Protokoll 342. Verhandlungstag – 31. Januar 2017

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An diesem Prozesstag sind zunächst Verlesungen auf der Tagesordnung. Danach werden einige Ablehnungs- und Beweisanträge abgelehnt. Es geht dabei unter anderem um den V-Mann . Der Vorsitzende Richter Götzl erklärt in dem Zusammenhang, dass er die Ausführungen von dessen V-Mann-Führers Görlitz im Prozess für glaubhaft halte.

Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt der Vorsitzende Richter Götzl, zum Selbstleseverfahren, das am 20.12.2016 angekündigt worden war [331. Verhandlungstag], dass die Richter und Ergänzungsrichter vom Wortlaut der Schriftstücke Kenntnis genommen hätten, die anderen Verfahrensbeteiligten hätten dazu Gelegenheit gehabt.

Danach sagt Götzl, dass Verlesungen vorgesehen seien und nennt ein Behördenzeugnis des TLfV vom 08.12.2016. Zschäpe-Verteidiger RA Heer bittet um das Wort. Dann verliest Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm, dass Heer, Stahl, Sturm der Beweiserhebung durch den Urkundsbeweis widersprechen. Zur Begründung führt sie aus, dass Voraussetzungen für eine Verlesung nicht vorlägen. Gemäß des Schreibens des Vorsitzenden an den GBA sei die Verlesung des Vermerks des TLfV vom 02.02.2004 erwogen worden. Da dieser Vermerk nicht unterzeichnet sei, habe der Vorsitzende darum gebeten, dass ein Behördenzeugnis vom TLfV eingeholt wird. Bei dem Vermerk handele es sich um ein siebenseitiges Dokument, neben mehreren anderen Stempeln befinde sich auf der ersten Seite oben links der Abdruck „Entwurf“; auch in der auf der Seite 1 befindlichen Verfügung werde unter Ziffer 1 „Entwurf“ aufgeführt. In dem Dokument würden zu Zschäpe drei „letzte hier bekannte Aktivitäten 1997“ aufgeführt, einschließlich einer Anmerkung zu den „“.

Auch zu würden letzte Aktivitäten, nicht jedoch Deckblattmeldungen oder andere, von ihm dem Amt übergebene Informationen thematisiert. Zu weiteren Personen würden ebenfalls Aktivitäten aufgeführt. Unter diesen befänden sich jedoch weder , noch RA Rieger, noch André Kapke, Sven La. und Jana A., also nicht die Personen, die im Behördenzeugnis vom 08.12.2016 aufgeführt seien. Das Behördenzeugnis vom 08.12.2016 enthalte gegenüber dem Vermerk vom 02.02.2004 „inhaltliche Weiterungen“. Es verhalte sich nämlich zu diesen Personen wie auch zu einem Einsatz der Polizei Celle vom 21.06.1997, der in einen Vermerk vom selben Tag Eingang gefunden habe. Dem als Behördenzeugnis bezeichneten Schriftstück komme nicht die Qualität einer verlesbaren Urkunde zu. Dieser bestehe darin, dass zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung abweichend von § 250 StPO u.a. die Verlesung von Behördenattesten zugelassen wird, sofern im Allgemeinen ohne Nachteil für die Wahrheitsermittlung auf die unmittelbare Vernehmung der Verfasser verzichtet werden kann und praktische Gründe den Verzicht nahelegen.

Das Behördenzeugnis werde auf eine Deckblattmeldung vom 16.06.1997 zu einer Mitteilung von Tino Brandt, auf einen Vermerk der Polizei Celle und auf eine Anmerkung aus dem als Entwurf bezeichneten und damit behördeninternen Dokument vom 02.02.2004 gestützt. Das Behördenzeugnis beruhe damit offenbar auch auf einem Schriftstück, das behördenintern mittels des darauf aufgeführten Umlaufs noch nicht abgestimmt gewesen sei. Damit stünden die aufgeführten Tatsachen nicht hinreichend sicher fest, um diese, „ohne dass dem Senat insoweit eine eigene Beweiswürdigung überhaupt möglich wäre“, in die Verhandlung einzuführen. Zudem sei im Hinblick auf die mit der besonderen Autorität einer Behörde konnotierte Zuverlässigkeit derselben auf die Bewertung des Gutachtens zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“ auf das „Schäfer-Gutachten“ hinzuweisen, in welchem die Vorgehensweisen u.a. anhand von Dienstvorschriften nachvollzogen und überprüft worden seien. Danach sei eine den hieraus ableitbaren Grundsätzen entsprechende Auswertung nicht erfolgt, die Auswertung mangelhaft gewesen.

Sturm zitiert aus dem Schäfer-Gutachten: „Bei einer Vielzahl der Quellenmitteilungen lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass der für die Auswertung zuständige Mitarbeiter diese zur Kenntnis bekam. Die amtsintern vorgegebene Verfahrensweise war, dass der Beschaffer eine Deckblattmeldung oder einen Vermerk über die erlangte Quellenmitteilung fertigte und diese zunächst dem Referatsleiter zur Kenntnis brachte. Dieser verfügte in der Regel die Weitergabe des Schriftstücks an den Auswerter. Bei wesentlichen Informationen erhielt zuvor der Abteilungsleiter und gegebenenfalls der Präsident die Mitteilung zur Kenntnis.“ Ob dies erfolgt ist, lasse sich dem Vermerk nicht sicher entnehmen, so Sturm. Dem entspreche die widersprüchliche Mitteilung derselben Behörde zum Aufenthaltsort von Zschäpe am 21.06.1997. In einem per E-Mail an den GBA übersandten, nicht handschriftlich unterzeichneten Schreiben des TLfV vom 30.11.2011 sei unter der Auswertung zu Aktivitäten, Ereignissen und Maßnahmen vor dem 26.01.1998 zu Zschäpe und dem 21.06.1997 vermerkt: „Zschäpe beteiligt sich an einer Sommersonnenwendfeier auf dem Schieferberg“. In einer Verfügung der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft Jena vom 02.03.2012 heiße es betreffend das Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen Tino Brandt und andere wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung aus dem Jahr 1995: „Beate Zschäpe wird in einem weiteren Vermerk vom 26.06.1997 genannt, sie sei am 21.06.1997 mit André Kapke in Hetendorf (wohl in Niedersachsen) festgestellt worden. Dort hätte die 7. Hetendorfer Tagungswoche stattgefunden. Näheres zu dieser Tagungswoche ergibt sich aus der Akte nicht.“

Hetendorf befinde sich in der Lüneburger Heide nördlich von Celle, der Schieferberg im knapp 200 km entfernten Harz, so Sturm. Diese Entfernung schließe zwar die Anwesenheit einer Person an beiden Orten innerhalb eines Tages nicht denklogisch aus. Allerdings werde hierdurch die Ungenauigkeit und Unvollständigkeit des „sogenannten Behördenzeugnisses“ deutlich. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den grundsätzlich der Beweiserhebung durch Verlesung zugänglichen Zeugnissen nicht um innerdienstliche Notizen oder Vermerke oder um Berichte an Vorgesetzte handeln dürfe. Bei dem als Entwurf abgestempelten Dokument vom 02.02.2004, dem die Anmerkung zu den „Hetendorfer Tagungswochen“ entnommen ist, handele es sich um eine solche innerdienstliche Notiz, wie sich darin jeweils abgegebenen Voten des Verfassers zu einem bestimmten weiteren Vorgehen entnehmen lasse. Sturm sagt, dass im Übrigen Bezug auf den Verlesungswiderspruch vom 26.03.2015 betreffend Auskünfte des TLfV genommen werde.

Bundesanwalt Diemer: „Meines Erachtens handelt es sich hier ganz eindeutig um ein Behördenzeugnis, das nach 256 verlesen werden darf.“ Was die Verteidigung vorträgt, betreffe den Beweiswert, da möge sie Beweisanträge stellen, aber verlesbar sei das Dokument nach der StPO, so Diemer. NK-Vertreter RA Hoffmann sagt, für eine Stellungnahme müsse er sich das genauer anschauen.

Götzl: „Dann kommen wir zum Vermerk PM z.A. [Polizeimeister zur Anstellung] Br. vom 21.06.1997 aus 626, 10841 bis 10842, mit Ausnahme von Absatz 2 auf Blatt 10842.“ Richterin Odersky verliest einen Vermerk, demzufolge am 21.06.1997 gegen 11:10 Uhr im Rahmen der Zufahrtskontrolle zur „Hetendorfer Tagungswoche“ ein PKW mit einem Saalfelder Kennzeichen angehalten und durchsucht worden sei. Im Rahmen der Identitätsfeststellung seien André Kapke aus Jena und Beate Zschäpe aus Jena, Schomerusstraße 5, festgestellt worden. Beide Personen seien durch das LKA Thüringen zur beobachtenden Fahndung ausgeschrieben. Des weiteren seien Sven La. sowie Jana A. festgestellt worden. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen seien die Personen wieder entlassen worden.

