroffen haben und herzlich begrüßt worden sein. Nach Informationen des Weserkuriers soll Eminger in Begleitung eines Rostocker Neonazirockers der Hells Angels gewesen sein. [5] Franke ist gegen Frontal 21 wegen dieser Aussagen gerichtlich vorgegangen und hat den Rechtsstreit in erster Instanz verloren. Ein Berufungsverfahren ist anhängig.

 

in Kürze:
Teil 3: Der Import von „Leaderless Resistance“ und Combat 18
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Fußnoten:

[1]    „V-Mann Ralf Marschner“, Der Rechte Rand, Nr. 150, 2014
[2]     Hilde Sanft, Ulli Jentsch: Rechter Terror in der antifaschistischen Analyse, in Antifaschistisches Infoblatt Nr.105, Winter 2014
[3]    Antifaschistisches Infoblatt Nr.100, 2013: „Vom Kamerad zum Member. Blood & Honour trifft die Hells Angels auf der >Nordachse<“
[4]    Frontal21: Verbindungen des Zwickauer Terrornetzwerkes zu militanter Neonazi-Organisation, ZDF, 29.11.2011
[5]    „Mörderische Töne“, Weser-Kurier, 29.11.2011