Götzl: „Dann Vermerk KK Hö., 19.12.2016, SAO 657, Blatt 23184 bis 23188.“ Richter Lang beginnt mit der Verlesung eines Vermerks vom BKA, EG Trio, vom 19.12.2016 aufgrund eines Ermittlungsauftrags von Götzl. Hintergrund sei, dass in Zusammenhang mit Beweisanträgen von RA Narin und RAin von der Behrens vom 317. Hauptverhandlungstag ersucht worden sei, ein Asservat nach dem Muster des im Schreiben genannten Vermerks im Hinblick auf weitere mögliche Synagogen auszuwerten. Das Asservat sei dann auf Daten durchsucht worden, das Hauptaugenmerk sei auf Synagogen gelegt worden, sämtliche jüdische Gemeinden und/oder Einrichtungen. 232 Orte oder in Zusammenhang stehenden jüdischen und israelischen Einrichtungen deutschlandweit. Bei der Auswertung sei es zu Adressgleichheiten gekommen, da mehrere jüdische Institutionen an derselben Adresse ihren Sitz hätten. Die Synagoge in der Rykestraße in Berlin sei in dieser Liste aufgeführt. Im Folgenden verlesen Lang, dann Odersky und schließlich Richter Kuchenbauer aus einer Tabelle eine Vielzahl von Adressen von Synagogen, jüdischen Gemeinden, Einrichtungen und Organisationen, von jüdischen Friedhöfen, von Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Museen zur jüdischen Geschichte. Um 10:54 Uhr legt Götzl eine Pause ein.

Um 11:17 Uhr geht es weiter. RA Nahrath sagt, dass die Verteidigung Wohlleben sich eine Erklärung zu der eben verlesenen Adressliste vorbehalte.

Götzl sagt, als nächstes kämen im Freibeweisverfahren aus dem Gutachten von Prof. Dr. Leygraf zu Carsten Schultze Ausführungen zu den Behandlungsunterlagen des Therapeuten von Schultze zur Verlesung. Richter Lang verliest die von Leygraf verfasste Zusammenfassung der Angaben in den Behandlungsunterlagen des Therapeuten, bei dem Schultze in Behandlung war.

Götzl: „Wir kommen dann zu Stellungnahmen noch im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch gegen Prof. Dr. Leygraf. Vorweg die Stellungnahme, die von ihm selbst übersandt wurde.“ Götzl verliest die Stellungnahme an das OLG München. Darin führt Leygraf aus, dass es bei der Begutachtung gemäß § 105 JGG u.a. um die Frage gehe, ob es sich bei der Tat um eine „Jugendverfehlung“ gehandelt hat. Dies lasse sich nur unter der hypothetischen Annahme einer tatsächlich begangenen Tat beurteilen. Insofern habe er bei der Abfassung seines Gutachtens hypothetisch die Täterschaft unterstellt. Götzl: „Soll noch Stellung genommen werden?“

OStA Weingarten verliest eine Stellungnahme. Er beantragt, das Gesuch zu verwerfen. Anders als beim Gesuch vom 16.06.2016 gegen Leygraf bestünden hinsichtlich des derzeitigen Befangenheitsgesuchs keine Zulässigkeitsbedenken. Der Angeklagte Wohlleben sei nunmehr auch von den gutachterlichen Ausführungen des SV betroffen, so dass sich die von Wohlleben unterstellten Mängel in der Objektivität des SV potenziell zu seinem Nachteil auswirken könnten. Der abgelehnte SV habe am 11.01.2017 gutachterlich zur Aussagetüchtigkeit des Angeklagten Schultze ausgeführt und eine solche uneingeschränkt bejaht. Da Schultze den Angeklagten Wohlleben mit seiner Einlassung erheblich belaste, sei Wohlleben damit zumindest mittelbar betroffen. Der Befangenheitsantrag sei jedoch erneut unbegründet. Ein Ablehnungsgrund liege vor, wenn vom Standpunkt des Ablehnenden ein verständiger Grund vorliege, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit des SV zu wecken. Dies liege etwa dann vor, wenn der SV durch mündliche oder schriftliche Äußerungen den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen habe, bewusst falsche Angaben über seine Ermittlungen vor oder bei der Erstellung des Gutachtens gemacht habe, unprofessionell oder einseitig vorgegangen sei oder grundlegende Verfahrensrechte von Verfahrensbeteiligten grob missachtet habe.

Gemessen daran zeige der Antragsteller keine Umstände auf, die auf eine innere Haltung des SV hinweisen, die seine Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen könnten. Zu der Annahme des Angeklagten Wohlleben, der SV stehe den Angeklagten nicht mit der erforderlichen Objektivität gegenüber, da er ohne hinreichende tatsächliche Grundlage klischeeartige Vorurteile über die Ausländerfeindlichkeit der Szene in Jena übernommen und auf die Angeklagten übertragen habe, bleibe es bei seiner Stellungnahme vom 21. Juni 2016, dass aus Sicht eines verständigen Angeklagten eine berechtigte Besorgnis einer Befangenheit nicht besteht, so Weingarten. Denn dem Vorhalt an Schultze, es habe aber doch ausgeprägte ausländerfeindliche Parolen gegeben, sei eine beanstandungswürdige innere Haltung nicht zu entnehmen. Dem SV stehe es frei, in welcher Weise er sein Gutachten erarbeitet. Dies schließe im Rahmen eines psychiatrischen Explorationsgesprächs auch die Möglichkeit ein, potenziell provozierende Vorhalte und Fragen an den zu Untersuchenden zu richten, die zwar nach psychiatrischer Erfahrung tatsachenbasiert sind, sich aber nicht zwingend aus den Akten ergeben müssten.

Nachdem Schultze eine ausländerfeindliche Gesinnung bestritten habe, habe ihm der SV sehr wohl diesen Vorhalt machen dürfen, um so eine Auseinandersetzung Schultzes mit einem möglichen Aspekt seiner damaligen Gesinnung zu erreichen. Das Vorherrschen auch ausländerfeindlicher Gesinnungen und Parolen in der Szene, in der sich Schultze bewegt hat, dürfe der SV als offenkundig annehmen oder zumindest als Ausdruck seines Vorverständnisses verbalisieren, ohne dass es dazu eines konkreten Aktenvorhaltes oder der Mitteilung konkreter anderer Erkenntnisse bedurft hätte. Die Frage des SV an Schultze, wieso er solche Parolen übernommen habe, könne eine Voreingenommenheit schon deshalb nicht begründen, weil sie unmittelbar an die Antwort Schultzes, er habe sich das schön geredet und leider nicht dahinter gedacht, anknüpfe. Eine Konfrontation des Angeklagten Schultze mit dessen Verhältnis zu in Deutschland lebenden Ausländern habe sich angesichts des dem SV bekannten Haftbefehls gegen Schultze geradezu aufgedrängt, ohne dass daraus auf eine persönliche Voreingenommenheit des SV geschlossen werden könne.

Soweit Wohlleben nunmehr die Befangenheitsbesorgnis ergänzend darauf stütze, dass der SV geäußert habe, bei der Gutachtenerstattung generell von der Täterschaft des Probanden auszugehen, sei dies ebenfalls unbegründet. Zunächst gebe Wohlleben die diesbezüglichen Äußerungen des SV verkürzt wieder. Auf die Frage von RA Klemke, ob er den Angeklagten Schultze eigentlich für schuldig gehalten habe, habe der SV gemäß den Mitschriften des GBA geantwortet, er unterstelle immer hypothetisch die Täterschaft des Probanden, denn sonst hätten seine Gutachten keinen Sinn. Dass der SV Probanden nicht per se und unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung voreingenommen und vorurteilsbelastet gegenübertrete, folge bereits aus der Erklärung, dass er dies nur hypothetisch unterstelle. Bei einer Hypothese handele es sich bildungssprachlich um eine unbewiesene Annahme oder Unterstellung.

Die Antwort des SV beinhalte also, dass er die Täterschaft gerade nicht für erwiesen hält, sondern sie lediglich seiner Begutachtung hypothesenartig zugrundelegt. Die Arbeitshypothese des SV sei damit nichts anderes als der Ausdruck der zutreffenden Erkenntnis, dass ein forensisch-psychiatrisches SV-Gutachten regelmäßig keinen Bezug zur Frage der objektiven Erfolgszurechnung im Sinne der Feststellung der Täterschaft aufweise, sondern sich zur sinnlogisch nachrangigen Schuld- und ggf. Rechtsfolgenfrage verhält und damit praktisch wie folgerichtig die Täterschaftsfeststellung – zumindest im Rahmen einer gedanklichen Unterstellung – voraussetzt. Die gedankliche Unterstellung eines noch nicht erwiesenen Sachverhalts zur Prüfung etwaig veranlasster Konsequenzen sei selbstverständlicher Teil vieler Geistestätigkeiten und habe mit einer Missachtung der Unschuldsvermutung oder sonstiger Voreingenommenheit nichts zu tun. Insbesondere die Erstattung eines Gutachtens zur Beurteilung des Reifegrads nach § 105 JGG Abs.1 Nr. 1 setze immer die gedankliche Annahme einer Schuldfeststellung voraus, weil nur für einen solchen Fall der Anwendungsbereich des § 105 JGG als Rechtsfolgenvorschrift eröffnet sei. Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Wir geben keine Stellungnahme ab und schließen uns den Ausführungen des GBA an.“

OStAin Greger verliest eine Stellungnahme zum Beweisantrag von RA Elberling vom 341. Verhandlungstag. Der Beweisantrag sei abzulehnen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen entweder bereits erwiesen oder aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Bewiesen seien bereits die folgenden Tatsachen: Im Selbstleseverfahren vom 12.01.2016 sei das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll betreffend die Durchsuchung der „“ am 26.01.1998 in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Danach hätten für die Durchsuchung drei Beamte unterschrieben: Di., Be., Ne. Hinzugezogen worden sei zudem ein Zeuge Ra. als Beamter des Ordnungsamtes. Als Zeit sei auf dem Protokoll vermerkt: 10:30 bis 13:00 Uhr. Aufgrund der Vernehmung des Zeugen Dressler am 04.09.2014 [136. Verhandlungstag] stehe zudem fest, dass der Beschluss mehrere Garagen umfasste und dass die Absicherung durch örtliche Polizeikräfte Jena erfolgte, ab 06:45 Uhr auch an der Kläranlage „Nr. 5“. Die Garagen in der Richard-Zimmermann-Straße [phon.] seien den Angaben des Zeugen zufolge von zwei Teams durchsucht worden; begonnen worden sei mit den Garagen Böhnhardt; Uwe Böhnhardt sei zunächst anwesend gewesen; noch vor der Eröffnung der „Garage Nr. 5“ [phon.] habe Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verlassen, gegen 08:30 Uhr.

Bewiesen sei damit, so Greger, der Einsatz von Sicherungsbeamten ab 06:45 Uhr am Objekt Kläranlage 5 und der Einsatz mehrerer Beamter und Fahrzeuge. Die Angeklagte Zschäpe habe nun am 09.12.2015 ein Szenario geschildert, wonach sie während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme von Uwe Böhnhardt telefonisch aufgefordert worden sei, die „Garage Nr. 5“ oder den Inhalt in Brand zu setzen; obwohl sie gewusst habe, dass eine nicht näher bekannte Menge Schwarzpulver gelagert wurde, habe sie sich dazu bereit erklärt, eine Flasche Benzin zu erwerben, um das Propagandamaterial zu verbrennen; da sie jedoch dann ganz in der Nähe der Garage mehrere Personen gesehen habe, die anscheinend ihr Auto reparierten, habe sie davon Abstand genommen. Offen bleibe, so Greger, ob Zschäpe bereits Sichtkontakt zur „Garage Nr. 5“ gehabt habe. Ein unmittelbarer Zusammenhang zu den angeklagten Taten bestehe nicht. Die Einlassung könne, so Greger weiter, jedoch eine gewisse Relevanz bei der Würdigung der Persönlichkeit der Angeklagten und mittelbar bei der Beurteilung hinsichtlich eines Tötungsvorsatzes bei der Brandlegung in der Frühlingsstraße.

Denn die Angeklagte räume insoweit ihre grundsätzliche Bereitschaft ein, auf Geheiß ihrer Gefährten eine Brandlegung zu begehen, wolle dabei aber eine Gefährdung von Personen nicht in Kauf nehmen [phon.]. Die Antragsteller wollten beweisen, so Greger, dass der von der Angeklagten behauptete Geschehensablauf nicht zutreffen kann, und beantragten, die Abläufe rund um die Durchsuchung festzustellen. Die Beweiserhebung zu den noch nicht erhobenen Tatsachen dürfe jedoch abgelehnt werden. Denn diese dürften, auch bei Erwiesenwerden, angesichts des bisherigen Beweisergebnisses nicht geeignet sein, die Entscheidung des Senats zu beeinflussen. Denn der Senat sei an die Einlassung der Angeklagten überhaupt nicht gebunden und auch nicht dazu gehalten, sie in Details zu widerlegen. Vielmehr könne der Senat bereits jetzt ohne weitere Details zu den Abläufen am 26.01.1998 zu dem Ergebnis kommen, dass der Einlassung der Angeklagten zu den Vorgängen an jenem Tag nicht zu folgen ist. Gehe man von dem Bisherigen aus, erscheine es jedenfalls weder plausibel, dass Uwe Böhnhardt ihr den Auftrag gegeben haben soll „fackel ab“, noch dass sie mit Blick auf eine mögliche Gefährdung von Personen von der Brandstiftung Abstand genommen haben will, während nachweislich ab 06:45 Uhr Polizeibeamte die Garage sicherten. Falls der Senat die Aufklärung weiterer Tatsachen zu den eingesetzten Kräften für erforderlich halte, rege sie, so Greger, die Verlesung des Berichts zur Durchsuchung in der Zimmermann-Straße [phon.], einer Einsatzmeldung und eines weiteren Durchsuchungsberichts an. Sie nennt dazu jeweils die Fundstellen. NK-Vertreter RA Elberling: „Die zitierten Zeugenaussagen würde ich mir nochmal anschauen und dann gegebenenfalls nächste Woche dazu Stellung nehmen.“

Götzl: „Und zum Beweisantrag hinsichtlich des Zeugen Kö. der Verteidigung Wohlleben?“ Weingarten nimmt für den GBA Stellung: Der Antrag, Kö. erneut zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass Wohlleben zu keinem Zeitpunkt „Chefsache“ gewesen sei, sei wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen. Die behauptete Negativtatsache sei für die Entscheidung ohne Bedeutung. Der als erwiesen unterstellte Umstand, dass Wohlleben nicht als „Chefsache“ behandelt worden sei, das Fehlen oder Bestehen einer dezernatsinternen Anweisung vermöge die Beweiswürdigung unter keinem Gesichtspunkt zu beeinflussen. Ein Rückschluss auf potenziell relevante konkrete Betätigungen, Kenntnisse oder Motive Wohllebens sei nicht möglich. Insbesondere lasse eine Behandlung solcher Angelegenheiten als „Chefsache“ keine Schlüsse auf die tatsächliche Rolle Wohllebens in Zusammenhang mit der vorgeworfenen Beihilfehandlung zu. Der Relevanz einer Bemerkung komme als bloße Drittbewertung keine Bedeutung zu. Götzl sagt, man lege dann die Mittagspause ein und setze fort um 12:50 Uhr.

Um 12:57 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass der Antrag von İsmail Yozgat, den Tatort Holländische Straße 82 in Kassel in Augenschein zu nehmen [214. Verhandlungstag], abgelehnt wird. Zur Begründung führt er aus, dass der Augenschein nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Die Erforderlichkeit des Augenscheins sei nicht gegeben, weil die Aufklärungspflicht des Gerichts nicht zur gerichtlichen Augenscheinseinnahme vor Ort dränge:
Die Beschaffenheit des Augenscheinsobjekts steht bereits aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest. In der Hauptverhandlung wurden zahlreiche Lichtbilder der Tatörtlichkeit in Augenschein genommen, die vom Spurensicherungsbeamten I. in der Hauptverhandlung zusätzlich erläutert wurden. Zudem wurde ein Video in Augenschein genommen, das bei der Rekonstruktion der vom Zeugen Temme am Tatort zurückgelegten Wege aufgezeichnet wurde. Zur weiteren Veranschaulichung der örtlichen Gegebenheiten des Tatorts wurde eine Skizze des Internetcafés „Holländische Straße 82“ in Augenschein genommen, die vom Zeugen KHK Ge. in der Hauptverhandlung erläutert wurde. Ergänzend beschrieben die polizeilichen Zeugen Rommel und Gerstenberg den Tatort in Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung. Bei dieser Sachlage verspricht eine zusätzliche gerichtliche Augenscheinseinnahme vor Ort keine weitere Sachaufklärung. Eine Konstellation, dass eine bereits vorliegende Zeugenaussage gerade durch den Augenschein widerlegt werden soll und daher ein Augenschein von der Aufklärungspflicht gefordert wird, liegt nicht vor. Die Heranziehung von anderen Beweismitteln als Ersatz für den gerichtlichen Augenschein ist mit der Aufklärungspflicht vereinbar, da die unter Beweis gestellten Tatsachen mit Hilfe der Ersatzbeweismittel ebenso gut beurteilt werden können.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die verschiedenen Anträge zum Treffen zwischen dem Zeugen Görlitz vom LfV Sachsen und dem Zeugen Szczepanski (V-Mann „Piatto“) vom 25.08.1998 [siehe 321. Verhandlungstag], abgelehnt werden. Die unter Beweis gestellten Tatsachen seien für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. Den Beiziehungsanträgen werde nicht nachgekommen, weil die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die beantragten Unterlagen beizuziehen. Götzl macht die üblichen allgemeinem Ausführungen zur Bedeutungslosigkeit einer unter Beweis gestellten Indiz- oder Hilfstatsache aus tatsächlichen Gründen, zur prognostischen Prüfung etc. Dann führt er zur konkreten Begründung der Ablehnung der „im Tenor unter I. unter Beweis gestellten“ Umstände [Antrag auf Beiziehung und Verlesung des Vermerks von Görlitz vom 26.08.1998 und einer einzelverbindungsgenauen Abrechnung zu dem Mobiltelefon] aus:

1. Die dort unter Beweis gestellten Tatsachen als erwiesen unterstellt, belegen zusammengefasst verschiedene Details zum Treffen des Zeugen Szczepanski mit seinem V-Mann-Führer, dem Zeugen Görlitz, am 25.08.1998 und den Erwerb von zwei Mobiltelefonen durch den Zeugen Görlitz auf den Namen „Dieter Borchert“. Zudem wird belegt, dass in dem vom Zeugen Görlitz zu diesem Treffen gefertigten Bericht keine Ausführungen zum Verbleib, insbesondere zur Rückgabe des vom Zeugen
Szczepanski genutzten „alten“ Handys an den Zeugen Görlitz enthalten sind. Nicht erwähnt werden im Bericht die Übergabe des neuen Handys an den Zeugen Szczepanski und der Zeitpunkt dieser Übergabe. Weiter werden verschiedene Details im Zusammenhang mit dem „alten“ dienstlich genutzten Handy
[0172-Nummer] des Zeugen Szczepanski belegt, ins besondere, dass am 25.08.1998 von diesem Anschluss um 16.25 Uhr eine Verbindung aufgebaut wurde.

2. Diese hier unter Beweis gestellten Tatsachen sind aber einzeln und in ihrer Gesamtheit für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten tatsächlich ohne Bedeutung:
a: Die Antragsteller führen in diesem Zusammenhang aus, durch den Nachweis der im Tenor unter I. dargestellten Beweistatsachen würden uneidliche Falschaussagen des Zeugen Görlitz in der Hauptverhandlung und die fehlende Glaubhaftigkeit seiner Angaben „im Zusammenhang mit der amtlichen Beobachtung einer möglichen Waffenbeschaffung des Trios“ belegt. Der Zeuge habe in der Hauptverhandlung angegeben, er habe sich auf die gerichtliche Vernehmung vorbereitet. Dabei habe sich ergeben, dass ihm der Zeuge Szczepanski am 25.08.1998 gegen 16.00 Uhr das Mobiltelefon mit der Rufnummer
[0172-Nummer] übergeben habe. Er habe die Aktenlage studiert und insbesondere den Treffbericht erneut gelesen. Auf Nachfrage zum Übergabezeitpunkt des Handys „gegen 16.00 Uhr“ habe der Zeuge wörtlich geantwortet: „Ja, das stand so im Bericht.“ Die Antragsteller weisen darauf hin, dem Treffbericht sei weder die Rückgabe des Telefons überhaupt zu entnehmen, noch ergebe sich daraus der Rückgabezeitpunkt. Zudem seien auch die Angaben des Zeugen Görlitz zum Ausschalten des Handys falsch. Selbst wenn man von einem Rückgabezeitpunkt gegen 16.00 Uhr ausgehe, ergebe sich aus der Abrechnung noch ein Verbindungsaufbau um 16.25 Uhr.

b: Die hier unter Beweis gestellten Tatsachen als erwiesen unterstellt führen nicht dazu, dass der Senat die von den Antragstellern gewünschten Schlüsse zieht und die Angaben des Zeugen Görlitz als unglaubhaft würdigt:
(1) Die hier unter Beweis gestellten und als erwiesen unterstellten Tatsachen belegen u.a., dass im Treffbericht vom 26.08.1998 weder der Verbleib, namentlich die Rückgabe des „alten“ Diensthandys noch dessen Rückgabezeitpunkt erwähnt sind. Zudem wird belegt, dass an dem genannten Tag noch um 16.25 Uhr eine Verbindung mit diesem Handy aufgebaut wurde.
(2) Diese Umstände führen aber nicht dazu, dass die Angaben des Zeugen Görlitz vom Senat als unglaubhaft qualifiziert werden: i. Aufgrund der im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellten Tatsachen ist belegt, dass im Treffbericht vom 26.08.1998 nicht erwähnt wird, dass der Zeuge Szczepanski das alte Diensthandy „gegen 16.00 Uhr“ an den Zeugen Görlitz zurückgegeben hat. Der Zeuge Görlitz hat in der Hauptverhandlung auf Nachfrage zum Übergabezeitpunkt „gegen 16.00 Uhr“ jedoch angegeben, dies stehe im Bericht.

ii. Trotz dieser objektiv unzutreffenden Äußerung sind die sonstigen relevanten Angaben des Zeugen Görlitz glaubhaft: 1. Die Antragsteller stellen die Angaben des Zeugen Görlitz in diesem Zusammenhang nur punktuell dar und ordnen sie nicht in den Zusammenhang seiner umfangreichen Aussage ein. 2. Der Zeuge Görlitz führte im Rahmen seiner Vernehmung, die an vier Hauptverhandlungstagen stattgefunden hat, im Zusammenhang mit dem Handytausch zusammengefasst aus, er habe sich am 25.08.1998 von etwa 15.00 Uhr bis circa 20.00 Uhr mit dem Zeugen Szczepanski getroffen. Er habe an diesem Tag, also laut Aktenlage am 25.08.1998, mit dem Zeugen Szczepanski in dem Telefonladen „Kreysch“ in der Zeppelinstraße in Potsdam zwei Mobiltelefone gekauft. Eines sei für ihn selbst, das andere für den Zeugen Szczepanski bestimmt gewesen. Szczepanski habe erst bei dem Treffen erfahren, dass das Handy getauscht werde. Grund für den Telefontausch bei Szczepanski sei gewesen, dass das Telefon bei einer Überwachungsmaßnahme als Handy des Innenministeriums aufgefallen sei. Das neue Handy habe er am 25.08.1998 gegen 16.00 Uhr an den Zeugen Szczepanski übergeben. Er habe nach dem Erwerb des neuen Handys das „alte“ eingezogen. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung
relativierte der Zeuge diese Angabe und gab an, er glaube sich zu erinnern, das Handy eingezogen zu haben. An einem nachfolgenden Vernehmungstermin stellte er seine Erinnerung an das Einziehen des alten Handys wieder als sicher dar.

Weiter führte der Zeuge aus, er habe im Rahmen der Vorbereitung auf die Vernehmung in der Hauptverhandlung Einsicht in den in seiner Behörde vorhandenen Aktenbestand genommen, der sehr umfangreich sei. Er könne sich nicht mehr erinnern, ob die zur Vorbereitung genutzten Akten paginiert gewesen seien. Er wisse auch nicht, ob in diesem Material Berichte über Treffen mit enthalten gewesen seien. Im Rahmen der Vorbereitung auf die gerichtliche Vernehmung habe er auch den Treffbericht vom 26.08.1998 gelesen, der das Treffen mit dem Zeugen Szczepanski betraf. In dem Bericht sei im Wesentlichen der von ihm berichtete Sachverhalt niedergelegt. Er könne aber nicht ausschließen, dass in dem Treffbericht noch weitere Details aufgeführt seien, an die er sich jetzt nicht mehr erinnern könne.

3. Die Ausführungen des Zeugen Görlitz speziell zum Komplex „Handytausch“ sind im Zusammenhang gesehen hinsichtlich des geschilderten Gesamtgeschehens glaubhaft. Der Zeuge hat die abgefragten Lebenssachverhalte jeweils plausibel, nachvollziehbar und ohne logische Brüche geschildert. Er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es sehr schwer sei, sich an ein Geschehen zu erinnern, das ca. 18 Jahre zurückliege. Deshalb könne er sich nicht an alle Details erinnern. 4. Dieses Ergebnis wird nicht durch die objektiv falsche Angabe zum Inhalt des Treffberichts in Frage gestellt. Der Zeuge war bei seiner Vernehmung nervös und hat ausdrücklich und mehrfach klargestellt, dass er zur Vorbereitung der Aussage umfangreiches Aktenmaterial und darunter auch den gegenständlichen Treffbericht gelesen habe. Es sei schwierig gewesen, alles durchzuarbeiten. Der Zeuge hat in der Vernehmung auch auf eigene Erinnerungslücken hinsichtlich des verwendeten Materials hingewiesen. So konnte er nicht mehr sagen, ob die Akten paginiert waren oder ob Berichte zu Treffen mit Jan Werner enthalten waren. Zum genauen und detaillierten Inhalt des Treffberichts führte er auch Unsicherheiten an. So legte er sich gerade nicht fest, dass er sich exakt an den im Treffbericht niedergelegten Inhalt erinnern würde, sondern schränkte dies auf den „wesentlichen“ Inhalt ein. Zudem gab er weiter an, er könne nicht ausschließen, dass der Inhalt des Treffberichts im Detail über das hinausgehe, was er geschildert habe. Hieraus wird deutlich, dass sich der Zeuge aufgrund des Aktenstudiums an das Geschehen „Handytausch“ erinnerte, aber hinsichtlich des konkreten Inhalts von Schriftstücken, mit denen er seine Erinnerung auffrischen konnte, Unsicherheiten aufwies. Diese Unsicherheiten hat der Zeuge insbesondere im Hinblick auf den Treffbericht vom 26.08.1998 ausdrücklich deutlich gemacht. Aus diesem Grund sieht der Senat in der objektiv falschen Angabe zum Inhalt dieses Treffberichts kein Argument dafür, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz zu bezweifeln. Es ist vielmehr plausibel, dass sich der Zeuge an Umstände, die, wie hier, offensichtlich nicht zum Kern der für seine Vernehmung relevanten Sachverhaltskomplexe gehört, nicht oder hinsichtlich des „Orts“ der schriftlichen Niederlegung bestimmter Details falsch erinnerte.

5. Der Umstand, dass in dem Treffbericht speziell die Rückgabe des Handy nicht erwähnt ist, führt auch nicht dazu, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz, der sich gleichwohl an die Rückgabe des Telefons erinnert, anzuzweifeln. a. Die Antragstellern ziehen, so legt der Senat ihr Vorbringen aus, aus dem Umstand, dass in dem Treffbericht die Handyeinziehung nicht erwähnt ist weiter den Schluss, das „alte“ Handy sei bei Szczepanski belassen worden sei und der Zeuge Görlitz habe auch insoweit die Unwahrheit gesagt, als er eine Rückgabe des Telefons bestätigte. Für diesen Schluss kann der Senat keine tatsachengestützte Grundlage erkennen: Im gesamten Verlauf der Hauptverhandlung haben sich keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass derartige Treffberichte in der Weise abgefasst werden, dass ihnen quasi eine negative Beweiskraft mit dem Sinn zukommt, dass im Treffbericht nicht erwähnte Umstände auch nicht stattgefunden hätten. Eine vernünftige Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck eines solchen Treffberichts ergibt, dass ein Bericht zu einem Treffen zwischen V-Mann-Führer und V-Person vielmehr nur solche Umstände aufführt, deren schriftliche Fixierung der Verfasser – also der V-Mann-Führer – für wichtig, erwähnenswert und berichtenswert erachtete. Die Bedeutung, dass dort nicht aufgeführte Umstände auch nicht stattgefunden haben, kommt einem solchen Treffbericht vor diesem Hintergrund nicht zu. Dass die Einziehung des alten Handys durch den Zeugen Görlitz in dem von ihm verfassten Treffbericht nicht noch extra erwähnt wurde, ist auch plausibel. Es kam zur Übergabe eines neuen Mobiltelefons. Der damit naheliegend verbundenen Einziehung des alten Geräts kam am 25.08.1998 keine derartige Bedeutung zu, dass eine schriftliche Fixierung dieses Umstands erforderlich gewesen wäre,

b. Die Angaben des Zeugen Görlitz zum Handytausch sind aus den genannten Gründen glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Görlitz hinsichtlich der Rückgabe des „alten“ Mobiltelefons falsche Angaben machte, ergeben sich aus der Nichterwähnung dieses Umstands im Treffbericht aus den genannten Gründen nicht. 6. Der Umstand, dass der Zeuge Görlitz ausführte, er habe das „alte“ Handy am 25.08.1998 gegen 16.00 Uhr erhalten und eingezogen und dass aufgrund des als erwiesen unterstellten Inhalts der Abrechnung feststeht, dass am 25.08.1998 noch um 16.25 Uhr vom „alten“ Handy eine Verbindung aufgebaut wurde, führt nicht dazu, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz anzuzweifeln. a. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht ausgeführt hat, er habe das Handy genau um 16.00 Uhr übernommen. Vielmehr gab er an, er habe das Telefon „gegen 16.00“ Uhr bekommen. Auch die Antragsteller gehen davon aus, dass es sich bei der Übergabezeit nicht um eine exakte Punkt-Angabe handelt, sondern sie zitieren mehrmals die Wendung des Zeugen Görlitz, der von „gegen 16.00 Uhr“ sprach. Nachdem aufgrund der ungenauen Zeitangabe die Übergabe des Telefons durch die Quelle Szczepanski an den Zeugen Görlitz auch nach dem Telefonat um 16.25 Uhr erfolgt sein kann, werden durch die Zeitangabe in diesem Zusammenhang keine falschen Angaben des Zeugen Görlitz aufgedeckt,

b. Die Angaben des Zeugen Görlitz zum Handytausch sind aus den oben dargestellten Gründen glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Görlitz hinsichtlich des Rückgabezeitpunkts des „alten“ Mobiltelefons und der Einziehung falsche Angaben machte, ergeben sich aus den genannten Gründen weder aus seinen Angaben noch aus der Nichterwähnung dieses Umstands im Treffbericht. 7. Auch eine Gesamtbetrachtung der genannten und im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellten Umstände führt nicht dazu, an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz zu zweifeln.

Götzl geht dann zur konkreten Begründung der Ablehnung der „im Tenor unter II. unter Beweis gestellten“ Umstände [Antrag auf Beiziehung und Verlesung der beiden Verträge des D2-Shops Kreysch in Potsdam zu den am 25.08.1998 von Görlitz auf seinen damaligen Tarnnamen „Dieter Borchert“ im Rahmen des Treffens mit „Piatto“ angeschafften Mobiltelefonen nebst zugehöriger Rechnungen und von einzelnen Urkunden aus den Zielfahndungsakten des TLKA aus 1998] über:
1. Die dort unter Beweis gestellten Tatsachen als erwiesen unterstellt, belegen zusammengefasst die genauen Typenbezeichnungen und Anschlussnummern der beiden am 25.08.1998 vom Zeugen Görlitz angeschafften Telefone. Weiter wird durch die S-Records belegt, dass es am 31.08.1998 zu einem dreimaligen SMS-Kontakt unter Nutzung des „neuen“ Handys zwischen den Zeugen Szczepanski und Werner kam. Dabei wurde ein Treffen für den folgenden Samstag vereinbart. Zudem wird belegt, dass das „neue“ Handy des Zeugen Szczepanski auf den Namen „Dieter Borchert“ registriert und am 25.08.1998 aktiviert worden war.

2. Diese hier unter Beweis gestellten Tatsachen sind aber einzeln und in ihrer Gesamtheit für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten tatsächlich ohne Bedeutung:
a. Die Antragsteller führen in diesem Zusammenhang zusammengefasst aus, durch den Nachweis der im Tenor unter II. dargestellten Beweistatsachen würde sich ergeben, dass Ziel der Überlassung eines neuen dienstlichen Mobiltelefons an den Zeugen Szczepanski nicht war, ihn dauerhaft aus einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme der Polizei herauszuhalten. Einziges Ziel der Überlassung des neuen dienstlichen Anschlusses sei es gewesen, den Zeugen Szczepanski legendiert als „Dieter Borchert“ wieder an der Überwachungsmaßnahme teilnehmen zu lassen. Dies habe der Zeuge Szczepanski dann auch getan und ein persönliches Treffen mit Jan Werner für den nachfolgenden Samstag vereinbart. Mit der Verwendung des Telefonanschlusses auf die Personalie „Dieter Borchert“ sei die Polizei im Zeitpunkt einer etwaigen Waffenbeschaffung durch den V-Mann Szczepanski „gezielt in die Irre geführt“ worden, so dass die polizeiliche Ermittlungsarbeit bei der Zielfahndung nach dem Trio im Jahr 1998 „gezielt“ von dem Innenministerium Brandenburg zugunsten des Quellenschutzes fehlgeleitet wurde. Hieraus schließen die Antragsteller dann, dass deshalb polizeiliche Ermittlungsstrategien keinen Erfolg erzielen konnten. Weiter würde sich, so die Antragsteller, ergeben, dass es unmittelbar nach der von den Antragstellern als im Zusammenhang mit einer Waffenbeschaffung für das „Trio“ stehend bewerteten SMS von Jan Werner an die Quelle des Verfassungsschutzes „Piatto“ ein persönliches Treffen zwischen den beiden gegeben habe. Zudem sei auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen Görlitz berührt.

b. Es kann offen bleiben, ob die unter Beweis gestellten Tatsachen allein oder in Zusammenschau mit anderen Ergebnissen der Beweisaufnahme überhaupt eine Grundlage darstellen, die von den Antragstellern als Beweisziel dargestellten Schlüsse zu ermöglichen. Jedenfalls wären selbst die von den Antragsstellern erstrebten Beweisziele für die Entscheidung ohne tatsächliche Bedeutung, so dass auch die diese Schlüsse stützenden Tatsachen tatsächlich ohne Bedeutung sind.
(1) Der erstrebte Nachweis der gezielten Fehlleitung der polizeilichen Ermittlungsarbeit zielt, so legt der Senat den Vortrag der Antragsteller aus, darauf ab, eine staatliche Mitverantwortung für angeklagte Taten zu belegen, weil aufgrund der vorgetragenen Fehlleitung der Fahndung nach dem „Trio“ die polizeilichen Ermittlungsstrategien keinen Erfolg haben konnte. a. Dies trifft aber nicht zu. Selbst wenn man die gezielte Fehlleitung der Ermittlungen im Rahmen der Prüfung der Antragsablehnung des Beweisantrags unterstellt, kann nicht einmal auf eine kausale Verursachung von einer oder mehreren angeklagten Taten durch staatliche Stellen geschlossen werden.

b. Zwar kann – und hierauf zielen die Anträge ab – das Verhalten staatlicher Behörden strafmildernd zu berücksichtigen sein. Eine derartige staatliche Mitverantwortung mindert aber nur dann die Schuld eines Angeklagten, wenn den staatlichen Entscheidungsträgern die Tatgenese vorgeworfen werden kann. Eine bloße kausale, nicht vorwerfbare Verursachung, ist nicht geeignet, sich auf den Schuldumfang auszuwirken. Bei unterstelltem Erwiesensein aller unter Beweis gestellter Tatsachen und gleichzeitiger Berücksichtigung des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme zieht der Senat jedoch nicht den Schluss, dass das Behördenverhalten kausal für die weiteren (angeklagten) Taten war. Mangels Kausalität liegt dann auch kein strafmildernd zu berücksichtigendes Behördenverhalten vor: Voraussetzung für die Annahme der Kausalität des Verhaltens der staatlichen Entscheidungsträger wäre, dass eine an sich mögliche Festnahme unterblieben ist. Grundvoraussetzung für eine Festnahme ist es, dass die staatlichen Stellen in der Lage gewesen wären, den Aufenthalt der gesuchten Personen festzustellen. Diesen Schluss zieht der Senat jedoch nicht: Die unter Beweis gestellten Tatsachen belegen nicht, dass der Aufenthaltsort der Gesuchten bekannt oder feststellbar gewesen wäre. Auch unter Einbeziehung des weiteren in diesem Zusammenhang gewonnene Beweisergebnisses in einer Gesamtschau zieht der Senat aus den Gesamtumständen nicht den Schluss, dass der Aufenthalt der gesuchten Personen von den staatlichen Stellen hätte ermittelt werden können: Zusätzliche Erkenntnisse, die belegen würden, dass direkt über die Quelle Szczepanski und/oder den Zeugen Jan Werner der Aufenthalt der gesuchten Personen hätte sicher ermittelt werden können, konnten nicht gewonnen werden.

Anhaltspunkte, dass der Zeuge Szczepanski Kontakt zu den gesuchten Personen hatte, sind nicht vorhanden. Bei Jan Werner gibt es zwar Hinweise auf einen Kontakt zu den Gesuchten. Allerdings sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass ihm der Aufenthaltsort der Gesuchten bekannt war und vor allem, dass er bereit gewesen wäre, sein Wissen den Behörden mitzuteilen. Anzunehmen eine Telefonüberwachung und/oder eine Observation der Zeugen Szczepanski und Werner würde indirekt zu Erkenntnissen führen, welche die Festnahme der gesuchten Personen ermöglicht hätte, wäre rein spekulativ. Weder bei einer TKÜ-Maßnahme noch bei einer Observation kann unterstellt werden, dass der Aufenthalt der gesuchten Personen feststellbar ist und dass, wenn der Aufenthalt ermittelt wurde, eine Festnahme gelingt. Es ist nicht zwingend, dass es im Überwachungszeitraum zu telefonischen Kontakten zwischen der überwachten Person und den gesuchten Personen kommt.

Aus dem übrigen Beweisergebnis haben sich keine Erkenntnisse dazu ergeben, dass die gesuchten Personen sich in regelmäßigem telefonischem Kontakt mit Jan Werner befanden. Selbst im Fall von überwachtem telefonischen Kontakt ist es nicht zwingend, dass damit der Aufenthalt der Gesuchten feststellbar ist. Es bestünde immer und im vorliegenden Fall sogar die naheliegende Möglichkeit, dass die Gesuchten aus einer öffentlichen Telefonzelle ihre Anrufe tätigten. Diese Art der telefonischen Kontaktaufnahme durch die Gesuchten wurde vom Angeklagten Wohlleben und dem Angeklagten Schultze insoweit glaubhaft berichtet. Die Feststellung des Standorts einer öffentlichen Telefonzelle wäre im Hinblick auf den Aufenthaltsort der Gesuchten ohne Bedeutung. Ähnliche Überlegungen gelten für mögliche Telefonate mit einem Mobiltelefon. Bei einem überwachten Gespräch der Gesuchten, das nicht in der genutzten Wohnung geführt wurde, könnte man nur den beweglichen Standort des Handys feststellen. Diese Information ist für die Durchführung einer Festnahme im Regelfall nicht ausreichend. Eine Observation führt ebenfalls nicht zwingend zur Feststellung des Aufenthalts der Gesuchten. So besteht die Möglichkeit, dass im Observationszeitraum kein persönlicher Kontakt zwischen der überwachten Person und den gesuchten Personen stattfindet und somit die Observation aus diesem Grunde ohne Ergebnis bleibt.

Ähnliches gilt dann, wenn die Observation der überwachten Person auffällt und sie erfolgreich besondere Vorkehrungen trifft, dass ihr nicht gefolgt werden kann. Weiter ist zu berücksichtigen, dass selbst für den Fall, dass eine Wohnung der gesuchten Personen ermittelt hätte werden können, das Gelingen einer Festnahmeaktion ebenfalls nicht zwingend feststeht. Beispielsweise können Vorsichtsmaßnahmen der Gesuchten, wie das Schaffen eines Fluchtwegs oder das Auffallen polizeilicher Vorbereitungsmaßnahmen den Erfolg einer Festnahme vereiteln. Vor diesem Hintergrund zieht der Senat in der Gesamtschau nicht den Schluss, die beteiligten Behörden hätten den Aufenthalt der gesuchten Personen ermitteln und die Festnahme veranlassen können. Somit ist das Verhalten der beteiligten Behördenmitarbeiter auch nicht kausal für eine möglicherweise später begangene Tat. Eine staatliche Mitverantwortung kann daher vom Senat nicht festgestellt werden.

2) Auch das unter Beweis gestellte und als erwiesen unterstellte Treffen zwischen den Zeugen Szczepanski und Werner zielt, so legt der Senat den Vortrag der Antragsteller aus, darauf ab, eine staatliche Mitverantwortung für angeklagte Taten zu belegen, weil, so die Wertung der Antragsteller, das Treffen im Zusammenhang mit einer Waffenbeschaffung für das „Trio“ stand. a. Das als erwiesen unterstellte Treffen an sich hat offensichtlich keine tatsächliche Bedeutung für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den Angeklagten. b. Auch in diesem Fall bezweckt der Vortrag der Antragsteller, so legt ihn der Senat aus, den Nachweis von staatlicher Mitverantwortung für eine oder mehrere angeklagte Taten. Auch aufgrund des vereinbarten Treffens zwischen den Zeugen Szczepanski und Werner nicht auf eine kausale Verursachung einer oder mehrerer angeklagter Taten durch staatliche Stellen geschlossen werden. Insoweit wird Bezug genommen auf die oben gemachten Ausführungen zum staatlichen Mitverschulden. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein derartiges Treffen nur vereinbart wurde. Ob es dann auch tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht erwiesen.

(3) Die unter Beweis gestellten und als erwiesen unterstellten Umstände „berühren“ nicht die „Glaubwürdigkeit“ – gemeint ist von den Antragstellern wohl die Glaubhaftigkeit der Angaben – des
Zeugen Görlitz. Die unter Beweis gestellten Tatsachen – also Daten der erworbenen Telefone, deren Aktivierung, der SMS-Verkehr und die Mitteilung der Firma Mannesmann, die im Rahmen dieser Prüfung als erwiesen unterstellt werden, zeigen keinen Widerspruch zu den Angaben des Zeugen Görlitz auf. Es ist daher nicht ersichtlich, in welcher Weise sie die Glaubwürdigkeit/Glaubhaftigkeit „berühren“ könnten.

Götzl: „Der Senat hat sodann nochmals in einer zusammenfassenden Würdigung alle hier und in anderen Anträgen in diesem Zusammenhang unter Beweis gestellten Tatsachen gemeinsam als erwiesen angesehen und nochmals einer Prüfung unterzogen. Auch bei dieser Gesamtbetrachtung ergeben sich keine Anhaltspunkte, die die Einordnung der unter Beweis gestellten Umstände als für
die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung, in Frage stellen.“ Dann sagt Götzl, dass es sich bei den Beiziehungsanträgen um Beweisermittlungsanträge handele und führt zum Abschluss aus: „Nachdem, wie oben dargelegt, die unter Beweis gestellten Tatsachen tatsächlich ohne Bedeutung sind, drängt die Aufklärungspflicht nicht dazu, die Unterlagen beizuziehen, die diese bedeutungslosen Tatsachen belegen sollen.“

Götzl verkündet dann den Beschluss, dass den Anträgen auf Namhaftmachung und Vernehmung der Zeugin, die mit Jan Werner am 07.05.2000 telefonischen Kontakt hatte und die im Schreiben des Sächsischen LfV vom 17.05.2000 abstrakt bezeichnet wird, und auf Beiziehung der Vernichtungsverhandlung des LfV zu Protokollen bzgl. der Maßnahme „Terzett“ [siehe 317. und 339. Verhandlungstag]nicht nachgekommen wird. Zur Begründung führt er aus, dass der Antrag am 26.10.2016 gestellt worden sei mit dem Hinweis, dass die Zeugin über das LfV Sachsen namhaft zu machen und zu laden sei. Nachdem die durchgeführten Ermittlungen beim LfV kein Ergebnis erbracht hätten, so Götzl, sei der Antrag ergänzt worden um weitere Behörden, bei denen wegen der Identität der Zeugin angefragt werden solle. Zum ersten Antrag sagt Götzl, dass in einem Beweisantrag bei Zeugen grundsätzlich Name und Anschrift anzugeben seien. Die Angabe von Name und Anschrift sei jedoch nicht notwendige Voraussetzung für die hinreichend bestimmte Benennung eines Zeugen. Könne der Antragsteller Namen und/oder Adresse nicht nennen, so genüge es vielmehr auch, wenn er die zu vernehmende Person auf sonstige Weise derart individualisiert, dass eine Verwechslung mit anderen ausscheidet, und der Antragsteller konkret aufzeigt, auf welchem, direkt zielführenden, Weg das Gericht die Personalien und/oder den Aufenthalt des Zeugen zuverlässig feststellen und ihn laden kann.

Im vorliegenden Fall liege kein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO vor, es handele sich lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Götzl legt kurz zwei verschiedene Auffassungen zu dieser Frage dar, sagt dann aber, dass die Streitfrage offen bleiben könne, weil im vorliegenden Fall nach beiden Auffassungen lediglich ein Beweisermittlungsantrag vorliege. Fehlend für die Qualifizierung als Beweisantrag nach der wohl überwiegend vertretenen Auffassung sei, dass die Antragsteller nicht konkret aufzeigten, auf welchem direkt zielführenden sicheren Weg das Gericht die Personalien und den Aufenthalt der Zeugin feststellen kann. Der Hinweis der Antragsteller, die Identität der Zeugin und deren Anschrift ließe sich durch Anfragen bei sämtlichen VS-Behörden und/oder beim LKA Sachsen und/oder beim TLKA ermitteln, stelle keinen derartigen Weg dar:

i. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat im Jahr 2000 Beschränkungsmaßnahmen nach dem G10-Gesetz und Observationsmaßnahmen durchgeführt. Eine zur Ermittlung der Identität der Zeugin dort durchgeführte Anfrage erbrachte weder den Namen noch eine Erreichbarkeit der bezeichneten Zeugin. Laut Mitteilung des LfV Sachsen sind diesbezügliche Unterlagen bereits vernichtet. Die Antragsteller behaupten nunmehr aufgrund des „Umfangs und der Intensität“ der Maßnahmen des LfV Sachsen und „entsprechend der gängigen Arbeitsweisen der Verfassungsschutzämter“ müssten die gewonnenen Erkenntnisse in eine Vielzahl von anderen Sachakten eingeflossen sein und daher noch vorhanden sein. Hierbei handelt es sich aber um eine Spekulation der Antragsteller, die nicht tatsachengestützt ist.
ii. Die Antragsteller tragen weiter vor, es bestehe „zudem die Möglichkeit der Namhaftmachung der Kontaktperson Werners durch andere Verfassungsschutzbehörden“. Es sei nämlich davon „auszugehen“, dass Protokolle oder zumindest konkrete Informationen zu der weiblichen Kontaktperson an diese Behörden gesteuert wurden und diese dort noch vorhanden sind. Die Antragsteller vermuten in diesem Zusammenhang aber lediglich, dass eine Dokumentensteuerung an andere Behörden stattgefunden habe, weil diese in die Suche nach dem „Trio“ eingebunden gewesen seien. Die Einbindung in die Suche stellt aber kein Argument dafür dar, dass gerade Unterlagen, die für die Identifizierung der Zeugin von Bedeutung sind, weitergeleitet worden sind.

iii. Die Antragsteller bezeichnen es weiter als „wahrscheinlich“, dass das BfV und auch andere Behörden die entsprechenden Informationen zur Namhaftmachung der weiblichen Kontaktperson von Jan Werner am 07.05.2000 auch aufgrund eigener Maßnahmen noch besitzen. Auch hierbei handelt es sich um eine reine Vermutung.
iv. Die Regelung von § 4 Artikel 10-Gesetz, der die Löschung von personenbezogenen Daten regelt, wird von den Antragstellern völlig außer Acht gelassen. So ist schon aufgrund der Löschungsvorschriften nicht zu erwarten, dass noch bei Behörden Unterlagen vorhanden sind, welche die Identifizierung der Zeugin ermöglichen.

Ob einem derartigen Beweisermittlungsantrag ganz, teilweise oder überhaupt nicht nachgegangen wird, sei im Rahmen der gerichtlichen Aufklärungspflicht zu entscheiden, so Götzl:
Diese Pflicht reicht so weit wie die aus dem gesamten Prozessstoff bekannt gewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahe legen. Dabei muss nur den erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen werden.
1. Wie oben dargestellt beruht der Vortrag der Antragsteller, Identität und Anschrift der benannten Zeugin ließen sich durch Anfragen bei den benannten Behörden ermitteln, lediglich auf Vermutungen. Die Ermittlungen, die der Senat beim LfV Sachsen, das die relevante G10-Maßnahme durchgeführt hat, tätigte, führten zu keiner Identifizierung der Zeugin.
2. Vor diesem Hintergrund drängt daher die Aufklärungspflicht nicht dazu, Anfragen zur Identität und der Anschrift der Zeugin an die genannten Behörden zu richten.

Bei den Anträgen auf Beiziehung der Vernichtungsverhandlungen handele es sich um Beweisermittlungsanträge, die durch Beiziehung dieser Schriftstücke erfüllt werden sollten, so Götzl. Er macht wieder kurze allgemeine Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen und sagt dann, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die begehrten Vernichtungsverhandlungen beizuziehen; es sei damit kein Aufklärungsgewinn zu erzielen und keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Auskunft des LfV Sachsen im Hinblick auf die erfolgte Löschung der relevanten G10-Protokolle und Standortdatenfeststellungen, unzutreffend ist.

Götzl verkündet den Beschluss, dass den Anträgen, die vom Justizministerium Brandenburg an den NSUUA des brandenburgischen Landtages sowie an den NSUUA des Bundestages übersandten Verfahrensakten betreffend den V-Mann des LfV Brandenburg beizuziehen und der Verteidigung sodann Einsicht zu gewähren [siehe 328. Verhandlungstag], nicht nachgekommen wird. Es handele sich um Beweisermittlungsanträge, die durch Beiziehung der genannten Akten und Gewährung von Akteneinsicht erfüllt werden sollen. Götzl macht die üblichen Ausführungen dazu, unter welchen Umständen Beweisermittlungsanträgen nachzukommen ist. Dann sagt er, dass die Aufklärungspflicht nicht dazu dränge, die beantragten Akten beizuziehen. Es sei nicht erkennbar, dass der Inhalt der Akten im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage bei den angeklagten Personen zu einem Aufklärungsgewinn führen würde:

a. Die Antragsteller tragen zusammengefasst vor, nach Medieninformationen seien bezüglich des Zeugen Szczepanski weitere „für die Aufklärung der NSU-Mordserie“ relevante Verfahrensakten aufgetaucht. Die Akten seien bereits an zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse weitergeleitet worden. Sie würden unter anderem strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Szczepanski betreffen. Entsprechend dem Vortrag der Antragsteller sei anzunehmen, dass die Akten Aufschluss über mögliche Waffengeschäfte zwischen Szczepanski und dem Zeugen Jan Werner geben könnten, insbesondere im Zusammenhang mit den „drei untergetauchten sächsischen Skinheads“. Nach den Angaben der Angeklagten Zschäpe solle Jan Werner möglicherweise eine Schalldämpferwaffe beschafft haben. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Tatwaffe 83 über Jan Werner und/oder Carsten Szczepanski, die beide Kontakt in die Schweiz gehabt hätten, an Böhnhardt und Mundlos gelangt sei.

b. Die Bedeutung der Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, für das vorliegende Verfahren wird zunächst auf „Medieninformationen“, auf die Weiterleitung dieser Akten an parlamentarische Untersuchungsausschüsse und auf „Annahmen“ der Antragsteller gestützt. Eine konkrete und aufgrund von Tatsachen nachvollziehbare Bedeutung dieser Akten, die geeignet wäre, die Aufklärungspflicht zu begründen, belegen diese Umstände jedoch nicht. Die Antragsteller tragen selbst nur vor, es sei „anzunehmen“, dass die Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, Aufschlüsse
über Waffengeschäfte zwischen dem Zeugen Szczepanski und Jan Werner geben können. Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Akten zu derartigen Geschäften tatsächlich verhalten, sind allerdings nicht vorhanden und werden von den Antragstellern auch nicht vorgetragen. Der Hinweis der Antragsteller auf die Angaben der Angeklagten Zschäpe verfängt ebenfalls nicht. Die Angeklagte Zschäpe hat sich zwar über ihren Verteidiger u.a. dahin eingelassen, sie habe von Uwe Böhnhardt erfahren, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei; sie meine, so ließ sie vortragen, sie könne sich erinnern, dass in diesem Zusammenhang auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen sei. Beschwören könne sie das aber nicht. Diese Angaben der Angeklagten in diesem Zusammenhang sind zu vage und zu unsicher, um den Schluss zu rechtfertigen, dass eine Lieferung einer Pistole durch Jan Werner überhaupt erfolgt ist. Selbst wenn man eine Waffenlieferung unterstellen würde, existieren dann zudem keinerlei Hinweise darauf, dass es sich um die hier relevante Ceska 83 gehandelt hat. Dass die Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, diesbezüglich weitere Aufklärung erbringen würden, ist nicht ersichtlich.

c. Eine Gesamtbetrachtung all der aufgeführten Umstände führt ebenfalls nicht dazu, dass sich der Senat von der Aufklärungspflicht gedrängt sähe, die beantragten Akten beizuziehen. Es ist nicht erkennbar, hinsichtlich welches konkret verfahrensrelevanten Umstands die Beiziehung und anschließende Auswertung der beantragten Akten zu einem Aufklärungsgewinn führen soll. Insbesondere der Hinweis der Antragsteller auf eine SMS, die Jan Werner an den Zeugen Szczepanski versandte und nach fragte „Hallo was ist mit den Bums“, drängt nicht zur Beiziehung der beantragten Akten. Selbst wenn man diesen Satz als Anfrage im Zusammenhang mit einem Schusswaffengeschäft auffassen würde, ergibt sich hieraus nicht, dass eine Waffenlieferung dann auch tatsächlich erfolgt ist und dass es sich, sofern man sogar eine Lieferung unterstellt, dann um die hier relevante Ceska 83 gehandelt hat. Zudem sind auch keinerlei Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, zu diesem Sachverhalt verhalten würden.

Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Hilfsantrag, dem SV Prof. Dr. Faustmann, den die Antragsteller gemäß § 245 Abs. 2 StPO zu laden gedächten, im Wege des Sachberichts durch den Vorsitzenden die für die Erstellung eines methodenkritischen Gutachtens notwendigen Anknüpfungstatsachen zu vermitteln, abgelehnt wird. Der Antrag sei nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens abzulehnen gewesen. Einem von der Verteidigung geladenen und zum Verhandlungstermin präsenten SV müsse das Gericht grundsätzlich keine – weitere – Vorbereitungszeit für die Gutachtenerstattung einräumen, sondern der SV müsse sein
Gutachten aufgrund der meist vom Angeklagten und dessen Verteidiger vermittelten Kenntnisse sowie der Erörterungen in der Hauptverhandlung erstatten. Besonderheiten, die es nahelegen, von diesem Grundsatz abzuweichen, seien nicht ersichtlich. Eine ausreichende Information des SV Faustmann ist mit dem schriftlichen Manuskript des mündlichen Gutachtens von Prof. Dr. Saß zusammen mit den von den Antragstellern angefertigten Mitschriften objektiv möglich. Die
Antragsteller hätten zur Sicherung der Qualität ihrer Mitschriften die Anregung des Senats aufgegriffen, bei Bedarf den SV zu unterbrechen und ihn zum Wiederholen von Ausführungen oder zum langsameren Vortrag aufzufordern.

Zuletzt verkündet Götzl den Beschluss, dass der Antrag, den Brief Zschäpes an , soweit es sich um das Bild der „selbst gezeichneten Ente“ handele, in Augenschein zu nehmen [340. Verhandlungstag], abgelehnt wird. Es handele sich um einen Beweisermittlungsantrag, so Götzl. Wieder macht er die üblichen allgemeinem Ausführungen zu Beweisermittlungsanträgen. Dann sagt er, dass die Aufklärungspflicht nicht zu der Augenscheinseinnahme dränge:
a. Der psychiatrische Sachverständige Prof., Dr. Saß hat in seiner Anhörung am 26.01.2017 überzeugend ausgeführt, die Zeichnung auf dem Brief – eine Ente – sei für seine sachverständige Beurteilung der von ihm zu bearbeitenden Fragenkreise ohne Bedeutung.
b. Außerhalb des psychiatrischen Gebiets ist eine Relevanz der Zeichnung weder offenbar noch wurde eine derartige vom Antragsteller behauptet.
c. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht erkennbar, dass der beantragte Augenschein der Zeichnung auf dem Brief der Angeklagten an Robin Schmiemann im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage zu einem Aufklärungsgewinn führen könnte.

Götzl: „Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen, wir setzen fort am Dienstag, 07.02.2017, mit Prof. Dr. Saß. Für Mittwoch, 08.02,. haben wir den Zeugen KHK Sch. geladen bezüglich des Vermerks, der heute verteilt wurde. Dann ist die Hauptverhandlung für heute geschlossen.“ Der Verhandlungstag endet um 13:56 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Das Gericht verlas mehrere Dokumente aus den Akten. Darunter war etwa ein Vermerk eines Polizisten, der Beate Zschäpe im Sommer 1997 auf dem Weg zu einer Tagung in Hetendorf auf dem Gelände des Neonazis und Rechtsanwalts festgestellt hatte. Des Weiteren war nach dem Antrag aus der Nebenklage zum möglichen Ausspähen der Synagoge in Berlin […] eine Liste jüdischer Einrichtungen in der vom NSU zusammengestellten Adresssammlung erstellt worden. Auch diese Liste, die über 200 Adressen umfasste, wurde heute verlesen. Sie stellt, zumal angesichts des bekannten Antisemitismus der NSU-Mitglieder, einen weiteren Hinweis darauf dar, dass diese Anschläge auf jüdische Einrichtungen grundsätzlich geplant hatten, auch wenn solche Pläne dann, soweit bekannt, nicht umgesetzt wurden. Das Gericht fuhr dann fort mit seiner Ablehnung aller Anträge, die auf eine weitere Aufklärung der Tatsachen rund um den NSU abzielen: u.a. lehnte es einen Antrag ab, mit dem bewiesen werden soll, dass V-Mann-Führer „Görlitz“ vor Gericht Lügen über seine Treffen mit dem V-Mann Carsten Szczepanski erzählte und so zu verbergen versuchte, dass der Verfassungsschutz Brandenburg im Interesse des „Quellenschutzes“ für Szczepanski eine konkrete Gelegenheit, den untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt auf die Spur zu kommen, vereitelte. Der Senat erklärte die Aussage von Görlitz – der vor Gericht einen so unglaubwürdigen Eindruck gemacht hatte, wie es selbst wenige Zeugen aus der Nazi-Szene vermochten […] – für glaubwürdig und die Frage, ob das Verfassungsschutz die Auffindung der Untergetauchten vereitelt hatte, für irrelevant – ein Kommentar hierzu erübrigt sich.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/31/31-01-2017

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